Wolf Shadow - Dunkles Vergessen - Eileen Wilks - E-Book

Wolf Shadow - Dunkles Vergessen E-Book

Eileen Wilks

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Beschreibung

Als Lilys Mutter urplötzlich ihre Erinnerungen verliert, weiß Lily, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Magie ist im Spiel! Und ihre Mutter ist nicht die Einzige, die unter dem rätselhaften Gedächtnisverlust leidet. Lily und Rule müssen in Erfahrung bringen, wer oder was dahintersteckt!

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Inhalt

Titel

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Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Eileen Wilks bei LYX

Impressum

EILEENWILKS

Wolf Shadow

Dunkles Vergessen

Roman

Ins Deutsche übertragen

von Stefanie Zeller

Zu diesem Buch

Bis zur Hochzeit der FBI-Agentin Lily Yu mit dem Werwolf Rule Turner sind es nur noch zwei Wochen. Doch das Familienfest tritt in den Hintergrund, als Lilys Mutter urplötzlich ihr Gedächtnis verliert und nur noch Erinnerungen aus ihrer Kindheit zurückbehält. Sie erkennt ihre eigene Familie nicht mehr, und sie ist nicht das einzige Opfer: In der ganzen Stadt werden Fälle ungewöhnlichen Gedächtnisverlusts gemeldet, und Lily ist sofort klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Magie ist im Spiel, und Lily und Rule versuchen verzweifelt herauszufinden, wer dahinter steckt. Dabei bekommen sie unverhofft Unterstützung von Al Drummond, ihrem toten Erzfeind, von dem sie dachten, dass sie ihn nie wiedersehen würden. Doch schnell wird klar, dass eine Macht am Werk ist, die sowohl die Welt der Lebenden als auch die der Toten ins Wanken bringen kann – und dass es Zauber gibt, die dunkler sind als alle Magie, der Lily und Rule bisher begegnet sind …

1

Sie blinzelte und schwankte, war so benommen, dass sie sich an der Wand abstützen musste. Konnte man das Bewusstsein verlieren, ohne hinzufallen? Dieses Gefühl hatte sie nämlich, in Ohnmacht gefallen zu sein. Was ihr noch nie passiert war, in ihrem ganzen Leben nicht, aber auf einmal schien es ihr wie Dornröschen zu gehen. Wer weiß, wie viele Jahre inzwischen vergangen waren. Nur dass sie noch auf den Beinen war, also konnten es keine Jahre gewesen sein. Die Damentoilette war gleich hinter ihr. Sie war immer noch in dem engen, kleinen Flur des …

Wo war sie?

Angst überkam sie, schnell und heiß und dunkel, flatterte in ihrem Hals mit den Flügeln wie ein gefangener Vogel. Wo war sie?

Sie wusste es nicht. Sie hatte keine Ahnung. Sie … was hatte sie getan? Sie wusste es nicht mehr. Sie erinnerte sich noch daran, dass sie gestern Abend ins Bett gegangen war, aber dass sie nicht hatte einschlafen können, nicht sofort zumindest. Am Abend vor ihrem Geburtstag einzuschlafen, war ihr schon immer schwergefallen. Sie hatte sich aufgesetzt, obwohl es längst Schlafenszeit war – eine Sünde, doch bei besonderen Gelegenheiten drückte man ein Auge zu –, und hatte in ihrem Tagebuch geschrieben, im Licht der Nachttischlampe, das warm und gelb auf die linierten Seiten fiel, die lavendelfarbene Tagesdecke bis zur Taille hochgezogen. Ihrem Tagebuch hatte sie anvertraut, was sie sonst niemandem anvertrauen konnte, nicht einmal Kathy und ganz sicher nicht ihren Schwestern. Alle sagten, sie könnten »es gar nicht erwarten« endlich Teenager zu sein, doch sie war froh, dass sie erst zwölf wurde, nicht dreizehn. Sie war noch nicht so weit, schon dreizehn zu sein, aber das war gar nicht schlimm, denn vor ihr lag noch ein ganzes Jahr, bis sie Teenager war. Ihr blieb noch reichlich Zeit.

Aber das war alles, an das sie sich erinnerte. Sie wusste zwar nicht mehr, wie sie aufgewacht war, ob sie gefrühstückt oder zu Mittag oder zu Abend gegessen hatte. War es Abendbrotzeit? Waren sie hierher gegangen statt zur Rollschuhbahn, wie sie es eigentlich vorgehabt hatten?

Hatte sie etwa ihren eigenen Geburtstag verpasst?

Trotz der Angst überkam sie Empörung. Das war nicht fair. Das war ganz und gar nicht fair. Sie verstand nicht warum, aber sie befand sich in irgendeinem Restaurant. Es roch gut – nach Ingwer und Zwiebeln und Frittierfett. Sie konnte ein bisschen von dem Raum sehen, in den der Flur führte. Ein Mann saß an einem kleinen Tisch mit Tischdecke, beugte sich vor und stach mit dem Zeigefinger in die Luft, so wie Männer es machten, wenn sie glaubten, sie wären wichtig, und die Leute ihnen zuhören sollten. Die Frau, zu der er sprach, sah gelangweilt aus. Sie waren beide weiß, aber das hier war ein chinesisches Restaurant. Das erkannte sie an den Gerüchen und den dunkelroten Wänden. Jemand, den sie von dort, wo sie stand, nicht sehen konnte, lachte schnell und bellend: Ha! Ha! Ha! Das ließ sie an Onkel Wu denken, der auch in solchen Silben gelacht hatte, nur leiser, schnaufender: Ha. Ha. Ha.

Sie atmete sehr schnell. Schnaufte wie Onkel Wu. Sie ballte die Fäuste und versuchte normal zu atmen. Sie brauchte etwas, das normal war.

Sie fühlte sich müde. Müde und irgendwie schwer, als wäre sie erkältet. Sie schniefte versuchsweise. Die Nase war nicht verstopft oder so. War sie krank gewesen? Vielleicht hat sie hohes Fieber gehabt. Eine Hirnhautentzündung. Vergaß man dann Sachen? Vielleicht hatte sie eine schlimme Hirnhautentzündung gehabt und war davon genesen, aber jetzt hatte sie einen Rückfall – deswegen war ihr so schwindelig – und –

»Entschuldigung«, sagte jemand hinter ihr.

Sie fuhr herum.

Zwei Frauen waren aus der Toilette gekommen. Sie waren ziemlich alt – vielleicht dreißig – und komisch angezogen. Beide trugen Jeans, was seltsam war. Wer trug Jeans, wenn er in ein schickes Restaurant ging? Eine hatte einen großen, weiten Pullover an, aber die andere ein enges, dehnbares T-Shirt, das einfach alleszeigte, als wäre sie eine Prostituierte. Diese Frau trug große Ohrringe und hatte superkurzes Haar wie Mia Farrow und … guter Gott. In ihrer Nase steckte ein kleiner Glitzerstein.

Ihre Mutter ließ sie keine Ohrlöcher machen, und diese Frau hatte ein Loch in der Nase!

Die beiden Frauen starrten sie komisch an. Sie errötete. Wie eine Idiotin stand sie da und versperrte ihnen den Weg. Sie trat zur Seite. Ihr Fuß stieß gegen irgendetwas. Sie blickte nach unten.

Jemand hatte seine Handtasche mitten im Flur liegen lassen. Es war eine hübsche Handtasche – schwarzes Leder, ein Leder, das so weich war, dass man es streicheln wollte. Sie sollte es jemandem sagen.

Sie hatte gerade einen unsicheren Schritt gemacht, als noch jemand in den Flur trat. Ein Mann. Er war groß und wahrscheinlich so alt wie die beiden Frauen, und er sah fantastisch aus. Wie ein Filmstar – ein bisschen wie Clint Eastwood, der immer noch ihr Lieblingsschauspieler war. Wie sehr war sie enttäuscht gewesen, als Tausend Meilen Staub abgesetzt worden war. Nur dass die Haare dieses Mannes dunkel und zerzaust waren, und er sehr dramatische Augenbrauen hatte, ganz anders als Clint.

Der Mann musterte sie und legte den Kopf schief, als wäre er verwirrt. Sie spürte ein leichtes Flattern im Magen. Dann sprach er sie an.

»Julia? Alles in Ordnung?«

Lily schob die Reste ihres Hühnchen Kung Pao auf dem Teller herum und versuchte so auszusehen, als würde sie ihrem Cousin Freddie zuhören, der voller Begeisterung über implizite Rendite, Parität und Agio sprach. Was zur Hölle war Agio? War das überhaupt ein Wort?

Sie fragte ihn nicht danach. Denn dann würde er es ihr erklären, und das konnte endlos dauern. Wahrscheinlich war es Brokersprache und hatte etwas mit Devisenhandel zu tun, seinem Fachgebiet. Auf dem er in der letzten Zeit meist für Rule tätig war. Rules zweiter Clan war nicht so wohlhabend wie der der Nokolai.

»… bin nicht überzeugt, dass der Baht sich im Aufwind befindet, aber …« Freddie brach ab und schmunzelte. »Deine Augen werden glasig.«

»Tut mir leid.« Sie und Freddie kamen nun, da er aufgehört hatte, sie um ihre Hand zu bitten, sehr viel besser miteinander aus. Dass er dabei nie erwähnt hatte, dass er schwul war, hatte sie ihm vergeben. Zumal sich herausgestellt hatte, dass er sich selbst dessen gar nicht bewusst gewesen war. Sein Coming-out sich selbst gegenüber war noch gar nicht allzu lange her. Noch war er nicht bereit, seine Familie aufzuklären … womit er seine Mutter meinte.

