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Gibt es das Glück, das Schicksal, die Vorsehung, oder ist alles nur ein Zufall, ein Ergebnis von Ursache und Wirkung, dem sogenannten Karma? Begleiten Sie Kesha Jones und Ross Tate durch die Hauptstory und lernen Sie in weiteren Nebengeschichten Menschen kennen, die sich da selbst nicht mehr so sicher sind. Gibt es tatsächlich einen Hüter des Glücks? Wenn ja, wie können wir ihn finden, oder findet er uns? Finden Sie ihr Buch, das Ihr Leben verändern kann. Vielleicht halten Sie es auch aber gerade in Ihren Händen.
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Seitenzahl: 638
Veröffentlichungsjahr: 2019
Barry Jünemann
WILBUR
Der Hüter des Glücks
Roman
Finde das Buch, das dein Leben verändert.
- Barry Jünemann -
Barry Jünemann
WILBUR
Der Hüter des Glücks
Roman
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Copyright: © 2019 Barry Jünemann
Cover: © 2019 Barry & Sharon Jünemann, VisualAdWorks
1. Auflage: September 2019
Verlag: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
ISBN: 978-3-7497-4619-4 (Paperback)
ISBN: 978-3-7497-4620-0 (Hardcover)
ISBN: 978-3-7497-4621-7 (E-Book)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
vom Autor
Kapitel 1
Mittagspause
Kapitel 2
Ein Geschenk für Rosemary
Kapitel 3
Haben sie Reiseführer?
Kapitel 4
Kennen sie Wilbur Destiny?
Kapitel 5
Erotiklektüre
Kapitel 6
Gebrochenes Herz
Kapitel 7
Der Strigoi von Compton
Kapitel 8
Liebe zwischen den Zeilen
Kapitel 9
Nur ein Buch?
Kapitel 10
Ruf der Ahnen
Kapitel 11
Briefgeheimnis
Kapitel 12
Rendezvous im Trailer Park
Kapitel 13
L. A. Crusoe
Kapitel 14
Stimmen der Vergangenheit
Kapitel 15
Geist erschafft Materie
Kapitel 16
Es gibt keine Zufälle
Kapitel 17
Moderne Sklaverei
Kapitel 18
Die alte Frau und der Gärtner
Kapitel 19
Fette Überraschung
Kapitel 20
Anno 1702 - 1809
Nachwort
des Autors
Vorwort
Hast du dir schon einmal Gedanken gemacht, was du genau kaufst, wenn du ein Buch von einem Schriftsteller kaufst?
Du kaufst nicht nur einfach Information, nicht einfach nur ein Sachbuch, nicht einfach nur eine gute Story oder einen Roman. Was du gerade in Händen hältst, hat Hunderte Stunden des Denkens gedauert bis die Idee zu diesem Buch stand. Zig Stunden von Formulierungen, die letztlich wieder verworfen wurden. Hunderte Stunden von schmerzenden Händen und Gelenken vom vielen Schreiben am Computer. Du kaufst Hunderte Tage und Nächte aus dem Leben eines Schriftstellers.
Du kaufst auch die Ängste eines Schriftstellers, seinen tagtäglichen und monatlichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu können. Ja, auch ein freischaffender Schriftsteller muss Miete zahlen und sich und seine Familie ernähren. Du kaufst aber auch die glücklichen Momente im Leben eines Schriftstellers. Die Freude, seinen Lesern ein neues Werk zu präsentieren, seinen Lesern viele informative und spannende Stunden zu geben. Du kaufst nicht einfach nur ein Buch, du kaufst ein Stück des Lebens des Schriftstellers. Ein Stück seines Lebens, das er für dich hergegeben hat, um dir den Inhalt seines Buches näher zu bringen.
Das Wichtigste jedoch, was du mit diesem Buch kaufst, ist Freiheit für den Schriftsteller. Freiheit, die er dazu nutzen kann, seine Zeit in das Schreiben zu investieren. So entsteht aus der Beziehung zwischen einem Schriftsteller und seinen Lesern eine innere Verbundenheit, ein Geben und ein Nehmen, von dem beide Seiten profitieren.
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Lesern bedanken. Ach, bevor ich es vergesse, konzentriere dich auf den Inhalt des Buches und nicht auf mögliche kleine Rechtschreibfehler. Ein Lektorat hätte den Buchpreis nur weiter in die Höhe getrieben. Ich denke, dass du das verstehst. Danke
Ihr und euer Barry Jünemann
Kapitel 1 – Mittagspause
Kennen Sie die Momente, wo man einfach mal abschalten will, nichts sehen und nichts hören will. Sich am liebsten für eine gewisse Zeit aus der realen Welt heraus stehlen möchte. Kennen Sie auch die Momente, wo Sie am liebsten mit einer Figur aus einem Film oder einem Buch tauschen und dessen Leben weiterleben würden?
So geht es auch Roscoe Tate.
Roscoe Tate ist 49 Jahre alt. Er wurde in Philadelphia geboren und war bereits in jungen Jahren ein sehr nachdenkliches Kind. Seine Kindheit verbrachte er wie alle Kinder mit Spielen und dem leidlichen Thema, der Schule. Mehr schlecht als recht durchlief er alle Klassen und machte sogar seinen High-School Abschluss. Er war ein unscheinbares und unauffälliges Kind. Sein ganzes Interesse galt nur dem Lesen, dem Lesen und dem Schreiben.
Bereits mit 18 schrieb er kleine Geschichten und Gedichte. Sein Berufswunsch war es Schriftsteller zu werden. Allerdings machte ihm das Leben einen Strich durch seine Rechnung. Ein Schriftsteller würde nicht den Mann ernähren, sagten ihm seine Eltern immer wieder und versuchten ihn für das elterliche Geschäft zu gewinnen.
Seine Eltern, Jenna und William Tate, besaßen ein kleines Taxiunternehmen. William Tate fing selbst zunächst als Taxifahrer an. Nach einigen Jahren konnte er sich einen eigenen Wagen kaufen, den er zu einem Taxi umbaute. Mit 21 lernte er seine Frau Jenna kennen. Schnell erkannten beide, dass man den Wagen effizienter ausnutzen könnte, indem man Tag und Nacht fuhr. Über 4 Jahre sahen die beiden sich nur in den Momenten, in denen sie sich die Wagenschlüssel zum Schichtwechsel übergaben. Das Geschäft lief gut und Jenna und William kauften sich im Laufe der Zeit weitere Wagen dazu. Nun fuhren sie beide selbst nur noch tagsüber und stellten für die Nachtschichten Fahrer ein. Am Ende blieb William wegen einem Rückenleiden Zuhause und regelte die Organisation der Taxen, teilte die Schichten ein und übernahm die Auftragsannahme. Jenna fuhr noch ein weiteres Jahr die Tagesschicht, bis auch sie sich entschloss Zuhause zu bleiben und sich nur noch um die Monatsabrechnungen zu kümmern.
Jenna und William hatten zum Schluss einen Fuhrpark von 32 Wagen und 71 Fahrern inklusive der Aushilfsfahrer für Krankheitsfällen.
Roscoe arbeitete in der Zeit als Werbetexter für einen kleinen Anzeigenverlag in Philadelphia, der Billman, Stanton & Rafferty Verlagsgesellschaft. Sie verkauften Anzeigen auf Werbeplakaten, die sie im Wartezimmer von Ärzten aufhängten. Auf dem Plakat war mittig ein Thema, das sich mit einer Dienstleistung befasste, die der Arzt anbot. Es ging um Impfungen, Vitaminprodukte oder auch Sonderleistungen, die die Krankenkasse nicht übernimmt und die der Arzt so zusätzlich anbieten konnte. Den Ärzten war es natürlich sehr recht, denn sie konnten so einen Zusatzverdienst verbuchen.
Billman, Stanton & Rafferty verkauften den umlaufenden Rand, der gute 15 cm betrug, als Anzeigenfläche für lokale Geschäfte. Bei einer Größe von gut 80 mal 120 cm kamen da einige Anzeigen zusammen.
Roscoe´s Aufgabe war es, die Anzeigen zu texten und sie ins Werbeplakat einzusetzen. Diese Aufgabe war zwar nicht Roscoe´s Wunschtraum, aber es "ernährte den Mann".
Mit 25 Jahren war es endlich soweit. Roscoe konnte sich seine erste kleine Wohnung nehmen. Es war ein kleines möbliertes Einzimmerappartement am Rande Philadelphias.
Zwei Tage nach seinem 26. Geburtstag verlor er beide Eltern bei einem schrecklichen Autounfall. Ein betrunkener Autofahrer fuhr Jenna und William auf dem Highway frontal in den Wagen. Der Fahrer des Wagens war sofort tot… Jenna und William Tate verstarben noch an der Unfallstelle.
Roscoe erfuhr erst gegen Abend vom Tod seiner Eltern, als zwei Cops bei ihm vor der Tür standen und ihm dies Mitgefühl heuchelnd mitteilten.
Für Roscoe brach eine Welt zusammen. Er hatte die einzigen Menschen in seinem Leben verloren, die ihm etwas bedeutet haben. Innerhalb weniger Stunden veränderte sich schlagartig sein Leben. Nach der Beerdigung lebte er noch eine ganze Weile im elterlichen Haus und versuchte den Taxibetrieb aufrecht zu erhalten.
