Wie man sein Leben meistert - Heinz Hofmann - E-Book

Wie man sein Leben meistert E-Book

Heinz Hofmann

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Beschreibung

Mitte September 1989 konnten meine Frau und ich zusammen mit der Familie meiner Tochter nach fast vier Jahren Staatsterror, wie im Teil 1 meines Buches authentisch berichtet, endlich in die BRD ausreisen und sich hier eine Existenz aufbauen. Wie sich unsere Einbürgerung und Integration als Deutsche aus der DDR vollzog, welche Hürden zu nehmen waren, um zustehende finanzielle Leistungen, eine zumutbare Wohnung, sowie eine berufliche Perspektive zu bekommen und wie sich das im Kontext mit den historischen Ereignissen bei der Auflösung der DDR, der Wiedervereinigung Deutschlands und weiterer gesellschaftspolitischer Hintergründe abgespielt hat, wird in diesem Buch geschildert. Nicht unbeabsichtigt ist der Vergleich mit der Willkommenskultur Deutschlands im Jahr 2015 und den dabei gewährten wertvollen, jahrelangen Leistungen und Integrationshilfen für die Neuankömmlinge, die häufig Wirtschaftsflüchtlinge sind, von denen nicht Alle Gutes im Sinn haben und teilweise unsere Gesellschaft vor große Probleme stellen. Der weitere berufliche und private Werdegang, einschließlich vieler, interessanter Reiseberichte aus fernen Ländern, eingebettet in bemerkenswerte, private und historische Ereignisse bis zum Millennium, wird auf unterhaltsame Weise in diesem Buch ausführlich beschrieben.

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Danksagung

Dieser zweite Teil meines Buches ist meiner Tochter Annett gewidmet.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Kapitel 1: 1989 - 1990 Neuanfang und Berufseinstieg in der BRD

1.1 Neueinbürgerung

1.2 Arbeitsstellenbewerbungen

1.3 Mietverhältnis

1.4 Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme

Kapitel 2: Berufsjahre 1991-98, Arbeitslosigkeit bis 2000

2.1 Die Jahre 1991 bis 1992 - Ereignisse und Umzug nach Pfungstadt

2.2 Die Jahre 1993 bis zur betriebsbedingten Kündigung 1997

2.3 Erneuter Berufsstart 1998 mit Kündigung in der Probezeit

2.4 Arbeitslosigkeit bis zum Millennium

Nachwort

Einführung

Der 2. Teil meines Buches „Wie man sein Leben meistert – erfolgreiche Integration in Deutschland, beginnt im zweiten Halbjahr 1989, als unsere Familie nach dem Besuch der Deutschen Botschaft in Prag (mit Kontaktaufnahme zur BRD-Familienministerin per Kurierpost) vom DDR-Regime die Ausreise in die BRD genehmigt bekam und wir vor der DDR-Wende und Wiedervereinigung Deutschlands am 16.09.1989 nachts um 4.00 Uhr in Seeheim-Jugenheim in Hessen angelangt waren.

Wie sich unsere Einbürgerung und Integration als Deutsche aus der DDR vollzog, welche Hürden zu nehmen waren, um zustehende finanzielle Leistungen, eine zumutbare Wohnung, sowie eine berufliche Perspektive zu bekommen und wie sich das im Kontext mit den historischen Ereignissen bei der Auflösung der DDR, der Wiedervereinigung Deutschlands und weiterer gesellschaftspolitischer Hintergründe abgespielt hat, wird in diesem Buch geschildert. Nicht unbeabsichtigt ist der Vergleich mit der Willkommenskultur Deutschlands im Jahr 2015 und den dabei gewährten wertvollen, jahrelangen Leistungen und Integrationshilfen für die Neuankömmlinge, die häufig Wirtschaftsflüchtlinge sind, von denen nicht Alle Gutes im Sinn haben und teilweise unsere Gesellschaft vor große Probleme stellen.

Der weitere berufliche und private Werdegang, einschließlich vieler, interessanter Reiseberichte aus fernen Ländern, eingebettet in bemerkenswerte, private und historische Ereignisse bis zum Millennium, wird auf unterhaltsame Weise in diesem Buch ausführlich beschrieben.

Kapitel 1: 1989 - 1990 Neuanfang und Berufseinstieg in der BRD

1.1 Einbürgerung

Meine Frau Helga, ich, sowie Tochter Annett, Ehemann André und Enkelchen Melanie hatten nach Antragstellung auf Familienzusammenführung und über dreieinhalb Jahre zermürbender Wartezeit mit vielen systembedingten Bösartigkeiten endlich nach dem Besuch der Prager BRD-Botschaft und einem von mir erstellten Schreiben an die Familienministerin der BRD mit staatlicher Genehmigung der DDR in die BRD als Staatenlose ausreisen dürfen.

Das Buch Teil 1 endet mit unserer gemeinsamen Ankunft im September 1989 im südhessischen Seeheim-Jugenheim.

Helgas Tochter Karin aus erster Ehe war schon Ende 1984 ebenfalls mit staatlicher Genehmigung mit ihrer Familie in die BRD übergesiedelt.

Als Treuhänder hatten wir uns in der DDR verpflichtet Ihre Wohnungsauflösung und -übergabe, sowie die Zusammenstellung und Zwischenlagerung Ihres Umzugsgutes einschließlich der Zollformalitäten mit der zugelassenen westdeutschen Umzugsfirma nach ihrer Ausreise abzuwickeln und dieses Versprechen auch vollinhaltlich gehalten, was natürlich vom SED-Regime nachteilig für uns geahndet wurde.

