Zebras im Sfumato - Bernhard Lembcke - E-Book

Zebras im Sfumato E-Book

Bernhard Lembcke

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Beschreibung

Beobachtungen. Beschreibungen. Ein plein-air-Skizzenbuch gesellschaftlicher Veduten in Zeiten einer unpräzedenten Virus-Pandemie. Schroffe Eindrücke, dann wieder emotional. Sprachlich prägnant, dann wieder unscharf; mal Zebra, mal Sfumato. Berührendes und Demaskierendes im Kontext von Abstand und Masken. Ein gesellschaftkritisches, auch ein politisches Buch, das in stetem Bezug zur Medizin steht und damit hilft, zu verstehen, was Sars-CoV-2 so widersprüchlich erscheinen lässt. Kein Rezeptbuch, keine fertigen Lösungen. Nur ein unsachliches Sachbuch; eine Aufforderung, nachzudenken und eine Handvoll gedanklicher Puzzlesteine, die dies erleichtern.

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„Man will nicht nur verstanden werden, wenn man schreibt, sondern ebenso gewiss auch nicht verstanden werden. Es ist noch ganz und gar kein Einwand gegen ein Buch, wenn irgend jemand es unverständlich findet: vielleicht gehörte eben dies zur Absicht seines Schreibers – er wollte nicht von ´irgend jemand´ verstanden werden“

(Friedrich Nietzsche: „Die fröhliche Wissenschaft“).

Inhalte

Sandwich mit Sommer

Medizinzeit in Absurdistan - Jenseits des Styx

Grenzerfahrungen an unsichtbaren Grenzen

Quarantäne

Deutschland, Deine Panikkies

Aeskulaps Sfumato

Ist

gescheid

gescheitert?

„Was ihr

nicht

wollt“

Inakzeptanz des Inakzeptablen

Jingle-bellende Alarmglocken

Die better-Version des Lebens

Dot und Antidot

Im Namen der Ästhetik!

Vol de nuit

Ein Lächeln für die Welt von gestern

Mediales Undulieren

Wie geht ein digitaler Fussabdruck?

Muckefuck der Moral, ein

mocca faux

?

Praeter oder propter hoc?

Maskenball

Neglecte der Normalität

The face of the farce

Die Zier in der Distanzierung

Pictures of matchstick men

?

A-Z

Ubat

- im Spiegel des Tabus

Die Corona-Papers

Fundstücke unter den Resten eines Tages

The Games must go on

?

Zwischen System und Relevanz

Mens sana in corpore sano

An einem Sonntagmorgen

Der untaugliche Versuch, Widerstand gegen ein unwiderstehliches Angebot zu denken

Die Infanterie der Infamie

Beiträge zur Zivilisation

Paypalle, Pillepalle – „

Ach

“ und Achtung von Sprache

Kuschelkurs mit Sprache, - Verführungen inbegriffen

Vom Stelldichein gesetzter Worte, das man einen Satz nennt

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt

Augenzwinkern ist eine ziemlich ernsthafte Angelegenheit

Pro

sa und

Contra

sa

Kurse bzw. Kursorisches in „letzter Hilfe“

Gebrauchte Wörter

Aeskulaps befremdliche Begegnungen mit dem Vertrauten

AHA und ANJA

Hero-Glyphen

Carpe diem

Das bizarre Spektrum monochromer Spektralfarben

Hysterieforme Historie(n)

Struppige Zeiten

Aeskulaps Infraschall

Lockerungsübungen eines Lockdowns

Picknick im Fahrstuhl

Himmel ohne Sterne

Mit Bedacht

Wo ist die Brise Verstand in der stickigen Hypoxie des Unbedachten?

Nicht Losungen, -Lösungen!

Das HBC der Gefügigkeit

Von Fackeln und Funzeln

Aeskulaps Wiedervorlage

Streifen für das Zebra!

Die Euphorie von Nachrufen

Stricken für Fortgeschrittene

Aeskulaps Blick auf die Dinge

Spartanische Verse

Aeskulaps galliger Krieg

Alles relativ?

Es liegt was in der Luft

Unvollendete Gefühle

Bitter. Böse. Bitterböse.

Eine Dialektik im Umgang mit dem Unvorstellbaren

Zeitlos oder endlos?

