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Ein kleines Häuschen im Harz wird zum Symbol einer grenzenlosen Liebe …
1952: Ein DDR-Flüchtling wird an der innerdeutschen Grenze nahe des kleinen Örtchens Hohegeiß erschossen. Ruth und andere Bewohner, die den Vorfall beobachtet haben, glauben, dass es sich um Ruths Verlobten Friedrich handelt …
2025: Die Welt der optimistischen Dreifachmutter Romy gerät ins Wanken, als ihr Mann seinen Job verliert und sie bittet, das Häuschen im Harz zu verkaufen, das Oma Ruth ihr vererbt hat. Glückliche Kindheitserinnerungen lassen sie zögern. Sie fährt mit ihren Freundinnen – den »Frühstücksfrauen« – nach Hohegeiß und kommt dort einer tragischen Liebesgeschichte auf die Spur …
Eva Seifert schreibt berühend über Frauenschicksale und die besondere Bedeutung von Familie. Lesen Sie auch ihre anderen bewegenden Romane!
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Seitenzahl: 576
Veröffentlichungsjahr: 2025
Buch
1952: Ein DDR-Flüchtling wird an der innerdeutschen Grenze nahe des kleinen Örtchens Hohegeiß erschossen. Ruth und andere Bewohner, die den Vorfall beobachtet haben, glauben, dass es sich um Ruths Verlobten Friedrich handelt …
2025: Die Welt der optimistischen Dreifachmutter Romy gerät ins Wanken, als ihr Mann seinen Job verliert und sie bittet, das Häuschen im Harz zu verkaufen, das Oma Ruth ihr vererbt hat. Glückliche Kindheitserinnerungen lassen sie zögern. Sie fährt mit ihren Freundinnen – den »Frühstücksfrauen« – nach Hohegeiß und kommt dort einer tragischen Liebesgeschichte auf die Spur …
Autorin
Eva Seifert ist in Bremen geboren und aufgewachsen. Schon als Kind hat sie viel gelesen und geschrieben. Nach einem Studium der Kulturwissenschaft, Germanistik und Geschichte arbeitete sie als Lektorin in München und bekam dort all die Bücher zu lesen, die sie selbst gern schreiben wollte. Heute lebt sie mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und dem Familienhund in der Nähe von Braunschweig, wo sie endlich ihren Traum leben und Autorin sein darf. Sie reist für ihr Leben gern und liebt es, die Eindrücke aus den besuchten Orten in ihren Romanen zu verarbeiten.
Weitere Informationen unter: www.evaseifert.net
Von Eva Seifert bereits erschienen
Die Frühstücksfrauen – Ein Geheimnis in Pommern · Ein schwedischer Sommer · Ein Sommer unter Apfelbäumen · Ein isländischer Frühling
Eva Seifert
Wo die Lupinen blühen
Die Frühstücksfrauen
Roman
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Originalausgabe 2025 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)
Copyright © 2025 by Eva Seifert
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Redaktion: Angela Kuepper
Umschlaggestaltung und -motiv: www.buerosued.de
JS · Herstellung: cs
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-32852-8V001
www.blanvalet.de
Für alle,
die etwas verloren haben,
die etwas lange Vermisstes wiedergefunden haben,
denen etwas fehlt,
die von etwas getrennt sind.
Für alle.
PROLOGRuth
Juni 1952
Es ist stickig in meiner kleinen Kammer unter dem Dach, ich kann nicht schlafen. Unruhig wälze ich mich in den Laken. Der Tag war sommerlich heiß, nachmittags gewitterte es, doch das brachte keine Abkühlung, im Gegenteil, und die Hitze hat sich unter dem Dach gestaut.
Mein Blick wandert zu dem schmalen Fenster, durch das der fast volle Mond sein fahles Licht hereinwirft, und weiter zum dunklen Nachthimmel mit seiner unendlichen Zahl an Sternen. Es nützt nichts, ich finde keine Ruhe, stehe auf und gehe zur Luke, öffne sie und strecke den Kopf hinaus.
Draußen ist es wesentlich kühler als in meinem Zimmer; tief sauge ich die frische Luft ein. Ich solle nach Sirius Ausschau halten, hat Friedrich mir geschrieben. Er würde es ebenfalls jede Nacht tun. So wüssten wir, dass wir beide dasselbe sehen. Wenn wir schon nicht beieinander sein können … Ich suche das Sternbild »Großer Hund«, finde es bald, denn Sirius ist der hellste Stern am Nachthimmel. Friedrich hat mir die Sterne erklärt, als wir auf der Lichtung vor der Waldhütte seines Vaters lagen. Es fühlt sich an, als wäre es eine Ewigkeit her.
Vater will, dass ich mir einen Jungen aus dem Ort suche. Er hat da ganz genaue Vorstellungen. Und Sorgen. Ich würde noch als alte Jungfer enden, meint er. Aber ich liebe nur einen – Friedrich.
Ich will nicht wegschauen, doch unweigerlich wandert mein Blick hinunter, denn aus den Fenstern im Erdgeschoss fällt Licht in den Garten, Vater ist offenbar noch wach und sitzt in der Stube. Wie so oft. Auch er wird von Dämonen gejagt, vielleicht sogar von schlimmeren als ich.
Von meiner Luke aus kann ich den unsäglichen Zaun erahnen, den sie vor einigen Wochen nur ein paar Meter hinter unserem Grundstück gezogen haben. Er wird bewacht und ist brandgefährlich. Manchmal kann ich am Tage Grenzpolizisten von meinem Fenster aus sehen. Sie tragen Gewehre und haben Hunde dabei … Es ist entsetzlich.
Sie behaupten, dass sie ihre Bevölkerung schützen müssten, habe ich gehört. Aber vor was, vor wem? Vor uns? Vor dem »Westen«? Mit Stacheldraht? Der Zaun ist fast so hoch wie ich und hat doch nichts weiter gebracht, als Familien auseinanderzureißen, Freunde zu trennen, Liebende. Genauso wie Friedrich und mich.
Mein Vater und ich können schon seit der Grenzziehung den Großteil unserer Felder nur noch mit einer Sondergenehmigung erreichen, weil sie seitdem auf der anderen Seite liegen, in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone. Seit es den Zaun gibt, lässt man uns gar nicht mehr hinüber. Das wird uns ruinieren.
Ich kann mich an die Teilung nicht gewöhnen. Ebenso wenig wie daran, dass wir die Bundesrepublik sind und die anderen die DDR. Sind wir nicht alle Deutsche? Ein Land?
Vater ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Seit dem fürchterlichen Krieg, aber erst recht, nachdem man ihm seinen Grund und Boden genommen hat. »Ein Landwirt ohne Land, was soll das sein?«, hat er mich am Abend zum wiederholten Male gefragt. Er war betrunken. Ich hatte keine Antwort.
Der Hof wirft kaum noch Gewinn ab. Um uns etwas dazuzuverdienen, könnte ich im Lebensmittelgeschäft von Hans Meyer anfangen. Aber ich kann ihn nicht leiden. Eher noch würde ich bei Prechts im Gasthaus bedienen. Neuerdings kommen viele Touristen zu uns nach Hohegeiß, und nicht wenige kehren im Gasthof ein, wie man beobachten kann. Denn hier kann man ganz dicht an die Grenze herantreten, die Menschen bestaunen den Zaun in einer Mischung aus Entsetzen und Faszination. Die Stelle bei Prechts ist wieder zu besetzen, seit Friedrich fort ist. Gitta Precht hat Mitleid mit mir. Sie weiß, dass ich Friedrich liebe. Alle wissen es. Dass wir heiraten wollten.
Mein Blick wandert vom Zaun weiter nach Osten, in die Dunkelheit über den breiten Streifen Land, der gerodet worden ist, damit keine Bewegung unerkannt bleibt. Dahinter beginnt der Wald. Beinahe schwarz zeichnen sich die mächtigen Fichten vor dem Nachthimmel ab, der in der Ferne noch leichte Schimmer des Tages zeigt. Irgendwo dort liegt das Sanatorium, in dem Mutti gestorben ist. Ebenfalls »drüben«. Ich sehe zu den Sternen. Ach, Mutti.
Es wäre alles einfacher, wenn sie noch leben würde. Doch die Tuberkulose hat sie in den Kriegsjahren dahingerafft wie so viele. Wenn sie noch da wäre, wäre Vati glücklicher, und wir beide wären nicht so allein. Uns verbindet ein gnadenloser Kummer ganz ähnlicher Art. Wir haben beide geliebte Menschen verloren. Einer von denen, die ich schmerzlich vermisse, lebt zumindest noch.
Eine Bewegung im Gebüsch weckt meine Aufmerksamkeit. Ich versuche zu erkennen, ob es sich um einen Menschen oder ein Tier handelt. Doch ich kann keine Person ausmachen. Vielleicht war es nur eine Katze. Oder der Wind.
Ein Hauch weht durch die Blätter der kleinen Linde, die wir vorletzte Woche gepflanzt haben. Als Zeichen unseres stummen Protests gegen die neue Grenze. Noch ist sie zart, biegt sich im Wind, doch bald wird sie groß und stark sein. Ich wünsche mir, dass sie dann wieder über eine freie Landschaft blicken kann.