Karin erlaubte uns Neuankömmlingen ihre Mietwohnung bis zur endgültigen Klärung mit Ihrer Vermieterin nutzen zu dürfen, da sie aus diesem Anlass die ersehnte Möglichkeit hatte in das Haus ihres ca. 10 Jahre älteren in Bickenbach lebenden Freundes einziehen zu können, der möglichst allein bleiben wollte, da er schon einmal geschieden und dabei finanziell arg gebeutelt worden war. Karins Tochter Yvonne war von diesem Einzug in das Haus in Bickenbach keineswegs angetan, denn sie konnte sich für den etwas sonderlichen und vor allem stark egozentrischen Freund ihrer Mutter, der etwas älter als ich ist, nicht so richtig begeistern, weshalb sie mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln alles versuchte, diesen Umzug zu verhindern.

Obwohl es Karin finanziell schlecht ging und ihr Ehemann sich inzwischen endgültig von ihr getrennt hatte, sorgte sie doch löblicherweise für uns mit einem Grundstock an Lebensmitteln vor.

Eine Ungewissheit allerdings war für uns alle gegeben, weil Karins Vermieterin zunächst von unserem Aufenthalt in dieser Wohnung nicht in Kenntnis gesetzt wurde und wir alle nicht wussten, wie diesbezüglich deren Reaktion sein würde, wenn Sie denn Kenntnis davon erlangen würde.

Wichtig für mich war daher nach der Einbürgerung möglichst schnell eine Arbeitsstelle zu bekommen, um der Vermieterin unsere finanzielle Sicherheit nachzuweisen, damit wir als Nachmieter überhaupt in Frage kommen konnten, um diese Wohnung als Mieter übernehmen zu können.

Natürlich war für uns diese Wohnung von Vorteil, da wir nicht im Lager in Gießen wohnen mussten, jedoch ab sofort jeden Tag nach Gießen (fast 100 km Entfernung) zu fahren hatten.

Da wir die halbjährige Enkelin Melanie nicht nach Gießen mitnehmen wollten, war Helga bereit sich um sie im neuen Zuhause zu kümmern.

So fuhren wir denn zu dritt am 17.09.1989 mit meinem PKW Wartburg-Tourist nach Gießen ins Auffanglager, um die Staatsbürgerschaft der BRD zu beantragen, was etwa eine Woche dauerte und täglich die Fahrt nach Gießen erforderte.

Das Lager in Gießen war nicht zu verfehlen, da man schon im nahen Umkreis jede Menge Handwerkerfahrzeuge sah, in denen sich geschulte Werber bemühten unerfahrene Übersiedler mit ihren scheinbar vorteilhaften Lohnversprechungen zu ködern, die in der Praxis jedoch Dumpinglöhne waren. Leider tappten viele junge Leute, die nur die geringen Löhne der DDR kannten, aus Unerfahrenheit und Unkenntnis mit dem tatsächlichen Lohngefüge in der BRD in diese Falle, unterschrieben Arbeitsverträge, die frühestens nach einem Jahr kündbar waren und so dem neuen Arbeitgeber eine möglichst gut ausgebildete und billige Fachkraft gewährleisteten.

Auch ich bin mit einer gehörigen Portion Idealismus, Optimismus und Unerfahrenheit im anderen System angekommen und sehr schnell desillusioniert worden.

Zunächst mussten wir uns erst einmal anmelden und unmittelbar danach gab es pro Person eine Art Begrüßungsgeld von etwa 7,50 D-Mark pro Person. Obwohl Helgas Unterlagen vorgezeigt wurden, wir ausdrücklich darauf hinwiesen, dass sie wegen des Kleinkindes nicht mitkommen konnte, wurde ihr Tagesgeld nicht ausgezahlt.

Für mich heute noch immer ein kinderunfreundlicher und unverständlicher Akt in Anbetracht der ohnehin kleinen Summe und das gegenüber den eigenen deutschen Landsleuten, wenn man heutzutage vergleicht, welche Summen den Asylsuchenden aus fernen Ländern übereignet werden, von denen eindeutig ein gewisser Teil Wohlstandsflüchtlinge sind. Die tatsächlich Bedürftigen beispielsweise aus Syrien hausen in riesigen Lagern in den ebenfalls armen Nachbarstaaten, weil sie hoffen bald wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können und vor allem weil sie nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, die man für so eine weite Reise benötigt, zumal man inzwischen weiß, welch horrende Preise von organisierten Schleppern gefordert werden.

Danach hatten wir etwa eine Woche lang jeden Tag einige Stationen zur Vorbereitung der Einbürgerung zu durchlaufen.

Was uns hierbei besonders nervte waren die laut schwadronierenden, braun gebrannten, erholten DDR-Bürger, die direkt aus Ungarn in dieses Lager gekommen waren, weil die ungarische Regierung die Grenze nach Österreich geöffnet hatte, während wir vom DDR-Regime völlig fertig gemacht, ziemlich am Ende unserer nervlichen Kräfte waren.

Interessant war die komplexe Befragung hinter dicken, gepolsterten Türen beim Geheimdienst, die jeder einzeln zu durchlaufen hatte. Hierbei wurde ich gefragt, wie lange meiner Meinung nach sich das DDR-Regime noch halten könne. Entsprechend meiner damaligen Erkenntnis schätzte ich ein, dass wegen der russischen Bajonette sich dieses System noch lange halten könne, und wir daher froh sind endlich in Freiheit zu sein. Wenige Monate später wurde mir klar, dass die Aussagen des „geheimdienstlichen Englischlehrers“ in der Volkshochschule in Dresden keine Finte, sondern die reale zukünftige Perestroika-Politik unter Gorbatschow waren, was für mich damals in Dresden schwer zu glauben war (siehe Buch Teil 1). Da wir nicht wussten, ob wir für die Wohnung in Seeheim-Jugenheim einen Mietvertrag abschliessen konnten und nicht als Obdachlose enden wollten, wurde uns in Oberursel auf dem Hühnerbergweg eine feuchte, schimmlich riechende Souterrain-Wohnung zugewiesen, was natürlich Mietzahlung erforderte.