Lily konnte ihn verstehen. Wegen Tante Jei – die genau genommen Lilys Cousine zweiten Grades war, aber Lily und ihre Schwester nannten alle Cousinen oder Cousins ersten Grades ihrer Mutter »Tante« oder »Onkel« – gab es das passiv vor passiv-aggressiv. Sie war matt und kraftlos, brauchte viel Zuwendung und seufzte gern, eine Witwe mit nur einem Kind, das sie verhätschelte, an das sie sich klammerte und das sie unbarmherzig kontrollierte.

Armer Freddie.

Tante Jei war vermutlich der Grund, warum Rule sich entschuldigt hatte, um auf die Toilette zu gehen. Er war neben sie gesetzt worden, und selbst Rules Geduld war irgendwann erschöpft.

»Schon in Ordnung«, sagte Freddie freundlich und tätschelte ihre Hand. »Du träumst wahrscheinlich von dem großen Tag. Jetzt sind es nur noch zwei Wochen, nicht wahr?« Er strahlte sie an.

»Zwei Wochen und fünf Tage.« Nach denen, dachte sie mit einem Lächeln, Rule offiziell mit Tante Jei, Freddie und allen anderen an diesem Tisch verwandt sein würde. Armer Mann.

Sie befanden sich in dem größeren von zwei privaten Speisesälen im Golden Dragon, wo fast alle Feiern der Familie stattfanden, seit Onkel Chen der Besitzer war – noch ein »Onkel«, der eigentlich ein Cousin war. Dieses Jahr waren weniger erschienen als sonst. Keines der Kinder war hier, und Großmutters Partnerin, Li Qin, hatte sich vor zwei Tagen den Fuß gebrochen. Er war immer noch zu geschwollen, um gegipst zu werden. Da sie den Fuß so oft wie möglich hochlegen musste, hatte Großmutter darauf bestanden, dass sie zu Hause blieb. Außerdem fehlte Lilys jüngere Schwester, wenn auch aus einem ganz anderen Grund.

»Ich war kürzlich auf der Hochzeit der Tochter eines Kollegen eingeladen«, sagte Freddie gerade. »Ein schönes Mädchen. Es war eine sehr moderne Zeremonie. Sie haben ihr Gelübde selbst geschrieben, und als es Zeit für die Reden war …«

Lily nickte und ließ ihre Gedanken wandern. Ihre Mutter hatte ihr streng untersagt, großen Aufwand zu betreiben. »Deine Hochzeit steht kurz bevor, da wäre es zu viel verlangt. Alle haben genug zu tun.« Mit »alle« meinte sie sich selbst. Sie und Rule hatten den Großteil der Arbeit auf sich genommen, die ein solch großes Ereignis mit sich brachte, und Lily war ihnen wirklich dankbar dafür. Vielleicht war sie Rule tatsächlich ein bisschen dankbarer, weil es so offensichtlich war, dass ihre Mutter sich blendend amüsierte.

Lilys Vater hatte die Anweisungen seiner Frau klugerweise missachtet. Julia Yu liebte es, wenn man ihren Geburtstag mit großem Aufwand feierte.

Und dazu gehörten mit Sicherheit nun mal auch Geschenke. Lilys Blick fiel auf den Tisch hinter Freddie. Darauf lag über ein Dutzend bunt eingepackter Päckchen. Sie lächelte. Freddie verstand ihr Lächeln als Anerkennung für seine Geschichte über die Rede des Bräutigams, kicherte und begann eine neue Geschichte über jemanden, den sie nicht kannte.

Jedes Jahr behauptete Julia Yu, dass sie nichts brauche, gar nichts, aber sie wussten es besser. Sie fand es wunderbar, Geschenke zu bekommen – das bunte Papier und die Schleifen, das ganze Ritual des Auspackens. Auch Lily würde es vermissen, sollten sie tatsächlich je auf die Geschenke verzichten. Ihre Mutter war vielleicht in vielen Dingen wählerisch und perfektionistisch, doch bei Geschenken war das anders. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung. Alles, egal wie eigenartig oder bescheiden es war, wurde von ihr mit Begeisterungsrufen bedacht und hochgehalten, damit alle es bewundern konnten.

»Was hast du für Mutter?«, fragte sie, als Freddie eine Pause machte.

»Na, ein Geschenk!«

Was bedeutete, dass er es ihr liebend gern gesagt hätte, aber wollte, dass sie es aus ihm herauskitzelte. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. 20:22 Uhr. »Ich werde es wohl bald herausfinden. Dann ist sie mit Hübschmachen fertig –«

Der erste Schrei war laut, durchdringend und erschrocken. So wie auch die anderen, die darauf folgten. Lily war auf den Beinen und wühlte in ihrer Handtasche, bevor die anderen sich gefasst hatten. Sie trug weder Schulter- noch Knöchelholster, doch unbewaffnet ging sie nirgendwohin. Zurzeit hatte sie stets eine Glock 19 bei sich – robust, verlässlich, genau, und in dem Magazin waren fünfzehn Schuss. Der Abzugsweg war ein wenig lang, aber sie war leicht und lag gut in der Hand.

Als sie schließlich durch die Tür stürmte, hielt sie die Waffe schussbereit in der Hand.

Auch Barnaby und Joe waren aufgesprungen und auf dem Weg nach draußen. »Rührt euch nicht vom Fleck«, fuhr sie sie an. Die anderen beiden Wachen, Scott und Mark, befanden sich schon auf der anderen Seite des Speisesaals, so schnell wie nur Lupi es konnten. Sie bogen in den Flur ein, der zu den Toiletten führte. Lily folgte ihnen im schnellen Laufschritt, erschrockene Gäste und zwei Kellner umrundend. Als sie halb durch den Flur war, brachen die Schreie ab.

Scott erschien am Flureingang und lächelte alle an. Scott pflegte den Streber-Look. Er trug eine Brille, die er nicht brauchte, und immer ein wenig zu große Kleider, in denen seine drahtige Gestalt dünn wirkte. Wem entging, wie geschmeidig er sich bewegte, würde glauben, dass er nie etwas Anstrengenderes tat als einen Laptop zu tragen. »Ich glaube, sie hat eine Maus oder so etwas gesehen.«

Es gab ein paar nervöse Lacher. Jemand sagte: »Das muss aber eine sehr große Maus gewesen sein.« Gelächter, und alle Gäste begannen, sich zu entspannen.

Rule war da in diesem Flur. Das sagte Lily das Band der Gefährten so deutlich, als könnte sie durch die Wand sehen. Hatte irgendeine Frau mit einer Lupi-Phobie ihn gesehen und war in Panik geraten? Möglich. Sein Gesicht war bekannt. Doch was immer der Grund für die Schreie gewesen war, ihre Glock würde sie wohl nicht brauchen. Scott hatte dem Flur den Rücken zugewandt. Das würde er nicht tun, wenn er damit rechnete, schießen zu müssen.

Trotzdem behielt sie die Waffe in der gesenkten Hand. Scott warf ihr einen eigenartigen Blick zu, trat aber ohne etwas zu sagen beiseite, woraufhin sie wie angewurzelt stehen blieb.

Ein paar Meter vor ihr stand Mark. Entweder hatte er seine Waffe gar nicht erst gezogen oder bereits wieder weggesteckt. Ein Stück hinter ihm hatte Rule die Arme um Lilys Mutter gelegt. Sie schluchzte. Ihre Hände umklammerten seine Arme. Er streichelte ihr den Rücken und murmelte etwas Beruhigendes. Dann blickte er auf und begegnete Lilys Blick. Er sah verwirrt aus.

»Mutter?« Zögernd machte Lily einen Schritt nach vorn. Noch nie hatte sie ihre Mutter so aufgelöst gesehen. Niemals. Und das auch noch in der Öffentlichkeit … »Was ist los? Bist du verletzt?«

Julia Yu hob den Kopf von Rules Schulter. Mascara lief ihr in langen schwarzen Rinnsalen über das Gesicht. »Ich bin alt! Ich bin so alt!«

»Du … du siehst toll aus.«

Julia erschauderte und fing an zu weinen.