Nach drei Monaten musste er sich eingestehen, dass er den Betrieb nicht weiterführen konnte… nicht wollte.
Bei der Testamentsverlesung stellte sich heraus, dass Jenna und William ein kleines Vermögen angehäuft hatten.
Das Barvermögen betrug ganze 387.000 Dollar.
Nachdem Roscoe das Taxiunternehmen und das elterliche Haus verkaufte, befanden sich insgesamt 591.000 Dollar auf seinem Bankkonto.
Fünf Jahre lebte er noch in Philadelphia von seinen Ersparnissen.
Eines Morgens beschloss er abrupt sein Leben zu verändern. Er wollte raus aus der grauen Welt seiner Kindheit, raus aus dem Schleier von Armut, Verzicht und Arbeit. Raus aus den Erinnerungen an seine Eltern und dem tragischen Ende.
Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich ein schönes Leben hätten machen können, schlug das Schicksal zu und beendete alle Wünsche mit einem Schlag. Er wollte nicht länger in dieser Umgebung leben. Er beschloss nach Kalifornien zu gehen.
Seit seiner Kindheit war Roscoe an ein sparsames Leben gewöhnt. Selbst jetzt, wo er sich ein komfortables kleines Haus hätte kaufen können, blieb Roscoe bescheiden.
Seine neue Adresse lautete 437 West Carson Street in Carson, Los Angeles, Kalifornien.
Diese Adresse teilten mit ihm circa 100 weitere Bewohner der 437 West Carson Street in Carson. Es war ein Trailer Park.
In Trailer Parks zu wohnen bedeuten nun nicht gleich die unterste Schwelle der sozialen Gesellschaft erreicht zu haben. Viele Amerikaner sind reiselustig und leben mal hier und mal dort oder wechseln ihre Jobs und nehmen ihr Haus gleich mit.
Trailer sind Wohncontainer, deren Art und Größe sehr unterschiedlich sein können. Von kleinen Wohnanhängern, Wohnmobilen oder auch mobilen Wohncontainern von 12 bis 120 m2 findet man auf Trailer Parks alle Varianten und Bauweisen.
Wohingegen der klassische Trailer Park Bewohner sich seinen Platz anmietet und dann seinen Trailer dort aufstellt, hat Roscoe die Stellfläche gekauft. Es war ein Eckgrundstück mit kleinem Baumbestand. Strom und Wasseranschluss, sowie die Entsorgung der täglichen Geschäfte, sind vorhanden. Und im Inneren eines großen Trailers erkennt man kaum einen Unterschied zu einem kleinen klassischen Haus.
Roscoe hatte einen 120 m2 Trailer mit allem Drum und Dran. Er hatte ein großes Wohn und Arbeitszimmer, eine Küche, ein Badezimmer und ein geräumiges Schlafzimmer. Jeder Raum hatte zwei Fenster auf jeder Längsseite. Bis auf das Badezimmer und die Toilette, die jeweils ein Fenster hatten. Die Innenausstattung war vollständig mit Holz verkleidet.
Während der Trailer von außen in einem Beigeweiß gehalten war, hatte man von innen den Eindruck, man wäre in einem kleinen Holzhaus am See. Von seinem Wohnzimmerschreibtisch, der direkt vor einem der vier Fenster im Wohnraum stand, hatte man den Blick auf zwei Bäume und der Straßenzufahrt.
Vor seinem Trailer stand eine Mailbox mit seinem Namen.
Links davon war ein kleiner überdachter Carport.
Dort stand Roscoe´s Auto.
Es war ein Volkswagen Typ 2 T1, der auch unter dem Namen Bulli bekannt geworden ist. In den USA war er jedoch wegen seiner geteilten Windschutzscheibe eher unter dem Namen "Splittie" bekannt, da der Begriff "Bully" im Englischen so viel wie Tyrann bedeutete. Das kam nicht so gut an.
Es war ein deutsches Modell, das man von 1950 bis 1967 in Wolfsburg und Hannover 1,8 Millionen Mal verkauft hatte. Er war das Symbol für das "Deutsche Wirtschaftswunder" schlechthin.
Roscoe´s Modell war graublau mit weiß. Die zweifarbigen Varianten kannte man auch unter dem Begriff "Samba". In den USA nannte man ihn "Microbus Deluxe".
Ausgestattet mit einem 1,5 L Ottomotor und der damals von der Firma Westfalia angebotenen Umbauvariante zum Campingbus, war er ein sehr zuverlässiger und robuster Freund in allen Lebenslagen.
Roscoe hatte ihn allerdings damals noch als reine Busvariante in Philadelphia gekauft und ihn komplett überholen und verstärken lassen. Selbst das alte Röhrenradio funktioniert noch tadellos. Erst später ließ er sich in L.A. das Innenleben zur Campingvariante umbauen.
Roscoe nannte seinen Volkswagen immer nur "Moby". Für ihn war es auch lange Zeit nicht nur ein mobiles Heim, sondern sein Zuhause. Besonders auf der Fahrt von Philadelphia an der Ostküste, quer durch die USA zur Westküste nach Kalifornien. Während er tagsüber viele Stunden im spartanisch ausgestatteten Fahrerteil verbrachte, schlief er nachts auf den flachgestellten Sitzen des Busses.
Es war für Roscoe mehr als nur die Fahrt in seine Zukunft, es war für ihn noch eine zusätzliche Auszeit, ein Verarbeiten seiner Vergangenheit. Wenn es ihm in einer der Städte gefiel, blieb er einfach solange, bis es ihn wieder weiterzog.
Dann packte er seine Sachen wieder vom Motel in seinen "Moby" und fuhr aufs Geratewohl los… immer Richtung Westen.
Roscoe war das, was man einen Bücherwurm nennen könnte. Das soll nicht bedeuten, dass er als Einsiedler unter Millionen lebte. Nein, er suchte auch sein Vergnügen. Aber zu seinen Entspannungsmomenten gehörte einfach immer ein Buch.
Ein normales Buch lass er gewöhnlich in 3 - 4 Wochen. Als er seine Reise begann kaufte er sich jedoch ein Buch, was ihm nicht nur seine ganze Aufmerksamkeit abverlangte, sondern auch dafür verantwortlich war, dass er erheblich länger unterwegs war.
Denn Roscoe´s persönliche Pionierleistung zur Eroberung des Westens hatte gut 18 Monate gedauert.
Ganze 18 Monate lass er immer wieder in diesem Buch. Er war vom Inhalt derartig gefesselt, dass er es immer und immer wieder von vorn gelesen hatte.
So geschah es nicht selten, dass Roscoe in einer Stadt Halt machte, sich in einer Pension einmietete und das Buch in aller Ruhe erneut las. Wenn er es zu Ende gelesen hatte fuhr er weiter.
Noch nie hatte ihn ein Buch so vereinnahmt.
Es war als spräche das Buch zu ihm.
Es war als würde ihm das Buch ein Angebot machen.
Allein der Titel hatte ihn schon aufmerksam werden lassen. Die Begriffe der Inkarnation oder der Reinkarnation waren ihm geläufig. Was hatte es jedoch mit einer Deinkarnation auf sich?
Aber das wird vielleicht mal eine andere Geschichte.
Roscoe legte das Buch nach dem 12 Mal lesen zurück in sein Bücherregal und setzte seine Fahrt fort. Irgendwann würde er es schon wieder hervorholen. Dafür kannte er sich zu gut.
Nach besagten 18 Monaten erreichte er doch noch endlich sein ersehntes Ziel, Los Angeles, Kalifornien. Er war angekommen.
Nachdem er wenige Wochen in einem Motel am Rande von L.A. lebte, beschloss er, sich einen Trailer zu kaufen.
Bereits nach wenigen Tagen flatterte ihm mit der Morgenausgabe der Times ein Angebot vor die Nase, dem er nicht wiederstehen konnte. Ein 120m2 Trailer, Topp in Schuss, mit einem gut 250m2 großen Grundstück, auf dem sogar zwei Bäume standen.
Mit den Jahren ließ er sich das Innenleben des Trailers immer weiter ausbauen. Heute ist sein Trailer perfekt ausgestattet. Ich würde sogar behaupten, dass jemand, der in der Umgebung von L.A. ein kleines Haus hatte, gerne mit ihm getauscht hätte. Es war urgemütlich.
Durch sein finanzielles Polster war er nicht gezwungen die erstbeste Arbeit anzunehmen. So begann Roscoe seinen Tag meist sehr entspannt mit einem Frühstück bei Jayjay, einem kleinen Diner in der South Figueroa Street, Ecke West Torrance Boulevard. Jayjay heißt eigentlich Jay, und das zweite "Jay" steht für Jamoke, einem amerikanischen Slang für Kaffee.
Es war ein kleines Diner mit 5 Fenstertischen und einem Tresen mit 8 Hockern. Hinter dem Tresen zauberte Jay alle Arten von Snacks. Seine Meisterleistung ist jedoch sein Frühstück. Ein perfekter Mix aus allem, was man sich für einen guten Start in den Tag wünscht. Spiegeleier oder Rühreier mit Kräutern, geröstetes Weißbrot, Bratkartoffeln mit gerösteten Zwiebeln, kleine Rindsbratwürstchen, geröstete Auberginen mit Cheddar Käse. Alles auf den Punkt zubereitet.
Viele seiner Stammkunden nennen ihn liebevoll Jane, weil er eine perfekte Hausfrau wäre… zumindest was das Kochen betrifft.