In diesem Haus wohnten nur Russland-Deutsche und ständig wurde unser Briefkasten mit Werbung regelrecht zugemüllt.

Mit dieser Zuweisung war die Meldung beim Arbeitsamt in Oberursel verbunden.

Der dort für uns zuständige Bearbeiter war nicht nur kurz angebunden, sondern machte auch gar kein Hehl daraus, wie ablehnend er gegenüber Neuankömmlingen aus Ostdeutschland war.

Außer den unerlässlichen Formalitäten erfuhren wir von ihm keinerlei Unterstützung hinsichtlich Arbeitsvermittlung und dergleichen.

Dafür aber verschleppte er durch gezielte Fehlleitung vorsätzlich und bewusst die spätere Auszahlung meines dringend zum Leben benötigten Arbeitslosengeldes.

Zunächst meldeten wir uns mal in Seeheim-Jugenheim mit Angabe von Karins Wohnung an, weil wir die große Hoffnung hatten hier einen Mietvertrag abschließen zu können, zumal es auch bei der Arbeitsstellensuche notwendig war einen ständigen und anständigen Wohnsitz vorweisen zu können.

Wer in diesem System weder einen festen Wohnsitz, noch eine feste Arbeitsstelle vorweisen kann, hat sehr schlechte Karten für den Existenzaufbau. Hat man eines von beiden sind die Chancen schon wesentlich besser.

1.2 Arbeitsstellenbewerbungen

Leider erhielt ich auf meine Bewerbungen als Chemischer-Verfahrenstechniker sowohl bei der Firma Röhm, als auch bei der Firma Merck nur Ablehnungen, weil ich wahrscheinlich schon zu alt war und diese Firmen möglichst intern ihren Nachwuchs vorzogen. Meine Hinweise auf Patente während meiner Tätigkeit in der Forschung zeigten keinerlei positive Wirkung.

Als nächste Maßnahme vermittelte Karin uns ein Treffen mit Herrn Dr. K., den ich, wie im Teil 1 meines Buches geschildert, während meines zehntägigen BRD-Aufenthaltes im April 1989 kennenlernte und der sich als Führungspersönlichkeit für mich bei der Firma Lurgi um eine Arbeitsstelle bemühen wollte. Leider war die damals avisierte Stelle inzwischen neu besetzt worden und zurzeit bestand bei der Firma Lurgi kein weiterer Arbeitskräftebedarf. Da er aber über sehr viele Kontakte verfügte, konnte ich mich unter Bezugnahme seines Namens bei zwei Personalbüros telefonisch melden, bei denen ich unter Vorlage meiner Bewerbungsunterlagen direkt zu einem Personalgespräch eingeladen wurde, allerdings bezogen auf meine Projektierungskenntnisse in den Gewerken Heizung-, Lüftung- und Klimatechnik.

Mein erstes Vorstellungsgespräch hatte ich bei der Firma Kessler und Luch in Gießen. Hier hätte ich sofort einen Arbeitsvertrag abschließen können, um dann jeden Tag 100 km hin und zurück grundsätzlich mit eigenem Auto ohne betriebliche Kilometerpauschale und dann ab Werk mit Kilometerpauschale fahren zu müssen. Mit dem angebotenen, sehr dürftigen Monatslohn war mir das zu suspekt, zumal mein Wartburg-Tourist auch nicht mehr der Jüngste war. Die zweite von Dr. K vermittelte Arbeitsstelle war in Aachen bei einer dort ansässigen, renommierten Firma. Telefonisch nahm ich Kontakt auf, aber auch dort waren die Konditionen recht bescheiden und hätten einen Umzug nach Nordrhein-Westfalen bedeutet, auch nicht gerade zielführend.

Auch meinen Bruder bat ich doch mal bei der Firma Bayer in Leverkusen sich für mich zu verwenden. Leider kam dabei überhaupt nichts heraus, weil er nicht einmal einen Versuch unternommen hat. Da also in Richtung Chemische Verfahrenstechnik für mich leider keinerlei Möglichkeit bestand eine irgendwie geartete lukrative Arbeitsstelle zu finden, konzentrierte ich mich auf das aussichtsreichere Gebiet der Gewerke Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. Auf eine Zeitungsannonce hin vereinbarte ich ein Vorstellungsgespräch mit dem für dieses Fachgebiet zuständigen Abteilungsleiter einer damals bekannten Darmstädter Firma. Es stellte sich heraus, dass dieser Abteilungsleiter auch an der TU Dresden studiert hatte und für mich recht suspekt in die BRD gelangt sein musste. Sein späteres Verhalten und sein Umgang mit dem Personal erinnerte mich stark an einen Führungsoffizier der Stasi. Sehr schnell erkannte er, hier eine gute Fachkraft akquirieren zu können und wir schlossen sofort einen Vorvertrag ab.

Da ein Großauftrag für diese Firma im Brennelementewerk Hanau ab Dezember 1989 zu erwarten war, wurde mir als voraussichtlicher Arbeitsbeginn der 01.12. 1989 genannt. Vorher sollte aber noch zusammen mit dem Bereichsleiter das offizielle Einstellungsgespräch mit Vertragsunterzeichnung stattfinden.

Anfang November 1989 kam dann bei dieser Darmstädter Firma das Einstellungsgespräch zustande. Schon bei meinem Eintreffen nahm mich der zuständige Abteilungsleiter mit dem ich den Vorvertrag abgeschlossen hatte beiseite und bereitete mich darauf vor, dass die im Vorvertrag genannten Randbedingungen sich verschlechtern werden.

Zunächst wurde ich vom Bereichsleiter bezüglich meiner Berufserfahrungen und Kenntnisse ausführlich examiniert. Nachdem das zur Zufriedenheit absolviert war, konnte ich den Einstellungsvertrag einsehen. Das im Vorvertrag angepeilte Tarifgehalt war wie vorher angedeutet reduziert worden. Was mich sehr verwunderte, war eine Vorbehaltsklausel für eine Probezeit von zusätzlich einem halben Jahr.