Die Abschöpfungsgeschichte

Heuschrecken

Medizin an der Schwelle in eine kränkelnde Zukunft

Geschwungene Linien des Rechts

Toleranz ist die Lebendigkeit des Anderen

Der alte Mann und das Weniger

Aeskulaps Momentum. Was sich richtig anfühlt.

Einwürfe aus spitzem Winkel

Einladung zur Seltsamkeit

Die Narretei der Narrative

Zwischen Manieren und Manierismus.

Epi-soden- so denn!

Unsinn mit Goldrand

Romancier ohne Roman

Digital et impera?

Aeskulaps Gedankenstriche

Sabattical? Gourmet-Semester für neue Gedanken

Aphorismen und anderer (Un)Sinn, Rat- und andere Schläge

Sandwich mit Sommer

Geschichten zu erzählen bedeutet wohl immer auch ein Erzählen von Geschichte. Geschichte, die kürzlich Erlebtes, längst Vergangenes und Gegenwärtiges im Geiste vereint. Ich nenne meine nachdenklichen Geschichten, ihrer Diversität geschuldet Essays, wie wohl ich sie auch als eine Sammlung von Worten bezeichnen könnte, aufgetürmt zu Vorworten.

Karl Lagerfeld sah das so: „Ich schreibe nicht, ich mache nur Vorworte. Das ist meine Spezialität“. Unbeabsichtigt, aber vielleicht nicht unbewusst auch ein Spannungsbogen zu Nachworten. Womit wir denn bei Zeit und dem Zeitgeschehen wären.

„In the year 2525 (-if man is still alive…)“, das war 1969 ein Technik-skeptisch-apokalyptischer #1Hit von Zager & Evans, den man vielleicht heute für die IT- und AI-euphorisiert abhebenden „NERDS“ (die nur eine richtige Dimension sehen) unserer Gegenwart „digitalisiert“ adaptieren könnte. Auch gibt unsere Gegenwart aktuell Anlass, sich zu fragen, ob das Jahr „2020“ schon eine Art Probelauf für „2525“ ist? Als Test einer Entfremdung kommt dieses Jahr schon überzeugend daher, wenngleich es durchaus noch keine apokalyptischen Dimensionen beinhaltet (außer in den üblichen, zwanghaft überzeichnenden polit-medialen oder auch romanhaften Übertreibungen, die wir so gern als Bausteine unserer Gedankengebäude* verwenden). Wobei sich die Dimensionen eines Jahres -zumindest zeitlich- ja auch gar nicht verändern können, Schaltjahre einmal ausgenommen. Was wir als die pandemische Dimension einer Virusinfektion mehr noch spüren als wir es zu erkennen vermögen, sind die Last und der dadurch erzeugte Druck, den wir uns durch das Sars-CoVirus-2 und bisweilen leichtfertigen Umgang damit eingefangen haben.

*Gedankengebäude ist ein psychiatrisch geprägter Begriff, der einen Wesenszug der Schizophrenie charakterisiert.

Da, wo bisher der Sundowner kontemplativer Ausdruck eines gelungenen Sommertages war, erleben wir einen ganzen Sommer, von dem wenig mehr in Erinnerung bleiben wird als eine missglückte „Lockerung“ zwischen zwei Lockdowns. Ohne das Atemberaubende eines gelungenen Sommers, vielmehr nur eine Atem- oder Verschnaufpause zwischen der ersten und der zweiten Welle der Covid-19-Pandemie.

Eine Atempause, die allzu Viele im Hecheln nach exzessivem Freizeitverhalten dazu nutzten, atemlos „Party“ zu machen und entsprechend permissiv in partikular egozentrischer Exzentrik interpretierten. „Wir sind jung, wir sind stark!“?

Vielleicht. Dummerweise seid Ihr wohl auch dumm. Der Stoff, aus dem die Albträume (jeder Virus-Ausbreitung) sind.

In meiner Jugend war ein ungepflegtes Äußeres nicht selten Ausdruck von Opposition oder eine diskrete Revolte gegen „das Establishment“, bisweilen Kult und selbstredend autolegitimiert durch das Credo, es käme doch (nur) auf die „inneren Werte“ an.