Ich beschließe, zurück ins Bett zu gehen, das Fenster jedoch offen zu lassen. Dann aber höre ich wieder etwas. Es ist unverkennbar eine menschliche Stimme … nein, es sind mehrere. Ich eile zurück zum Fenster. Plötzlich wird es hell. Es ist, als würden Blitze über die Erde zucken. Ich springe auf. Es sind Taschenlampen!
Das kann nur eins bedeuten … Mein Herz rast, ich erstarre vor Furcht, kneife gleichzeitig die Augen zusammen, um etwas erkennen zu können. Ein Schatten löst sich aus den Büschen weiter entfernt. Es scheint ein Mann zu sein. Er rennt. So schnell er kann. Rennt um sein Leben. Hinter ihm tauchen weitere Schatten auf, die Kegel ihrer Lampen zucken bei jeder Bewegung auf und ab. Es muss sich um zwei Posten der Grenztruppen handeln. Sind das, was über ihren Schultern hervorragt, Gewehre? Wieder ertönen Stimmen, brüllen etwas. Sie klingen hässlich in der Stille der Nacht. Der arme Mensch läuft immer noch, doch der Kontrollstreifen bietet keinerlei Deckung, keine Bäume oder Sträucher, er wird regelmäßig gepflügt und geeggt. Er nähert sich dem Stacheldrahtzaun. Mit Schrecken erkenne ich, dass einer der Uniformierten stehen bleibt und nach seinem Gewehr greift. Er gibt einen Warnschuss in die Luft ab. Der Mann blickt sich gehetzt um, überlegt offenbar, was zu tun wäre. Aufgeben oder weiterrennen? Eine eiskalte Faust umfasst mein Herz, als ich begreife, welche Entscheidung er getroffen hat: Er setzt alles auf eine Karte und läuft weiter. Ich muss mich am Rahmen meiner Luke festkrallen, denn meine Knie zittern, und doch kann ich mich nicht abwenden. Ich wünsche mir inständig, dass der Unbekannte es schafft. Bis zum Zaun gelangt und irgendwie darüber kommt. Zugleich weiß ich, wie schlecht die Chancen für den bemitleidenswerten Menschen stehen. Nicht zum ersten Mal versucht jemand eine Flucht über die Grenze und wird dabei erwischt …
Sie rufen ein weiteres Mal. Dann halten sie an. Ich gestatte mir einen kurzen Augenblick der Hoffnung, dass sie den Mann einfach ziehen lassen. Aber sie tun mir den Gefallen nicht. Sie sinken jeder auf ein Knie nieder. Legen ihre Gewehre an. Zwei Schüsse zerreißen die Nacht. Der Flüchtende geht zu Boden. Ich kann ihn nicht mehr sehen.
Mit einem Mal ertönen weitere Stimmen – neben unserem Haus, um das Grundstück herum. Die Hohegeißer sind wach und in Bewegung. Ich werfe mir meinen Morgenmantel über und eile hinunter.
Als ich bei ihnen bin, bemerke ich, dass Hans Meyer einer von ihnen ist, ebenso wie Gitta und Wilhelm Precht, die Wirtsleute. Auch die alte Henriette ist schon da, unsere Nachbarin vom Haus gegenüber.
»Mörder«, ruft sie, und einige stimmen mit ein, bis sich ein Sprechchor bildet. »Mörder«, immer wieder: »Mörder.«
Ich dränge mich nach vorne durch.
»Wer ist es?«, fragt jemand in die Menge.
Ich versuche, etwas zu erkennen, doch die Polizisten schirmen unsere Blicke mit ihren Rücken ab.
»Es ist ein Mann«, murmelt Dietlinde Drechsler neben mir.
Wilhelm Precht hat eine Taschenlampe dabei, leuchtet auf die Menschen, die sich nur wenige Meter vor uns befinden und doch unerreichbar sind. Ich fange an zu zittern.
Was ich dann sehe, lässt meine Welt für alle Zeiten zusammenbrechen: Etwas Rotes blitzt unter der Jacke des Opfers hervor. Ist es mein Schal? Der, den ich Friedrich in einer eisigen Winternacht mitgegeben habe? Meine Gedanken rasen. Er hat gesagt, es sei sein Glücksbringer. Er würde ihn auf einer Flucht sicher nicht zurücklassen.
Der Kegel der Taschenlampe erfasst jetzt den Kopf des Opfers. Ein heller Haarschopf ist am Boden zu erkennen. Da begreife ich: Es ist Friedrich, der dort liegt.
In dem Moment wird alles schwarz um mich.
Romy
In einer fließenden Bewegung schob Romy mit dem Fuß die Haustür zu, ließ die schwere Tasche auf den Boden sinken und warf den Schlüssel auf die Kommode im Flur. Ihr Blick fiel in den Spiegel, ihre sonst so strahlenden blauen Augen wirkten matt. Und waren die Fältchen drumherum eigentlich neu? Blieben die jetzt etwa, oder waren sie nur Zeichen ihrer momentanen Erschöpfung? Fahrig schob Romy sich eine dunkelblonde Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte, eine Frisur, die sie am liebsten trug, weil sie am unkompliziertesten war.
»Puh.« Müde ließ sie sich auf die Bank neben der Kommode sinken und zog die Schuhe aus. »Endlich Freitag«, hatte sie noch am Morgen gedacht, aber dabei vergessen, dass in dem Geschäft, in dem sie seit letztem Mai arbeitete, an diesem Tag immer die Hölle hereinbrach. Seit fast einem Jahr jobbte sie nun dort, in dem Feinkostladen für Käse und verwandte Köstlichkeiten, und es gefiel ihr richtig gut – aber warum die Leute alle kurz vor dem Wochenende auf die Idee kamen, sich mit Käse einzudecken, war ihr nach wie vor ein Rätsel. Zumal es doch auch einen Stand auf dem Wochenmarkt gab. »Oh nein.« Sie vergrub die Stirn zwischen den Händen. »Morgen hab ich ja Standdienst.« Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber zweimal im Monat musste sie die Schichten am Samstagvormittag auf dem Markt bestreiten, das war der Deal gewesen, damit sie von den Nachmittagsschichten im Laden verschont blieb. Am Anfang war ihr das nicht problematisch erschienen, inzwischen merkte sie, wie es an ihr zehrte – nicht nur die beiden verkürzten Wochenenden, sondern überhaupt das Arbeiten, der Alltag, die viel beschworene Problematik der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, nun traf es auch sie. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, gleich halb zwei. Eigentlich arbeitete sie von acht Uhr dreißig bis zwölf Uhr dreißig, aber heute war es mal wieder später geworden. Bei dem Ansturm im Geschäft konnte sie logischerweise nicht einfach den Hobel fallen lassen und gehen, wenn ihre Chefin kam, um die Nachmittagsschicht zu übernehmen. Und jetzt wurde die Zeit mal wieder knapp. Um zwei kam ihre Große, Lilly, aus der Schule – zum Glück gab es dort Mittagessen sowie Hausaufgabenbetreuung –, bis um drei musste sie ihre beiden Jungs Max und Malte aus der Kita abholen. Zeit, sich selbst ein vernünftiges Essen zuzubereiten, blieb ihr wie so oft nicht. In weiser Voraussicht hatte sie sich daher eine Kleinigkeit vom Bistro nebenan mitgebracht, sie brauchte mittags einfach etwas Warmes im Magen, nachdem es morgens meist zu stressig war, um zu frühstücken.
Romy hatte lange pausiert, als die Kinder sich angekündigt hatten – sie und ihr Mann hatten junge Eltern sein wollen und sich darauf geeinigt, dass sie zu Hause blieb, bis die Kinder in den Kindergarten kamen. Das war für sie in den sechs Jahren seit Lillys Geburt völlig in Ordnung gewesen, und sie hätte es nicht anders haben wollen, hatte die Zeit mit ihren Kindern absolut genossen und wollte sie auf gar keinen Fall missen, zumal sie jobtechnisch ohnehin noch unschlüssig gewesen war, wohin ihre Reise mal gehen sollte. Sie hatte eine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht, dann umgesattelt auf ein Studium für Soziale Arbeit, doch auch das hatte sie nicht erfüllt. Da war sie siebenundzwanzig gewesen, in ihren Augen also höchste Zeit, um den Wunsch, junge Eltern zu sein, noch umzusetzen. Sie war schnell schwanger geworden, bekam erst ihre Tochter Lilly, drei Jahre später ihren Sohn Malte und im Abstand von einem Jahr dann noch ihren Jüngsten, Max. Alles war gut so gewesen, aber nachdem Max abgestillt und aus den Windeln raus gewesen war, hatte sie immer stärker den Wunsch verspürt, etwas Neues zu machen, etwas Eigenes zu haben, den Kopf noch für andere Dinge zu gebrauchen als ausschließlich für Themen, die Kinder betreffend. Und natürlich war auch die Aussicht attraktiv gewesen, am Ende des Monats ein paar Euros mehr im Portemonnaie zu haben. Das Leben zu fünft musste schließlich auch finanziert werden.