Außerdem wurde festgelegt, dass trotz Tarifgehalt insgesamt pro Monat 15 Überstunden kostenfrei zu erbringen sind. So etwas nenne ich einen Knebelvertrag, doch was blieb mir anderes übrig in meiner Situation, ich musste annehmen! Mein Gehalt in Höhe von 5228 DM wurde für die ersten sechs Monate vom Arbeitsamt bezahlt, da ich ja als ehemaliger DDR-Bürger erst einmal neue Techniken und Produkte in der Bundesrepublik Deutschland kennenzulernen hatte. Der Einarbeitungsplan war in 4 Punkte gegliedert und enthielt Grundsätze, die ich bereits einwandfrei beherrschte. Ein Mitarbeiter wurde benannt, der mich einweisen sollte. Im Nachherein kann ich sagen, dass nicht ein einziges Mal diese Einweisung notwendig war und es mir oblag mich einzuarbeiten. Für die Firma war das ein voller finanzieller Erfolg, hatte man doch eine hochqualifizierte Arbeitskraft sehr preiswert mit staatlicher Unterstützung einstellen können.

1.3 Mietverhältnis

Die Eltern von Karins Freund wohnten in Bickenbach in seiner unmittelbaren Nähe und waren zu uns sehr freundlich, zumal seiner Mutter sehr daran gelegen war für ihren etwas sonderbaren Sohn eine angenehme Partnerin zu gewinnen.

Ihr Mann Peter war trotz seines hohen Alters ein quirliger Typ und führte stets ein offenes Haus. Was den Umbruch in der DDR betraf war er äußerst wissbegierig und ahnte schon, dass sich Großes anbahnte. So war er es, der einige von uns aus Dresden geschickte Pakete mit kleineren Umzugswaren in seinem Haus deponierte, die wir nun in Empfang nehmen konnten. Zunächst erhielten Helga und ich von ihm noch ein kleines „Freß-Paket“, was uns bei unserer miserablen finanziellen Lage geholfen hat. Natürlich haben wir auch unseren Kindern davon etwas abgegeben. Auch sie erhielten von ihm ein gleiches Paket, was ich sehr lobenswert fand. Doch wie es immer im Leben so ist, nichts ist umsonst.

Es dauerte nicht lange, da zeigte er mir einen Ofen der auszumauern und einen Schornstein auf dem Dach der zu reparieren war. Beides habe ich dann mit meinen handwerklichen Fähigkeiten als unser Dankeschön in Ordnung gebracht.

Neu für uns waren auch die Sperrmüllaktionen, typisch für eine Überfluss- und Wohlstandsgesellschaft. Hier konnten wir einige brauchbare Dinge an Land ziehen.

Inzwischen wurde es Karin brenzlig, da sie wusste, dass mit ihrer Vermieterin nicht gut Kirschen essen ist. Diese damals ca. 90-jährige Vermieterin aus dem ehemaligen Ostpreußen war ein Raffketyp und wie ich später feststellen musste auch etwas bösartig. Deshalb bemühte Karin sich, dass André, Annett und Melanie möglichst schnell die Wohnung verlassen sollten und vermittelte eine Arbeitsstelle mit Wohnung. Sie wusste, dass für eine fristlose Wohnungskündigung diese Unterbringung von fünf Personen ohne Wissen der Vermieterin möglich gewesen wäre.

Als wir das von Karin vermittelte Angebot dann dort besichtigt hatten, war uns klar, dass dies überhaupt keine Lösung für die Kinder war. Somit waren unsere Kinder in Zugzwang und hatten zeitlich keine Möglichkeit etwas Passables für sich zu finden. Im nahegelegenen Pfungstadt verdingte sich André dann als Bäcker zu einem jämmerlichen Preis. Im Haus war ein Zimmer für die dreiköpfige Familie vakant, dass sie mieteten und später noch saniert werden musste.

Leider hatten auch wir um unsere Existenz zu kämpfen und konnten uns deshalb nicht weiter hilfreich um unsere volljährigen Kinder kümmern.

Festzustellen ist, dass sich in der DDR alle an uns mit Billigkäufen und Betrügereien gütlich getan hatten und im neuen, kapitalistischen System durch Knebelverträge und Lohndrückerei diese Tendenz sich nahtlos bei unseren Brüdern und Schwestern im Westen fortsetzte.

Doch nun hatte ich einen Arbeitsvertrag in der Hand, den ich der Vermieterin vorlegen konnte, um einen Mietvertrag abschließen zu können. Daher suchte ich diese Vermieterin in Darmstadt auf und machte sie mit unserer Situation vertraut. Meine Art auf sie zuzugehen und der Arbeitsvertrag, der meine Solvenz belegte, führte bei ihr zu einer positiven Entscheidung. Somit erhielten wir ab dem 01.12.1989 einen Mietvertrag auf unseren Namen. Das Störfeuer, welches Karins Tochter gegenüber Karins Freund wirken ließ, verpuffte und Karin konnte mit ihrer Tochter in das Haus ihres Freundes einziehen. Wenig später ist Yvonne zur Familie ihres Freundes gezogen, die auch ein Haus besitzen, weil es mit Karins Freund und ihr nicht lange gut gegangen wäre.

Endlich konnten wir für unsere Zukunft planen und bei unserem Treuhänder veranlassen, dass unser im Keller der ehemaligen Wohnungsnachbarin in Dresden gelagertes Umzugsgut per Spedition zu uns überführt werden konnte.

Karin hatte mit uns vereinbart, dass wir für Oktober 1989 die halbe Miete und ab November die volle Miete bezahlten. Zuzüglich musste auch noch die Miete für die schimmelig riechende Souterrain-Wohnung in Oberursel beglichen werden, die wir zwar nie nutzten, aber ab November 1989 endlich kündigen konnten, da wir ja nun den Mietvertrag für die Wohnung in Seeheim-Jugenheim sicher wussten.