Inzwischen hat sich das Problem gewandelt: in ein mehr oder weniger erkennbar ungepflegtes Inneres, dessen Werte verloren gegangen sind, während so viel mehr Wert auf das Äußere gelegt wird und das Outfit makellos gestylt daherkommt. Aus Sein oder Nichtsein wurde Schein oder Nichtschein.

Es ist nicht immer leicht, sich zu erleichtern. Aber notwendig. Der unbeachtete, damit missachtete Künstler verliert seinen Mut und seine Seele, wie wohl auch der ungelesene Autor. So verschmilzt das übersehene Bild mit dem weißen Blatt.

Zeit für ein paar Farbtupfer also, wenn es sein muss, in Schwarz-Weiss.

Es gibt Vorsitzende, Präsidenten (von sitzen, lat. sedere), und Vorstände (von stehen, lat. stare), Prostatiker. Nun ist das Problem des Prostatikers (und hier darf ich wohl getrost auf die nuancierende Floskel m/w/d verzichten), dass er mit / nach längerem Sitzen ein Problem hat, nicht etwa mit / nach längerem Stehen. Weiß der Teufel also, warum „Stadien“ Sitzplätze haben müssen (kleines Augenzwinkern für Fortgeschrittene). Auch die Altersstruktur spräche dafür, dass unter Präsidenten wohl mehr Prostatiker zu finden sind, als unter Vorständen. Zur Tarnung bemühen sich einige Präsidenten daher um eine auffallend unauffällige „Präsenz“, beispielsweise indem sie ihre Essenz dosiert, will sagen: weniger strahlend und gezielt als tropfenweise oder auch tröpfelnd in die Keramikschüssel demokratischer Erkenntnis geben. Andere, die sich in der jüngeren Vergangenheit induriert bemerkbar gemacht haben, wollen jeden Gedanken an die Prostata vermeiden, indem sie (dicht daneben ist auch vorbei) dem Primat einer (meist nur potentialiter vermuteten) Potenz nachhängen und ihren dirigistischen Beitrag zum Zeitgeschehen für das Exprimat edler Gesinnung halten, während sowohl Testosteronspiegel wie DNA ihre Nähe zu Polithooligans erkennen lassen.

Tu felix Alemania! Einen alerten, präsenten Präsidenten zu haben erkennen wir da als spürbarer Vorzug. Es könnte auch problemlos mal eine Präsidentin werden. Eine Kanzlerin als Vorstand der Bundesregierung aber war / ist ein Coup, der allen Prostatikern ein Schnäppchen schlägt, -was diese dann gleich mit Kastration assoziieren und zu Schnappatmung veranlasst. Vor dem Hintergrund einer derart überreaktiven oder gar spastischen Blase wird der Strom des Lebens vom getragenen old man river zum unkontrollierten und passiven Overspill, also keineswegs einfacher.

Das Corona-Jahr 2020 beinhaltete auch die Chance, eigene Prioritäten zu überdenken und nachzujustieren, ggfs. zu rekalibrieren oder einfach nur über das nachzudenken, was auf uns einströmt, was uns ausmacht und worin gegebenenfalls das Problem besteht, falls sich das nicht in Einklang bringen lässt.

Ein Teil des Unwohlseins in Politik und Gesellschaft hinsichtlich des Umgangs mit Corona hat m.E. seine Wurzeln in jener scharfkantig reflexhaften Denke und Gefühlswelt, die sich so wenig mit der Biologie des wahren Lebens verträgt und die Ärzte seit Jahrzehnten zu dem Bonmot veranlasst hat, „Lehrerin ist kein Beruf, Lehrerin ist eine Diagnose“.

Der Anteil der Menschen in unserer Gesellschaft, die in einer humanistischen, kategorisch-konsequenten, durchaus auch intelligenten und einer soziologisch-philosophisch-psychologisch permissiven Blase „leben“ und dabei für sich eine paravitale (vielfach von anderen akzeptierte und geteilte) „Daseins-Cloud“ entwickelt haben, die ihnen (vordergründig) festen Halt gibt, hat beträchtliche Ausmaße angenommen. Dieser Halt mag in ihrem Alltag tragen, er kollidiert aber bei und mit realen Erkrankungen und das so gestaltete und gestützte Weltbild kollabiert bei schwerer Erkrankung sowie existentieller Bedrohung. Eine Reaktion auf die Wahrnehmung eigener Hilflosigkeit besteht bei allfälligen Erkrankungen in verstärkter Kritik und „Diskussion“ des Nichtakzeptierten, bei existentieller Bedrohung und Einsturz eigener existentieller Grundfesten in Verzweiflung respektive Verzweiflungstaten.