Roscoe ist fast jeden Morgen hier, frühstückt und liest seine Zeitung.
Es kam auch schon vor, dass Roscoe sich ein Buch mitbrachte und den ganzen Vormittag hier verbrachte.
Lange Jahre lebte er so einfach in den Tag hinein, immer mit der Ruhe seines finanziellen Polsters im Rücken. Aber auch bei ihm hatte der Müßiggang irgendwann ein Ende.
Heute arbeitet Roscoe als freiberuflicher Copytexter bei Smithers - Rourke & Armbruster in der 8228 East 4th Street in Long Beach. Einmal die Woche fährt er in die kleine Agentur und holt sich seine neuen Jobs ab. Meist sind es Texte für kleinere Unternehmen. Reiseveranstalter, Museen oder auch freie Texte für Verlage und Zeitungen. Dieser Job bringt ihm zwar nicht das große Geld ein, aber er ernährt den Mann, so wie sein Vater es ihm immer gesagt hatte. Für Roscoe war es mehr die Befriedigung für sein Geld arbeiten zu müssen und nicht nur von seiner Erbschaft zu leben. Er wollte nicht tatenlos rumsitzen und stillschweigend dabei zusehen, wie seine Erbschaft so langsam aber sicher dahinschmolz.
Wie jeden Morgen, saß er auch heute vergraben hinter seiner Zeitung, seine News Boy Cap tief ins Gesicht gezogen.
Vielleicht sollten wir uns Roscoe einmal genauer ansehen, so dass Sie einen Eindruck von ihm bekommen.
Roscoe ist 49 Jahre, gute 190 Meter groß und von drahtiger Gestalt. Mit seinem kleinen Oberlippenbärtchen und seinem kurzrasierten Kinnbärtchen hatte er etwas von Errol Flynn. Sein Haar war bis auf 1 mm kurzrasiert. Seine gebräunte Haut ließ seine leicht ergrauten Schläfchen noch etwas mehr hervortreten. Vor einigen Jahren hatte er sich für diese "3 Tage Bart Frisur", wie er es nannte, entschieden, um nicht alle 14 Tage zum Friseur gehen zu müssen. Er kaufte sich kurzer Hand eine Haarschneidemaschine und rasierte sich seinen Kopf selbst.
Unabhängig von seiner überschaubaren Haarpracht, trägt Roscoe immer eine Ballonmütze. Im Englischen nennt man diese Mütze auch News Boy Cap, Eight Piece Cap oder Baker Boy Cap.
Diese Mützen waren in den 1910er bis 1920er Jahren bei den Arbeitern sehr beliebt. Sie galt zeitweise auch als Mütze der unteren Klasse.
Hafenarbeiter, Stahlarbeiter, Schiffsbauer, Bauern, Handwerker, Kaufleute, Bettler, aber auch Verbrecher, schmückten sich mit dieser Kopfbedeckung. Eine bestimmte Gruppe prägte diese Mützen jedoch besonders, die Zeitungsjungs, die sogenannten News Boys.
Mitte des 20. Jahrhunderts verlor die Ballonmütze endlich ihren schlechten Ruf als Arbeiter oder Armenmütze und wurde später sogar zu einem modischen Accessoire.
Meist trug Roscoe eine alte braune Wildleckerjacke oder seine verwaschene Carhartt Arbeiterjacke aus 100% Canvas Baumwolle und dazu eine Lutece Jeans aus festem Denim, bei der er die Beine einmal umschlug. Dazu seine Red Wings Schuhe.
Trotz seines "20er Jahre Aussehens", machte er nicht den Eindruck, als wäre er mittellos oder gar arbeitslos. Zwei goldene Ringe und eine original Hamilton H3 Uhr aus dem Vietnamkrieg deuteten darauf hin, dass er bereist bessere Zeiten erlebt haben muss. Jedoch käme niemand auf den Gedanken, dass sich hinter diesem Outfit ein wohlgenährtes Bankkonto befindet.
»Roscoe, wie immer?«, fragte Jay, der hinter dem Tresen stand und sich gelangweilt auf die Theke stützte.
»Wie immer, Jane«, antworte Roscoe kurz, faltete seine Zeitung zusammen und steckte sich eine Zigarette an.
»Du bist heute so nachdenklich, was ist los mit dir?«, fragte Jay und schüttete Roscoe einen großen Becher frischen Kaffee ein.
»Heute ist so ein müder Tag. Ich muss gleich noch in die Agentur, meine neuen Jobs abholen. Vielleicht habe ich heute aber auch meinen melancholischen Tag. Ich habe die alten Platten meines Vaters ausgepackt. Nach langer Zeit. Ich habe sie mir auf meinen MP3 Player überspielt. Seitdem läuft die Musik die ganze Zeit. Es reißt schon alte Wunden auf«, antwortete Roscoe leise.
»Das glaube ich dir. Du hattest es mir ja mal erzählt. Keine schöne Sache. Wer seine Eltern verloren hat, hat auch ein Stück seiner Vergangenheit verloren. Was für Musik hörte dein Vater?«, fragte Jay und brachte Roscoe´s Frühstück zum Tisch.
»Es war die erste Zeit, als er gerade sein Taxiunternehmen aufbaute. Es waren französische und italienische Chansons aus den 20er und 30er Jahren. Charles Trenet, Anne Clercy, Tino Rossi, Tony Renis, oder Edith Piaf. Sie liefen den ganzen Tag, rauf und runter. Mein Vater verstand kein Wort Französisch oder Italienisch, aber er trällerte alle Lieder mit. Trotz der vielen Arbeit war es eine schöne Zeit«, erklärte Roscoe.
»Das glaube ich dir. Ja, früher bedeutete Familie noch etwas. Ich sehe es doch, heute rennen nur noch alle zur Arbeit um ihre Schulden bezahlen zu können. Es geht nur noch ums Kaufen, größer, schicker, teurer als das, was der Nachbar hat. Das Leben ist nicht mehr schön«, antwortete Jay und ging wieder zu seinem Tresen zurück.
»Ich weiß genau was du meinst. Aber du musst es ja nicht anderen gleichtun. Ich finde, dass sich viele zu sehr auf andere Menschen konzentrieren, als ihr eigenes Leben zu leben. Nimm dir ein gutes Buch und schalte mal ab«, rief Roscoe ihm hinterher.
Roscoe widmete sich dann ausgiebig seinem Frühstück. Nach gut einer Stunde schob er seinen Teller zur Tischmitte und nahm einen großen Schluck Kaffee.
»Bring mir die Rechnung, Jay. Ich denke, ich mach mich mal langsam auf den Weg in die Agentur«, sagte Roscoe und winkte mit seiner Geldbörse. »Wie immer. 14,50 glückliche Dollar für ein glückliches Frühstück«, lachte Jay und hielt Roscoe beide Hände hin, als wolle er Wasser schöpfen.
»Jane, dein Frühstück ist jeden einzelnen Cent wert. Wir sehen uns morgen«, erwiderte Roscoe und verließ das Diner.
Bis zur East 4th Street waren es gute 25 Autominuten. Roscoe schaltete seinen MP3 Player an und lies sich von Tino Rossi singend bis zur Agentur Smithers - Rourke & Armbruster begleiten.
»Hallo Roscoe, schön dich zu sehen. Du bringst immer etwas Freiheit mit in die Agentur«, sagte Doreen, die Empfangsdame von Smithers - Rourke & Armbruster.
»Hallo Doreen. Ihr solltet mal einen Betriebsausflug machen. Den ganzen Tag hier in der verstaubten Bude zu sitzen… ich würde dies keine Woche aushalten«, antwortete Roscoe und ging weiter zum Büro des Agenturleiters.
»Du kannst es unserem Bwana ja mal vorschlagen«, rief Doreen ihm hinterher.
Roscoe arbeitete bereits einige Jahre für Smithers - Rourke & Armbruster. Es war schon lange nicht mehr nur ein Verhältnis zwischen einem Arbeitgeber und seinem Mitarbeiter. Er duzte alle und obwohl er nur einmal die Woche in der Agentur vorbeikam, genoss er so etwas wie ein Hausrecht. Ohne Anklopfen ging er ins Büro von Will Smithers. Will war der Leiter der Kreation und für die Endabnahme der Texte und Layouts verantwortlich.
»Hey Will, was macht die Kunst?«, fragte Roscoe kurz und setzte sich in den tiefen Sessel vor Will´s Schreibtisch.
»Ach du kennst das ja. Die Kunden haben immer Sonderwünsche und wollen alles sofort haben. Manchmal frage ich mich, ob sie unsere Arbeit überhaupt zu schätzen wissen«, antwortete Will und zeigte auf die Bar in der Ecke des Büros.
»Nein, ich habe gerade gefrühstückt. Aber gegen einen Kaffee habe ich nie etwas einzuwenden«, sagte Roscoe und streckte sich ausgiebig.
»Kaffee der Herr, auch das ermöglichen wir unseren Mitarbeitern. Wir hofieren hier unsere Leute förmlich«, lachte Will und stellte Roscoe eine Tasse Kaffee auf den Schreibtisch.
Was liegt denn an?«, fragte Roscoe kurz.
»Nicht viel. Zwei Texte. Ein Autohaus und ein Internetanbieter für Nahrungsergänzungsmittel. Ich denke mal so drei bis vier Seiten Arbeit. Du kannst also die Woche kürzertreten«, schmunzelte Will und reichte Roscoe die Mappe mit den Unterlagen.