1.4 Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme

Glücklicherweise hatte Sieglinde auch Wort gehalten, deren Familie jetzt nahe ihrer Mutter in Hannover wohnte. Wie im ersten Buchteil beschrieben, hatten wir Treuhänderunterstützung in Dresden geleistet, und ihrer Mutter unser gesamtes zum Schwarzmarkt-Wechselkurs (1:4 bis 1:9) umgetauschtes Westgeld in Dresden mit einem Vollmachtschreiben mitgegeben, um für uns in der BRD ein Sparbuch einzurichten. Nach kurzem Telefonat wurde uns zeitnah das auf unseren Namen eingerichtete Sparbuch zugeschickt, sodass wir solvent waren, denn nur so war es überhaupt möglich weiter zu existieren und Verpflichtungen einhalten zu können, ohne uns massiv zu verschulden.

Inzwischen hatten wir uns beim Arbeitsamt in Darmstadt gemeldet und nach 14 Tagen erhielt wenigstens Helga Arbeitslosengeld, von dem wir aber nicht hätten existieren können. Der Angestellte im Oberurseler Arbeitsamt hatte vorsätzlich und bewusst es so eingerichtet, dass mein Arbeitslosengeld nicht ausgezahlt werden konnte, weil da irgendwelche Irrläufer bestanden. Erst als Helga beim Arbeitsamt in Darmstadt sich intensiv beschwerte, erhielt ich endlich im Dezember 1989, als ich schon werktätig war, das mir zustehende Arbeitslosengeld rückwirkend ausgezahlt. Rückblickend kann man feststellen, dass die Behörde Arbeitsamt nur die Arbeitslosigkeit verwaltet hat, denn auch ich erhielt bezüglich meines Berufseinstiegs keinerlei Hilfe. Meine Frau sollte wie schon im ersten Buchteil beschrieben ein halbes Jahr unentgeltlich im Kindergarten arbeiten und nachweisen, dass sie auch in der Lage ist Schulkinder zu betreuen, weil Ihr Ausbildungszeugnis sie als Kindergärtnerin für Vorschulkinder auswies. Nachdem sie einige Male in hiesigen Kindergärten hospitiert hatte war ihr klar, dass hierfür 14 Tage völlig ausgereicht hätten, denn ihre Qualifikation war höher als die ihrer Kolleginnen. Die Absicht war klar, kostenfrei eine qualifizierte Arbeitskraft ein halbes Jahr zu beschäftigen, um sie dann aus Altersgründen nicht zu übernehmen. Daher lehnte sie dieses Ansinnen ab.

Da wir ja nun unser Umzugsgut aus der DDR überführen lassen wollten, nahmen wir nach der Auszahlung des einmaligen Überbrückungsgeldes von 400,00 DM in Gießen die einzige Vergünstigung wahr, die den Übersiedlern geboten wurde - ein mit 5 % limitierter zinsgünstiger Kredit, den wir in Höhe von 5000,00 DM abschlossen.

Inzwischen baten wir Karin ihre Möbel nach Bickenbach zu überführen.

Doch sie riet zur Geduld, da ihr etwas sonderlicher Freund in seinem Haus nicht gern Veränderungen haben wollte und sie so peu à peu in kleinen Dosen ihm ihre Möbel unterjubeln wollte.

Wir erhielten von der Spedition Bartsch & Weikert die Mitteilung, dass am 10.11.1989 unsere Möbel aus der DDR angeliefert werden, jedoch nur ausgeladen wird, wenn wir vorher den Gesamtbetrag bar entrichten, ohne überhaupt feststellen zu können in welchem Zustand und ob komplett diese Möbelanlieferung durchgeführt wird. Tatsächlich kam der Vertreter dieser Spedition am 10.11.1989 in recht anmaßender Weise auf uns zu, ob wir den Betrag von 3.560,00 DM besitzen, sie hätten mit den Übersiedlern aus dem Osten schon oft schlechte Erfahrungen machen müssen.

Nachdem er das Geld nachgezählt hatte gab er uns eine Rechnung, aus der hervorging, dass sogar noch 500 DM Zollgebühren an die DDR entrichtet worden sind. Großzügig waren Pauschalen für Telefonate in Höhe von 45,00 DM und Besichtigungskosten von 130,00 DM enthalten. Toll!

Danach wurde dann endlich ausgeladen. Eine Beschädigung die ich feststellte wurde als Bagatelle abgetan, nicht der Rede wert, erledigt.

Irgendwann ging noch vor Jahresende auch die Überführung von Karins Möbeln nach Bickenbach über die Bühne.

Da Andres PKW Saporoshez aus der DDR ausgedient hatte, überraschte er uns mit einem preisgünstig erstandenen, grünen, leicht verbeulten AUDI und wir fuhren gemeinsam zum traditionsreichen „Deutschen Eck“ nach Koblenz, was für alle sehr interessant war.

Inzwischen hatten wir auch telefonischen Kontakt mit unserem ehemaligen Dresdner Balkonnachbarn Martin, der inzwischen vom Saarland nach Siegen umgezogen war. Er lud uns ein, an einem Ritteressen teilzunehmen, dass anlässlich eines Treffens ehemaliger Ausreiseantragsteller in Siegen stattfand. Das war für uns ein frohes Wiedersehen und eine neue Erfahrung, denn sowas wie ein Ritteressen kannten wir nicht. Was mir bei dieser Zusammenkunft auffiel: die Übersiedler passten sich an das neue System des Kapitalismus ziemlich schnell an und ihr Verhalten in der Gruppe veränderte sich dementsprechend rapide zum Negativen.

