Wintertraum - Claudia Lütje - E-Book

Wintertraum E-Book

Claudia Lütje

3,0

Beschreibung

Es sollte ein harmloser Ski-Urlaub werden, doch Tina trifft ihre große Liebe wieder: ihre ehemalige Lehrerin Charlotte. Während in Tina die Gefühlswelt Achterbahn fährt, verhält sich Charlotte abweisend und kühl wie eh und je - doch irgendetwas ist anders diesmal ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 85

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
3,0 (1 Bewertung)
0
0
1
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Claudia Lütje

WINTERTRAUM

Liebesgeschichte

© 2013édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-095-0

Coverillustration: © nataliazakharova – Fotolia.com

»Tina, sag ja, bitte, bitte sag ja!«

Irritiert hob Tina den Kopf und sah ihre kleine Schwester fragend an. »Und wozu soll ich ja sagen?«

»Du musst unsere Begleitung sein für die Skifreizeit nächste Woche, sonst fällt das flach.«

»Ich muss gar nichts und schon gar nicht Skifahren.« Tina winkte genervt ab und senkte den Kopf wieder zwischen ihre Bücher.

»Du hast ja bloß Angst, weil du nicht Skifahren kannst«, nörgelte Sarah weiter. »Du kannst ja einen Kurs belegen, dann lernst du es mal, und außerdem«, sie legte eine theatralische Pause ein, die Tina dazu brachte, den Kopf zu heben, »außerdem würde es dir nicht schaden, mal vom Schreibtisch wegzukommen. Du vergräbst dich ja nur noch in deinen Büchern.«

Tina seufzte leise auf, dann sah sie ihre quirlige Schwester ernst an. »Wenn du wie ich kurz vor dem ersten Staatsexamen stehen würdest, dann würdest du deine Zeit – hoffentlich – auch mit Lernen verbringen. Und jetzt raus, ich muss mich wieder um meine Gesetzestexte kümmern.«

»Aber –« Sarah wollte nicht so leicht aufgeben.

Tinas eisiger Blick ließ sie allerdings schnell verstummen. »Raus!« Mit dem Finger zeigte sie zur Tür.

»Mama, sag du doch mal was!«

Durch die geöffnete Tür konnte Tina nur zu gut hören, wie ihre Schwester auf ihre Mutter einredete.

»Du hast doch auch gesagt, dass es Tina guttun würde, mal raus an die frische Luft zu kommen. Außerdem kann sie da vielleicht mal jemanden kennenlernen.«

Bei diesen Worten zog Tina scharf die Luft ein. Was bildete sich ihre Schwester eigentlich ein? Sie wollte niemanden kennenlernen, wozu auch? Allein konnte sie sich gut auf ihr Studium konzentrieren. Und etwas anderes interessierte sie gerade eh nicht.

Seufzend versuchte sie sich auf den trockenen Text vor sich zu konzentrieren, doch die lauten Stimmen aus dem Flur ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Sie ahnte schon, dass sie nicht so einfach davonkommen würde, und genauso war es auch.

Mit ihrer Mutter im Schlepptau stürmte Sarah erneut in ihr Zimmer.

»Ach Tina, Sarah hat doch Recht. Du sitzt viel zu viel über deinen Büchern und kommst gar nicht mehr raus. Es würde dir wirklich guttun, ein paar Tage auszuspannen und unter Leute zu kommen.«

»Oh Mama, aber doch nicht mit so einer Horde Küken! Und dann auch noch Skifahren. Wo ich den Winter über alles hasse. Bitte verschont mich damit.« Doch der bettelnde Blick ihrer Schwester und der nicht minder energische Blick ihrer Mutter machten ihr schnell klar, dass sie aus dieser Sache nicht so leicht herauskommen würde. »Wann soll es losgehen, wohin und wie lange?« Sie schob resignierend ihren Stuhl nach hinten und drehte sich zu ihrer Schwester um.

Mit einem lauten Schrei fiel Sarah ihr um den Hals. »Du bist die Beste, Tina! Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Wir fahren am Samstag los, für eine Woche. Es geht nach Lech am Arlberg, das wird ein Wintertraum. Und wir sind zehn junge Frauen, keine Küken«, fügte sie mit erhobenem Zeigefinger hinzu.

»Ich habe noch nicht zugesagt«, versuchte Tina eine letzte Ausflucht, doch das Grinsen ihrer Mutter und die weiteren Jubelschreie ihrer Schwester bezeugten eindeutig, dass sie verloren hatte.

