Wolga, Wolga - Miljenko Jergović - E-Book

Wolga, Wolga E-Book

Miljenko Jergović

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Beschreibung

Nach "Buick Rivera" und "Freelander" schickt der große Erzähler Miljenko Jergović in seinem neuen Roman "Wolga, Wolga" wieder einen einsamen Helden auf die Reise. So entsteht eine Geschichte, die das Schicksal eines Mannes in zahlreichen Rückblenden mit der politisch-historischen Vergangenheit des ehemaligen Jugoslawien verbindet. Während des Kommunismus der siebziger Jahre sucht der vom Leben gestrafte Dželal Pljevljak im islamischen Glauben Trost und fährt regelmäßig mit seinem schwarzen Wolga von Split an der dalmatischen Küste nach Livno ins benachbarte Bosnien-Herzegowina, um in der Moschee zu beten. Durch die Begegnung mit einer ebenfalls muslimischen Familie beginnt seine Einsamkeit in einem Land voller Bespitzelung und Verrat gerade zu schwinden, da nimmt die Geschichte auf einer dieser Fahrten plötzlich eine tragische Wendung. Durch die raffinierte Verschachtelung der Geschichte und das geschickte Spiel mit Erzählperspektiven gelingt es Jergović immer wieder aufs Neue, ungeahnte menschliche Abgründe auszuloten und für Überraschungen zu sorgen.

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Seitenzahl: 427

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Inhalt

[Cover]

Titel

Widmung

Erster Teil

Unterm Oleander

Zweiter Teil

Der einsamste Mann der Welt

Dritter Teil

Steh auf, Sohn Avrams

Anmerkung des Autors

Dank

Autorenporträt

Übersetzerporträt

Über das Buch

Impressum

Für Senad, irgendwann

Erster Teil

Unterm Oleander

Ich heiße Dželal Pljevljak. Seit fünfunddreißig Jahren arbeite ich als Zivilist bei der Armee. Gestern rief mich Oberst Uzelac ins Büro, stellte mir eine Tasse Kaffee hin und fragte, ob ich nicht in Rente gehen wolle. Meine Dienstzeit wird wie die eines aktiven Offiziers gewertet, vergleichbar einem Fähnrich Erster Klasse; ich hätte längst im Ruhestand sein sollen.

Geh zurück in dein Dorf im Sandžak, setz dich vor dein Haus und freu dich an den Pflaumenbäumen, sagte er und wartete mit zusammengekniffenen Augen auf meine Antwort. Genosse Oberst, sagte ich, ich habe kein Haus und keine Pflaumenbäume, das habe ich meinem Bruder gelassen, und Ragib ist vor drei Jahren übergesiedelt und hat alles seinen Söhnen vermacht. Die habe ich seit über zwanzig Jahren nicht mehr gesehen, so lange war ich nicht im Sandžak, und deswegen denke ich, ich habe nicht nur kein Haus, sondern auch keinen Sandžak mehr.

Er sah mich an und schüttelte fortwährend den Kopf, als hätte er einen Schwerstkranken vor sich. Was sollen wir mit dir nur machen, Landsmann, sagte er, klopfte dabei mit dem offenen Füllfederhalter auf meine Akte und spritzte Tinte darüber. Sie verteilte sich auf dem Arbeitsbuch und der Beurteilung, die ich vor fünfzehn Jahren aus Baška Voda mitgebracht hatte, versiegelt mit dem Siegel von Major Terzić, und ich hatte, wie es sich gehört, nie erfahren, was darin steht. Nun musste ich zusehen, wie Tinte über das Schriftstück rann, so dass es nie mehr gelesen werden konnte.

Es hätte mir egal sein sollen, aber es war mir nicht egal. Ich hätte den Oberst gern gebeten, nicht mit dem Füllfederhalter herumzufuchteln, aber das ging nicht, es gehört sich nicht, ich starrte nur das vergoldete Kappenende an und hoffte, er sieht meinen Blick und hört auf.

Und was machen wir jetzt?, fragte er mich. Wenn es sich irgendwie machen lässt, antwortete ich, würde ich gern noch ein Jahr arbeiten. Aber bis zum Frühling musst du alles in die Wege geleitet haben, geh in den Sandžak zu deinen Neffen, erkläre ihnen die Sachlage und bitte sie um ein Stück Land für ein Haus und einen Pflaumengarten. Dann kannst du nächstes Jahr um diese Zeit umziehen, auf den Frühling warten und zum ersten Mal die jungen Bäume schneiden. Haben wir uns verstanden, Dželal? Ich sagte: Ja, und Dankeschön, das werde ich Ihnen nicht vergessen. Vergiss es bloß nicht, denn wenn du es dir nicht merkst, geht alles zum Teufel, die Menschheit dreht durch und vergisst, was war und was nicht sein darf.

So redete er, und ich erhob mich und ging zur Tür. Was machen wir jetzt?, fragte er, bevor ich sie öffnete. Nichts, sagte ich, morgen ist Freitag. Und Neujahr. Ach ja, glückliches neues Jahr, Dželal! Ihnen auch, Oberst. So gingen wir auseinander.

Das ist das dritte Jahr, dass wir dieses Gespräch führen. Oberst Uzelac sagt mir, es sei Zeit für die Rente, und fragt mich nach dem Pflaumengarten und dem Haus im Sandžak, und ich sage, die sind nicht mehr mir. Er schüttelt den Kopf, als wäre ich schwer krank, und gewährt mir noch ein Jahr, unter der Bedingung, ich baue bis zum nächsten Frühling ein Haus und lege einen Pflaumengarten an. Ich habe ihn angesehen und überlegt, ob er vergessen hat, was er mir letztes Jahr sagte, oder ob er nur so tut. Lieber wäre mir, er würde nur so tun, denn sonst hätte ich ihn getäuscht und dieses und letztes Jahr eine Sünde begangen. Ich werde die Wahrheit nie erfahren.

Es ist früh am Morgen, sechs Uhr, es ist noch nicht hell, aber ich muss los.

Ich gehe hinunter zur Garage, der Hausflur riecht nach Stockfisch und Urin, hinter einigen Türen hört man Musik, hinter anderen wird geschnarcht. Vor der Haustür hat sich jemand erbrochen. So ist die Jugend, da dürfen sie zum ersten Mal mit ihren Freunden feiern, und ihnen fällt nichts Besseres ein, als sich zu besaufen. Ich denke über die Jugendlichen nach, damit ich nicht an etwas anderes denken muss.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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