Man versteht die Welt nicht mehr.

Allein, die Welt, sie ist nicht so. Sie besteht weiterhin aus Geburt, Lernen, Mühsal und Arbeit, Zusammenhalt, Liebe, Freud und Leid, -wozu eben auch Krankheit und Kränkung gehören-, sowie dem Tod. Wer sich da nur auf die (an)genehmen Akzente beschränken will und vermeintlich kann, weil wir uns Arbeit erleichtern, Mühsal im Alltag abbauen konnten, nach dem Krieg Zusammenhalt als essentiell begriffen und ernsthaft ernsthafte Realität empfunden haben, soziale Sicherheiten zur Selbstverständlichkeit avancierten, Freude und Liebe Raum zur Entfaltung erhielten und ein unerschütterliches, weil unwidersprochenes Gefühl entstand, die Krankheiten dieser Welt zu beherrschen, der lebt in einer virtuellen, aber nicht in dieser Welt.

Auch wird einfaches Querlüften nicht ausreichen, die Miasmen etlicher selbsternannter und sogenannter „Querdenker“ zu entfernen oder zu beseitigen. Nicht Hedonisten, als die diese sich sehen möchten, auch nicht eine Form des Hochhaltens grundgesetzlicher Werte als Haltung, indem Papp-Plakate hochgehalten werden. Vielmehr: Genießer einer virtuellen Welt, auf reale Kosten aller anderen. Ein „Genuss“ als parasitäres Genießen in einer Blase und ein Ausleben, das anderen ihr Leben ausbläst. Verirrte auch, im großen Garten unserer so unglaublich großen Freiheiten, der infolge vernachlässigten Verantwortungsbewusstseins peu-à-peu unzureichende Pflege erfahren hatte und entsprechend verkrauten konnte. Ein revival für den englischen Begriff der „Krauts“, sozusagen, fern des ursprünglichen Sauerkrauts. Aber so ist das mit Begriffen. Erst altern sie, dann verlieren sie ihre Bedeutung und schließlich werden sie von Unwissenden mit einer anderen Bedeutung „neu“ erschaffen oder doch nur belegt. Eintracht ist so ein alternder Begriff. FC könnte für „fuck Corona“ stehen und BVB könnte man mit „Besonderer Verantwortung Bewusst“ assoziieren. Spielerische Akzente.

Aber so ein Spiel könnte manch einem Tor guttun.

So ist dies -irgendwie- ein Buch über Erkennen, Nachdenklichkeit, Forschung und Fortschritte, Bildung und Kunst. All dem könnte man sich wissenschaftlich, philosophisch, in jedem Fall nüchtern sachlich nähern. Aber das tun schon so viele, Kompetente wie Ernsthafte und auf den nüchtern-sachlichen Wegen, die wir wahlweise Seriosität oder Schienen nennen. Dabei gäbe es die Möglichkeit, wie mit einer Achterbahn durch diese Themen hindurch zu brausen, mal zentral, mal peripher oder auch mit Schwung einfach über sie hinweg.

Vorwärts und daher rücksichtslos. Auch Schienen.

Oder eben auch in einer schwungvoll emotionalen Asymmetrie des Seins, bei der in bewusster Unschärfe verbleibt, ob dies nun ein impressionistisch oder expressionistisch gezeichnetes Bild ist. Ein gerändertes (Wieder-)Erkennen früher Eindrücke im Spannungsfeld mit Unschärfe und der Emotion der Andeutung; Zebras im Sfumato.

Bücher, die eine breite Leserschaft erreichen, tragen ihren Inhalt wie Samen in die Furchen eines breiten Diskurses. Damit ist die Mitteilung des Autors Wind und Wetter ausgesetzt, aber eben auch ertragreich. Bücher -wie dieses- mit einer Auflage, die bestenfalls Anklänge an die aktuelle Verzinsung von Spareinlagen hervorruft, betrachte ich demgegenüber als (Nacht)Asyl für Gedanken. Das hat dann schon auch neben dem Individuellen etwas Existentialistisches.