Nun war sie hier. Und fragte sich, ob das eigentlich so viel besser war. Sie hatte das Gefühl, nichts und niemandem mehr gerecht zu werden. Das war etwas komplett Neues für sie. Sie war immer jemand gewesen, der den Tag, ja, die Zukunft auf sich hatte zukommen lassen. Herausforderungen hatte sie erst dann angegangen, wenn sie sich ihr gestellt hatten, getreu dem Motto »Der Tag, die Sorge« war sie gelassen und fröhlich gewesen. Und das hatte doch eigentlich gut funktioniert. Im Nachhinein betrachtet, hatte es perfekt gepasst, dass sie mit den Kindern zu Hause geblieben war, sie hatten gemeinsam in den Tag gelebt und immer nur das getan, was gerade angestanden hatte. Die Tage hatten aus Waschen, Windelwechseln und Einkaufen bestanden, mal ein Termin beim Kinderarzt oder mal ein Kurs Babyschwimmen. Wenn Markus morgens aus dem Haus gegangen war, hatten sie sich wieder gemeinsam ins Bett gekuschelt, viel miteinander gespielt oder einfach geschlafen. Doch nun musste sie feststellen, dass sie sich verändert hatte, dass sich überhaupt alles verändert hatte. Dass die Tage mit einem Mal viel zu kurz waren, um alles zu schaffen. Dass sie sich ständig Sorgen machte, wie es ihren Kindern im Kindergarten oder in der Schule erging, ob sie gut mitkamen, ob alle nett zu ihnen waren. Sie litt mit ihnen, wenn es Stress mit den Freunden gab, und immer öfter fragte sie sich, wie es mit dem Klimawandel und der Gesellschaft insgesamt weiterging und ob sie als Erwachsene wohl in einer friedlichen und »heilen« Welt würden leben können. Zudem musste sie nun ständig irgendwelche Termine im Blick behalten – für fünf Personen und jetzt auch noch im Job. Das stresste sie, denn besonders gut organisiert war sie nie gewesen. Das musste sie noch lernen und hetzte täglich von einem Termin und von einem Ort zum nächsten und zum übernächsten. Sie war zum ersten Mal in ihrem Leben gestresst – und sie hasste es. Ihren Kindern erging es nicht viel besser. Lilly war nach dem Schultag häufig richtig kaputt, zog sich entweder in ihr Zimmer zurück oder brauchte sie, um jemanden zum Kuscheln oder Spielen zu haben. Außerdem musste man natürlich auch ein Auge auf die Schulsachen haben und hier und da beim Rechnen, Lesenlernen, Ordnunghalten und vielem mehr unterstützen. Waren die Jungs erst mal zu Hause, blieb für solche Dinge keine Zeit mehr. Und erst recht keine Ruhe.
Zum Glück konnte Markus ab und an im Homeoffice arbeiten und einspringen, wenn eins der Kinder krank wurde oder sie mit einem irgendwohin musste, dann brauchte sie nicht gleich alle drei mitzunehmen. Das war ein Vorteil, den Corona gebracht hatte, vorher war das in seiner Firma undenkbar gewesen. Aber das ging natürlich auch nur, wenn er nicht zum Kunden oder zu einer Baustelle musste. Oft genug hatte sie schon ihre Mutter bitten müssen zu kommen, wenn es sich gar nicht anders organisieren ließ. Sandra machte das glücklicherweise gerne, und Romy und Markus waren dankbar, dass sie beide Großeltern vor Ort hatten.
Wie schafften das eigentlich die anderen? Marlene und Alix waren alleinerziehend, Alix sogar mit Zwillingen, für sie musste das alles doch noch schwieriger sein. Auch Josefin konnte ihr bestimmt ein paar Tipps geben. Sie hatte eine größere Tochter, die nach den Sommerferien bereits in die vierte Klasse kam.
Die Aussicht auf das monatliche gemeinsame Frühstücken am Sonntag war ein echter Lichtblick und ließ sie schon jetzt ein wenig ruhiger werden. Wenn sie sich mit den Freundinnen austauschte, ging es ihr immer besser als vorher. Sie musste es unbedingt schaffen, am Sonntag hinzugehen. Hoffentlich wurde bis dahin keines ihrer Kinder – oder gar ihr Mann – krank, und es trat auch sonst keine Katastrophe ein!
Sie, Marlene, Josefin und Alix hatten sich vor nunmehr sieben Jahren im Geburtsvorbereitungskurs kennengelernt, und die Babys von damals – Lilly, Alix’ Zwillinge Aimee und Aron, Marlenes Tochter Paola und Josefins Junior Emil – hatten im Sommer alle den großen Schritt in die Grundschule gemacht. Sie und ihre Freundinnen waren froh und stolz, dass es ihnen gelungen war, seit jener anstrengenden ersten Zeit den Kontakt gehalten zu haben. Sie hatten es geschafft, sich seitdem einmal im Monat zum Frühstücken zu treffen, zuerst mit den Kindern, später ohne sie, und genossen es alle sehr, den Austausch untereinander, das gegenseitige Unterstützen, das Abschalten vom Alltag und auch das Herzausschütten.
Sie musste nur noch den Samstag schaffen – und die Marktsamstage waren wirklich heftig, danach war sie für den Rest des Tages meist nicht mehr zu gebrauchen –, dann würde sie endlich wieder ihre Frühstücksfrauen treffen. Zwar ahnte sie, dass das schlechte Gewissen sie aufs Neue plagen würde, wenn sie am Sonntagmorgen schon wieder weg wäre und ihre Familie allein ließe. Andererseits waren diese monatlichen Treffen unfassbar wichtig für sie – am Sonntag würde sie endlich wieder zum Durchatmen kommen! Frühstücksfrauen-Treffen in ihrem Lieblingscafé, dem Violoncello, waren wie Wellness für die Seele.
Ruth
Juli 1950
Es war ein warmer Sommer. Vielleicht würde er nicht ganz so heiß werden wie jener vor drei Jahren, der allen Menschen hier in der Gegend nach dem harten und entbehrungsreichen Winter ein Stück weit ihre Lebensfreude zurückgebracht hatte, aber das musste er für Ruth Hagedorns Geschmack auch gar nicht. Für sie reichte es, wenn Obst und Gemüse im Garten gediehen, wenn ihre Kühe auf der Weide frisches grünes Gras zum Fressen vorfanden, wenn sie selbst bei gutem Wetter auf dem Feld arbeiten konnte und nicht im strömenden Regen stehen musste, der die Äcker in Schlammwüsten verwandelte und noch dazu die Ernte verdarb. Ruth genoss die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut, den Duft der Wiesenblumen, das sachte Pusten des Windes, das in den Bäumen ein zartes Rascheln hervorrief und die Grashalme wogen ließ, als wären sie das Meer.
Dies war das Jahr, in dem sie neunzehn geworden war – noch zwei Jahre bis zur Volljährigkeit –, und Ruth spürte, dass sich etwas verändert hatte. Nicht nur körperlich – sie war inzwischen eindeutig eine Frau; obwohl ihre Brüste verhältnismäßig klein geblieben waren und ihre Hüften schmal, so waren diese Rundungen nicht mehr zu leugnen. Sie spürte, wie ihr Gang sich verändert hatte, und auch in ihrem Gesicht hatte eine Wandlung stattgefunden, es war zwar immer noch kantig, aber doch weicher geworden. Besonders verändert hatten sich jedoch die Blicke der anderen. Einige der Männer im Dorf betrachteten sie, je nach Charakter, musternd, abschätzig, lüstern, anerkennend, bewundernd oder interessiert. Viele sahen in ihr natürlich schlichtweg die Ruth, die sie schon all die Jahre kannten, die 1931 hier in Hohegeiß zur Welt gekommen und kurz darauf getauft worden war, die mit den anderen zur Schule gegangen war, die, wie alle Dorfbewohner, die schrecklichen Verluste und Entbehrungen der Kriegsjahre hatte ertragen müssen, und die tagein, tagaus auf dem Feld und im Stall schuftete, die zäh war, wenig klagte und insgesamt nicht sehr gesprächig war. Die sich nicht an Klatsch und Tratsch beteiligte und sich bei ausufernden Feierlichkeiten wie den Schützenfesten lieber im Hintergrund hielt. Auch die Frauen betrachteten und behandelten sie nun anders: manche wohlmeinend mit einem Ausdruck, der bedeuten mochte, dass sie Ruth nun als eine von ihnen ansahen, manche, die Ruth über ihre Kleidung, die Länge ihrer Haare, ihren Gang oder die Art, wie sie sich gab und wie sie redete, beurteilten, und wieder andere, die sie als Konkurrenz um die Gunst der wenigen gesunden Männer empfanden. Ruth war das alles weitgehend egal. Sie interessierte sich nicht für die Herren der Schöpfung, kannte die Jungen aus dem Ort ohnehin alle schon, als sie noch in die Hosen gemacht hatten, und fand keinen unter ihnen, mit dem sie mehr Zeit als nötig verbringen wollte. Sicherlich hatten auch sie sich verändert, waren herangewachsen, hatten markantere Gesichtszüge und breitere Schultern bekommen, waren teilweise vielleicht sogar gereift. Dennoch, keiner der Burschen in ihrem Alter übte auch nur den geringsten Reiz auf sie aus.