»Ok, ich schicke dir dann die Sachen wie immer per E-Mail. Dann komm ich ja mal endlich wieder zum Lesen«, sagte Roscoe, trank seinen Kaffee aus und machte sich wieder auf den Weg.
»Hast du ihn gefragt, ob wir mal einen Ausflug machen?«, fragte Doreen.
»Ja, ihr fliegt demnächst alle für 4 Wochen auf die Bahamas«, lachte Roscoe und zwinkerte Doreen zu.
Roscoe drehte den Zündschlüssel seines Busses und fuhr geradewegs Richtung Stadt. Bis nach L.A. sind es gute 45 Minuten. Roscoe hatte es nicht eilig und fuhr gemütlich Richtung Los Angeles. Er nahm den North Bellflower Boulevard bis zur East 7th Street. In Höhe der Mira Mar Avenue bemerkte er auf der linken Seite einen kleinen alten Buchladen. Er drehte seinen Wagen und parkte vor dem Geschäft.
Destiny´s Bookstore. Roscoe betrachtete sich das Geschäft eine ganze Weile von außen. Allein der Name erschien ihm bereits wie ein Vorzeichen. Warum nennt man sein Geschäft Destiny, also Schicksal, Fügung oder auch Vorsehung? Von außen sah der Laden eher etwas verstaubt aus, dunkel, fast schon antik. Eine alte braune Holzfassade bei der bereits an manchen Stellen die Farbe abblätterte. Zwei Schaufenster. Ein kleines Fenster, was jedoch mit einem weißen Tuch halb zugehängt war, so dass man nicht in die Auslage sehen konnte und ein größeres Schaufenster. Im größeren Schaufenster stand ein breites altes Holzregal, randvoll mit Büchern. Auf dem Boden des Schaufensters, direkt vor dem Regal, lagen ebenfalls Unmengen von Büchern.
Die Einbände der Bücher sahen alt aus, sehr alt. Es war eher eine antiquarische Buchhandlung. Im gleichen Moment hatte Roscoe das Gefühl ein Déjà Vu zu haben. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Geschäft. Roscoe drückte die alte Messingklinke der Tür nach unten und trat in das Geschäft. Mit einem langgezogenen Knarren und Quietschen öffnete sich die alte Holztür. Ein kleines Glockenspiel aus Messing, das durch das Öffnen der Tür angestoßen wurde und nun fröhlich hin und her tanzte, meldete sein Eintreten mit einem Klingeling… Klingeling an.
Das Innere des Buchladens hielt das, was er von außen versprach. Er war eher düster. Alles erschien in einem sepiaartigen Farbton. Der Fußboden bestand aus alten abgewetzten Holzdielen, die jeden Schritt mit einem Knarren bestraften. Die Wände links und rechts bestanden aus hölzernen und in die Jahre gekommenen Bücherregalen. Im hinteren Teil des Raumes stand ein alter breiter Tresen aus dunklem Weichholz. Ein kleiner Teil davon diente wohl als Tresen selbst, da der Rest ebenfalls mit gestapelten Büchern belegt war.
Hinter dem Tresen standen links und rechts zwei etwa 1 Meter breite alte Holzregale. In der Mitte war ein offener Durchgang. Ein Vorhang aus bunten kitschigen Glasperlen versperrte die Sicht auf das, was dahinterlag. Der Raum wurde durch zwei Lampen beleuchtet. Eine Deckenlampe mit drei Glühbirnen und einer Lampe, die auf dem Tresen stand. Es schien kaum Tageslicht in den Laden, da das Schaufenster dicht mit Büchern zugestellt war.
Im Raum lag ein Duft von altem Papier und einer Mischung von Leder, Holz, frischem starken Kaffee und Tigerbalsam. Man hatte das Gefühl, als beträte man eine andere Welt zu einer anderen Zeit.
»Hallo, ist hier jemand?«, fragte Roscoe und ging zum Tresen.
»Oh, ein Kunde. Ich komme schon, ich habe nur gerade einen neuen Kaffee aufgesetzt. Er muss gleich durch sein, dann kann ich ihnen eine Tasse Kaffee anbieten. Ich bin Wilbur Destiny, der Besitzer dieses bescheidenen Buchladens. Wie kann ich ihnen helfen?«, fragte Wilbur freundlich.
»Wilbur Destiny, Destiny, Destiny´s Bookstore, jetzt verstehe ich«, sagte Roscoe und reichte Wilbur die Hand.
»Ja, ein kleines Wortspiel meinerseits. Viele meiner Kunden haben mich schon darauf angesprochen. Und für viele war es auch so etwas wie Schicksal«, antwortete Wilbur und stellte zwei Tassen auf den Tresen.
Roscoe sah sich den Mann an. Wilbur Destiny war etwa 1,90 Meter groß. Er musste so Anfang der Sechziger sein. Er könnte aber auch bereits wesentlich älter sein, er war schwer zu schätzen. Er war hager, jedoch nicht dünn oder gar abgemagert. Er wirkte mehr drahtig. Er hatte längeres graugesträhntes licht gewelltes Haar. Er trug eine ovale Nickelbrille, die ihm fast von der Nase zu rutschen droht. Sein Gesicht war faltig und gebräunt. Ein kleiner grauer Bart zierte seine Oberlippe.
Wilbur Destiny trug eine dunkelbraune Cordhose, die von ein paar alten Hosenträgern gehalten wurde, die an die Hose geknöpft waren. Als Oberteil trug er ein, ja einfach nur ein langärmeliges verwaschenes rotes Unterhemd, wie man es aus alten Wild West Filmen kennt. Er trug einen alten braunen Fedora Poet Hut, den er leicht nach hinten geschoben hatte.
Wilbur Destiny hatte kräftige Hände, die von einem Mann erzählten, der mit schwerer Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen musste. In seiner linken Hand brannte eine selbstgedrehte Zigarette.
Wilbur´s Schläfen glänzten etwas und verteilten einen leichten angenehmen Pfefferminzgeruch, Tiger Balsam.
Aus dem Hinterzimmer hörte man Musik von einem alten Plattenspieler.
Bei genauem Hinhören fuhr es Roscoe durch Mark und Bein. Es lief die Platte "Parlami d´amore Mariù" von Tino Rossi. Eine Platte, die er bereits von seinem Vater kannte und die er auch auf seinem MP3 Player hatte.
Für den Bruchteil von Sekunden fühlte sich Roscoe zurückversetzt nach Philadelphia, zurückversetzt in seine Kindheit.
»Wie kann ich ihnen helfen, suchen sie ein bestimmtes Buch?«, fragte Wilbur freundlich und lächelte Roscoe dabei an.
»Was? Ja, nein… eigentlich nicht. Ich will einfach nur entspannen. Vielleicht will ich auch flüchten… aus dieser Welt voller Lügen und Betrug. Verzeihung, nein, ich habe keine festen Vorstellungen. Kein Sachbuch, nichts, wo man mich wieder belehren will, einfach etwas, was einfach nur schön zu lesen ist«, erklärte Roscoe.
»Ah… ich verstehe. Lassen sie mich einmal überlegen. Ich denke… ja, ich denke ich habe da was für sie. Vielleicht trinken sie ihren Kaffee und ich suche mal eben das Buch, ja?«, fragte Wilbur und war auch schon verschwunden.
Roscoe war wie hypnotisiert. Dieses Lied im Hintergrund, Wilbur Destiny, der Buchladen, die ganze Situation… es hatte alles etwas Irreales. Man fühlte sich wie außerhalb der Realität, als gäbe es im Geschäft selbst keine Zeit.
Roscoe steckte sich eine Zigarette an und trank seinen Kaffee, während er Wilbur dabei beobachtete, wie er von Regal zu Regal ging.
»Ah, da ist es ja. Ich wusste doch, dass ich es noch habe. Ich denke, dass sie das interessieren wird«, rief Wilbur, der gerade von einer kleinen Trittleiter hinunterkletterte.
»Wie ist der Titel des Buches?«, fragte Roscoe neugierig.
»Ich denke nicht, dass sie es kennen. Es ist ein altes Buch. Soweit ich weiß, wurde es nur in einer sehr kleinen Auflage verlegt. Der Titel des Buches sagt nicht viel über den Inhalt des Buches aus. Es handelt von einem jungen Mann, der in der Fremde sein Glück sucht. Der Titel ist… "Vom Glück verurteilt"… es ist als Tagebuch geschrieben, aber sehr interessant zu lesen. Hier sehen sie mal«, sagte Wilbur und reicht Roscoe das Buch rüber.
Bereits als Roscoe das Buch in seinen Händen hielt, wusste er, dass er das Buch lesen musste. Es war ein brauner etwas abgegriffener Einband aus dunklem Leder mit goldener Schrift.
»Vom Glück verurteilt… mmh, das hört sich seltsam an, finden sie nicht?«, fragte Roscoe.
»Manchmal erkennen Menschen ihr Glück nicht. Dann kann es schon mal sein, dass das Glück etwas nachhilft. Es ist aus dem Jahr 1872. Der junge Mann ist der Sohn einer Rancherfamilie aus Lockhart, Texas. Das ist in der Nähe von Austin. Nach einem tragischen Schicksalsschlag beschließt er nach Arizona zu gehen. Also ich habe es verschlungen«, antwortete Wilbur und nahm einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Roscoe hielt das Buch fest in seinen Händen. Ein junger Mann, der nach einem Schicksalsschlag seine Heimat verlassen hat. Das erinnerte Roscoe an sein eigenes Leben.