Am meissten interessierte uns Martins Bericht über die Strapazen und Demütigungen während seiner Inhaftierung bei der Stasi auf der Bautzener Strasse in Dresden. Hier erfuhren wir von den Methoden des Schlafentzuges, des ständigen Nacktseins und der „Kaltwasserbehandlungen“, mit denen die Gefangenen mürbe gemacht wurden.

In den letzten Novembertagen wurde ich schon von der neuen Arbeitsstelle in Darmstadt aufgefordert präsent zu sein, da bereits erste Gespräche zum neuen Hanauer Großvorhaben in Offenbach stattfanden und es sinnvoll war mich gleich mit einzubeziehen.

Da mein arg betagter Wartburg-Tourist es nicht mehr lange machen würde, war ich bestrebt ihn zum kleinen Preis zu verkaufen. Tatsächlich meldete sich ein aus der DDR übersiedelter junger Mann am ersten Wochenende im Dezember und es kam zur Probefahrt. Zuerst saß ich am Steuer und der Wagen fuhr einwandfrei. Der junge Mann bat mich doch auch mal ein kurzes Stück fahren zu dürfen, ohne dass bisher der Verkauf perfekt war. Ich fuhr also rechts in eine Parkbucht hinein und wir wechselten die Plätze. Ungestüm gab er gleich Gas und lenkte scharf links ein und sofort gab es einen Knall. Der linke Antrieb überstand dieses ungestüme Manöver nicht. Sehr langsam mit viel Geräusch sind wir dann wieder zurückgefahren.

„Ein defektes Auto möchte er nicht kaufen“ sagte er, obwohl er es kaputtgefahren hatte, was er aber so nicht wahrhaben wollte, da nach seiner Meinung ein intaktes Auto ein solches Manöver nicht schädigen könnte.

Für mich war es wieder einmal eine Lehre: lasse nie einen Fahrer an das Lenkrad deines Autos bevor du es nicht verkauft hast.

Da er Automechaniker war, stellte er mir in Aussicht einen Antrieb zu besorgen und die Reparatur kostenfrei durchzuführen. Im Ergebnis der ganzen Angelegenheit hat er gar nichts getan, denn nach der „imaginären Reparatur“ war der Fehler genau noch so da wie vorher. Für ganze 50 DM habe ich dann später das reparaturbedürftige Auto per Annonce verkaufen können, denn Wartburgreparaturen hätte man damals nur in der DDR vornehmen können.

Doch nun brauchte ich sofort ein Auto und bin noch am Sonnabend spätnachmittags nach Seeheim zu einem Autohändler gegangen, um einen Gebrauchtwagen auf Kredit zu erwerben. Der Händler hatte sofort erkannt, dass ich vom BRD-Automarkt keine Ahnung habe, dringend ein Auto brauchte und pries mir einen Ford-Orion an, den ich dann mit einer Anzahlung und einem Kreditvertrag nach Vorlage meines Arbeitsvertrages ausgestellt bekam und somit wieder mobil war.

Gegenüber einem PKW Wartburg-Tourist war das natürlich für mich erst einmal ein Quantensprung. Ein Arbeitskollege klärte mich dann schnell auf, dass dieser Autotyp den negativen Jahres-Zitronenpreis erhalten hatte und nicht besonders zu empfehlen wäre. Nun war mir auch klar, warum der Autohändler mir so spontan dieses Auto angedreht hatte.

Am folgenden Wochenende sind wir dann zusammen mit Karin und ihrem Freund in einen Nachbarort in ein Chinarestaurant gefahren. Alles war recht unterhaltsam, als Karins Freund plötzlich aus nicht erklärlichen Gründen sich mit seiner Partnerin anlegte, immer mehr in Rage geriet und uns zurief: “nehmt sie wieder mit!“ Plötzlich stand er auf und rauschte wie von Sinnen davon. Da er mit meinem Auto mitgefahren war, wollte er nach Bickenbach laufen - eine wahrhaft lange Strecke. Auch Karin wusste nicht warum er so ausgerastet war. Auf jeden Fall boten wir Ihr an zu uns kommen zu können, zumal sie keinen Hausschlüssel für das Bickenbacher Haus bei sich hatte. Wir haben sie aber später auf ihren Wunsch hin nach Bickenbach gefahren und irgendwie muss der lange Fussweg bei ihm zu einer gewissen Einsicht geführt haben, denn er hat sie doch ins Haus hereingelassen….

Zwischenzeitlich hatten wir im Darmstädter Landratsamt zu tun und bei dieser Gelegenheit teilte uns ein junger Beamter mit, der offensichtlich Schwierigkeiten mit der Unterscheidung von DDR-Übersiedlern und Russlanddeutschen hatte, dass die Umzugskosten der Übersiedler vom Staat übernommen würden. Daher habe ich mir im Dezember von der Firma für einige Vormittagsstunden freigeben lassen um dies zu regeln, was mir auch zugestanden wurde.

Wie kompetent diese Aussage war, hat mir dann an diesem Tag ein anderer Mitarbeiter des Landratsamtes erläutert. Nur für Russlanddeutsche würde diese Regelung gelten, jedoch in keinem Fall für Übersiedler aus der DDR!

Auch hier war wieder klar, welchen Stellenwert die Brüder und Schwestern aus der DDR tatsächlich hatten. Toll!

Auf der Fahrt zum Landratsamt bin ich auch noch geblitzt worden. Außer Spesen, nichts gewesen!!

Im Fernsehen konnten wir verfolgen, wie schon nach dem DDR-Republikfeiertag, der von den Ostberliner Machthabern mit starken Restriktionen bezüglich der Berichterstattung und Einreisen nach Berlin-Ost begleitet wurde, die Situation in dem denkwürdigen Ausspruch Gorbatschows in Richtung Honecker gipfelte: “wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.

Immer mehr DDR-Bürger gingen zu den sogenannten Montagsdemonstrationen auf die Straße und wurden anfangs mit Schlagstöcken und Wasserwerfern traktiert und teilweise eingesperrt.