Die Nische für ein Mauerblümchen.

Schreiben kann Vergnügen sein, produziere ich doch nicht nur am Ende ein Buch, für mich wie für andere, - ich weiß auch um das, was ich nicht geschrieben habe. Die komplementäre Seite des Inhalts meiner Bücher. Das, freilich, betrifft und berührt den Leser nicht unmittelbar, aber die Vorstellung, sich komplementäre Inhalte vorstellen zu können, das eigene, ergänzende Denken, wäre ein Weg, der monoptischen Betrachtung zu entgehen.

Was wahr ist, wird nicht wahrer, weil es irgendwo geschrieben steht. Was unwahr ist, wird nicht wahrer und auch nicht unwahrer, weil es irgendwo aufgeschrieben wurde. Und doch ist es nicht belanglos, über Wahres und Unwahres und ihr Sfumato deskriptiv, analytisch, mit Empathie und Erkenntnis, unterstützend oder übertreibend, als Inzision, Circumzision oder auch circensisch zu schreiben. Verleitungen. Oder gar Märchen? So ein Buch kann immer nur eine kleine Mär, ein Märchen erzählen, selbst dann, wenn uns hier und da eine große Mär aufgebunden wird. Aber weil zumindest in der Medizin die Makropathologie unter dem Mikroskop als Mikropathologie anschaulicher, exakter und verständlicher zugleich wird, sollten die in diesem Buch zusammengetragenen Märchen zum Verständnis des bisweilen schwer Verständlichen beitragen können. Das, freilich, muss im Subjektiven verbleiben; auch in der Erkenntnis Friedrich Wilhelm von Steubens (1730-1794): „Der Mensch versteht sich selbst erst, wenn er die Verständlichkeit seiner Worte an anderen ausprobiert hat“.

Wäre es dabei mein Antrieb, etwas allgemeinverständlich zu erklären, würde ich wohl Gebrauchsanweisungen schreiben. Wollte ich träumen, schriebe ich Romane. Kann ich aber nicht. Am Ende bleiben verbale Veduten, die dazu anregen sollen, den in ihnen verborgenen Unverstand zu entdecken und auf dem Boden dieser Erkenntnis Verstand zu entwickeln.

Liest sich fast ebenso spröde, wie eine Gebrauchsanweisung.

»Man kann die Menschen zur Vernunft bringen, indem man sie dazu verleitet, dass sie selbst denken« (Voltaire, 1694-1778).

Der springende Punkt bei Märchen aber bleibt die Konklusion: ihre rationale wie emotionale Übertragung ihres Beispielcharakters, ihrer Lehre und ihrer Schlussfolgerung in unser (Unter)Bewusstsein. Ein Skizzenbuch also.

Auch das ein Exerzierplatz der Individualität. Es braucht die Nuancierung des Individuellen, denn es ist wie bei unseren Krankheiten: Vieles ist harmlos, erscheint harmlos und wir halten es entsprechend für harmlos. Wobei wir mitunter irren.

Auch dieser Irrtum begleitet den Menschen (Platon).

Medizinzeit in Absurdistan - Jenseits des Styx

Feuilletonistisches Bulletin einer skandalösen Aufführung im Jungen Theater Irgendwo

Krankheiten kennen wir mehr durch unser Krankheitsgefühl als aus dem Erleben eigenen Krankseins. Welche Intensität und Ausmaße das annehmen kann, lehrt uns gerade ein tolldreist erscheinendes Virus (1. Akt): Sars-CoV-2.

Dabei ist das Tolldreiste weniger das Virus selbst, -das ist „nur“ gefährlich- sondern eine virogene Angst mit pandemischen direkten, auch reflektorischen Folgen und langfristigen, weit reichenden Konsequenzen. Parallel zu diesem Drama wird deutlich, dass Ignoranz keine wirksame Form von Resistenz beinhaltet, so sehr und beharrlich sich das auch in pubertär-unbedarft-jugendlichem oder pompös-präsidial-pampigem Gehabe als Gerücht hält.