»Ich kam den Flur herunter und sah Julia«, sagte Rule vorsichtig. »Sie wirkte aufgeregt, deswegen habe ich sie gefragt, ob alles in Ordnung sei. Sie hat sich an ihr Haar gefasst, ihr Gesicht betastet und dann angefangen zu schreien.«

»Mutter –«

»Ich bin nicht deine Mutter! Ich bin niemandes Mutter! Ich bin zwölf Jahre alt, jemand hat mich in diesen schrecklich alten Körper gesteckt!«

Die vergangenen fünfzehn Monate waren schwer gewesen. Lily hatte getötet. Sie war selbst gestorben – ein Teil von ihr –, und sie hatte mitangesehen, wie jemand für sie gestorben war. Außerdem hatte sie es mit einem Wiedergänger, zu vielen Dämonen, einer Chimei, einer verrückten Telepathin und einigen äußerst bösartigen Elfen aufgenommen. Sie war buchstäblich durch die Hölle gegangen. Aber das hier …

Sie überlegte, doch ihr Kopf war wie leergefegt. Dann dachte sie an einen psychotischen Zusammenbruch. Dann an Magie. Sie schluckte schwer und steckte ihre Waffe wieder zurück in die Handtasche. »Du sagst, du seiest zwölf.«

Heftiges Nicken. »Heute ist mein Geburtstag.«

Ja, richtig. Nur dass Julia Yu heute siebenundfünfzig wurde, nicht zwölf. »Weißt du, wer ich bin?«

»N-nein. Aber du kommst mir irgendwie bekannt vor. Vielleicht sind wir uns schon mal begegnet?«

»Ich heiße Lily. Du bist Julia, richtig?«

Ihre Mutter schniefte. »Julia Lin.«

Lin. Der Mädchenname ihrer Mutter. »Ich bin FBI-Agentin. Möchtest du meine Dienstmarke sehen?«

»Eine echte FBI-Agentin?«

»Ganz echt.« Lily zog ihre Marke aus der Handtasche und hielt sie ihr hin. »Siehst du?«

Julia Yu löste ihren Klammergriff um Rules Arme, damit sie sich vorbeugen und Lilys Ausweis betrachten konnte. Doch sie griff nicht danach. »Sieht echt aus.«

»Das ist auch echt. Hast du schon gehört, dass –« Sie drehte sich um, als es hinter ihr laut wurde. Ihr Vater und zwei ihrer Cousins standen am Flureingang, und Edward Yu teilte Scott gerade mit, dass er besser daran täte, sofort beiseitezutreten.

»Edward«, sagte Rule, »gib uns noch ein paar Minuten Zeit. Bitte.«

»Ich will zu meiner Frau«, sagte Lilys Vater. »Julia – geht es dir gut?«

»Wer ist das?«, sagte Julia mit zittriger Stimme. »Das ist doch nicht dein Mann, oder? Er sieht zu alt aus.«

Beinahe hätte Lily die Beherrschung verloren. Sie schluckte, blinzelte wie verrückt und betete, dass ihre Stimme nicht brach. »Vater, bitte, nur ganz kurz. Wenn Magie im Spiel ist –«

»Magie!«, rief Julia.

Edward Yu antwortete nicht, aber er versuchte Scott wegzuschieben. Der natürlich keinen Zentimeter von der Stelle wich. Keiner von beiden war besonders breit und schwer, doch Scott war ein Lupus.

»Edward.« Die Cousins traten beiseite, um eine kleine, alte Frau durchzulassen, die sich beeindruckend aufrecht hielt. Ihr schwarzes Haar war glatt aus dem Gesicht zurückgekämmt und zu einem kunstvollen Knoten frisiert. Sie trug dunkelroten, üppig bestickten Satin. Großmutter murmelte etwas auf Chinesisch, das Lily nicht verstand, und legte ihrem Sohn die Hand auf den Arm, wobei sie in derselben Sprache hinzufügte: »Etwas Schlimmes ist geschehen. Julia erkennt dich nicht. Wir werden zurückbleiben, um sie nicht zu überfordern.«

Edward Yu runzelte heftig die Stirn. Sein Blick war wild. »Aber nicht lange. Ich werde nicht lange warten.«

Lily wandte sich wieder der Frau zu, die nicht wusste, dass sie ihre Mutter war. Die glaubte, sie sei zwölf Jahre alt. »Ich arbeite bei der Einheit Zwölf, Julia. Hast du schon davon gehört? Wir untersuchen Straftaten, die mit Magie begangen wurden.«

»Jemand hat mich mit einem Zauber belegt, ist es das? Das stimmt nicht mit mir!«

»Es ist eine Möglichkeit. Wenn du mir die Hand gibst, kann ich das feststellen.«

Julia kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Warum?«

»Ich bin eine Berührungssensitive. Wenn jemand bei dir Magie angewendet hat – einen Zauber, egal welchen – spüre ich das, wenn wir uns berühren.« Ihre Mutter war eine Null, ohne den Hauch einer Gabe. Wenn Lily Rückstände von Magie an ihr entdeckte, war daran jemand anders schuld.

Julia warf Rule einen besorgten Blick zu. Er nickte beruhigend. »Ich denke, das ist okay«, sagte sie und hielt ihr die zitternde Hand hin.

Lily ergriff sie mit beiden Händen.

Julia Yu hatte früher Klavier gespielt. Sie hatte die Hände dafür, langfingrig und anmutig. Die Nägel waren tadellos manikürt und blassrosa lackiert. Die Haut der Hand, die Lily hielt, war weich und gut gepflegt, und darauf war ein Hauch von …

Die Empfindung war so schwach, dass Lily sich nicht sicher war, ob sie sie wirklich wahrnahm. Sie schloss die Augen und versuchte alle anderen Sinne auszuschalten, konzentrierte sich auf ihre Hände … ja. Es war wie der Unterschied zwischen völlig stiller Luft und dem leisesten Atemhauch, aber es war da.

»Du hast Magie gefunden.« Julias Stimme war hoch und schnell. »Ja, das hast du. Ich kann es an deinem Gesicht sehen.«

»Ich habe etwas gefunden«, gab Lily zu und öffnete die Augen. Irgendetwas hatte sie irritiert, doch sie wusste nicht warum, wenn sie doch das, was da war, beinahe gar nicht wahrgenommen hatte. Vielleicht hatte ihr Unbehagen aber gar nichts mit ihrer Gabe zu tun, sondern mit der Hand, die sie hielt. »Ich weiß nicht, was. Es ist sehr schwach. Macht es dir etwas aus, wenn ich dein Gesicht berühre?«

»Mein Gesicht? Ich – ich glaube nicht.«

Julia Yu war gute zwölf Zentimeter größer als ihre zweite Tochter. Lily hob die Hand und legte sie an die Wange ihrer Mutter.

Auch hier war die Haut weich. Gepflegt. Hatte sie seit ihrer Kindheit überhaupt je das Gesicht ihrer Mutter berührt? Sie konnte sich nicht erinnern. Julia starrte sie mit so viel Hoffnung an, als könnte Lily durch die Berührung allein alles wieder in Ordnung bringen. Lilys Augen brannten, deshalb schloss sie sie. Ihre Hand. Sie musste sich auf ihre Hand konzentrieren.

Hier war es nicht so schwach. Immer noch kaum wahrnehmbar, vielleicht ein wenig mehr, genauso wie sie es gehofft hatte. Ein Zauber, der die Identität oder Erinnerungen beeinflusste, hätte am Kopf konzentrierter vorhanden sein müssen. Nur dass sie immer noch nicht wusste, was sie da berührte. Magie war immer irgendwie ertastbar – glatt oder rau, verschlungen oder eben, ölig oder trocken oder was auch immer. Diese hier nicht. Es war eher so, als würde man in einem dunklen Raum sein, in dem man die Hand vor Augen nicht sehen konnte, und trotzdem wissen, dass da etwas war. Ohne jemanden zu hören oder etwas zu riechen. Vielleicht spürte man eine Bewegung der Luft oder die Wärme eines anderen Körpers, doch ohne dass man es sich bewusst machte. Man wusste einfach, dass da jemand war.

Lily öffnete die Augen und zog die Hand zurück. Ihre rechte Hand. Nicht die, an der Rules Diamant war. Die mit dem Ring, in den sie das toltoi hatte einarbeiten lassen, den Talisman, den der Clan ihr überreicht hatte, als sie offiziell eine Nokolai geworden war. Das Zeichen der Dame, nannten sie es. »Ich glaube …« Gott, sie durfte nicht weinen. Nicht jetzt. Jetzt musste sie die Polizistin sein, nicht die Tochter. Sie bemühte sich um eine feste Stimme. Das war es, was die Leute von einer Polizistin erwarteten – Entschlossenheit, Autorität, selbst wenn besagte Polizistin völlig ratlos war und sich am liebsten in einer Ecke verkrochen hätte. »Ich habe etwas gefunden.«

»Kannst du den Zauber wegnehmen? Machen, dass er verschwindet?«

»Nein, ich bin keine Zauberin. Aber wir holen jemanden, der einer ist. Jemand, der sehr viel mehr darüber weiß als ich.« Lily versuchte beruhigend zu lächeln, wusste aber sofort, dass sie kläglich versagt hatte. »Rule –«

»Ich rufe Cullen an.« Als er Julia vorsichtig seinen Arm entziehen wollte, klammerte sie sich an ihm fest. »Ich bin ja hier«, sagte er besänftigend. »Ich halte dich fest. Ich muss einen Freund von mir anrufen. Er kennt sich sehr gut mit Magie aus.«

Cullen Seabourne war ein Fall für sich, der einzige Lupus auf der Welt, der eine magische Gabe besaß, die zudem noch äußerst selten war. Er war ein Zauberer, der Magie sehen konnte, so wie Lily sie erspüren konnte. Er würde wissen, was zu tun war.

Denn Lily wusste es ganz sicher nicht. Sie tat einen zittrigen Atemzug. Was jetzt? Was würde sie tun, wenn dies irgendjemand wäre, eine Fremde?

»Lily«, sagte Großmutter. »Du wirst uns jetzt sagen, was du gefunden hast.«

Nun gut. Ja, das war das Einzige, was sie tun konnte. Aber zunächst … »Gleich. Rule, ich muss deinen Leuten einige Anweisungen geben.«

Er hatte das Handy am Ohr. Er nickte.

