XXL-LESEPROBE: Delacourt - Die vier Jahreszeiten des Sommers - Grégoire Delacourt - kostenlos E-Book

XXL-LESEPROBE: Delacourt - Die vier Jahreszeiten des Sommers E-Book

Grégoire Delacourt

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Beschreibung

Ein Sommer am Strand in Nordfrankreich: Sonne, Meer, Dünen und Bars. Hier treffen vier Paare ganz unterschiedlichen Alters aufeinander: zwei Teenager im Rausch der ersten Liebe, eine 35-jährige auf der Suche nach einem neuen Glück, eine gelangweilte Hausfrau , die sich ins Abenteuer stürzt, und ein altes Ehepaar, das sich noch genauso liebt wie am ersten Tag. All diese Menschen begegnen sich, ohne zu wissen, dass ihre Geschichten eng miteinander verwoben sind und ihre Schicksale sich gegenseitig beeinflussen. Bis es während des Feuerwerks zum französischen Nationalfeiertag zu einem dramatischen Höhepunkt kommt. Delacourt hat eine Hommage an die Liebe und an den Sommer geschrieben, die einmal mehr zeigt, dass die großen Gefühle ganz unabhängig von Alter und Lebensphase sind.

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Grégoire Delacourt

Die vier Jahreszeiten des Sommers

XXL-Leseprobe

Roman

Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

Atlantik

Leseprobe

PIMPERNELLE

In jenem Sommer sang Francis Cabrel Hors Saison, und alle sangen Cabrel.

In jenem Sommer war der Sommer schnell gekommen. Praktisch schon am letzten Mai-Wochenende, als die Temperatur plötzlich auf zwanzig Grad kletterte. In den Gärten hörte man wieder Lachen, trockenes Husten wegen der ersten fettigen Rauchwolken, die von den Grills aufstiegen, und die Jauchzer der Frauen, die halbnackt beim Sonnenbaden ertappt wurden. Es war wie Vogelgezwitscher. Als wäre das ganze Dorf eine Voliere.

Abends trafen sich die Männer wieder zum Rosé, gut gekühlt, um den Alkohol zu überlisten, den Fluch zu bannen und noch mehr zu trinken. Jetzt hatte der Sommer wirklich angefangen.

In jenem Sommer gab es Victoria. Und es gab mich.

Victoria hatte goldenes Haar, smaragdgrüne Augen, wie zwei kleine Edelsteine, und ihr Mund war so verlockend wie eine reife Frucht. Victoria! Sie ist mein schönster Sieg, sagte ihr Vater ständig, begeistert von seinem Bonmot.

Noch gehörte sie mir nicht, aber ich näherte mich ihr behutsam.

Victoria war dreizehn. Ich war fünfzehn.

Ich sähe schon ein bisschen wie ein Erwachsener aus, sagte meine Mutter, und diejenigen, die meinen Vater gekannt hatten, erinnerte ich an ihn. Meine Stimme war schon fast tief, manchmal heiser, wie morgens, nach dem Aufwachen. Über meiner Oberlippe sah man schon ein bisschen dunklen Flaum. Ich fand das Ganze damals nicht besonders schön, aber Victorias smaragdgrüne Augen konnten über manche Dinge hinwegsehen.

Ich war ihr Freund. Und ich träumte davon, viel mehr zu sein.

Am Anfang jenes Jahres, als es so kalt geworden war, hatte meine Mutter ihre Arbeit verloren.

Sie war in Lille Verkäuferin bei Modes de Paris gewesen. Ihr Charme und ihr Feingefühl wirkten Wunder, mit ihrem sicheren Geschmack hatte sie viele plumpe Gestalten schöner und eleganter aussehen lassen. Aber das konnte sie nicht vor einer Lawine von Ungerechtigkeiten bewahren.

Nachdem sie wochenlang ihren Kummer in Tränen und Martini ertränkt hatte, beschloss sie, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen, und meldete sich für einen Buchhaltungskurs an. Wenn ich schon selbst kein Geld habe, sagte sie, kann ich wenigstens das der anderen zählen. Ich mochte ihre Ironie, die ihr half zu überleben. Sie schnitt sich die Haare und kaufte sich ein blassrosa Frühlingskleid, das ein bisschen zu sehr ihre schlanke Taille und den üppigen Busen betonte.

Nach dem Tod meines Vaters – sein Herz hatte am Steuer seines roten Wagens versagt, ihn auf der Stelle getötet und noch drei weitere Opfer gefordert – hatte meine Mutter keine Lust mehr, ihr Herz einem anderen zu öffnen.

Nichts und niemand kann ihn ersetzen, klagte sie, er ist und bleibt meine einzige Liebe, das habe ich geschworen.

Sie glaubte, was ich damals auch gern glauben wollte, dass die Liebe einzigartig ist.

Als er starb, war ich drei Jahre alt. Ich erinnerte mich nicht an ihn. Meine Mutter weinte, weil mir Bilder und Gerüche, seine starken Arme und pikenden Küsse fehlten. Sie gab sich Mühe, meinen Vater trotzdem lebendig zu halten, und zeigte mir oft die Fotos ihrer Anfangszeit: in einem Garten, am Strand von Étretat, unscharf in einem Zugabteil zweiter Klasse, auf einer Restaurantterrasse, an einem Brunnen in Rom, auf einem schönen Platz hinter dem Palazzo Mattei di Giove, in einem riesigen weißen Bett, wahrscheinlich morgens, er sieht ins Objektiv, sie fotografiert, er lächelt, er ist schön – Gérard Philipe in Der Teufel im Leib –, er wirkt verschlafen, glücklich, nichts kann ihm passieren. Mich gibt es noch nicht. Nur den Anfang eines großen Liebesfilms.

Sie erzählte mir von seinen Händen. Von seiner zarten Haut. Seinem warmen Atem. Sie erzählte mir, wie er mich ungeschickt in die Arme nahm. Wie er mich wiegte. Sie flüsterte die Lieder, die er mir als Neugeborenem ins Ohr summte. Sie weinte um den Abwesenden. Um die Stille. Sie weinte um ihre Ängste, und ihr Weinen machte ihr Angst. Beim Betrachten der wenigen Fotos stellte sie sich seine heutigen Falten vor. Da, siehst du, seine Augen wären wie kleine Sonnen. Und seine Löwenfalte hier, die wäre noch tiefer geworden. Er hätte auch ein paar weiße Haare, da und da, er wäre noch schöner.

Sie stand auf und rannte in ihr Zimmer.