Womit denn auch schon zwei grundlegende Aspekte gesellschaftlicher Pathophysiologie dieser Pandemie angesprochen wären:

1) das „Viral-Gehen“ eines Virus im ursprünglichen, meist unverstandenen Sinn (inzwischen vorzugsweise bei denen, die sich des Begriffes so lustvoll bedient haben) sowie

2) jenes Gerücht, dem A. Paul Weber seine so eindringliche Lithographie in einer prekären Zeit (1943) dediziert hat, ein minutiöses Bild, das existentialistische Wirkung und Nachwirkung beinhaltet und beide zeitgleich an seine Betrachter überträgt, diese damit überzeugend und irreversibel infizierend. Das Gerücht als Infektion, Wurzel aller „Fake News“, die eben nur fake sind, wie eben auch die beleidigende Inszenierung der Infektion als ein Gerücht.

Diese Infektion ist kein Gerücht, sie ist fürchterlich.

Begriffe erscheinen dabei wehrlos, zumindest in bildungsfernen Schichten, was nicht bedeutet, dass sich gebildete Menschen einer Infiltration durch Gerüchte entziehen könnten. Außer -vielleicht- durch die Resilienz, die ihnen ein sozialisierend und belastbar eingebauter Bullshit-Detektor (Earnest Hemingway) aus Zurückhaltung, kritischer Wertung, detailliertem Wissen, strukturierender Bildung und -nochmals vielleicht- gefestigtem Glauben verleihen könnte.

Gerüchte fließen und berühren, wie Miasmen. Sie finden ihre Rezeptoren pandemisch in Unwissen-dominierter oder Ideologie-unterminierter, -jedenfalls beschränkter- Vorstellungskraft der hierfür empfindlichen Gemüter dieser Welt.

Wenn ein amerikanischer Präsident (übrigens mal im Gleichklang mit substantiellen Teilen der so gern so kritischen Medien hierzulande, die entschlossenes und weitsichtiges Handeln des Gesundheitsministeriums im Beginn der Epidemie doch auch für übertrieben halten wollten oder unterschwellig die WHO kritisierten, während diese eine Pandemie „immer noch nicht!“ ausrufen mochte, -einzig, weil eben deren Kriterien nicht erfüllt waren) nicht in der Lage ist, einzuschätzen, was eine Pandemie bedeutet, dann liegt das wohl an fehlendem Lateinunterricht in Verbindung mit einer überstrahlenden Egozentrik und nur einer Armlänge erleuchteten Weitblicks.

Eine Pandemie ist eine die gesamte Welt umspannende Epidemie. Aber PanAm® fliegt ja längst nicht mehr. Wer Pan folglich nur als „den mit Flöte“ oder gar nicht kennt, sollte nicht trommeln. Dessen krummer Hirtenstab steht in der griechischen Mythologie für den wiederkehrenden Lauf der Natur, „Recycling“ und Regelhaftigkeit im wahren Sinn des Wortes. Dabei hatte Pan ein fröhliches Naturell. Aber er ist auch der protagonistische Namensgeber der Panik. Die, nämlich, verbreitete er unter den Hirten, wenn sie die Muße seiner geregelten Ruhe störten. Eine erzieherische Maßnahme, die helfen konnte, in ein angemessenes Verhalten zurückzufinden, wobei es im Wesen unserer Panik liegt, dass der dabei angerichtete Schaden allemal größer ist, als es einer gepflegten Regulation des Sachverhalts entspräche. Wäre dem nicht so, wäre es keine Panik, sondern eine Korrektur (2. Akt).

„Lockdown- und Corona-Parties“, die zeitgeistig nackte Wolllust am dissonant-Kontrapunktischen zu der wohlformulierten Mahnung einer gerade noch Zarastro-gleich erscheinenden Kanzlerin sind dagegen nicht einfach Narretei, sondern ausschließlich Ausgeburt von Unverstand und Verantwortungslosigkeit. In Zeiten einer sehr wohl dunklen, aber nicht durchweg dummen Rechtsprechung wäre so etwas vielleicht mit der „Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte“ geahndet worden, -in einer überdrehten Gesellschaft erscheint es kaum justitiabel. Was natürlich nicht heißt, dass diese obsessive Renitenz biologisch, medizinisch und ökonomisch folgenlos bleiben wird. So wird die Leichtfüßigkeit der (im besten Fall) Unbedarften wie der von kriminellem Kleingeist getragenen, gesellschaftsunfähigen Rotzlöffel zu einem schwergewichtigen Momentum der Pandemie.