»Ich denke ich nehme es. Ich habe etwas übrig für Neuanfänger. Was bekommen sie dafür, Mr. Destiny?«, fragte Roscoe höflich.
»Was es ihnen wert ist. Sagen wir 8 Dollar?«, fragte Wilbur.
»Das ist es sicherlich wert. Haben sie eigentlich alle Bücher gelesen, die sie hier anbieten?«, fragte Roscoe zurück.
»Ach wissen sie. Mir ist die Welt da draußen zu modern. Ich habe hier in meinem Laden die ganze Welt in Büchern. Und so verschieden ist die Realität nicht von der Phantasie. Ich wünsche ihnen viele schöne Stunden mit dem Buch«, antwortete Wilbur, nahm etwas braunes Verpackungspapier und wickelte das Buch darin ein.
»Ich bedanke mich, Mr. Destiny«, sagte Roscoe und nahm das Buch.
Er lächelte Wilbur noch einmal an und verließ das Geschäft.
Als er wieder in seinem Bus saß, erschien ihn alles so unwirklich. Er sah das Buch in dem eingewickelten braunen Papier an, blickte noch einmal zum Geschäft von Wilbur Destiny und drehte dann den Zündschlüssel.
Auf seinem Weg nach Hause machte er noch einen kleinen Stopp bei "Jack in the Box" und lies sich zwei große Papiertüten mit Hamburger und Pommes einpacken. Vom Ultimate Cheeseburger über den Jumbo Jack, bis hin zum Double Jack.
Roscoe war für die nächsten zwei Tage versorgt. Zuhause angekommen, setzte er sich direkt an seine Textjobs. Innerhalb von zwei Stunden hatte er alles erledigt. Er mailte seine Arbeit zur Agentur und schaltete seinen Computer ab.
Roscoe nahm eine warme Dusche, zog sich gemütliche Klamotten an, verteilte seine Snacks um sich herum und stellte ein Sixpack Budweiser bereit.
Dann machte er es sich auf seinem Bett bequem und nahm das Buch zur Hand. Er biss einmal kräftig in einen seiner Hamburger und schlug das Buch auf.
Vom Glück verurteilt
von Conny Rickman
Kapitel 1 - Lockhart frisst mich auf
Ich bin Conny Rickman. Ich bin 17 Jahre und lebe mit meinen Eltern auf einer Ranch in Lockhart, Texas. Mein Leben besteht aus dem täglichen Einerlei eines Ranchersohnes. Ich miste den Stall aus, reite die Stacheldrähte ab und verjage mit meiner alten Sharp die Wölfe. Ich kümmere mich um das kranke Vieh, separiere es und hohle notfalls den Veterinär.
Wenn eine Kuh kalbt, bringe ich sie in den Stall und helfe bei der Geburt. Dann brenn ich das Kalb und bringe es wieder auf die Weide zurück.
Ansonsten bin ich beim Vieh und langweile mich.
Das mache ich nun schon seit meinem 13. Lebensjahr.
Ich hatte nie richtig die Möglichkeit eine Schule zu besuchen. Anfangs ging ich noch ein oder zweimal in der Woche zur Schule nach Lockhart. Die Arbeit auf der Ranch forderte jedoch meine ganze Aufmerksamkeit. Da war noch das Feld, was mein Vater als Viehfutter für die Winterzeit angelegt hatte. Dieses Gebiet durfte während der Sommerzeit vom Vieh nicht betreten werden. Hier wurde das Heu angesammelt, was dem Vieh für den relativ kurzen Winter zur Verfügung stand. Das Feld musste gemäht und das Heu gebunden und in den Heuschober gebracht werden. Das war meine Arbeit bis zu meinem 17. Lebensjahr. Alle drei Jahre trieben wir eine ausgesuchte Menge Rinder nach Lockhart und verkauften sie.
Dann bekam jedes Familienmitglied einen Wunsch erfüllt. Bei meiner Mutter war es ein neues Kleid aus lindgrüner Baumwolle mit Blumenmuster und kleinen Seidenapplikationen. Mein Vater kaufte sich ein neues Gewehr. Eine Winchester 30/ 30. Ich bekam meinen ersten Revolver. Einen Colt, Kaliber 45 longcolt, einen sogenannten Peacemaker. Mit braunen Holzgriffen. Es war die Quickdraw Version. Mein Vater und ich verbrachten nach der Arbeit viel Zeit zusammen und wir übten uns im Schießen.
Ja, und nun sitze ich hier und langweile mich zu Tode.
Ich habe während des Tages sehr viel Zeit. Während die Rinder ruhig ihr Gras fressen, liege ich da und lese. Ich denke, dass ich während der ganzen Zeit so gut 100 Bücher gelesen haben muss.
Mr. Bender, der Besitzer des Kolonialwarenladens in Lockhart hebt mir immer die neuen Bücher auf, die ich dann gegen die alten ausgelesenen Bücher tauschen kann.
Seit einiger Zeit verspüre ich jedoch den Wunsch, selbst etwas zu schreiben, vielleicht ein Tagebuch.
Es begann eigentlich damit, dass mein Vater nach einem weiteren Viehverkauf ein größeres Stück Land und weitere Zuchtrinder dazukaufte. Nach gut zwei Jahren wuchs unser Viehbestand auf stattliche 1.200 Stück Vieh an. Mein Vater stellte im Laufe der Zeit zwei weitere Cowboys ein. Er selbst fuhr nur noch zu Viehauktionen. Er kaufte und verkaufte. Die Ranch wuchs und wuchs.
Roscoe legte das Buch zur Seite und zündete sich eine Zigarette an. Er fühlte sich in die Zeit zurückversetzt, als er mit seinem Vater nach der Arbeit zusammensaß und sie sich gemeinsam ein Baseballspiel im Fernsehen ansahen. Die Mutter war in der Küche und das ganze Haus roch nach frischem Apfelkuchen. Nach frischem Apfelkuchen mit warmer Vanillesauce. Und Zimt, Zimt war auch immer dabei. Immer wenn Mutter ihren Apfelkuchen zubereitete verströmte allein der Duft des frischen Apfelkuchens eine Weihnachtsstimmung im ganzen Haus. Es hatte immer etwas von einem Feiertag.
Roscoe erinnerte sich auch an die Tage, an denen er mit seinem Vater nach der Arbeit einfach nur im Wohnzimmer saß, seine Hausaufgaben machte und seinen Vater dabei beobachtete, wie er sich eine Pfeife zurecht stopfte und sie dann ganz langsam und gemütlich rauchte. Allein bei diesem Gedanken vernahm Roscoe den süßlichen Duft, den Vaters Tabak im ganzen Haus verbreitete.
Roscoe verspürte eine leichte Müdigkeit, drückte seine Zigarette aus und schloss die Augen. Innerhalb weniger Sekunden schlief er tief und fest.
Gegen Abend wachte Roscoe auf und verspürte ein nagendes Gefühl von Hunger im Magen. Er nahm sich einen Double Jack Burger aus der Tüte und setzte sich frischen Kaffee auf.
Er verbrachte den ganzen Abend bis spät in die Nacht hinein mit Lesen. Inzwischen war Roscoe im Buch einige Kapitel weiter.
Er las, wie Conny sich immer mehr vom elterlichen Geschäft zurückzog und sich einen Beruf in der Stadt nahm. Mr. Bender, der Kolonialwarenhändler, erweiterte sein Geschäft um eine Bibliothek. Er hatte inzwischen tausende Bücher angesammelt. Gleichzeitig gab er eine kleine Wochenzeitung heraus, den Lockhart Observer.
Der Lockhart Observer bestand aus lediglich zwei Seiten, einer Titelseite und einer noch traurigeren Rückseite. Trotzdem kam der Observer in Lockhart gut an und entwickelte sich schnell zu einer wöchentlichen festen Institution. Nach zwei Monaten erreichte Bender die Grenze seiner physischen Kapazitäten. Er entschloss sich jemanden festes einzustellen.
Mr. Bender kannte Conny schon eine ganze Weile und wusste von seiner Liebe zur Literatur. Eines Tages machte Mr. Bender ihm ein Angebot.
Conny sollte den wöchentlichen Observer herausgeben und sich um die Bibliothek kümmern.
Conny war gerade 25 Jahre alt geworden. Nach 12 Jahre Rancharbeit verließ er den elterlichen Betrieb und zog nach Lockhart. Er wohnte in einer kleinen 2 Zimmerwohnung über dem Kolonialwarengeschäft von Mr. Bender.
Mr. Bender war mit ihm als Bibliothekar und Schreiber des Lockhart Observers mehr als zufrieden. Er kannte alle Buchtitel und so gut wie alle Buchinhalte. Jedes Buch wurde für 15 Cent ausgeliehen. Aus Mr. Bender´s anfänglichen kleinen Bibliothek wurde innerhalb eines Jahres eine stattliche Stadtbücherei.
Der Observer wuchs auf 4 Seiten und finanzierte sich allein durch die vielen Anfragen von Anzeigenkunden.
Alle waren zufrieden. So ging ein Jahr ins Land. Conny war gerade 26 Jahre geworden. Seine Eltern bereiteten ihm ein großes Geburtstagsfest auf der Ranch.