»Wir haben heute Abend eine Besprechung, da lernst du alle kennen und auch, was wir mitzunehmen haben.« Sarah strahlte über das ganze Gesicht.

Doch auch Tina verspürte einen leichten Anflug von Freude. Warum auch nicht, dachte sie bei sich, ein paar Tage Pause vom Lernen sind sicherlich nicht verkehrt.

Am Abend machten sich die beiden Schwestern auf den Weg zu Sarahs Schule.

Mit gemischten Gefühlen betrachtete Tina das große Gebäude des städtischen Gymnasiums. »Bin ich froh, dass ich die Zeit hinter mir habe.«

Sarah sah sie überrascht von der Seite an.

Grinsend hob Tina die Schultern. »Ist doch wahr. Neun Jahre sind mehr als genug. Außerdem fand ich die Lehrer nicht so prickelnd.«

Sarah stupste sie leicht in die Seite. »Und ich dachte, du wärst gern zur Schule gegangen. Außerdem warst du ja auch nicht hier, sondern auf dem naturwissenschaftlichen Gymnasium. Du hast doch immer von deiner Klassenlehrerin geschwärmt.«

Tina fühlte die leichte Röte, die ihren Nacken überzog. Gerade daran wollte sie nun gar nicht mehr erinnert werden. »Komm, lass uns reingehen.« Zögernd öffnete sie die große Tür und ließ ihrer Schwester den Vortritt.

»Du kannst dann mit fünf von uns in den Anfängerkurs, und die anderen gehen mit Frau Dr. Sperling in den Fortgeschrittenenkurs.«

Auf einmal hatte Tina das Gefühl, dass ihr der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Abrupt blieb sie stehen, packte ihre Schwester am Ellenbogen und starrte sie einer Panik nahe an. »Was hast du gesagt?«, flüsterte sie mit heiserer Stimme.

»Na, Frau Dr. Sperling kommt als zweite Aufsichtsperson mit. Ich dachte, das wüsstest du. Immerhin ist sie ja meine Klassenlehrerin.«

Tina spürte die eisige Kälte, die ihre Knochen entlangkroch, sich wie ein enges Band um ihre Brust legte und ihr das Atmen zur Qual machte. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, und sie musste sich für einen kurzen Moment an ihrer Schwester festhalten, sonst wäre sie auf dem rutschigen Boden ausgeglitten und gefallen.

»Ich kann nicht«, murmelte sie leise. »Ich kann das nicht.«

Sarah warf ihr einen rätselnden Blick zu. »Was ist denn mit dir auf einmal los? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«

Doch bevor Tina etwas sagen konnte und leider auch, bevor sie einen schnellen Rückzug planen konnte, kamen weitere Klassenkameradinnen von Sarah angerannt, nahmen die beiden in die Mitte und schoben sie regelrecht in das Klassenzimmer hinein.

Tinas Blick hetzte durch den leeren Raum. Noch einmal unternahm sie einen halbherzigen Versuch, sich davonzustehlen. Doch gerade, als sie an der Tür ankam, ging diese mit großem Schwung auf, und Tina starrte in zwei dunkelgrüne Augen. Augen, die sie eigentlich vergessen wollte und die sie doch nie losgelassen hatten. In ihrem Bauch begann es langsam und unaufhaltsam zu kribbeln.

Frau Dr. Sperling stürmte an ihr vorbei zu ihrem Pult, klatschte ihre große Tasche darauf und verharrte einen Moment reglos auf der Stelle. Dann drehte sie sich für ihre Verhältnisse ungewöhnlich langsam zu den Mädchen um. Ihr Blick glitt über die zehn Mädchen und blieb schließlich an Tina hängen. Sie ließ keinerlei Regung in ihrem makellosen Gesicht erkennen. Mit ihren grünen Augen schien sie Tina und ihre Gestalt in sich aufzusaugen. Sie musterte sie intensiv von Kopf bis Fuß und wieder zurück.

Noch immer ohne eine Regung zu zeigen, nickte sie Tina schließlich zu. »Martina. Ich hätte nicht gedacht, Sie noch einmal wiederzusehen.«

Tina schluckte hart und trocken. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und sie brachte keinen Ton heraus. Räuspernd presste sie schließlich ein klägliches »Ebenso, Frau Dr. Sperling« zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor.