»Scott, verriegle die Ausgänge des Restaurants. Niemand darf hinaus. Julia, du solltest dich lieber setzen. Du stehst unter Schock. Großmutter, vielleicht könntest du sie –«

»Was hast du gefunden? Was stimmt nicht mit Julia?« Nun konnte ihr Vater nicht mehr länger an sich halten. Sobald er seine Anweisung von Lily bekommen hatte, war Scott losgelaufen und hatte damit die Verteidigung des Flurs Mark überlassen, der sich allerdings genauso wenig rührte, als Edward Yu versuchte, ihn zur Seite zu schieben. Die Hände ihres Vaters ballten sich zu Fäusten. »Lassen Sie mich vorbei.«

»Vater, ich weiß nicht genau, was mit ihr nicht stimmt, aber ich weiß, dass dies eine Angelegenheit für die Einheit ist. Ich muss mit Onkel Chen reden. Kannst du ihn bitte herbringen?«

Er presste die Lippen aufeinander. Er warf seiner Frau einen langen Blick zu, nickte dann, drehte sich um und bahnte sich einen Weg durch die Menge, die sich am Flureingang versammelt hatte. Mittlerweile waren es nicht mehr nur Verwandte – einige Gäste hatten beschlossen nachzusehen, was da vor sich ging.

»Alle anderen – geht zurück an eure Tische. Und zwar sofort.« Das letzte Wort klang wie ein Peitschenhieb. Einige Leute wichen zurück. Niemand von ihrer Familie rührte sich. »Mark, halte diesen Flur frei. Jeder, der sich nicht setzt –« Schnell formulierte sie noch einmal neu. »Jeder außer Großmutter, der sich nicht setzt, wird höflich, aber entschieden an seinen Tisch geführt.«

»Sei nicht albern.« Das war Paul, ihr Schwager. »Du kannst doch nicht wollen, dass er uns allen gegenüber handgreiflich wird.«

»Dies ist ein Tatort. Ich meine genau das, was ich sage. Bitte hol Susan her.« Lilys ältere Schwester war Dermatologin, womit das hier ganz und gar nicht ihr Fachgebiet war, doch sie konnte sich wenigstens darum kümmern, dass ihre Mutter nicht in eine Schockstarre fiel oder Ähnliches.

Dass er einen Auftrag bekam, milderte Pauls Empörung. Er runzelte die Stirn, um sie wissen zu lassen, dass er ihr Verhalten nicht guthieß, dann aber verschwand er, um Susan zu holen.

»Cullen ist auf dem Weg«, sagte Rule.

Gott sei Dank, auch wenn es eine Weile dauern würde, bis er hier war. Er befand sich auf dem Clangut der Nokolai, ein gutes Stück außerhalb von San Diego. »Großmutter, kannst du Mu – Julia – bitte in die Damentoilette bringen, damit sie sich hinsetzen kann?« Dort drinnen gab es zwei Stühle.

»Wer sind all diese Leute?«, sagte Julia klagend. »Ich dachte, ich wäre hier mit meiner Familie, aber ich sehe sie nicht. Ist meine Mutter hier? Du musst sie anrufen. Mrs Franklin Lin. Sie wird sich Sorgen machen. Ruf sie lieber gleich an.«

Lily begegnete Großmutters Blick. Die Mutter ihrer Mutter war vor fünfundvierzig Jahren gestorben … zwei Monate nach Julias zwölftem Geburtstag.

Großmutter trat vor. »Erlaube mir, dass ich mich darum kümmere. Ich bin Madame Yu. Ich bin nicht deine Großmutter, aber du kannst mich so nennen, wenn du möchtest. Komm.« Sie legte einen Arm um Julias Taille, und zog sie sanft aber unerbittlich von Rule weg. Sie war einen ganzen Kopf kleiner als die Jüngere. »Du musst dich jetzt setzen. Jemand wird dir ein Glas Wasser bringen.«

»Kann ich eine Coke haben?«, fragte Julia, während sie in die Damentoilette geleitet wurde.

»Dann eben ein Glas Coca-Cola. Heute Abend machen wir uns keine Sorgen um Koffein.«

Die Tür der Damentoilette schloss sich hinter ihnen.

2

Die örtliche Polizei traf als Erstes ein – zwei Straßeneinheiten, die Lily sofort daran setzte, die potenziellen Zeugen in einzelnen Gruppen zusammenzufassen. Ihre eigenen Leute erschienen kurz danach. Ackleford kam höchstpersönlich und brachte drei Agenten mit. Die Spurensicherung, sagte er, sei schon unterwegs.

Derwin Ackleford, alias The Big A, war der Special Agent, der die örtliche Geschäftsstelle leitete. Den Spitznamen trug er weder wegen seiner Größe – er maß etwa ein Meter siebzig und hatte eine durchschnittliche Figur – noch wegen seines Nachnamens. Lily war überzeugt, dass Ackleford irgendeine Art von Persönlichkeitsstörung hatte. Er war unhöflich, grob und als Kollege schwierig. Außerdem stank er ständig nach Zigarettenrauch. Wenn er seinen Job nicht so verdammt gut gemacht hätte, wäre er nie in die Position aufgestiegen, die er jetzt innehatte. The Big Asshole – das Arschloch – war ein Workaholic: akribisch, methodisch, und trotzdem von Zeit zu Zeit zu genialen intuitiven Eingebungen fähig.

Diese Eingebungen waren vermutlich der ganz leicht ausgeprägten Gabe, Muster zu sichten, geschuldet, die er sich selbst nicht eingestehen wollte. Ackleford gehörte zum regulären FBI, nicht zur Einheit, was bedeutete, dass Lilys Rang zwar nicht im Organigramm höher als seiner war, in der Praxis aber, da wo es zählte, schon. Doch es gab noch etwas, das einen mit dem Mann versöhnte: Für ihn zählte nur der Fall. Wer die Leitung innehatte oder wer die Anerkennung bekam, war ihm völlig gleichgültig. Oder, wie er es einmal ausdrückte, als sie das erste Mal mit ihm zusammenarbeitete: »In jeder Ermittlung gibt es Probleme. Es fängt an zu regnen, bevor man den Gips aus den Reifenspuren geholt hat, oder irgendein Arschloch im Hauptquartier verlegt das gottverdammte Formular, das man ihm geschickt hat, oder irgendeine dämliche Tussi auf einem Posten, der ihre Kompetenz übersteigt, taucht auf und bekommt die Leitung.« Er zuckte die Achseln. »Aber das interessiert mich alles nicht.«

Trotz seiner Schwächen war sie froh, Ackleford zu sehen. Sie briefte ihn und die anderen Agenten schnell und sagte zum Schluss: »Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben. Als Erstes brauche ich Namen und Adressen aller Anwesenden und eine kurze Aussage. Sie wissen ja, wie’s läuft. Außerdem müssen wir wissen, ob jemand gegangen ist, bevor ich die Ausgänge abgeriegelt habe. Zwei von Ihnen übernehmen die Familie, zwei die Angestellten. Die sind alle in der Küche.« Sie wies mit dem Kopf auf die Tür. »Ich fange mit den anderen Gästen an, sobald ich kann.«

Ackleford machte ein skeptisches Gesicht. »Sie sagten, es sei eine Art Zauber?«

»Vielleicht ein Zauber, vielleicht etwas anderes, aber Magie ist im Spiel. Fürs Erste gehen wir von der Annahme aus, dass es absichtlich geschehen ist. Ein geplanter Angriff.«

»Das Opfer ist Ihre Mutter.«

»Ja.« Zorn flammte auf – aber nicht, wie sie sofort wusste, auf Ackleford. Tief in ihrem Inneren hatte der Zorn zu brennen begonnen.

»Und Ihrem Onkel gehört der Laden.«

»›Onkel‹ ist in diesem Fall eine höfliche Anrede. Chen Lin ist mein Cousin zweiten Grades.« Für Ackleford wäre als Erstes der Ehemann verdächtig oder die Kinder – Menschen, die möglicherweise erbten oder die einen Groll gegen sie hegten. »Wer immer dies getan hat, war ein magisch Begabter. Von denen, die heute bei der Feier anwesend waren, haben nur zwei die Fähigkeit, Magie zu nutzen: meine Großmutter, Li Lei Yu, und der Mann meiner Cousine Lin, Mack Li. Oh, und eine von den Kellnerinnen, die, die uns bedient hat, hat eine leichte empathische Gabe, aber sie ist komplett blockiert. Ich bezweifle, dass sie sie nutzen könnte, selbst wenn ihr Leben davon abhinge.«

»Was ist mit Ihrer Großmutter? Was hat sie für eine Gabe?«

»Ich glaube eine, die nur sie besitzt, deswegen hat sie keinen Namen.«

»Hm. Und der Mann Ihrer Cousine?«

»Eine schwach ausgeprägte telekinetische Gabe. Mack kann keinen Löffel verbiegen, aber er kann ihn ein bisschen anstupsen. Doch soweit ich weiß, hat er nie gelernt, Zauber zu wirken.«

»Sie haben sich selbst nicht auf die Liste gesetzt.« Das kam von dem neuesten Agenten des Büros, ein Mann, den Lily schon kennengelernt, mit dem sie aber noch nicht zusammengearbeitet hatte. Wie war noch mal sein Name? Fields? Nein, Fielding. Carl Fielding. »Sie können Magie anwenden.«