Sie war zufrieden, so wie es war. Wenn da nur nicht immer wieder diese schreckliche Trauer um ihre Brüder und ihre Mutter wäre. Und diese grässliche Grenzlinie, die seit nunmehr fünf Jahren hinter ihrem Ort entlangführte, Ruth konnte sich einfach nicht daran gewöhnen. Dass sie nicht mehr in die Nachbarorte durften, dass überall Bänder und Fähnchen hingehängt wurden als Markierung, hier und da sogar Straßensperrungen errichtet wurden, weil dahinter eine andere Zone begann. Eine andere Zone? Was sollte das überhaupt? Westzone – Sowjetzone. Und seit ein paar Monaten war das hier die Bundesrepublik und drüben die Deutsche Demokratische Republik. So ein Unsinn.
Drüben passten die Sowjets darauf auf, dass die Bevölkerung nicht wieder Blödsinn anstellte, hier bei ihnen waren es die Briten. Irgendwie konnten sich die vier Besatzungsmächte nicht einigen, das hieß, drei konnten es wohl schon, nur mit der vierten klappte es nicht. Und jetzt mussten sie darunter leiden. Ihrer aller Familien lebten seit Generationen hier in der Gegend, in Hohegeiß, in Benneckenstein, in Sorge, Braunlage und Tanne. Niemals hatte es irgendjemanden interessiert, dass der eine Ort zum Herzogtum Braunschweig und der andere zum Königreich Preußen gehörte, aber auf einmal war es wichtig. Nach diesen alten Gebietsabgrenzungen hatte man die neuen Grenzen gezogen; Schlagbäume waren an den Verbindungsstraßen zwischen den Ortschaften errichtet worden, und es wurde jeder kontrolliert, der auf die andere Seite wollte. Und so ging es nicht nur ihnen hier im Harz – überall in Deutschland waren plötzlich Familien auseinandergerissen und Freunde getrennt worden. Niemand verstand das, niemand konnte sich daran gewöhnen.
Dann diese schreckliche Lage in Berlin, die Blockade durch die Sowjets, die armen Menschen, die im vergangenen Jahr durch die Luft hatten versorgt werden müssen.
Es hätte eigentlich alles gut sein können, dieser unsägliche Krieg war Gott sei Dank vorüber, sie konnten in Frieden leben und hatten genug zu essen. Überall spürte man, dass es den Menschen allmählich etwas besser ging. Man hörte wieder Vogelgezwitscher statt Kanonengrollen und Sirenen, die vor Fliegeralarm warnten. Sie konnten wieder Dinge im Laden kaufen und ohne Angst umherstreifen. Und doch gab es Grund zur Sorge: Ihre Ackerflächen lagen nun fast alle in der DDR. Sie als Bauern brauchten eine Genehmigung, um ihr Land auf der anderen Seite zu bestellen. Das immerhin ging noch. Aber sie durften nicht mehr nach Benneckenstein wie früher. Ihre Schule war dort gewesen, ebenso wie Vaters Friseur. Viele hatten Angehörige im Ort oder in Wernigerode und Blankenburg.
Es strömten nicht mehr so viele Menschen ins Land, Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, wie noch vor Kurzem. Sie wurden nach wie vor weitgehend durchgelassen auf dem Weg in eine neue Heimat, wo auch immer die sein mochte. Im Vergleich zu ihnen ging es den Harzbewohnern gut. Ihre Einschränkungen waren geringer. Sie mussten nur damit leben, dass direkt hinter ihren Grundstücken zunächst sowjetische Soldaten patrouilliert hatten, die inzwischen von der ostdeutschen Grenzpolizei abgelöst worden waren. Unter deren strengen, argwöhnischen Blicken gingen sie zur Kartoffelernte, brachten ihre Rinder auf die Weiden und zurück in den Stall und machten den Heuschnitt. Auch dieses Jahr wieder.
Jeden Morgen und Abend fuhren Vater und sie mit ihrem Pferdewagen zum Wenden raus, damit das geschnittene Gras trocknen konnte. Als die Russen noch aufgepasst hatten, war Vater immer voller Angst gewesen, dass man ihr etwas antun könnte. Sie war bei Kriegsende 1945 mit ihren vierzehn Jahren kein Kind mehr gewesen. Und das hatte Nachteile. Manche Frauen, die durch ihr Dorf gezogen waren, hatten von schlimmen Dingen berichtet, die ihnen oder anderen passiert waren. Auf ihrem Weg hierher, aber auch bei den Grenzkontrollen … Ruth war froh, davongekommen zu sein, und fürchtete sich inzwischen vor allem davor, dass ihrem Vater etwas zustoßen könnte. Dass er die Beherrschung verlieren könnte, wenn die deutschen Gehilfen der Sowjets ihn provozieren mochten. Sie wollte sich nicht ausmalen, was dann wäre, denn sie hatten nur noch sich, nachdem ihre Brüder und die Mutter viel zu früh aus dem Leben gerissen worden waren. Ruth sah ihre Mutter noch vor sich, wie sie den ersten Brief mit Erwins Todesnachricht erhalten hatte. Der Verlust ihres zweitgeborenen Sohnes hatte die Mutter schier um den Verstand gebracht, sie, der Vater und Ruth hatten sich die Seele aus dem Leib geschrien und geweint. Erwin war ein solcher Sonnenschein gewesen, blond, mit abstehenden Ohren, strahlend und immer fröhlich. Er hatte nur sechzehn Jahre alt werden dürfen. Ihre Mutter war da wahrscheinlich schon krank gewesen, aber sie hatten es für eine Erkältung gehalten, nicht für die Schwindsucht.
Nur wenige Monate später hatten sie auch die Nachricht vom Tod ihres ältesten Bruders erhalten. Alfred, der das genaue Gegenteil von Erwin gewesen war, vom Aussehen her wie vom Gemüt. Er war nachdenklich, ernsthaft und still gewesen, Ruth hatte ihn verehrt.
Wenigstens der Vater hatte in den Kriegsjahren bei ihnen bleiben dürfen, weil sie sonst die Landwirtschaft nicht hätten aufrechterhalten können – und die galt wegen der Versorgung der Bevölkerung als unerlässlich. Doch danach hatte Ruth mitansehen müssen, wie ihre Mutter immer weniger geworden war, geplagt von hohem Fieber, Schlaf- und Appetitlosigkeit und diesem grässlichen Husten. Eines Tages hatte sie die blutigen Taschentücher unter dem Bett entdeckt, die ihre Mutter vor ihnen hatte verstecken wollen. Vater hatte sich sogleich um einen Platz im Sanatorium auf dem Ochsenberg für sie bemüht. Aber als die Mutter abgeholt worden war, war sie nur mehr ein Schatten ihrer selbst gewesen, hatte immer wieder Blut gehustet und war bereits zu schwach gewesen, um noch auf den Wagen zu steigen. Vater hatte sie hinaufheben müssen. Es war das letzte Mal gewesen, dass Ruth und ihr Vater die Mutter lebend gesehen hatten.
Wie immer, wenn Ruth an sie dachte, musste sie mit den Tränen kämpfen. Sie biss sich auf die Lippe und versuchte, sie wegzublinzeln.
Heute saß sie allein auf dem Pferdegespann, das die treue alte Lotte zog. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch, denn der Vati war krank. Er hustete und hatte Fieber. Es erinnerte sie an Mama, und sie hatte den Arzt aus Braunlage kommen lassen. Es sei keine Tuberkulose, hatte dieser sie beruhigen können, Hermann Hagedorn jedoch strengste Bettruhe verordnet.
Ruth würde das Heu allein wenden. Sie konnte das, hatte es schon öfter gemacht. Es war nicht so viel Arbeit, wie das Heu einzubringen, dafür würde sie den Vater brauchen. Eigentlich mochte sie es, mit sich allein zu sein, dabei vor sich hin zu träumen, während Lotte vor ihr hertrottete und der Gabelwender hinter ihr seine Arbeit tat. Sie musste nur aufpassen, wo sie hinfuhr, alles andere war einfach. Sie genoss den Geruch des frisch gemähten Grases und des Pferdes, mochte den Wind, der als laues Lüftchen auf den Wiesen an ihr vorbeistrich, und die Sonne, die ihr den Rücken wärmte. Aber schon die Kontrolle ihrer Papiere am Schlagbaum hatte sich diesmal ewig hingezogen, und so waren all ihre Sinne besonders wachsam und ihre Nerven zum Zerreißen gespannt. Erst am Ende der ersten Bahn wurde sie allmählich ruhiger und hatte wieder einen Blick für die sich neigende Sonne, die Weite des schönen Harzes, die Hügel und Täler, in der Ferne der Wurmberg und dahinter der Brocken, der heute klar zu erkennen war. Es fühlte sich an wie Freiheit, doch sie war trügerisch. Sie waren nicht frei. Kein bisschen.
Am Rand des Feldes stand ein junges Reh, keine zwanzig Meter entfernt, das sie stoisch beäugte. Das klappernde Pferdefuhrwerk, das auf es zugefahren kam, schien es nicht zu schrecken. Wusste es denn nicht, wie gefährlich eine Begegnung mit dem Menschen sein konnte? Ruth war so gefesselt von dem Reh, dass sie erst im letzten Moment den Hasen bemerkte, der aus dem Schwaden vor ihr aufsprang. Sie zog so unvermittelt an den Zügeln, dass Lotte erschrocken den Kopf hochriss und einen Schritt zur Seite machte, was dazu führte, dass das Gefährt sich ebenfalls ein Stück drehte. Ruth rutschte das Herz in die Hose – Ich darf nicht so unkonzentriert sein! –, der Hase aber hüpfte davon, als wäre nichts gewesen, und das Reh zupfte ein paar Grashalme, bevor es gemächlich in den Wald schritt.