Die Ranch ist mittlerweile auf die 5fache Größe angewachsen. Die Rinderzucht lief gut. John und Ruth, Conny´s Eltern, haben sich bereits von der aktiven Arbeit auf der Ranch zurückgezogen und fuhren nur noch gemeinsam zu Viehauktionen. Sein Vater beschäftigte inzwischen 12 Männer, die sich um alle Arbeiten auf der Ranch kümmerten.
Zwei Tage nach seinem 26. Geburtstag verlor Conny beide Eltern bei einem schrecklichen Unfall. Ein paar betrunkene und wild um sich schießende Cowboys sorgten dafür, dass die Pferde vom Wagen, mit dem John und Ruth Rickman gerade auf dem Nachhauseweg waren, durchgingen und der Wagen vom Weg abkam und sich überschlug.
Die Verantwortlichen konnten nie ermittelt werden… Ruth und John Rickman verstarben noch an der Unfallstelle.
Conny erfuhr erst gegen Abend vom Tod seiner Eltern, als der Sheriff bei ihm vor der Tür stand und ihm Mitgefühl heuchelnd die Nachricht brachte.
Für Conny brach eine Welt zusammen. Er hatte die einzigen Menschen in seinem Leben verloren, die ihm etwas bedeutet haben. Innerhalb weniger Stunden veränderte sich schlagartig sein Leben. Nach der Beerdigung lebte er noch eine ganze Weile auf der elterlichen Ranch und versuchte den Ranchbetrieb aufrecht zu erhalten.
Nach drei Monaten musste er sich aber eingestehen, dass er die Ranch nicht weiterführen konnte… nicht wollte.
Bei der Testamentsverlesung stellte sich heraus, dass Ruth und John ein kleines Vermögen angehäuft hatten.
Das Barvermögen betrug ganze 38.700 Dollar.
Nachdem Conny die Rinderzucht und die elterliche Ranch verkaufte, befanden sich insgesamt 59.100 Dollar auf seinem Bankkonto.
Fünf Jahre lebte Conny noch in Lockhart von seinen Ersparnissen.
Eines Morgens beschloss er abrupt sein Leben zu verändern. Er wollte raus aus der grauen Welt seiner Kindheit, raus aus dem Schleier von Armut, Verzicht und Arbeit. Raus aus den Erinnerungen an seine Eltern und dem tragischen Ende.
Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie sich ein schönes Leben hätten machen können, schlug das Schicksal zu und beendete alle Wünsche mit einem Schlag. Er wollte nicht länger in dieser Umgebung leben. Er beschloss nach Westen zu gehen.
Roscoe klappte das Buch abrupt zu und warf es vor sich aufs Bett.
»Das ist doch ein Witz«, sagte Roscoe laut und lachte.
Er zündete sich eine Zigarette an und sah wieder auf das Buch. Ihn beschlich ein leicht mulmiges Gefühl im Magen. Was er da bislang gelesen hatte entsprach seinem Leben. Es spielte in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort, aber es war seine Geschichte.
Die Kindheit, das Elternhaus, die Entwicklung des elterlichen Geschäftes, die Tatsache, dass Conny mit 25 Jahren in eine eigene Wohnung zog und sich vom Geschäft der Eltern abwendete.
Ja und dann die Sache mit dem Unfall. Zwei Tage nach Conny´s Geburtstag sterben beide Eltern bei einem tragischen Unfall. Das war sein Leben. Jemand erzählte hier sein Leben.
Roscoe schüttete sich seinen Kaffeebecher noch einmal voll und griff wieder zum Buch. Seine Gedanken explodierten in seinem Kopf wie ein Feuerwerk auf einem Jahrmarkt. Wenn es ein Tagebuch sein soll, dann wären es also Erlebnisse, die dieser Conny selbst erlebt hat, haben soll oder zumindest behauptet er es.
Allerdings wäre es ein seltsamer Zufall, dass sich zwei Leben so sehr ähneln sollten. Andererseits wäre es ein noch größerer Zufall, wenn sich jemand so etwas aus den Fingern gesaugt hätte, was mit meinem Leben identisch wäre.
Roscoe zündete sich eine weitere Zigarette an und las weiter im Buch.
Vom Glück verurteilt
von Conny Rickman
Kapitel 5 - Der Weg nach Westen
Es ist gute 5 Jahre her, seit ich meine Eltern verloren habe. Ich lebte die letzte Zeit einfach in den Tag hinein. Mehr und mehr bekam ich das Gefühl, dass ich in Lockhart keine Luft mehr bekam. Die Stelle bei Mr. Bender habe ich bereits vor längerer Zeit aufgegeben. Mr. Bender war sehr verständnisvoll und schenkte mir zum Abschied sogar noch ein großes Konvolut an Büchern.
Ich ging zum Stellmacher und kaufte mir einen Planwagen. Es war ein Mix aus einem typischen Planwagen, so wie ihn die alten Siedler benutzten und einem Chuckwagon, einem Planwagen, der als Küche umgebaut war und so den Cowboys auf ihren Viehtrieben dienlich war. Er war gute zwei Fuß länger als ein gewöhnlicher Planwagen.
Ich konnte in ihm leben. Er bot mir ein Lager für die Nacht und gleichzeitig die Möglichkeit mich zu verpflegen. Er sollte für lange Zeit mein mobiles Zuhause sein. Wenn man wochenlang allein unterwegs ist wird man anscheinend romantisch. Bereits nach wenigen Tagen gab ich meinem Planwagen sogar einen Namen. Ich nannte ihn liebevoll "Moby". Er erinnerte mich an Moby Dick, dem weißen Wal. So muss es in etwa im Inneren vom Moby Dick ausgesehen haben. Allerdings hoffe ich doch, dass ich nichts mit dem 1851 veröffentlichten Roman von Herman Melville zu tun zu haben. Es sollte nicht die schicksalhafte Fahrt werden, wie die des Walfangschiffes Pequod und dem fanatischen Kapitän Ahab, der durch diesen weißen Wal ein Bein verloren hat und nun seinem blinden Hass folgend, nichts mehr kennt außer Rache.
Ich hatte nicht viel an Hab und Gut. Kleidung zum Wechseln. Ein zweites Paar Stiefel. Vaters Winchester. Genügend Munition, mit der ich mich gegen eine ganze Armee hätte wochenlang verteidigen können. Fotos. Kolonialwaren und Lebensmittelvorräte.
Ich kaufte mir zwei gute Zugpferde und bereits nach einer Woche hatte ich meine Sachen gepackt und machte mich auf den Weg in den Westen.
Tagsüber saß ich auf dem Bock und folgte der Sonne, während ich mir nachts ein gemütliches Lager im Freien bereitete.
Wenn ich an einer Stadt vorbeikam, die mir gefiel, quartierte ich mich schon mal für ein paar Tage oder auch mal für ein paar Wochen im dortigen Hotel ein, lies mich verwöhnen und las meine Bücher.
Dann packte ich wieder meine Sachen in meinen "Moby" und fuhr aufs Geratewohl los… immer Richtung Westen.
Es war für mich mehr als nur die Fahrt in eine neue Zukunft, es war für mich noch eine zusätzliche Auszeit, ein Verarbeiten meiner Vergangenheit.
Manche sagten, dass ich ein Bücherwurm sei. Nein, ich lebe nicht als Einsiedler unter Millionen. Ich suche auch mein Vergnügen. Aber zu meinen Entspannungsmomenten gehörte einfach immer ein Buch.
Ein normales Buch lass ich gewöhnlich in 3 - 4 Wochen. Als ich meine Reise begann kaufte ich mir noch das eine oder andere Buch.
Darunter war ein Buch, was meine ganze Aufmerksamkeit abverlangte, mich so sehr fesselte, dass ich jegliche Zeit vergaß. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle ehrlich sein und zugeben, dass meine Reise von Texas bis nach Kalifornien gute 18 Monate dauerte.
Ganze 18 Monate lass ich immer wieder in diesem Buch. Ich war vom Inhalt derartig gefesselt, dass ich es immer und immer wieder von vorn gelesen hatte.
So geschah es nicht selten, dass ich in einer Stadt Halt machte, mich in einer Pension einmietete und das Buch in aller Ruhe erneut las. Wenn ich es zu Ende gelesen hatte fuhr ich weiter.
Und ich machte in einer ganzen Menge Städte halt auf meinem Weg nach Kalifornien.
Von Lockhart fuhr ich nach New Braunfels, dann San Antonio, Kerrville, Junction, Sonora, Sheffield, Fort Stockton, Saragossa, Van Horn, Fort Hancock, El Paso, Las Cruces, dann allerdings folgte ein langer Weg bis nach Tucson, Casa Grande, Gila Bend, Yuma, vorbei an Mexicali, Jacumba, Pine Valley, Alpine, dann die Küste entlang Richtung Norden, San Clemente, Costa Mesa, bis ich schließlich in Anaheim Kalifornien ankam, wo es mir gefiel und ich mich niederließ.
Dieses Buch hatte etwas Geheimnisvolles. Kein Buch hatte mich bisher so vereinnahmt, es war als spräche das Buch zu mir, als würde mir das Buch ein Angebot machen.
Allein der Titel hatte mich schon aufmerksam werden lassen. Die Begriffe der Inkarnation oder der Reinkarnation waren ihm geläufig.