»Idioten«, murmelte Ackleford. »Warum schicken die mir immer Idioten? Sie ist eine Berührungssensitive«, erklärte er dem Mann. »Sie erspürt Magie, wenn sie da ist, ohne dass diese aber eine Wirkung auf sie hat. Einen Scheiß kann sie mit Magie machen. Los jetzt. Sie und Brewer können so tun, als wüssten Sie, wie man Zeugen befragt.«

»Äh – übernehmen wir die Familie?«

»Nein.« Ackleford wandte sich wieder Lily zu und sah sie mit schmalen Augen an. »Robert Friar ist ziemlich scharf auf Sie.«

Genau so war Ackleford. Er hatte sich seinen Spitznamen Big Asshole redlich verdient, doch er gab sich nicht mit dem Offensichtlichen zufrieden, wenn es ihm nicht passte. »Ich würde sagen, er will meinen Tod, doch mein Tod allein würde ihm wahrscheinlich nicht reichen. Es ist natürlich möglich, dass er seine Finger im Spiel hat, aber im Moment haben wir nichts, was auf ihn hinweist. Bitte verdoppeln Sie die Zahl der Leute, die die Familie befragen, damit wir sie so schnell wie möglich entlassen können.«

Ackleford grunzte. »Und wer kümmert sich um den Hokuspokus?«

»Ich habe einen Experten gerufen, der uns beraten kann.«

»Dieser Seabourne oder das Mädel mit den Tattoos oder der mit den roten Haaren?«

»Seabourne. Die Familie ist jetzt in einem kleinen privaten Speisesaal. Ich habe sie aus dem Raum wegbringen lassen, wo wir – sie – gegessen haben. Es ist –«

»Lily!«

Sie drehte sich um. Eine große, elegante Frau kam zielstrebig auf sie zu. Sie trug ein einfaches blaues Etuikleid und flache Absätze und machte ein entschlossenes Gesicht.

»Gehört sie zu Ihrer Familie?«, fragte Ackleford.

»Meine Schwester Susan. Susan Wong. Sie ist Ärztin. Sie und Großmutter waren bei … bei dem Opfer in der Damentoilette geblieben.«

»Ich muss meine Patientin ins Krankenhaus bringen«, sagte Susan ohne Umschweife, als sie bei Lily angekommen war. »Ich habe einen Krankenwagen gerufen.«

Lily erstarrte vor Schreck. »Ist sie –«

»Nein, nein – es gibt keine Veränderung. Körperlich fehlt ihr nichts, aber wir wissen nicht, was mit ihr gemacht wurde. Es ist eine Art Zauber, nicht wahr?«

»Sie steht unter dem Einfluss von Magie.«

»Das hat möglicherweise Auswirkungen auf den Körper, die sich bisher noch nicht gezeigt haben. Sie muss untersucht werden.«

»Tja, zuerst muss ich mit ihr reden«, sagte Ackleford.

Susan sah ihn höflich fragend an. »Und wer sind Sie?«

»Special Agent Ackleford, Ma’am.«

»Nun, fürs Erste befragt niemand meine Mutter. Sie hat ein schweres Trauma erlitten, und Fragen regen sie noch weiter auf, wodurch das Trauma möglicherweise vertieft wird.«

»Komische Sache, aber das FBI lässt nicht die Familie des Opfers entscheiden, mit wem wir reden und wann.«

»In diesem Fall«, sagte Lily, »ist das Familienmitglied zugleich die verantwortliche Ärztin. Sie hat festgestellt, dass das Opfer nicht in der Lage ist, Fragen zu beantworten, und wird sie ins Krankenhaus bringen. Diesbezüglich sind die Regeln ziemlich klar. Vielleicht sollten Sie sich in Erinnerung rufen, dass ich Ihnen einen Auftrag gegeben habe.«

Ackleford verdrehte die Augen. »Kommen Sie, Parker. Fangen wir an.«

»Zweite Tür rechts«, sagte Lily ihm.

»Ja, ja. Die, vor der keine Uniformierten stehen. Da wäre ich vielleicht auch allein drauf gekommen.«

Ackleford stapfte davon. Rickie Parker – die trotz des Spitznamens, die Kurzform Fredericka, durch und durch weiblich war – warf Lily noch einen mitfühlenden Blick zu, bevor sie ihm folgte.

»Wer ist denn dieser Typ?«, fragte Susan, die ihnen nachstarrte.

»Er leitet das hiesige FBI-Büro. Doch in unserem Fall leitet er nicht die Ermittlungen. Bevor wir damit fertig sind, wird er das sicher noch einige Male vergessen. Susan, wie geht es ihr wirklich?«

Susan seufzte und sah müde aus und besorgt und ganz und gar nicht wie eine Ärztin. »Sie muss psychiatrisch untersucht werden.«

»Sie ist nicht verrückt!«

»Im Moment wissen wir nicht, was mit ihr los ist. Ich habe nicht übertrieben, sie hat wirklich ein Trauma erlitten. Mental ist sie zwölf Jahre alt. Sie erinnert sich an nichts nach dem 24. Februar 1968. Zumindest müssen wir feststellen, ob sie einen Schock hat und entscheiden, ob sie medikamentös behandelt werden muss.«

Das gefiel Lily nicht, aber … »Ich werde dir nicht sagen, wie du deine Arbeit tun musst.«

»Gut. Rule wird sie begleiten müssen.«

»Rule? Ich meine, das ist in Ordnung, aber ich hätte eher an Großmutter oder vielleicht Tante Deborah gedacht – na ja, nein, nicht sie.« Deborah saß sicher irgendwo, völlig fertig mit den Nerven und leise vor sich hin schniefend. Tante Deborah war so weichherzig und wohltuend wie ein Teddybär, doch sie konnte nicht gut mit Krisen umgehen. »Aber Tante Mequi –«

»Nicht Tante Mequi«, sagte Susan grimmig. »Sie hat darauf bestanden, mit Mutter zu sprechen, aber als Mutter sie sah, ist sie ausgeflippt. Ich denke, sie hat Mequi erkannt, doch die Schwester, an die sie sich erinnert, ist fünfzehn Jahre alt, nicht knapp sechzig. Nicht einmal Großmutter konnte sie beruhigen. Nur Rule. Er kam sofort in die Damentoilette und hat sich von ihr umarmen lassen und ihr den Rücken getätschelt. Da hat sie sich wieder beruhigt. Nur dass sie sich jetzt an ihn klammert wie ein Baby an seine Schmusedecke.«

»Dann soll er sie begleiten. Hast du Beth angerufen?« Ihre jüngste Schwester war in San Francisco. Am Tag vor dem Fest hatte sie behauptet, sie könne wegen eines Notfalls bei der Arbeit nicht nach San Diego kommen, aber Lily hatte den Verdacht, dass Beth es einfacher fand, mit dem schlechten Gewissen umzugehen, weil sie nicht auf der Geburtstagsfeier ihrer Mutter gewesen war, als ihnen ihren neuen Freund zu präsentieren … Sean Friar. Robert Friars Halbbruder.

»Das hat Rule getan. Sie kommt irgendwann morgen an.«

Mit oder ohne Sean? Lily beschloss, nicht zu fragen. Sie dachte an jemand anderen, der angerufen werden musste. »Was ist mit Großvater Lin?« Der Vater ihrer Mutter zeigte zwar nie viel Interesse für seine Tochter, aber er musste zumindest informiert werden.

»Großmutter hat ihn angerufen.«

Lilys Augenbrauen schossen in die Höhe. »Sie hat ein Telefon benutzt?«

»Eigenartig, nicht wahr? Sie hat nach meinem Handy verlangt und ihn angerufen. Er hat versprochen zu kommen, aber nicht sofort. Er hat irgendein wichtiges Meeting.«

Lily schnitt ein Gesicht. Typisch. »Wie hält sich Dad?«

»Er ist ruhig. Sehr ruhig.«

Lily biss sich auf die Lippen und nickte. Wenn ihn etwas sehr mitnahm, zog Edward Yu sich in sich selbst zurück. Je ruhiger er wurde, desto schlimmer stand es um ihn.

Susan seufzte. »Gott sei Dank haben wir Großmutter … und das sage ich nicht jeden Tag. Aber niemand anders hätte Tante Mequi so schnell vor die Tür befördert. Auf mich hat sie nämlich nicht gehört.«

Als die Restauranttüren aufschwangen, drehten sich beide Schwestern um. Es war das Team der Spurensicherung. »Meine Leute, nicht deine«, sagte Lily. »Ich muss los.«

»Ich muss sowieso wieder zu ihr.«

»Hierher«, rief Lily. Sie war sich nicht sicher, was die Spurensicherung hier ausrichten konnte. Magische Beweismittel waren für Nullen nur schwer zu sichten, selbst wenn sie sie entdeckten, und sie konnten nicht in einem Labor untersucht werden. Was sie daran erinnerte, dass sie Ruben anrufen musste. Cullen war gut, der Beste, aber vor Gericht wurden magische Beweismittel nur zugelassen, wenn sie von autorisierten Coven gesichtet worden waren, außerdem gab es einige Zauber, die in der Gruppe gewirkt werden mussten. Sie brauchte den Coven, mit dem die Einheit zusammenarbeitete, und sie musste Bericht erstatten.