Sie folgte ihm ein Stück mit dem Blick, bis ihr Herzschlag erst recht stockte. Ein Grenzschutz-Geländewagen fuhr auf der Straße von Sorge in Richtung Grenze. Als er sie entdeckte, blieb er stehen.
Unwillkürlich schlug ihr Herz schneller, verkrampften sich ihre Hände um das Leder der Zügel.
Nein, das kann nicht sein, ich tue nichts Verbotenes, sie halten nicht meinetwegen an, versuchte sie, sich zu beruhigen. Doch sie konnte erkennen, dass der Fahrer ausstieg und nach etwas griff, das ihm der Beifahrer reichte. Ein Fernglas! Sie spürte, wie ihr der Schweiß auf die Stirn trat, und versuchte mit feuchten Händen, Lotte zum Weitergehen zu bewegen, doch sie standen schief, so kamen sie nicht zurück in die Spur. Sie hätte absteigen müssen, um Lotte ein Stück zu führen und das Gespann wieder geradeziehen zu können. Doch das war ihr unter den Augen der Grenzer zu heikel. Hauptsache, es geht weiter, sagte sie sich, auch wenn sie die Reihe dann erst mal nicht ordentlich zu Ende brachte. Das Stück konnte sie später immer noch zur Not mit der Forke nacharbeiten.
Ruth atmete tief durch, während ihr der Schweiß auf der Stirn perlte. Da huschte plötzlich etwas an ihrer linken Seite vorbei. Wieder ein Hase? Aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Leicht ließ sie die Zügel auf Lottes Rücken klatschen und schnalzte mit der Zunge als Zeichen, dass es weitergehen sollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit setzten sie sich wieder in Bewegung, dabei war es Ruth egal, dass sie nun neben den Schwaden fuhren. Ihr Vater hätte geschimpft, wenn er dabei gewesen wäre. Ist er aber nicht. Ruth war klar, dass sie mit ihrer Arbeit weitermachen musste, egal wie. Alles andere hätte Verdacht erregt.
Nach und nach gelang es ihr, wieder auf die richtige Bahn zu kommen. Mit einer kaum merklichen Neigung des Kopfes – schließlich wollte sie keine Aufmerksamkeit erregen – sah sie sich um, doch der Hase oder was auch immer es gewesen war, das die Bewegung am Feldrand verursacht hatte, war nirgends zu entdecken. Sie zwang sich zur Ruhe und setzte die Fahrt fort. Erleichtert registrierte sie nach einer Weile, wie der Mann wieder in den Geländewagen stieg. Ihre Hände an den Zügeln lockerten sich zaghaft, erst jetzt spürte sie, wie sehr sie sich zuvor festgekrallt hatten, die Knöchel waren weiß wie Blumenkohl. Die Grenzer fuhren davon.
»Danke fürs Ablenken«, sagte da jemand und schwang sich von der Seite auf den Tritt neben ihr.
Vor Schreck schrie Ruth auf und riss erneut an den Zügeln. Lotte warf den Kopf hoch, blieb aber stehen. Derjenige, der schuld daran war, geriet neben ihr ins Schwanken und konnte sich nur mit Mühe halten. »He, was machst du denn!«
»Wer auch immer Sie sind, verschwinden Sie von meinem Gespann!« Sie ballte die Fäuste so sehr, dass die Knöchel wieder weiß hervorragten. Niemals würde sie zulassen, dass ihr irgendwer Lotte oder den Einspänner abnahm, die ihr Vater und sie seit Ewigkeiten hegten und pflegten und bisher vor allen verteidigt hatten. Ich bin für alles gewappnet.
»Schon gut, schon gut.« Er sprang von Ruths Gespann. »Ich werde dir und deiner Klapperkiste schon nichts tun.«
»Das will ich dir auch geraten haben«, erwiderte sie empört und machte sich so groß wie möglich, die Arme in die Hüften gestemmt. Klapperkiste, also wirklich.
»Hu, hu, mit dir will man sich wohl besser nicht anlegen.« Es klang spöttisch, aber auch ein wenig anerkennend.
»Würde ich auch sagen.« Sie merkte, wie ihr Widerstand bröckelte. Der Fremde konnte nur wenig älter als sie selbst sein und sah eigentlich ganz nett aus mit seinen wilden blonden Haaren, die Ruth an ihren Bruder Erwin erinnerten, und den fröhlich blitzenden blauen Augen. Nicht wie ein Schurke.
»Vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen. Ich bin Friedrich. Freut mich.« Er streckte ihr die freie Hand hin.
Sie blickte einen Moment auf sie nieder, bevor sie sie ergriff. »Friedrich, soso. Hast du keinen Nachnamen? Und was bitte machst du auf meinem Feld? Und auf meinem Gespann? Das du übrigens ziemlich unflätig beleidigt hast.«
Er grinste. »Verzeihung.« Er hob die Schultern und versuchte sich an einer Verbeugung. »Gestatten, Friedrich Büttner aus Benneckenstein. Ich bin untröstlich, dass ich Sie erschreckt und Ihr Gefährt despektierlich behandelt habe. Bitte gestatten Sie mir, diesen durch nichts zu entschuldigenden Fehler wiedergutzumachen, Fräulein …?«
»Ruth. Ruth Hagedorn. Aus Hohegeiß. Die Tochter des Tannenhof-Bauern.«
»Ah. Freut mich.« Er griff nach ihrer Hand und deutete einen Kuss darauf an, als wären sie bei Hofe und stünden nicht auf irgendeinem Acker herum. Ruth musste kichern. »Ich bin der Sohn des Kastanienhof-Bauern in Benneckenstein.« Er zeigte auf sich.
Ruth dachte nach, und der Groschen fiel pfennigweise. Büttner war ein Großbauer bei Benneckenstein, der Kastanienhof dessen landwirtschaftlicher Betrieb. Noch dazu war Ewald Büttner der Bürgermeister von Benneckenstein gewesen – bevor die Nazis gekommen waren. Das war vor Ruths bewusst erlebter Zeit gewesen, aber jedermann in der Gegend sprach anerkennend von dem alten Büttner, und auch ihr Vater hielt große Stücke auf ihn. Ein aufrechter Mann sei er, hatte er mal gesagt. Und das war in der vergangenen Zeit ein großes – und seltenes – Kompliment von ihm gewesen. Aufrechte Menschen hatten es unter den Nazis schwer gehabt, und daher glich es beinahe einem Wunder, dass Büttner noch lebte. Soweit Ruth wusste, war sie Friedrich jedoch nie begegnet.
»Was machst du hier«?
Nun verzog sich sein ganzes Gesicht und nahm einen Ausdruck an, den Ruth nicht recht deuten konnte. Etwas zwischen schelmisch und verschämt.
»Geschäfte«, antwortete er verschwörerisch, doch sie verstand sofort, was er meinte. Sie alle taten es, zumindest hin und wieder.
»Du schmuggelst.«
»Ach was. Ich versorge nur meine Familie.«
»Natürlich. So kann man es auch nennen.«
»Schmuggeln klingt so böse. Dabei tun wir doch nur das, was wir immer getan haben. Wir handeln und tauschen miteinander. Nachbarschaftshilfe.« Er zuckte gespielt hilflos mit den Schultern. »Nur, dass sie uns jetzt halt die Straßen gesperrt haben und wir ein wenig, sagen wir mal, erfindungsreicher sein müssen.« Unweigerlich musste auch sie schmunzeln. Er hatte ja recht, und es gefiel ihr, dass er die neuen Gegebenheiten nicht einfach hinnehmen wollte. »Danke, dass du mir ein Versteck vor den Überwachern geboten hast.«
»Habe ich das?«
»Schon. Nur, dass du mich mit deinem hektischen Wendemanöver beinahe aufgespießt hättest.«
»Dann bin ich jetzt wohl untröstlich.« Nun erst bemerkte sie den Segeltuchrucksack auf seinem Rücken. »Was hast du da?«
Er drehte sich kurz um, zog die Tasche von der Schulter und klopfte drauf. Es klimperte leise. »Essig. Wir haben reife Gurken und wollen sie einlegen.«
»Bei euch gibt’s keinen Essig?«
»Gerade nicht.«
»Von wem hast du ihn?«
»Ich verrate doch meine Quellen nicht.«
»Dann verrätst du mir wahrscheinlich auch nicht, was du dafür bezahlt hast.«
»Da hast du recht.«
»Wir haben Essig.« Gleich nachdem sie es ausgesprochen hatte, kam sie sich dumm vor, als wollte sie Friedrichs Notlage ausnutzen. Seit es die Reichsmark nicht mehr gab, sondern bei ihnen die D-Mark und drüben die Ostmark eingeführt worden war, konnten die Menschen in der Sowjetischen Zone kaum noch etwas bei ihnen kaufen. Um eine D-Mark zu erhalten, mussten sie fünf Ostmark eintauschen. Das machte vieles unbezahlbar. Trotzdem sprach sie weiter. »Was fehlt euch sonst?«
»Butter, Schokolade. Eigentlich ist gerade alles knapp bei uns.«
»Das tut mir leid.«
»Und Zigaretten. Um uns die Russen vom Leib zu halten.«
»Wieso, was machen die denn?«
»Die finden unsere Sachen gut.«
»Wie?« Sie verstand nicht.