Dieses Buch trug jedoch den Titel "Deinkarnation".
Roscoe legte das Buch zur Seite und starrte durch sein Fenster in die dunkle Nacht. Eilig überflog er noch einmal die letzten Seiten, die er gerade gelesen hatte. Er drehte und wendete das Buch zu allen Seiten und sah es sich genau an.
»Hallo, was passiert hier. Will mich hier jemand auf den Arm nehmen?«, rief Roscoe laut durch seinen Trailer und warf das Buch in die Ecke.
Erneut griff er zum Buch und suchte nach einer Angabe, wann das Buch genau erschienen ist. 1872. Wie konnte das sein. Wie können sich zwei Leben so sehr ähneln. Zwei Leben, die über 140 Jahre auseinanderliegen? Roscoe hatte sich bereits eingehend mit dem Thema einer Wiedergeburt auseinandergesetzt. Das konnte es nicht sein. Nein, Roscoe Tate war nicht die Reinkarnation von Conny Rickman. Es musste etwas Anderes dahinterstecken. Aber was? Roscoe sah auf die Uhr. Es war bereits 4:00 AM. Der Mond schien hell in sein Fenster und erleuchtete sein komplettes Wohnzimmer im Trailer. Roscoe legte sich hin und schloss die Augen. Morgen würde er der Sache auf den Grund gehen.
Der nächste Morgen begann für Roscoe erst um 1:00 PM. Auf wackeligen Beinen ging er ins Badezimmer und nahm eine lange Dusche. Nach dem ersten Schluck heißen Kaffee und dem ersten Zug an seiner Zigarette war das Leben in Roscoe wieder zurückgekehrt.
Wie eine heiße Nadel, die man mühelos in eiskalte Butter stechen kann, fuhr ihm wieder Conny Rickman´s Geschichte ein. Vielleicht ist ja was dran an den Erzählungen von Reinkarnationen, der Wiedergeburt.
Vielleicht hatte er wirklich schon einmal als Conny Rickman gelebt. Vielleicht hatte er in seinem Vorleben etwas nicht zum Ende bringen können und sollte es nun, in einem neuen Leben, noch einmal probieren.
»Ich muss nochmal zu diesem Buchladen. Vielleicht kann mir dieser Wilbur Destiny etwas mehr dazu sagen. Warum hat er mir gerade dieses Buch empfohlen?«, fragte Roscoe laut und griff zu seinem Kaffeebecher.
Fortsetzung folgt…
Kapitel 2 – Ein Geschenk für Rosemary
Die Liebe spielt oftmals ein seltsames Spiel. Manchmal ist sie die Erfüllung zweier Menschen, die von diesem Moment an ihr Leben nur noch gemeinsam bestreiten. Und das oft bis ins hohe Alter. Oftmals ist es aber auch der Beginn einer Einbahnstraße voller Leid, Misstrauen und Eifersucht, die nicht selten in der totalen Selbstaufgabe und Selbstzerstörung endet.
Lassen Sie uns eines der vielen Beispiele betrachten, wo Liebe hinführen kann, wenn man sie mit Eigentum verwechselt.
Robert Manzoni ist der Sohn italienischer Einwanderer. Mit seinen 37 Jahren hat er es bis heute gerade Mal zu einem mittelklassigen Kellner in einer kleinen Pizzeria im Stadtteil Inglewood, Kalifornien, südlich von Los Angeles geschafft. Das "La Grotta" war eine kleine, aber gut besuchte Pizzeria in der North Market Street, die seinen Eltern gehörte.
Anna und Vincente Manzoni sind als junges Paar von Neapel nach Amerika gekommen. Es war die Nachkriegszeit, in der sich sehr viele Menschen auf die Suche nach einer neuen Heimat machten.
Viele sahen ihre Zukunft in der Neuen Welt. Amerika.
Es war schon immer der perfide Plan der Machthaber, Kriege zu inszenieren, um eine Neuordnung in die Wege zu leiten. Man mischte die Karten neu.
Mit Blick auf die Freiheitsstatue gingen viele Träume damaliger Einwanderer bereits in Erfüllung. Man konnte das alte Kapitel abschließen und sich einer neuen Zukunft widmen.
Anna und Vincente arbeiteten hart für ihren Lebensunterhalt. Anna und Vincente nahmen jeden Job an, der etwas Geld ins Haus brachte. Anna richtete sich in ihrem kleinen Zweizimmerappartement eine kleine Bügelstation ein. Für 25 Cent bügelte sie Hemden von Geschäftsleuten. Sie holte die Hemden selbst ab und brachte sie gebügelt wieder zurück. Das brachte beiden immerhin fast 21Dollar pro Woche ein.
Vincente arbeitete zunächst als Träger für ein Umzugsunternehmen in Los Angeles. Bei einem Umzug eines italienischen Restaurants lernte er Giorgio Buffone kennen, der ihn sofort für sein italienisches Restaurant einstellte. Lange Zeit arbeitete er erst als Kellner im "Fonte di Gusto", was so viel wie die Quelle des Geschmackes bedeutet.
Eines Tages erkrankte einer der Köche und Vincente sollte in der Küche aushelfen. Giorgio erkannte Vincente´s Talent für das Kochen sehr schnell und ließ ihn fortan in der Küche.
In weniger als zwei Jahren war Vincente der Chefkoch des "Fonte di Gusto" und verdiente zum ersten Mal gutes Geld.
Seine Frau konnte die schwere Bügelarbeit aufgeben und sich ganz dem Haushalt widmen.
Während Vincente für den Unterhalt sorgte, kümmerte sich Anna um das Haus, was sie sich inzwischen leisten konnten und übernahm die privaten Finanzen.
Nach gut 20 Jahren war es dann soweit. Anna und Vincente hatten genug Geld angespart, um ein eigenes Restaurant im Stadtteil Inglewood zu eröffnen. In Erinnerung an ihre Heimat nannten sie es liebevoll "La Grotta".
Ende der 70er Jahre, Anna war schon gute 50 Jahre alt, brachte sie Robert zur Welt. Für Anna und Vincente begann eine neue Zeit. Fortan arbeitete Vincente noch härter. Er wollte seinem Sohn eine andere Zukunft ermöglichen. Er sollte einmal alles erben.
Doch es sollte alles anders kommen.
Robert interessierte sich nicht für das Kochen. Sein Interesse war eher auf die Frauen und das Leben gerichtet. Um seinen unsteten Lebenswandel bestreiten zu können, kellnerte er bei seinen Eltern. Nach dem Tod seiner Eltern verkaufte er das Restaurant, verspielte das Geld innerhalb eines Jahres und arbeitet heute wieder als Kellner im "La Grotta".
Er bewohnt ein kleines Einzimmerappartement über dem "La Grotta".
Sein Lebenswandel hat sich inzwischen stark verändert. Er ist sittsamer geworden und führt seit einem Jahr eine feste Beziehung mit Rosemary Goodings. Rosemary Goodings ist aus reichem Elternhaus. Bei einem Essen mit ihren Freunden hatte sie Robert im "La Grotta" kennengelernt. Zwei Wochen später waren beide ein Paar.
Die Beziehung fand jedoch meist nur an Wochenenden statt.
Während Robert sie immer wieder darauf ansprach, dass er mit ihr gemeinsam leben und mit ihr eine eigene Wohnung beziehen wollte, erstickte sie jeden Versuch sofort im Keim, der auch nur in die Richtung eines gemeinsamen Lebens ging.
Robert war der unglückliche Teil einer sehr einseitigen Beziehung. Blind vor Liebe, startete er immer neue Versuche Rosemary von einem gemeinsamen Leben zu überzeugen.
In drei Tage war ihr 28ster Geburtstag. Robert zerbrach sich bereits seit einigen Tagen seinen Kopf, was er Rosemary schenken könnte. Natürlich sollte es auch diesmal wieder etwas sein, was ihn seinem Ziel, mit Rosemary endlich zusammen zu leben, näherbringt.
Heute war sein freier Tag. Robert beschloss heute in die Stadt zu fahren und sich nach einem Geschenk für Rosemary umzusehen.
Robert setzte sich in seinen Wagen und fuhr die East Florence Avenue bis zur West Florence Avenue. Nach einer Meile sah er auf der linken Seite, direkt am Anfang einer kleinen Seitenstraße, der Estrella Avenue, ein kleines Buchgeschäft.
Er bog in die Estrella Avenue und parkte genau gegenüber vom Buchgeschäft. Er stieg aus und ging zur anderen Seite auf das Buchgeschäft zu.
Von außen sah der Laden eher etwas verstaubt aus, dunkel, fast schon antik. Eine alte braune Holzfassade bei der bereits an manchen Stellen die Farbe abblätterte. Zwei Schaufenster. Ein kleines Fenster, was jedoch mit einem weißen Tuch halb zugehängt war, so dass man nicht in die Auslage sehen konnte und ein größeres Schaufenster. Im größeren Schaufenster stand ein breites altes Holzregal, randvoll mit Büchern. Auf dem Boden des Schaufensters, direkt vor dem Regal, lagen ebenfalls Unmengen von Büchern.
Die Einbände der Bücher sahen alt aus, sehr alt. Es war eher eine antiquarische Buchhandlung. Im gleichen Moment hatte Robert das Gefühl ein Déjà Vu zu haben.
Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Geschäft.