Lily zog ihr Handy aus der Tasche und ging dem Team entgegen, um den Leuten zu sagen, dass sie noch warten sollten, bis ihr magischer Berater den Tatort untersucht hatte.

Ruben ging sofort an den Apparat. Während sie ihn briefte, trafen zwei weitere Streifenwagen ein. Deshalb unterbrach sie das Gespräch kurz, um die Beamten anzuweisen, mit dem Einholen von Namen und Adressen der ungefähr achtzig Gäste im Hauptraum zu beginnen. Der Krankenwagen kam, als sie gerade mit ihrem Bericht fertig war.

»Das würde die Störung erklären, die ich in den Wahrscheinlichkeiten gespürt habe«, sagte Ruben. »Was wiederum nahelegt, dass Robert Friar dahintersteckt.«

Als Präkog war Ruben eine Klasse für sich. So wie Friar als Mustersichter. Beide Gaben zeigten sich auf unterschiedliche Weise, aber Ruben spürte es gewöhnlich, wenn Friar die Wahrscheinlichkeiten in umfassenderem Maße manipulierte. »Heißt das, du hast eine Vorahnung, die du mir mitteilen kannst?«

»Ich fürchte, nein, aber die Schwankungen waren so stark, dass man daraus schließen kann, dass dieses Ereignis möglicherweise weiter reichende Folgen hat, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Lily, ich überlasse dir fürs Erste die Leitung, weil du am Tatort bist, aber du kannst den Fall nicht übernehmen. Nicht, wenn das Opfer deine Mutter ist.«

Nein. Nein, er hatte recht. Sie war viel zu aufgebracht, verdammt. »Ich verstehe.«

»Ida wird sofort den Coven zu dir schicken. Und ich Abel Karonski. Er ist im Augenblick in Kansas City und klärt die letzten offenen Fragen in einem Fall, doch das kann auch der Junior Agent übernehmen, den er ausbildet. Er müsste morgen dort sein können. Ich sorge dafür, dass er Kontakt zu dir aufnimmt.«

»Okay.«

»Das mit deiner Mutter tut mir sehr leid.«

Die Sanitäter rollten eine leere Bahre durch den Raum. »Ja«, sagte sie mit belegter Stimme. »Mir auch.«

Sie hatte gerade aufgelegt, als ihr Telefon einen Trommelwirbel von sich gab. Das war Cullens Klingelton. Sie meldete sich mit: »Ja.«

»Ich fahre gerade auf den Parkplatz.«

»Gut.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr, runzelte die Stirn. Es waren vielleicht dreißig, fünfunddreißig Minuten vergangen, seit Rule ihn angerufen hatte. »Wie kommt es, dass du so schnell hier bist?«

»Rule sagte, ich solle mich beeilen. Ich glaube, du musst dich mit dem Typ unterhalten, der hinter mir hergefahren ist. Der guckt ziemlich böse. Und oben auf seinem Wagen blitzt ein rotes Licht.«

Der Streifenpolizist war nicht gewillt, Cullen gehen zu lassen, damit er noch mehr Unheil auf den Straßen von San Diego anrichten konnte. Zumindest wollte er Lily im Detail erklären, wie viele Verkehrsverstöße Cullen begangen hatte. »Officer, Sie können gern die ganze Nacht hier stehen bleiben und Strafzettel für Mr Seabourne ausstellen, wenn es Ihnen gefällt, aber aushändigen müssen Sie sie ihm später. Ich brauche meinen Berater jetzt sofort. Cullen, komm mit.«

Als sie sich umdrehte und auf die Eingangstür des Golden Dragon zuging, hörte sie, wie der Beamte murmelte: »Scheiß Feds.«

»Rule sagte, deine Mutter habe eine Art magischen Angriff erlitten«, sagte Cullen, der mit ihr Schritt hielt. »Was weißt du?«

»Viel zu wenig. Sie glaubt, sie sei zwölf Jahre alt und heute sei der 24. Februar 1968. Ich habe mich vergewissert, dass tatsächlich Magie angewendet wurde, aber sie … nein, ich möchte erst hören, was du siehst, bevor ich dir sage, was ich gespürt habe.«

Er brummte.

Die Doppeltüren öffneten sich just in dem Moment, als sie dort ankamen. Mark hielt die eine weit auf, Rule die andere. Rule sah sie an und nickte auf eine Art, die wohl Beruhigung ausdrücken sollte. Die Bahre, die die Sanitäter durch die Türen schoben, war jetzt nicht mehr leer. Susan ging neben ihr her, Großmutter und Lilys Vater folgten. Sein Gesicht war angespannt und blass, und sie bezweifelte, dass er irgendetwas anderes sah als die Bahre, auf der seine Frau lag.

Lily hielt inne. Jemand hatte ihrer Mutter die Mascarastreifen vom Gesicht gewischt, doch mit dem verschmierten Make-up sah sie immer noch aus wie ein Waschbär. Ihr Blick war verloren. Verwirrt.

»Hallo«, sagte Cullen und trat an die Bahre heran. »Hallo Julia. Das war ein harter Abend für dich, habe ich gehört.«

»Sir, bitte treten Sie beiseite«, sagte einer der Sanitäter.

»Susan«, sagte Lily. »Cullen wird sie nicht befragen. Er braucht nur eine Minute.«

Susan runzelte heftig die Stirn, doch sie wies die Sanitäter an, zu warten.

Julia schob kampfeslustig das Kinn vor. »Ich kenne Sie nicht. Ich würde mich an Sie erinnern, wenn wir uns schon einmal begegnet wären, und das tue ich nicht.«

Cullen war jemand, den man nicht so leicht vergaß. Auf der Skala von eins bis zehn für männliche Schönheit war er eine elf. Lily hatte gesehen, wie vorbeigehende Fremde wie angewurzelt stehen blieben, um ihn anzustarren. Vor allem Frauen, aber hin und wieder auch Männer. »Tja, dann«, sagte Cullen mit einem Lächeln, »wenn du nicht willst, dass wir uns duzen, musst du mich Mr Seabourne nennen. Ich wäre ja lieber Cullen für dich, aber wenn du darauf bestehst …«

Julia errötete. Lily hatte noch nie gesehen, dass ihre Mutter rot wurde. »Ich – ich glaube, das ist okay.«

»Ich werde jetzt ein paar komische Bewegungen mit der Hand machen«, erklärte er ihr, »damit ich die Magie an dir besser erkennen kann. Du wirst nichts spüren, aber vielleicht musst du manchmal kichern, weil ich albern dabei aussehe.«

Julias Augen wurden groß. »Kannst du mich heilen?«

»Zuerst muss ich herausfinden, was mit dir nicht stimmt. Dazu werde ich … stell dir einfach vor, du bist beim Arzt, der dir ein Thermometer in den Mund steckt. Normalerweise muss er auch ein paar andere Sachen machen, um herauszufinden, ob du krank bist, wie zum Beispiel in deine Ohren und deinen Hals gucken. Und manchmal reicht das nicht, dann müssen noch mehr Tests gemacht werden. Aber fürs Erste messe ich erst einmal deine Temperatur.«

»Mr Turner«, sagte Julia und versuchte sich aufzusetzen, doch sie war festgeschnallt. »Mr Turner –?«

»Ich bin hier.« Rule trat zu ihr und nahm ihre Hand in seine.

Blinzelnd sah sie zu ihm auf. »Ist das Ihr Freund, der kommen sollte?«

»Ja, das ist er. Cullen kennt sich sehr gut auf dem Gebiet der Magie aus.«

»Ich bin der Oberchecker der Magie«, versicherte Cullen ihr. Er malte ein Zeichen in die Luft, flüsterte etwas und legte die Hände aneinander, hielt sie dann wieder ein Stück auseinander, Daumen und Zeigefinger ausgestreckt, sodass sie sich berührten und einen Kreis bildeten. Durch diesen sah er hindurch und führte ihn hin und her, bis er schließlich über Julias Stirn lag. Er machte ein nachdenkliches Gesicht, murmelte etwas in einer fremden Sprache und bewegte die Hände ein paar Millimeter hin und her. Dann ließ er sie sinken und lächelte. »Danke, dass du so schön stillgehalten hast, Julia. Wir sehen uns gleich wieder, okay?« Er zwinkerte ihr zu und trat zurück.

»Kann er mich heilen?«, fragte Julia Rule, als die Sanitäter ihre Bahre weiterschoben. Sie hielt seine Hand immer noch fest umklammert.

»Alle arbeiten zusammen, um dich zu heilen«, sagte Rule mit fester Stimme. »Aber vielleicht dauert es eine Weile, deswegen musst du Geduld haben.«

»Ich werde es versuchen«, versprach sie.

Sie in den Rettungswagen einzuladen, war gar nicht so einfach, denn Julia wollte Rule immerfort bei sich haben, obwohl nicht genug Platz für ihn und Susan im Innenraum war. Und Susan war nun mal die Ärztin. Am Ende ließ Julia Rule doch noch los, aber erst, nachdem er versprochen hatte, dass er alles tun würde, um so schnell wie möglich dort zu sein.