Doch Mitte Oktober wendete sich das Blatt. Honecker wollte mit Panzern und allen verfügbaren Machtmitteln gegen die Demonstrierenden vorgehen. Stattdessen wurde er abgesetzt und Egon Krenz als ZK-Sekretär für Sicherheit und Ordnung zu seinem Nachfolger ernannt. Diesem Hardliner und Kronprinzen Honeckers, der bisher brutal gegen die Demonstranten vorging, wurde untersagt ein Blutbad anzurichten, wohl in Absprache mit Gorbatschow. Krenz versuchte durch Reformankündigungen die Protestbewegung zu stoppen, doch das Maß war voll, die Glaubwürdigkeit dahin und die Bewegung nicht mehr aufzuhalten, da die sowjetischen Bajonette nicht mehr verfügbar waren. Anfang November wurden freie Wahlen gefordert. Eine Bürgerrechtsbewegung formierte sich. Ab 09.11.1989 konnte nach einer eher beiläufigen Erklärung eines SED-Zentralkomitee-Mitgliedes jeder DDR-Bürger ohne weitere Begründung in die Bundesrepublik Deutschland reisen. Das war der Anfang vom Ende der DDR und nur dem klugen Verhalten Gorbatschows war das zu verdanken. Er erkannte, dass diese Art von Sozialismus real keine wirtschaftliche Zukunfts-Chance hat, zumal auch die Besatzungszeit gemäß den Beschlüssen von Jalta limitiert war und ein vorzeitiges Ende von großem finanziellem Vorteil für die Sowjetunion war, deren Wirtschaft auch am Boden lag!

Zu Weihnachten 1989 hatte uns mein Bruder Gottfried nach Leverkusen eingeladen. Auch ohne Navi (gab es damals noch nicht) fanden wir in Leverkusen seine Wohnung auf Anhieb. Die Begrüßung war recht herzlich und es gab viel zu erzählen. Wir lernten seine Freunde und Arbeitskollegen kennen, wobei uns auffiel, dass es vorrangig um Besitzstände ging.

Seine Frau Christine stellte uns für die Nacht ihr Ehebett zur Verfügung.

Dass ich laut schnarche, hatte mir schon meine Frau öfters berichtet.

Gegen meinen Bruder bin ich wohl ein Nichts bezüglich des Absägens von Wäldern in der Nacht, denn selbst ich wurde wach und konnte ihn trotz mehrfacher Weckversuche nicht von seiner nächtlichen Waldarbeit abhalten. So haben meine Frau und ich nur wenig in dieser Nacht schlafen können.

Irgendwelche Unterstützung für unseren schweren Start erhielten wir jedoch nicht. Auch dieses Mal waren wieder viele Klugscheißereien der Gäste bezüglich der DDR-Realität zu hören, worauf ich Helga schon vorbereitet hatte.

Dass die Weihnachtsgeschenke dann noch den Gästen unter Namensnennung der Schenkenden publik gemacht wurden, fanden wir äußerst merkwürdig.

Irgendwie waren wir dann froh wieder nach Hause fahren zu können.

Kapitel 2: Berufsjahre 1991-98, Arbeitslosigkeit bis 2000

2.1 Die Jahre 1991 bis 1992 Ereignisse und Umzug nach Pfungstadt

Was uns im Umgang mit unseren Mitmenschen sehr schnell auffiel war eine ständige egozentrische Verhaltensweise, gepaart mit einer gewissen Gefühlskälte. Natürlich war im DDR-System die Mangelwirtschaft allgegenwärtig, weshalb zwischenmenschliche Zweckgemeinschaften häufig anzutreffen waren, was zu einem verbindlicheren menschlichen Miteinander führte.

Im kapitalistischen System fanden wir eine Ellenbogengesellschaft vor, weil es nur eine Frage des Besitzstandes ist, was man sich leisten kann und man daher kaum noch aufeinander angewiesen ist. Der Grundsatz „hast du was, bist du was“ ist derart ausgeprägt, dass andere menschliche Werte häufig eine untergeordnete Rolle spielen.

So ist wahrscheinlich das menschliche Verhalten unserer Wohnungsnachbarin zu erklären, die zugleich Wohnungseigentümerin war. Wegen ihres unmöglichen Verhaltens ihren Mitmenschen gegenüber, vor allen in Phasen ihrer Trunksucht, hatte sie ihren bisherigen Wohnsitz zusammen mit ihrer Tochter wechseln müssen, wie ich später von ihrem Ex-Mann telefonisch erfuhr. Diese Eigentumswohnung neben uns kaufte sie, weil sie von der gesamten bisherigen Umgebung ihres alten Wohnsitzes massiv angefeindet wurde.

Da sie anhand des Nummernschildes und Typs meines Autos zur Zeit unserer Ankunft sofort erkannt hatte, dass wir aus der DDR kamen, waren wir für sie Menschen zweiter Klasse. Die Hausordnung legte sie einseitig so aus, dass immer dann, wenn meine Frau alles erledigt hatte, sie mit einem Besen in der Hand auftauchte und so tat als wolle sie auch was tun. War sie dran - geschah nichts. Der Hinweis auf einen Kalender war für sie immer irrelevant. Im Keller gab es einen Bereich zur Aufstellung von Waschmaschinen. Unsere Maschine aus der DDR war nagelneu und elektronisch auf dem neuesten DDR-Stand. Ihre neben uns stehende schon ältere schmuddelige Maschine war angerostet und nicht so modern. Kaum hatten wir unsere Maschine installiert, wurde an ihrer Drecksmaschine ein großes Schild mit der Aufschrift „Hände weg!“ angebracht. Sehr häufig wurden wir grundlos als DDR-Pack von ihr tituliert, besonders, wenn sie wieder volltrunken war.

Beruflich ging es bei mir rasant voran, da der Darmstädter Firma Grossaufträge für das Brennelementewerk von der Hanauer Firma „alkem“ erteilt worden waren.