»Na ja, sie gehen jetzt wieder zurück und können das eine oder andere von uns gut gebrauchen. Porzellan, das Tafelsilber, Steppdecken …«
»So eine Frechheit.«
Friedrich zuckte mit den Schultern. »Was will man machen? Wir können ja froh sein, wenn wir nicht erschossen werden.«
Ruth fiel nichts ein, was sie darauf sagen konnte. Da ging es ihnen mit den britischen Aufpassern doch besser. »Könnt ihr nicht übersiedeln?«
»Du meinst, zu euch ziehen?«
»Na ja, nach Hohegeiß oder überhaupt in die Westzone.«
»Wie soll das gehen? Wir haben bei Benneckenstein unser Gut, unsere Äcker. Meine Familie lebt seit Generationen dort. Wenn wir woanders hingingen, hätten wir nichts. Meine Eltern würden niemals all das verlassen, was sie und ihre Vorfahren sich über viele Jahrzehnte aufgebaut haben.«
Sie nickte. »Das verstehe ich. So geht es meinem Vater auch. Er tut sich schon enorm schwer damit zu akzeptieren, dass er jetzt einen Kontrollposten passieren muss, um seine Felder zu erreichen.«
»Das ist auch schlimm.«
»Er hofft, dass die Großen sich bald einigen und alles wieder wird wie vorher.«
»Ich glaube nicht, dass irgendetwas wird wie vorher. Wir haben den Krieg verloren, und zwar krachend. Und wir haben ziemlich viel verbrannte Erde hinterlassen, überall. Man wird uns nicht einfach zurückgeben, was wir hatten, und uns in Ruhe so weitermachen lassen wie bisher.«
»Nein«, stimmte sie zu. »Das ginge ja auch gar nicht.« Die Welt, wie sie sie vorher gekannt hatten, war falsch gewesen. Alles ein großer Irrtum, eine riesige Lüge. Man hatte ihnen vorgegaukelt, sie seien das größte und beste Volk der Welt, die stärkste Nation, viel mehr wert als all die anderen. Und nun hatte sich herausgestellt, dass all das überhaupt nicht stimmte. Sie waren das grausamste Volk der Welt gewesen. Und jetzt die schwächste Nation, die Besiegten. Sie konnten nur abwarten, was die anderen Länder für sie beschlossen, mussten darauf hoffen, dass sie ihnen verziehen. Das Dritte Reich hatte entsetzliches Unheil über die Welt gebracht, wie würden sie jemals mit dieser Schuld leben können? »Wie wird das alles weitergehen?«
Friedrich zuckte mit den Schultern. »Das weiß keiner.«
»Aber sie werden diese bescheuerten Grenzmarkierungen und die Kontrollposten sicher wieder wegmachen, Ost und West wieder vereinen. Was soll das denn bringen, das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, ereiferte sie sich. »Seit Jahrhunderten leben die Familien mit ihren Verwandten hier wie dort. Das kann man doch nicht auseinanderreißen.«
»Pff«, machte Friedrich. »Denk doch mal an die ganzen Flüchtlingsströme, die hier und anderswo nach dem Krieg durchgezogen sind. Das waren allesamt Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Glaubst du wirklich, irgendwelche Mächtigen würden sich davon beeindrucken lassen, dass unsere Familien hier seit Jahrhunderten sesshaft sind und dieses Land bewirtschaften? Wir sind bloß Spielfiguren. Und wenn es ihnen passt, ziehen sie die Grenzen mittendurch.«
»Aber …« Aber was? Hatte er nicht recht? Noch nie hatte es irgendwelche Machthaber interessiert, was der einfache Mann wollte. Und sie erinnerte sich nur zu gut an all die Evakuierten, Ausgebombten und Vertriebenen, die Tag für Tag nach Hohegeiß gekommen waren. Wie ausgemergelt sie ausgesehen hatten, wie erschöpft und hoffnungslos. Sie waren dem Tod entkommen, schienen aber doch selbst beinahe wie der leibhaftige Tod zu sein mit ihren zerlumpten Kleidern und den leeren Blicken. Ruth hatte erst da verstanden, wie verhältnismäßig gut sie es in ihrem Dorf abseits der Frontlinien und fernab der großen Städte eigentlich gehabt hatten. Es hatte zeitweise die Regelung gegeben, dass jede Nacht mindestens ein Gasthaus geöffnet haben musste, damit die armen Seelen wenigstens ein Dach über dem Kopf hatten …
Sie und Friedrich standen eine Weile schweigend nebeneinander, jeder seinen Gedanken nachhängend.
»Kommst du öfter hier lang?«, fragte sie schließlich. Über unser Feld.
»Normalerweise halte ich mich so lange wie möglich im Wald auf, aber heute ist mir dieser Grenztrupp zu nah gekommen.«
»Oh.« Etwas zog sich in Ruths Magen zusammen. »Haben sie dich gesucht?«
»Ich fürchte, ja.«
»Dann sei lieber vorsichtig.« Die altbekannte Beklommenheit erfasste sie: Mit den Grenzern war nicht zu spaßen.
»Das bin ich doch.«
Eine Weile schwiegen sie und warfen einander verstohlene Blicke zu.
»Vielleicht sieht man sich dann ja mal wieder«, meinte Ruth schließlich, weil ihr die Stille unangenehm war.
»Meistens bist du mit deinem Vater hier.«
Woher wusste er das? Und wer mochte sie noch so alles beobachten, wenn sie hier oben war?
»Du kennst dich ja gut aus«, erwiderte sie betont gleichgültig. »Stimmt. Aber heute ist er krank.«
»Das tut mir leid.« Friedrich zögerte. »Es gibt noch ein, zwei andere, die hier ab und an durch den Wald streifen, um ihre ›Versorgungsgänge‹ zu erledigen. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sie sind sicher nicht gefährlich. Wollen nur schnell über die Grenze huschen, um ihre Sachen zu erledigen, und am liebsten nicht auffallen.«
»Ich mache mir keine Sorgen.« Um ihre Aussage zu unterstreichen, verschränkte Ruth die Arme vor der Brust. Doch sie musste sich eingestehen, dass Friedrich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Gut.« Er grinste, und Ruth wurde den Eindruck nicht los, als hätte er sie durchschaut. Dann wurde er wieder ernst. »Ich muss jetzt leider weiter. Bevor sie zurückkommen.«
»Natürlich.« Sie wollte Lotte mit den Zügeln das Zeichen geben, dass es mit der Arbeit weiterging, doch etwas hielt sie davon ab. Friedrich war nett, und es war seltsam, aber sie würde es schade finden, wenn sie sich nie mehr wiedersehen sollten. Nur konnte sie das selbstverständlich nicht sagen.
Und wieder schien ihr Friedrich das Wort aus dem Mund zu nehmen, wirkte dabei jedoch fast ein wenig verlegen, so wie er den Kopf schief legte. »Wenn ich das nächste Mal hier langkomme, werde ich mich nicht anschleichen, versprochen.«
»Das wäre nett.« Es war ein ganz normaler Satz gewesen, und doch löste er etwas in Ruth aus, ein seltsames Flattern in ihrer Magengegend, das sie noch nie zuvor gespürt hatte.
Friedrich lächelte sie noch einmal an, gab Lotte einen Klaps aufs Hinterteil, die sich sofort in Bewegung setzte. Ruth sah, wie er nach links und rechts blickte und dann geduckt in den Wald huschte. Bevor er darin verschwand, schaute er sich noch einmal zu ihr um. Ganz kurz nur, doch das reichte, um Ruths Herz zum Hüpfen zu bringen. Sie wünschte sich, dass sie Friedrich ganz bald wieder hier treffen würde. Wenn nur diese grässliche Grenze nicht wäre.
Romy
Um fünf Uhr fünfzehn klingelte am Samstagmorgen Romys Wecker. Nachdem sie einmal auf »Schlummern« getippt hatte, musste sie wohl oder übel aus dem Bett krabbeln, sie wollte Markus schließlich nicht wecken. Allerdings konnte sie kaum die Augen offen halten und rieb sich ein paarmal über das Gesicht, um einigermaßen klarzukommen. Obwohl sie sich nach dem guten Jahr, das sie nun schon im Käsetraum arbeitete, an das frühe Aufstehen gewöhnt hatte, fielen ihr die Samstage schwer. Die Dreiviertelstunde, die sie dann noch weniger zum Schlafen hatte, machte sich spätestens am Nachmittag, wenn sie wieder nach Hause kam, in einer lähmenden Müdigkeit bemerkbar. Das und das stundenlange Stehen, die Kälte am Morgen, gegen die man sich kaum anziehen konnte, die gebückte Haltung, die abfrierenden Finger und Zehen. Sie seufzte, während sie sich aufsetzte und verschlafen mit den Füßen nach ihren Hausschuhen tastete. Durch die Ritzen der Jalousien blitzte bereits das zaghafte Licht der Dämmerung. Wenigstens war es jetzt im Mai morgens schon früh hell, das half Romy enorm beim Wachwerden.