»Sie konnten Ihre Schwester also tatsächlich zu unserer kleinen Reise überreden. Ich bin beeindruckt, Sarah.« Während sie sprach, ruhten ihre Augen weiter auf Tina. »Ich wäre jede Wette eingegangen, dass Sie das nicht schaffen werden.«

Das spöttische Lächeln auf ihrem so schönen Gesicht traf Tina besonders hart. Am liebsten wäre sie davongelaufen, hätte das Gebäude, die Erinnerungen und vor allem Frau Dr. Sperling weit hinter sich gelassen. Doch irgendwo in ihrem Inneren begannen sich Ärger und Wut aufzubauen. Wer war sie, dass sie vor ihrer ehemaligen Lehrerin davonlaufen müsste? Sie war eine erwachsene Frau, kein Kind mehr. Und auch kein verliebter Teenager mehr, die für ihre Lehrerin schwärmte.

Tina straffte ihre Schultern, bog den Rücken durch und sah Frau Dr. Sperling direkt in die tiefgrünen Augen. Allein dieser Blick, der so weit in ihr Innerstes vorzudringen schien, brachte sie wieder aus dem Konzept. Herrgott noch mal, reiß dich doch endlich einmal zusammen! »Sarah meinte, Sie brauchen noch eine Begleitperson, und ich kann eine Pause in meinem Studium brauchen. Also«, sie hob die Schultern, »hier bin ich. Wann geht’s los?«

Frau Dr. Sperling warf ihr einen misstrauischen Blick zu, dann drehte sie sich zur Tafel um und begann in gewohnt schneller Art zu schreiben.

»Abfahrt ist am Samstag, um sieben Uhr morgens, hier an der Schule. Sie brauchen Skikleidung, Ausweise, Geld für private Ausgaben. Zudem verfügt das Hotel über einen ausgezeichneten Wellness-Bereich, also wäre Badekleidung ebenfalls angebracht. Das Hotel, die Busfahrt und die Skipässe sind schon beglichen. Das gilt auch für Ihre Ausgaben, Martina.« Damit drehte sie sich wieder zu Tina um.

Das Glitzern in ihren Augen ließ Tinas Knie weich werden. Hörte das denn nie auf? Irritiert versuchte sie dem Augenkontakt standzuhalten, doch leider schaffte sie das nur wenige Augenblicke, dann senkte sie beinahe verschämt den Kopf. Sie konnte das höhnische Grinsen in der Stimme der Lehrerin hören, ohne sie erneut ansehen zu müssen.

»Da wir auf eine zweite Aufsichtsperson angewiesen sind, haben wir Ihre Ausgaben bereits auf alle umgelegt. So brauchen Sie sich darum nicht zu kümmern. Also dann, gibt es noch irgendwelche Fragen?« Sie ließ ihre grünen Augen auf Wanderschaft gehen und blieb am Ende doch wieder bei Tina hängen.

Die zehn Mädchen schnatterten durcheinander, während Tina wie hypnotisiert in die Smaragde starrte. Das Ziehen in ihrem Bauch verstärkte sich noch mehr, und sie merkte, wie das Blut durch ihre Adern schoss. Ihr Puls verdreifachte sich unter dem starren Blick der Lehrerin.

Wie in Trance ließ Tina sich von ihrer Schwester am Arm nehmen und aus dem überhitzten Klassenzimmer führen. Bei jedem Schritt merkte sie, wie ihre Knie wackelten, unter ihr nachzugeben drohten. Erst, als sie das dunkle Gebäude hinter sich ließen und in der kalten Nachtluft standen, begann Tinas Beklemmung sich zu lösen.

»Was ist denn mit dir los? Bist du krank? So habe ich dich ja noch nie erlebt.« Die Besorgnis in der Stimme ihrer Schwester war echt und ließ heiße Tränen in Tinas Augen aufsteigen.

»Tut mir leid, Sarah, es ist alles gut. Es war nur so heiß und stickig in dem Zimmer, ich muss erstmal etwas frische Luft schnappen, dann ist wieder alles in Ordnung.«

Langsam gingen sie zu Tinas Auto. Gerade, als Tina einsteigen wollte, kam Frau Dr. Sperling die große Treppe heruntergelaufen, ging zu dem kleinen Peugeot, der neben Tinas Mazda stand, stieg ein und fuhr ohne ein weiteres Wort davon.