Etwas verblüfft war ich schon, als ich meinen neuen Arbeitsplatz einnahm.

In Dresden hatte ich ein Tastentelefon mit dem ich Konferenzschaltungen machen konnte und die ersten Maßnahmen zum CAD-Zeichnen liefen dort gerade an. Was ich hier vorfand war recht antiquiert und entsprach in keinster Weise meinen Vorstellungen vom technischen Fortschritt in der BRD. Hier hatte ich einen PC am Arbeitsplatz erwartet, doch nichts von alledem. Da wurden häufig Aktennotizen mit der Hand geschrieben und nur wichtige Schreiben erhielt die Abteilungs-Sekretärin zum Schreibmaschineschreiben. Da sie ständig überlastet und man des Bettelns müde war, wurden häufig auch wichtigere Schreiben händig abgefasst.

Erst als ich in Hanau mit den dortigen Siemens-Mitarbeitern Kontakt hatte, konnte ich eine größere Technik-Überlegenheit gegenüber der DDR feststellen.

Zunächst arbeiteten der bis dahin führende Sachbearbeiter der Firma und ich planerisch an diesen Aufträgen, die sich insbesondere mit Kalt- und Kühlwasserkreisläufen für die technologischen Anlagen befassten. Ein Führungs- und Sicherheitszeugnis musste beigebracht werden, um diese sensiblen Anlagen betreten zu dürfen. Auf dem Gelände des Brennelementewerkes war schon eine Uran-Anlage zur Aufbereitung und Fertigung von Brennelementen für Leichtwasserreaktoren vorhanden. Für fast 1,1 Mrd. DM sollte in Hanau-Wolfgang eine MOX (Uran- / Plutonium-Mischoxid) – Fabrik zur Aufbereitung abgebrannter Brennstäbe errichtet werden, die in Brut- und Leichtwasserreaktoren eingesetzt werden. Sie wurde tatsächlich zu 95 % fertiggestellt und ging wegen der Tschernobyl-Katastrophe in Verbindung mit den damit verbundenen höheren Sicherheitsvorkehrungen und wegen politischer Streitigkeiten, insbesondere durch den Einfluss der „Grünen“ unter Joschka Fischer, als bemerkenswerte Finanzruine in die hessische Geschichte ein, was jedoch ein jahrelanger, quälender Prozess war, in den wir mit verwickelt wurden.

Auf erhöhte Sicherheitsanforderungen, sowohl was die Anlagen, als auch die Mitarbeiter-Sicherheit betraf, wurde von Anfang an Wert gelegt.

Was aber generell zur friedlichen Nutzung der Atomenergie festzustellen ist: die Technologie ist nicht zu Ende gedacht, weil die dauerhafte Entsorgung des über mehrere tausend Jahre radioaktiv strahlenden Atommülls nicht geklärt und gelöst ist!

Vor dem Betreten der Anlagen mussten erst mal die Hände aufgelegt werden um eine eventuelle Strahlenkontamination feststellen zu können.

Alles in der Anlage wurde auf Erdbebensicherheit mit einer Stärke von 5,5 auf der Richterskala konzipiert und der Absturz eines Jumbojets auf die Fabrikhalle ebenfalls in das Sicherheitskonzept einbezogen. Sehr schnell wurde mir klar, warum ich 15 Überstunden gratis pro Monat zu machen hatte. Denn ein 11-12 Stundentag war jeden Werktag notwendig.

Um den Stress gut abarbeiten zu können, habe ich soweit die Jahreszeiten es zuließen regelmäßig jeden Samstagvormittag etwa zwei Stunden Jogging in der nahegelegenen herrlichen Natur praktiziert und das auch später in Pfungstadt weiterbetrieben. Nur so war es mir möglich den in der Woche angestauten Frust abzubauen und gesundheitlich über die Runden zu kommen. Dieses probate Mittel hatte mir schon in Dresden geholfen, als wir nach unserer Antragstellung zur Ausreise aus der DDR den vielen Schikanen und Bösartigkeiten des Systems ausgesetzt waren!

Zwischenzeitlich mussten wir auf dem Friedhof in Jugenheim eine Urnengrabstelle für 30 Pachtjahre erwerben und die aus der DDR überführten Urnen von Peter und Thomas (Helgas Söhne aus früheren Ehen) beerdigen, wobei es vorher noch grosse Probleme gab, Thomas in der DDR exhumieren und anschliessend verbrennen zu lassen, was auch nicht gerade kostenfrei war. Das war für Helga Nervenstress und zugleich Beruhigung, da man ja noch nicht wusste, wie sich die DDR-Verhältnisse endgültig entwickeln würden. Seitdem haben wir soweit möglich jedes Wochenende dieses Grab besucht. Zusätzlich mussten noch eine kostenintensive Grabumrandung und ein finanziell erschwinglicher Grabstein beauftragt werden. Freundlicherweise erhielten wir von Dietmar, dem leiblichen Vater von Thomas, ein zinsloses Darlehen, um alle diese Kosten stemmen zu können, was wir so schnell es ging wieder rückgezahlt haben.

Helgas Geburtstag am 20.04.1990 war ein Treffen der Verwandten und Bekannten.

Da kamen neben den Familienangehörigen auch mein Bruder mit Frau und Martin, unser ehemaliger Balkonnachbar aus Dresden. Zeitweise hielten wir uns auf der Terrasse auf und Martin bemerkte, dass sich die Nachbarstochter in neugieriger Weise näherte. Da er immer schon ein provokanter Typ war und von uns erfahren hatte, auf welch herablassende Weise ihre Mutter mit uns umging, konnte er es auch hier nicht lassen. Er stand auf und sprach die etwas korpulente Schülerin ziemlich leise an: „Na du Elefanten-Baby bist wohl recht neugierig. Ich denke mal du weißt nicht mal wie man das Wort Baby schreibt“.