Sobald sich die Türen des Rettungswagens geschlossen hatten, trat Rule zu Lily und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie fühlten sich warm und groß und vertraut an. Am liebsten hätte sie sich an ihn geschmiegt und ihn ganz fest gehalten. Doch sie umarmte ihn nicht. Sie hatte Angst, sie würde ihn nicht mehr loslassen können.

»Ich bleibe bei ihr«, sagte er zu ihr. Nur das. Er fragte nicht, ob alles in Ordnung sei oder wie sie sich fühle, wofür sie ihm dankbar war. Denn es war nicht alles in Ordnung.

Doch sie funktionierte. Und das würde sie auch weiterhin. »Geh nur«, sagte sie zu Rule.

»Ich lasse dir den Wagen hier.«

»Nein, nimm du ihn. Ich lasse mich von einem Uniformierten oder einem der Agenten mitnehmen, wenn ich fertig bin.«

»Na gut.« Er ließ sie los. »Mark, du fährst. Barnaby, du kommst mit mir mit.« Eben noch völlig reglos, ging er in großen Schritten davon, von jetzt auf gleich. Seine Wachen folgten ihm.

Die ganze Zeit über hatte Lilys Vater kein Wort gesagt. Sein Blick hing erst an Julia, dann an dem zurücksetzenden Rettungswagen. Als er davonfuhr, drehte er sich um und ging zu seinem Wagen.

»Edward«, sagte Großmutter. »Du fährst nicht.«

»Ich bin durchaus in der Lage, zu fahren«, sagte er, ohne sie anzusehen. Doch er blieb vor dem Nissan, den er letztes Jahr gekauft hatte, stehen, ohne die Tür zu öffnen.

Sie antwortete nicht, trat aber zu ihm und legte ihm die Hände auf die Arme, um zu ihm hochzusehen – nicht sehr viel höher, denn Edward Yu war kein großer Mann. Für einen endlos scheinenden Moment standen sie einfach da und sahen sich an. Plötzlich fiel sein Gesicht in sich zusammen, und er flüsterte etwas auf Chinesisch, das Lily nicht verstand.

Großmutter streckte ihre Hand aus und streichelte sein Gesicht. Mit der Hand an seiner Wange antwortete sie in derselben Sprache. »Du musst tun, was du tun musst, mein Sohn, bis du es nicht mehr kannst. Und dann wirst du dich ausruhen, während andere tun, was getan werden muss.«

Edward Yu legte dankbar seine Hand auf die seiner Mutter. Seine Lippen verzogen sich zu einem steifen kleinen Lächeln, als sie beide gleichzeitig die Hände sinken ließen. Er antwortete auf Englisch. »Das werde ich. Und ich bin in der Lage, zu fahren. Als Erstes fahre ich dich ins Krankenhaus.«

Großmutters Lächeln blitzte kurz auf. »Ha! Keiner hört auf mich.« Nach dieser ungenierten Missachtung der Wahrheit machte sie sich wieder daran, über ihre Truppen zu verfügen – was in diesem Fall jeder in Hörweite war und viele außerhalb. Lily sollte hier weiter ihre Arbeit tun. Der Rest der Familie wurde angewiesen, zu bleiben und den Anweisungen der Polizeibeamten zu folgen. »Wir gehen jetzt«, informierte sie ihren Sohn. »Sam wird uns dort treffen. Er wird zwei Stunden brauchen.«

»Sam?«, sagte Lily erschrocken. »Ich dachte, er sei fort, um mit den anderen zu singen.«

Großmutter schnaubte. »Wohl kaum. Wie dem auch sei, er hat seine Abreise verschoben.«

Edward, der seiner Mutter die Beifahrertür geöffnet hatte, hielt inne, die Hand am Griff, und starrte seine Mutter konsterniert an. »Du meinst doch sicher nicht –«

»Selbstverständlich meine ich das. Ärzte sind schön und gut.« Großmutter stieg in den Wagen ein. »Ich habe nichts gegen Ärzte. Aber wenn es um Mentalmagie geht, denke ich doch, dass der schwarze Drache uns besser helfen kann.«

Die Autotür schloss sich.

»Ich hoffe, sie hat recht«, sagte Lily, zu leise für menschliche Ohren.

Doch Cullen war kein Mensch, und er befand sich nur ein paar Schritte von ihr entfernt. Er hörte sie und kam näher, um ihr zuzuflüstern: »Du hast gespürt, was ich gesehen habe, nicht wahr?«

Wie gerne hätte sie ihm gesagt, dass sie keine Ahnung hatte. Schließlich konnte sie nicht wissen, was er gesehen hatte. Doch ihr Gefühl sagte ihr etwas anderes. »Das, was da benutzt wurde, ist gar nicht Magie, stimmt’s?«

»Stimmt. Ich hatte gehofft, einen intakten Zauber zu sehen, der Julias Erinnerungen unterdrückt. Das wäre das Einfachste gewesen. Dann hätte ich nur den Zauber lösen müssen, und sie wäre wieder wie vorher gewesen. Möglich wäre auch ein Trank gewesen, der –«

»Ein Trank kann eine solche Wirkung hervorbringen?«

»Nicht sehr wahrscheinlich, aber es gibt ein paar, die Vergesslichkeit zur Folge haben. Aber sie bewirken nicht, dass man fast sein ganzes Leben vergisst – nur ein paar Stunden. Ich habe von einem gehört, der die Erinnerungen bis zu einem Monat auslöscht, aber … na ja, ich überspringe mal den ganzen theoretischen Kram, aber die Theorie besagt, dass ein Trank dich nicht mehr als einen Monat vergessen lassen kann, weil er an den Mondzyklus gebunden ist. Aber Tränke sind nicht meine Stärke, und gerade deswegen wollte ich die Möglichkeit nicht ganz ausschließen. Ein Trank wäre auch nicht so schlecht gewesen. Manchmal lässt die Wirkung spontan nach, und wenn nicht, kann man über ein Gegenmittel nachdenken.«

»Du redest um den heißen Brei herum.«

»Ja, du hast recht.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sodass es stachelig in die Höhe stand. »Im schlimmsten Fall, dachte ich, hat ein Zauber ihre Erinnerungen zerstört und nicht nur unterdrückt. Dass ich noch nie von einem solchen Zauber gehört habe, muss nicht heißen, dass er nicht existiert. Und zuerst dachte ich auch, dass es das ist, weil die Reste von Magie so schwach sind, dass ich sie kaum sehen konnte. Aber als ich durch meinen Vergrößerungszauber gesehen habe … was immer es ist, es sieht nicht aus wie Mentalmagie.«

»Arguai«, sagte sie tonlos. »So fühlt es sich an.« Sie fuhr mit dem Daumen über das toltoi in ihrem Ring … in dem arguai war. Zumindest hatte man ihr das gesagt. Sie verzog den Mund. »Nicht dass ich wüsste, was das bedeutet, aber so haben die Elfen es genannt. Irgendeine Art von Energie, die nicht magisch ist. Magie kann mir sagen, dass es da ist, aber sie kann es nicht identifizieren.«

»Arguai«, flüsterte er. »Scheiße.«

»Du weißt, was das ist?«

»Oh ja. Zumindest das kann ich dir sagen. Wir haben ein anderes Wort dafür. Geist.«

»Das ist für mich nur ein Wort. Was bedeutet es?«

»Das bedeutet«, sagte er grimmig, »dass du dir eventuell einen vollkommen reinen Mann oder eine vollkommen reine Frau suchen musst, weil ich keine große Hilfe sein werde. Und da wird nicht irgendein alter Mönch oder Schamane oder Priester genügen. Wenn bei deiner Mutter arguai angewendet wurde, brauchst du einen echten Heiligen.«

Am liebsten hätte sich Lily mit beiden Händen ins Haar gegriffen und daran herumgerissen. Oder etwas geworfen. Oder gegen etwas geschlagen. Ihr kamen die Tränen, was sie noch wütender machte. »Hast du eine Idee, wo man einen Heiligen auftreibt? Die stehen ja nicht gerade in den Gelben Seiten. Es sei denn, Miriam … sie wird bald hier sein, mit dem Coven. Muss es ein katholischer Heiliger sein?«

»Heiligkeit ist nicht abhängig vom Glauben, aber wenn du von Miriam Faircastle sprichst …«

»Du kennst Miriam? Sie ist eine Hohepriesterin der Wicca, deswegen dachte ich, sie könnte sich vielleicht dazu eignen.«

Cullen schnaubte. »Miriam ist keine Heilige.«

»Magst du sie nicht?«

»Die Frau hat überhaupt keinen Humor.«

Anscheinend war das für Cullen eine unabdingliche Voraussetzung für Heiligkeit. »Sie ist ein bisschen anstrengend, aber …« Ihre Stimme brach ab, und ihre Augen weiteten sich erschrocken.

Cullen fuhr zu der Stelle herum, auf die sie starrte. »Was ist?«

»Nebel.« Weißer Nebel, aus dem schnell Schwaden erwuchsen, sodass er die Gestalt eines Seesterns annahm, mit einem Stumpf anstelle des obersten Gliedes. Vier der Schwaden flossen zu Armen und Beinen zusammen, während der an der Oberseite zu einem Kopf wurde, bis plötzlich alles deutlich zu erkennen war und ein schlanker Mann mit glatt nach hinten gekämmtem Haar dort stand und sie angrinste. Er war genauso durchscheinend wie der Nebel, aus dem er sich gebildet hatte.