Als sie aufstand, brummte Markus auf der anderen Bettseite und drehte sich um. Sie stapfte ums Bett herum zu ihm, gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange, dann schlurfte sie zu den Kinderzimmern. Ein Blick durch den Türspalt zeigte ihr, dass ihre Süßen noch selig schliefen. Gut so! Romy bewegte sich so leise wie möglich, um daran nichts zu ändern. Denn wenn eines der Kinder mitbekam, dass sie ging, würde Markus’ Nacht gleich vorbei sein. Besonders kritisch war das immer bei Max, aber auch ihr Jüngster kuschelte sich noch friedlich unter seine Decke.
Auf Zehenspitzen schlich sie ins Bad, warf sich zwei-, dreimal einen Schwall kaltes Wasser ins Gesicht und zog sich an. Die heiße Dusche sparte sie sich wie immer für hinterher auf, sie wollte samstagmorgens lieber so lange wie möglich im Bett bleiben.
Als Romy die Treppe hinuntertappte, registrierte sie wie beinahe an jedem dieser Samstage, dass das alte Holz fürchterlich knarzte. Sie lauschte kurz, doch im Haus blieb alles ruhig. In der Küche bereitete sie sich als Erstes einen Kaffee zu – eine Tasse für jetzt und eine für die Thermoskanne zum Mitnehmen. Während die Maschine ihre Arbeit tat, packte Romy die Brotdose, die sie am Abend vorbereitet hatte, und eine Trinkflasche in ihren Rucksack, in dem sich schon ein dickes Paar Wollsocken und die Handschuhe befanden. Die Thermoskanne für den Kaffee holte sie aus dem Schrank, füllte den Kaffee um, als er durchgelaufen war, und setzte sich mit ihrer Tasse an den Küchentisch. Nur einen Moment wollte sie sich gönnen, um einerseits richtig wach zu werden und andererseits zur Ruhe zu kommen, bevor sie gleich rausmusste und bis zum Nachmittag nur noch in Action sein würde.
Durchs Küchenfenster betrachtete sie den Himmel, an dem sich ein heller Streifen zeigte, unter dem ein hauchzartes Rot schimmerte. Wie sehr sie den Frühling liebte! Besonders jetzt fiel ihr das auf, seit sie regelmäßig auf dem Markt stehen musste und dort die kalte Jahreszeit miterlebt hatte. Es war gefühlt immer dunkel gewesen, trist und eisig. Seit endlich wieder Frühling war, hatte sie an sich selbst und auch an den Kunden gemerkt, wie sehr Helligkeit und Wärme die Stimmung hoben. Und jetzt, Ende Mai, schien es allen gut zu gehen. Nicht nur in der Natur grünte und blühte es, auch die Marktbeschicker waren gesprächiger, man hielt beim Aufbauen hin und wieder einen Plausch, zudem kamen viel mehr Kunden. Die Stammkunden, die jeden Samstag ihren Frischkäse, drei Scheiben Cheddar und ein Stück Rotweinkäse kauften, hatten sie auch den Winter über nicht im Stich gelassen, doch jetzt traute sich auch wieder die Laufkundschaft am frühen Morgen auf den Altstadtmarkt. Und das war ihre Rettung, denn die Gespräche mit Wochenmarktbesuchern, das Verkaufen, das gelegentliche Herumwitzeln mit den anderen Standbetreibern vertrieben die Müdigkeit und manchmal auch die morgendliche Kälte.
Romy sah auf die Uhr: halb sechs. Zeit, aufzubrechen. Der Markt öffnete zwar offiziell erst um acht Uhr, aber sie musste um sechs da sein, um beim Aufbau mitzuhelfen. Sabines Mann brachte für gewöhnlich den Wagen, sie räumten gemeinsam die Waren ein, schnitten Käse auf, zählten das Geld in der Kasse, dann fuhr er wieder fort und sie war auf sich gestellt. Es gab auch nicht wenige Kunden, die bereits vor acht da waren, um sich ihr Frühstück zusammenzustellen. Es wäre nachlässig, diese zu verpassen. Sie nahm den letzten Schluck aus ihrer Tasse, stellte sie in die Spülmaschine, schlüpfte in Jacke und Schuhe, holte ihr Rad aus der Garage und düste in die Braunschweiger Innenstadt. Der frische Fahrtwind vertrieb die letzten Spuren der Müdigkeit, und die pastellenen Farben am Himmel hoben Romys Stimmung deutlich an. Beinahe freute sie sich nun sogar ein bisschen, dass sie schon auf den Beinen war und dieses zauberhafte Naturschauspiel miterleben durfte.
»Guten Morgen, min Deern!« Es war Rolf, der mit seinem Korb über dem Arm winkend an ihr vorbeischlenderte. Er würde später zu ihr kommen, erst waren Brot und Obst dran, dann der Wurststand nebenan und anschließend sie. Zum Abschluss seines Marktbummels sah sie ihn immer noch einen Strauß für seine Frau beim Blumenhändler mitnehmen. Er war gebürtiger Ostfriese und schnackte gerne Plattdeutsch, wenn er jemanden fand, der ihn verstand. Daher hielt er sich lange bei Egon, dem Fischhändler, auf und fachsimpelte mit ihm über dies und das, auch wenn Romy selten einen Fisch in Rolfs Korb entdeckte. Sie selbst konnte bis auf ein paar Ausdrücke leider nur Hochdeutsch mit ihm sprechen. Auf Rolf freute sie sich samstagmorgens mit am meisten, denn er war immer gut gelaunt und charmant – sein »min Deern« ging ihr jedes Mal runter wie Öl. Schließlich fing es mit fünfunddreißig an, oder? An manchen Tagen fühlte sich Romy dermaßen gerädert und steif in den Gliedern, dass sie meinte, sie müsste schon siebzig sein. Tja, es ging halt unaufhaltsam auf die vierzig zu … Unwillkürlich dachte sie an die Freundinnen, die alle schon drüber waren, sie war die Jüngste der Truppe. Ehrlicherweise waren sie alle wunderbare Frauen, keineswegs langweilig und vom »alten Eisen«. Im Gegenteil, Alix, Josefin und Marlene schienen eher noch einmal richtig aufzublühen, ihren Platz im Leben gefunden zu haben und es zu genießen. Auch wenn sich hier und da ein paar Fältchen um die Augen oder auf die Stirn, ein Hauch Silber ins Haar und das eine oder andere Pfund zu viel auf die Hüften geschummelt hatten. War es nicht eigentlich toll, wenn man die Spuren des Lebens sah? Gutes und vielleicht auch nicht so Schönes – machte nicht all das den Menschen, der man heute war, aus?
»Tach, Frollein«, kam es in leicht vorwurfsvollem Ton von der Seite und riss Romy aus ihren Gedanken. Es war Frau Bartels, sie hatte wohl schon eine Weile dort gestanden, während Romy den frisch eingetroffenen Laib Bio-Heublumenkäse aufgeschnitten, im Kühlbereich der Theke ansprechend angerichtet und dabei ihren Überlegungen nachgehangen hatte. Manchmal hatte ihre Arbeit direkt etwas Meditatives. Jetzt aber war sie voll da.
»Hallo, Frau Bartels, wie geht es Ihnen?«
»Muss ja.« Die Ältere schob ihre Einkaufstasche in den Korb des Rollators, zog die Bremsen an und ließ sich auf der Sitzfläche nieder. Das wird heute länger dauern, dachte Romy. Offenbar hatte die alte Dame Lust auf eine Unterhaltung. Solange sich vor dem Tresen keine Schlange bildete, war es Romy recht.
»Was macht die Hüfte?«
»Schmerzt. Sie wollen operieren.«
»Oh. Wann denn?«
Frau Bartels zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Soll ich das überhaupt noch machen lassen? Ich bin vierundachtzig. Was, wenn ich davon nicht wieder aufwache?«
»Nun ja.« Wenn ein Gespräch in diese Richtung lief, fiel es Romy nie leicht, darauf zu antworten. Wo fing man an, wo hörte man auf? Und da ihre Kundschaft vor allem aus älteren Menschen bestand, drehte sich das Gespräch oft um diese schwierigen Themen rund um Krankheiten, Gebrechlichkeit und auch das nicht mehr allzu ferne Ende. »Ach, Frau Bartels, was soll ich dazu sagen? Es kann immer sein, dass man nicht wieder aufwacht, oder? Und wenn Sie Schmerzen haben, wäre es bestimmt gut, etwas dagegen zu tun.«
Die Ältere nickte nachdenklich. »Wie dem auch sei. Was machen die Kinder?«
»Denen geht es gut, danke.«
»Sind beim Vater?«
»Genau. Der ist ja unter der Woche meist erst abends zu Hause, da genießen es alle, sich am Samstag mal zu haben.« Sie verschwieg dabei, dass es oft genug ziemlich stressig bei ihnen zu Hause zuging, wenn sie am Wochenende wegmusste und weder Markus noch die Kinder sonderlich begeistert davon waren. Zum Glück hatte heute alles geklappt.