Robert drückte die alte Messingklinke der Tür nach unten und trat in das Geschäft. Mit einem langgezogenen Knarren und Quietschen öffnete sich die alte Holztür. Ein kleines Glockenspiel aus Messing, das durch das Öffnen der Tür angestoßen wurde und nun fröhlich hin und her tanzte, meldete sein Eintreten mit einem Klingeling… Klingeling an.
Das Innere des Buchladens hielt das, was er von außen versprach. Er war eher düster. Alles erschien in einem sepiaartigen Farbton. Der Fußboden bestand aus alten abgewetzten Holzdielen, die jeden Schritt mit einem Knarren bestraften. Die Wände links und rechts bestanden aus hölzernen und in die Jahre gekommenen Bücherregalen. Im hinteren Teil des Raumes stand ein alter breiter Tresen aus dunklem Weichholz. Ein kleiner Teil davon diente wohl als Tresen selbst, da der Rest ebenfalls mit gestapelten Büchern belegt war.
Hinter dem Tresen standen links und rechts zwei etwa 1 Meter breite alte Holzregale. In der Mitte war ein offener Durchgang. Ein Vorhang aus bunten kitschigen Glasperlen versperrte die Sicht auf das, was dahinterlag. Der Raum wurde durch zwei Lampen beleuchtet. Eine Deckenlampe mit drei Glühbirnen und einer Lampe, die auf dem Tresen stand. Es schien kaum Tageslicht in den Laden, da das Schaufenster dicht mit Büchern zugestellt war.
Im Raum lag ein Duft von altem Papier und einer Mischung von Leder, Holz, frischem starken Kaffee und Tigerbalsam. Man hatte das Gefühl, als beträte man eine andere Welt zu einer anderen Zeit.
»Hallo, ist hier jemand?«, fragte Robert und ging zum Tresen.
»Oh, ein Kunde. Ich komme schon, ich habe nur gerade einen neuen Kaffee aufgesetzt. Er muss gleich durch sein, dann kann ich ihnen eine Tasse Kaffee anbieten. Ich bin Wilbur Destiny, der Besitzer dieses bescheidenen Buchladens. Wie kann ich ihnen helfen?«, fragte Wilbur freundlich.
Robert betrachtete sich Wilbur kurz. Wilbur Destiny war etwa 1,90 Meter groß. Er musste so Anfang der Sechziger sein. Er könnte aber auch bereits wesentlich älter sein, er war schwer zu schätzen. Er war hager, jedoch nicht dünn oder gar abgemagert. Er wirkte mehr drahtig. Er hatte längeres graugesträhntes licht gewelltes Haar. Er trug eine ovale Nickelbrille, die ihm fast von der Nase zu rutschen droht. Sein Gesicht war faltig und gebräunt. Ein kleiner grauer Bart zierte seine Oberlippe.
Wilbur Destiny trug eine dunkelbraune Cordhose, die von ein paar alten Hosenträgern gehalten wurde, die an die Hose geknöpft waren. Als Oberteil trug er ein, ja einfach nur ein langärmeliges verwaschenes rotes Unterhemd, wie man es aus alten Wild West Filmen kennt. Er trug einen alten braunen Fedora Poet Hut, den er leicht nach hinten geschoben hatte.
Wilbur Destiny hatte kräftige Hände, die von einem Mann erzählten, der mit schwerer Arbeit seinen Lebensunterhalt verdienen musste. In seiner linken Hand brannte eine selbstgedrehte Zigarette.
Wilbur´s Schläfen glänzten etwas und verteilten einen leichten angenehmen Pfefferminzgeruch, Tiger Balsam.
Aus dem Hinterzimmer hörte man Musik von einem alten Plattenspieler. Es lief die Platte "Parlami d'amore Mariù" von Tino Rossi.
»Hallo, ich bin Robert Manzoni. Ich freue mich sie kennen zu lernen. Ich höre italienische Musik, Parlami d´amore Mariù. Erzähl mir was von Liebe, Mariù. Ja, da wäre ich fast schon bei meinem Wunsch. Ich suche ein ganz bestimmtes Buch«, antwortete Robert und erzählte Wilbur seine ganze Geschichte, wobei sein Schwerpunkt natürlich auf Rosemary lag.
»Ich verstehe«, antwortet Wilbur leise, nahm seinen Hut ab und strich sich über die Haare.
»Vielleicht gibt es da irgendeinen Ratgeber, wie ich mit meinem Partner glücklich werde oder wie ich eine eigene Familie gründen kann. Wissen sie, es soll ja nun auch kein Wink mit einem Lattenzaun sein«, erklärte Robert und lehnte sich gegen den Tresen.
»Ich denke, ich schütte uns beiden erst einmal eine Tasse Kaffee ein. Wir werden dann schon das Richtige für sie finden, da bin ich mir sicher«, sagte Wilbur mit einem zuversichtlichen Lächeln und stellte zwei Tassen auf den Tresen.
»Ja gerne, sie sind sehr freundlich«, antwortete Robert und setzte sich auf den alten Holzstuhl der links vor dem Tresen stand.
»Ich denke ich habe da etwas für sie. Es ist ein altes Buch. Aber es beschreibt in etwa eine ähnliche Situation. Eine junge Frau aus gut betuchtem Haus… nein, sie sollen es selbst lesen«, sagte Wilbur und reichte Robert das Buch.
»Na ja, eigentlich sollte sie es lesen«, lachte Robert.
»Wissen sie, manchmal spricht ein Buch zu seinem Leser. Sie sagen einem, was für einen das Beste wäre. Da wäre es doch gut, darüber informiert zu sein, oder?«, fragte Wilbur mit einem leichten Lächeln und schüttete beide Tassen voll.
»Na ja, es kann nicht schaden, einmal darin zu blättern. So weiß man, was einen erwartet«, lachte Robert und nahm einen Schluck vom heißen Kaffee.
»Was bekommen sie für das Buch?«, fragte Robert und trank seinen restlichen Kaffee aus.
»Was es ihnen wert ist, sagen wir 8 Dollar?«, fragte Wilbur zurück.
»Das ist ein fairer Preis. Ich bedanke mich bei ihnen«, antwortete Robert, bezahlte, nahm das Buch, verabschiedetet sich und verließ das Geschäft.
Da es noch früher Vormittag war, fuhr Robert in die Stadt und suchte sich ein Diner, wo er sich bei einem Frühstück das Buch einmal genauer ansehen wollte.
Sein Weg führte ihn Geradewegs zu Moll´s Diner, einem kleinen Diner in einer kleinen Querstraße des Pico Boulevards, der Margo Street. Molly war bei Insidern als der beste Platz für ein gutes Frühstück und für die besten Cheeseburger in Los Angeles bekannt.
»Guten Morgen, kann ich bei ihnen ein gutes Frühstück bekommen?«, fragte Robert mit einem zwinkernden Auge.
»Wo, wenn nicht bei mir, Bobby, setz dich hin. Ich bringe es dir gleich. Dazu einen Kaffee, wie immer?«, fragte Molly freundlich zurück.
»Ja, schwarz wie meine Seele«, antwortete Robert, setzte sich in die Ecke des Diners und sah sich das Buch an.
Ruinen des Glücks
von Sheryl Armatrading
Kapitel 1 - Twenty-one
Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, liebe Roslyn, happy birthday to you.
»Alles Gute zu deinem 21. Geburtstag, liebe Roslyn und vor allem, dass alle deine Wünsche in Erfüllung gehen«, sprachen Rita, Dave und Mike im Chor.
»Hey ihr Süßen, ich danke euch, ihr seid einfach spitze. Aber lasst uns jetzt den Champagner aufmachen. Jetzt ist es vorbei mit dem heimlichen Alkoholtrinken, jetzt beginnt das Leben«, lachte Roslyn laut schallend.
Roslyn Davenport ist eine junge Frau aus reichem Hause. Ihre Eltern, Coleen und Victor Davenport, führten ein renommiertes privates Auktionshaus in San Francisco. Mitte der 90iger Jahre sind sie nach Beverly Hills gezogen. Der Grund war die Geburt der Tochter Roslyn im Jahre 1995. Coleen wollte sich aus dem Geschäft zurückziehen und sich ganz der Erziehung ihrer Tochter widmen.
Victor Davenport führte das Auktionshaus allein und kam nur zum Wochenende nach Hause.
Die ersten Jahre verliefen harmonisch und in bester Eintracht. Bis zu ihrem 17. Lebensjahr wurde Roslyn nur von Privatlehrern unterrichtet. Mit Beginn ihres 18. Lebensjahres jedoch, bemängelten immer mehr Lehrer ihre Mitarbeit. Roslyn war weniger an den Inhalten des Unterrichts und mehr an den männlichen Lehrern interessiert.
Zum damaligen Zeitpunkt ahnte noch niemand ihr Geheimnis. Roslyn war nymphoman. War sie anfangs noch damit zufrieden ihren Körper selbst zu erkunden und zu berühren, wuchs ihr Interesse am anderen Geschlecht fast täglich. Und es sollte nicht beim anderen Geschlecht bleiben.
3 Jahre zuvor, Roslyn war gerade 15 Jahre geworden, entschied sich Coleen wieder im Geschäft mitzumachen und war nunmehr auch nur noch an Wochenenden Zuhause. Roslyn war die ganze Woche mit Milton, dem Butler der Davenport´s, und mit Bernice, der Zugehfrau, allein.