Al Drummond. Ehemaliger FBI-Agent. Ehemaliger Bösewicht, der sich rehabilitiert hatte. Gegenwärtig ziemlich tot, was ihn aber nicht davon abhielt, sie anzugrinsen. »Überraschung!«

»Auch das noch.«

»Nun werd’ nicht gleich rührselig.«

»Drummond –«

»Ich kann nicht bleiben, aber ich wollte dir etwas sagen: Erstens, dass Friar bis zu seinem dreckigen Hals in dieser Sache drinsteckt. Zweitens, dass ich mit dir zusammenarbeiten werde, aber vor allem von meiner Seite aus. Ich werde nicht viel reden können.« So schnell, wie er sichtbar geworden war, war er auch schon wieder verschwunden.

Ungläubig starrte Lily ins Leere. »Ich brauche einen Heiligen, und ich bekomme den da?«

3

Lily hatte viel Erfahrung mit trauernden oder aufgebrachten Familienmitgliedern eines Opfers. Sie hatte geglaubt, ihre Gefühle zu verstehen, doch offenbar hatte sie sich geirrt.

Zorn pochte in ihr wie ein zweites Herz, trieb sie voran, doch sie war in der Lage, ihn in Schach zu halten, zu nutzen. Während der nächsten beiden Stunden spürte sie ihn dann und wann, heiß und unbändig, wie eine Flamme, die an der Seite einer Feuerstelle hochleckt. Doch ihre Arbeit mit all ihren Zwängen zügelte sie, sagte ihr, wann sie eine Pause machen und durchatmen musste, und dass sie diesem finsteren Impuls nicht nachgeben durfte.

Aber es war gut, dass Karonski morgen dazukommen würde. Sehr gut.

Mittlerweile war Lily immer noch so klug wie vor zwei Stunden. Ihre Familie war befragt und wieder entlassen worden, woraufhin die meisten von ihnen auf direktem Weg ins Krankenhaus gefahren waren. »Nichts«, hatte Rickie ihr gesagt. »Big A und ich haben nichts Berichtenswertes erfahren. Niemand hat etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört, bis Mrs Yu angefangen hat zu schreien.«

Der Coven war noch nicht eingetroffen. Ihre Hohepriesterin hatte sich in Mission Viejo aufgehalten, ungefähr eine Stunde von ihnen entfernt, als Ida angerufen hatte. Die Spurensicherung bearbeitete immer noch den Tatort. Cullen unterstützte sie, indem er sich vergewisserte, dass alles, was sie mitnahmen, magisch inaktiv war. Ackleford und seine Leute vernahmen die anderen Gäste des Restaurants. Lily hatte ihm mitgeteilt, dass Friar wahrscheinlich an dem Fall beteiligt war. Für einen Fall, in den Robert Friar verwickelt war, galten besondere Vorschriften. Zum einen war er ein mächtiger Hellhörer – das hieß, er konnte sie jederzeit belauschen. Lilys Gabe und Rules Clanmacht blockierten ihn, aber die normalen Agenten mussten aufpassen, was sie sagten.

Und Lily … Lily fühlte sich zunehmend nutzlos. Außerdem gingen ihr die Gründe aus, warum sie nicht ins Krankenhaus fahren konnte.

Eigentlich müsste sie dort sein wollen, aber das war nicht der Fall – nein, ganz und gar nicht. Zum ersten Mal in ihrem Leben hätte sie gern den Kopf in den Sand gesteckt. Sie würde ihn so lange hinausschieben, wie es ging, diesen Moment, wenn sie ihren Vater und ihre Familie in dem Wissen ansah, dass sie wahrscheinlich der Grund für den Angriff auf ihre Mutter war.

Natürlich gab es Zufälle, aber das hier war keiner. Nicht wenn Friar dahintersteckte. Doch er hatte es nicht allein deswegen getan, um Lily zu treffen. Dazu waren er und seine verdammte Meisterin viel zu zielbewusst, und ihr Ziel war es, die Menschheit komplett umzumodeln, eine Version 2.0 zu erschaffen, und zwar nach ihren Vorstellungen.

Lily konnte jedoch nicht erkennen, wie es sie auf dem Weg zur Weltherrschaft weiterbringen sollte, Julia Yu einen Großteil ihres Lebens zu rauben. Vielleicht hatte es eine Art Probefahrt für einen neuen magischen Trick oder ein Gerät sein sollen. Um sicherzugehen, dass es funktionierte, bevor man es bei der eigentlichen Zielperson anwendete – Rule? Ruben? die Präsidentin? – und ganz nebenbei auch noch Lily eins auszuwischen. Das ergab mehr Sinn.

Nein, tat es nicht. Warum sollte Friar sich diese Blöße geben? Warum sollte er sie wissen lassen, dass so etwas möglich war? Robert Friar war nicht dumm. Er würde es nicht riskieren, dass der eigentlich beabsichtigte Angriff fehlschlug, nur um Lily zu quälen. Bedeutete das, dass Julia Yus Erinnerungsverlust ihm nützlich war? Gab es etwas in Julias Leben – etwas, das sie gewusst, aber jetzt vergessen hatte – das Friars Pläne durchkreuzen konnte?

Wie immer zur Hölle diese Pläne aussahen, sie musste aufhören, Vermutungen anzustellen, bis sie mehr Fakten hatte, mit denen sie weiterarbeiten konnte. Wenn sie mit dem Warum nicht weiterkam, musste sie sich das Wie näher ansehen. Das hieß, Cullen auf die Nerven zu gehen, weil Miriam und ihr verdammter Coven noch nicht hier waren.

Sie hoffte nur, dass er nicht zu rücksichtsvoll mit ihr umgehen würde, so wie die anderen, denn das machte sie wahnsinnig.

Cullen saß mitten im großen Speisesaal im halben Lotussitz auf einem Tisch und beobachtete die fleißigen Kriminaltechniker wie ein griesgrämiger Buddha. Dann und wann malte er etwas in die Luft, doch seine Luftzeichen schimmerten nicht so wie sonst. Vielleicht wollte er das inmitten von so vielen Cops vermeiden. Streng genommen war Zauberei illegal, obwohl das Gesetz seit Jahrzehnten keine Anwendung mehr gefunden hatte, und das nicht nur, weil die meisten Menschen glaubten, Zauberer existierten nicht. Dem Gesetz lag ein solch schlechtes Verständnis dessen zugrunde, was Zauberei war – und wie Magie im Allgemeinen funktionierte –, dass man genauso gut Leute verhaften konnte, weil sie ihre Weihnachtsdekoration zu lange hatten hängen lassen. Was, wie sie gelesen hatte, in Maine gegen das Gesetz verstieß, auch wenn dort noch niemand deswegen Ärger bekommen hatte.

Er sah sie kommen und stand auf, dann stieß er sich vom Tisch ab und machte einen Satz über einen erschrockenen Kriminaltechniker mitsamt seinem Handstaubsauger hinweg. Der Tisch schwankte leicht. Er landete elegant und sah sie finster an. »Ich hoffe zu Gott, dass du etwas für mich zu tun hast.«

Sie hätte wissen müssen, dass sie auf Cullen zählen konnte: Er behandelte sie nicht wie ein rohes Ei. »Du kannst gehen, wenn du fertig bist.«

»Nein, kann ich nicht. Ich warte auf Miriam. Es gibt noch ein paar komplizierte Zauber, die ich ausprobieren kann, doch die erfordern einen vollständigen Kreis.«

»Während wir warten, habe ich ein paar Fragen.«

»Nur zu.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Aber ich habe herzlich wenige Antworten für dich. Was auch mit Julia geschehen ist, der Zauber oder das Ritual fand woanders statt. Jeder Zauber und jedes Ritual hinterlassen Spuren, egal wie vorsichtig er oder es ausgeführt wird. Doch hier gibt es keine.«

»Hast du die Idee von dem Trank fallen gelassen?«

»Es ist einfach so unwahrscheinlich. Falls Friar sich irgendwie mit einem anderen aus Dyas Volk zusammengetan hat, jemandem, der in der Lage wäre, einen Trank mit einer solchen Wirkung zuzubereiten … aber das ist nicht sehr wahrscheinlich, oder? Außerdem müsste dieser Trank anschließend magisch inaktiv geworden sein, denn ich habe jedes Glas auf dem Tisch untersucht. Auch das würde jemand, der kein Binai ist, kaum hinkriegen.«

Dyas Volk braute die raffiniertesten Tränke, die die Sidhe kannten, was bedeutete, dass sie ebenfalls sehr raffiniert waren. Doch es gab nur sehr wenige Binai. Sie lebten in den Welten der Sidhe, und die zwei Königinnen bestraften jeden, der den Namen der Alten, der Erzfeindin der Lupi, aussprach, mit größter Härte. Keiner der Binai würde ihr wissentlich helfen.

Das alles machte es, wie Cullen gesagt hatte, nicht sehr wahrscheinlich. »Also was – ah. Endlich.« Lily eilte zur Eingangstür des Restaurants.

Diese hatte sich geöffnet, um fünf Personen einzulassen. Voran ging eine große Frau von klassischer Schönheit, wie wohl manche sagen würden, während andere sie vielleicht üppig nannten. Eine Versicherung befand vermutlich, dass sie dreißig Pfund zu viel wog, doch diese Pfunde trug sie wie eine andere Frau vielleicht einen Sarong.