»Das ist ja schön. Ist anders als früher.«
Ja, gut so, dachte Romy bei sich. Sie hätte sich weiter mit Frau Bartels unterhalten und sich wahrscheinlich noch nach ihren Enkeln erkundigt, wenn sich nicht just ein Vater mit zwei kleinen Kindern und ein junger Mann mit schwarz gefärbten, hochgestylten Haaren und mehreren Ringen durch Nase, Ohren und Augenbrauen hinter ihr angestellt hätten. »Was darf’s denn heute für Sie sein?«
»Ach …« Genauestens suchte der Blick der älteren Dame die Auslage ab. »Ich weiß nicht so recht, ist ja so viel …«
Romy musste schmunzeln. Ihre ältere Kundschaft war öfters von der Auswahl überfordert. Da half am besten etwas Gewohntes. »Wie wäre es mit einem schönen Stück Emmentaler? Den haben Sie letzte Woche gekauft.«
»Emmentaler hatte ich?« Frau Bartels runzelte zweifelnd die Stirn. »Nicht Edamer?«
»Nein. Sie wollten mal etwas Neues ausprobieren. Hat Ihnen der Emmentaler geschmeckt?«
»Ich glaube schon.« Die Dame erhob sich von ihrem Rollator und tastete sich mit einer Hand an der Verkaufstheke entlang. Aus dem Augenwinkel registrierte Romy, wie der jüngere der beiden Jungen seinen Vater zum Stand mit den Kuchen schräg gegenüber ziehen wollte, während der größere mit dem Finger auf einen besonders breiten Laib Käse zeigte.
»Boah, ist das ein dickes Ding, Papa, guck mal!« Doch Papa machte nur »Mhm«, weil er vollauf mit dem Wirbelwind an seiner anderen Hand beschäftigt war. Sie kannte diese Anzeichen: Es wurde höchste Zeit, dass sie sich mit ihren anderen Kunden beschäftigte; nicht, dass sie noch abwanderten. Auch der flippige Typ dahinter wurde schon ungeduldig und hatte genervt eine Augenbraue hochgezogen. Andererseits durfte sie nun auf keinen Fall den Fehler begehen und hektisch werden. Eine schwierige Situation.
»Möchten Sie ihn noch mal kosten? Ich kann Ihnen eine Scheibe abschneiden.«
»Vom Edamer?«
»Vom Emmentaler.« Den Edamer kennen Sie ja, lag ihr auf der Zunge, aber zum Glück konnte sie sich beherrschen. »Dürfen die Jungs eine Scheibe Käse haben?«, fragte sie den Vater.
»Mögt ihr was probieren?«, fragte er erst nach rechts, dann nach links gewandt und erntete freudiges Nicken auf beiden Seiten.
»Von dem Dicken da?«, fragte der Ältere hoffnungsvoll.
Das war junger Gouda, mit dem konnte man bei Kindern nichts falsch machen. »Gute Wahl, junger Mann.« Sie zeigte mit dem Käseschneider auf das Kind und zwinkerte ihm zu, das sich verschmitzt über die Anrede freute. Es hatte funktioniert, sie hatte die Aufmerksamkeit und das Wohlwollen der Familie zurück, nun würden sie nicht so leicht weitergehen, wenn es mit Frau Bartels noch etwas dauerte. Zudem hatte sie etwas Zeit gewonnen. »Möchten Sie auch?« Ohne auf eine Antwort zu warten, hielt sie dem Mann dahinter, der sich bereits mehrfach umgesehen und auf sein Handy geblickt hatte, ebenfalls eine Scheibe Gouda hin. Für ihn wahrscheinlich kein Hochgenuss, aber immerhin würde er so wissen, dass sie an ihn dachte. Doch er winkte ab.
»Laktoseintoleranz.«
Romy hatte den Eindruck, dass er das Kinn dabei herausfordernd vorreckte. Er will mich testen. Sie schluckte einmal kurz, das würde kein einfacher Kunde werden. Doch schnell fing sie sich wieder. »Kein Problem, es ist Gouda, den sollten Sie vertragen können.«
»Trotzdem nicht. Ich nehme nur Blauschimmelkäse und ein Stück Parmesan.«
»In Ordnung, ich bin gleich bei Ihnen.« Immerhin, sie hatte nun auch zu ihm Kontakt hergestellt.
»Ich glaube, ich probiere heute mal den da.«
Prima, Frau Bartels hatte eine Entscheidung getroffen. Allerdings zeigte sie auf einen Ziegenkäse, der mit seinem reinen Weiß und den Kräutern auf der Rinde wirklich gut aussah, wie sie zugeben musste, aber unter Garantie nicht das Richtige für die Kundin war. Frau Bartels hatte ihr irgendwann mal erklärt, dass sowohl Ziegen- als auch Schafskäse bei ihr »Würgen« verursachten, weil sie als Kind eine Ziege gehabt und keine andere Milch bekommen hatte. Romy hatte sich das gut gemerkt und ihr niemals wieder etwas anderes als aus Kuhmilch hergestellten Käse angeboten. Aber es gab eine gute Alternative.
»Das ist leider Ziegenkäse, Frau Bartels, aber wie wäre denn dieser hier?« Sie zeigte auf den Heublumenkäse, der von der Farbe und Rinde her ganz ähnlich aussah.
»Ach, der ist ja hübsch. Ja, geben Sie mir bitte vier Scheiben von dem. Und einen kleinen Topf Frischkäse, wie immer.«
Romy atmete innerlich durch. Das wäre geschafft. Sie ließ sich von Frau Bartels den Beutel reichen und steckte die Einkäufe hinein, während diese ihr Portemonnaie nach passenden Münzen durchsuchte. »Einen schönen Tag noch«, wünschte sie, als alles erledigt war, und wandte sich dem nächsten Kunden zu.
Als mittags ihre Chefin Sabine vorbeikam, um den Stand mit aufzuräumen und zurück zu ihrem Hof zu fahren, konnte Romy ihr müde, aber voller Stolz eine sehr gut gefüllte Kasse überreichen.
»Mama, Mama, da bist du ja wieder!«, jubelten Lilly und Malte, als Romy wenig später die Haustür aufschloss. Sie rannten auf sie zu und umarmten sie mit einer solchen Wucht, dass sie sie beinahe umwarfen.
»Langsam, langsam«, erwiderte Romy und hockte sich auf den Boden, um mit ihnen auf gleicher Höhe zu sein. Doch hier war der Schwerpunkt noch schlechter, sie verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Po. Und mit ihr die beiden Kinder, die vor Freude quietschten, weil sie ihre Mama nun unter sich hatten. Romy ließ sich von der Fröhlichkeit der beiden anstecken und drückte sie fest an sich. Eine Woge von Liebe überkam sie, die auch Malte und Lilly zu spüren schienen, denn für ein paar Sekunden waren alle still, kuschelten sich aneinander, bevor Malte wieder zappelig wurde und sich aus dem Haufen befreien wollte, wobei er ihr den Ellbogen in die Seite rammte. »Uff«, entfuhr es ihr, und sie versuchte, sich ebenfalls aufzusetzen, was ihr jedoch nicht gelang. Zu schwer drückten beide Kinder sie hinunter. Zwischen einem Wust aus Armen, Köpfen und Beinen bemerkte sie Markus, der mit einem Kochlöffel in der einen Hand und Max auf dem anderen Arm aus der Küchentür trat.
»Schön, dass du wieder da bist«, sagte er, und Romy fragte sich, ob das etwas säuerlich klang. Sicherlich war er gestresst, denn ganz bestimmt hatten die drei ihn den Vormittag über auf Trab gehalten, und nun war er nebenbei offensichtlich beim Kochen.
Jetzt, wo Max sie entdeckt hatte, wollte er ebenfalls zu ihr und fing auf Markus’ Arm an zu strampeln, der ihn hastig auf dem Boden absetzte. Ihr Jüngster eilte auf seinen kurzen Beinen zu ihr herüber, mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Lachen und Weinen schwankte. Bei ihnen angekommen, ließ er sich oben auf das Knäuel von Geschwistern und Mama plumpsen, was ein wütendes Schimpfen von Lilly zur Folge hatte.
»Aua, pass doch auf!« Sie versuchte, ihren jüngsten Bruder abzuschütteln, während Malte das Ganze enorm witzig zu finden schien und sich dazu entschloss, lieber noch nicht aufzustehen, und sich zwischen Lilly und Max drängte. Nun wurde es Romy doch zu wild.
»Ihr werdet mir zu schwer«, stöhnte sie, »steht mal bitte auf.« Leider schien sie niemand zu hören, stattdessen drückten immer häufiger Knie, Ellbogen oder Hände gegen verschiedene Teile ihres Körpers, und das Gewicht auf ihrem Brustkorb nahm ihr den Atem. »Es reicht, geht bitte runter von mir.«
Zum Glück kam ihr Markus zu Hilfe. »Ich glaube, das Essen ist fertig. Möchte zufällig jemand Spaghetti Bolognese?«
»Ja!«, schrie es aus drei Kehlen, und in Windeseile entwirrte sich der Menschenknoten – nicht, ohne Romy noch ein paar weitere Knuffe zu versetzen –, und drei hungrige Kinder sprangen in die Küche.