Im Sommer nach dieser Formulierung ergänze ich: wurde die Leichtfüßigkeit… .

Das allein ist schon dramatisch, für ein veritables Drama bedarf es allerdings noch weiterer Akte.

So stehen im 3. Akt mit der verstärkten Übertragung und Verbreitung der Infektion wissenschaftlich klingende Kakophonie, politmediales Chaos sowie ökonomische und gesundheitliche Schäden im Vordergrund.

Die Renitenz wird erkennbar zum Vektor der Infektion.

Unabänderlichkeit für die Betroffenen, die Gefährdung der Schwachen, der Alten, derer mit reduzierten Abwehrkräften und die Ausgrenzung vieler gesunder Arbeitsfähiger sind der reale Kern dieser Inszenierung, die da Pandemie genannt wird, wo die Büchse der Pandorra breit geöffnet gähnt.

Während das Drama hier für einen Teil der Mitwirkenden mit dem Fall des Vorhangs abrupt -weil tödlich- endet, nimmt der 4. Akt im komplementären Part seinen Lauf mit antizipierter Resistenz derer, die sich früh eine Infektion zugezogen haben. Ihrer leichtfüßigen Leichtfertigkeit verleiht das jenen Auftrieb, der wohl den meisten Trieben innewohnt und der es ihnen ermöglicht, -erlaubt wäre definitiv das falsche Wort-, die von ihnen zu verantwortenden Tragödien ihres Tuns zu ignorieren. Ihr Blick gilt fortan dem gesellschaftlich rissigen Bühnenbild einer egozentrisch und gleichzeitig überheblich beleuchteten Zukunft.

Im 5. Akt kulminiert das absurde Theater darin, dass es die nunmehr resistenten, jungen und unbedarften Überlebenden sind, deren Leichtfüßigkeit sie nach vorn gebracht hat und die doch das bleierne Gefühl zu verantworten haben, das einige Akteure wie fast alle Zuschauer am Ende befiel, als Besinnung und Trauer sich in die Aufführung mischten während weder klar war, wann eigentlich die Inszenierung zu Ende war, noch, wer Akteur oder zahlender Zuschauer war und wie sich die Welt vor dem Vestibül entwickelt hat.

Ein wahrlich absurdes Theater, verschmolzen mit der Realität.

Die Abrechnung beginnt im fünften Quartal. Impfungen auch.

Grenzerfahrungen an unsichtbaren Grenzen

Eigentlich müssten Zoohandlungen aktuell (Frühjahr 2020) vor lauter Umsatz bersten, bei den Hamsterkäufen! Was wir erleben, ist die Kapitulation von Vertrauen und gesellschaftlicher Balance, sozialistisch und gewerkschaftlich sozialisierte Mitmenschen würden hier das Wort Solidarität verwenden wollen, vor egozentrischer Bevorratung.

Hamsterkäufe, sogar Diebstähle; Menschen, die nicht einmal vor dem Diebstahl von Gesichtsmasken (50.000 in Köln) oder Desinfektionsmitteln in Krankenhäusern (in einem Fall auch einer Lieferung an eine Polizeistation) zurückschrecken, erschaffen hier ein unbekanntes, ein schreckliches Bild.

In Zeiten, in denen der reine Selbsterhaltungstrieb derlei moralische und gesetzliche Linien überschreiten ließ und Begriffe wie Mundraub oder „Fringsen“ entstanden, wird man kaum jemanden dafür moralisch oder juristisch verurteilen mögen, jedenfalls Milde walten lassen. Ganz anders in der Situation von Plünderungen, für die in Kriegszeiten die Todesstrafe drohte. Die Hamsterkäufe jetzt bewegen sich zwischen diesen Linien, in jedem Fall aber kaum noch in Sichtweite von Moral.

Sie sind nicht erforderlich, verknappen vorhandene Güter durch eine irrationale Umverteilung, induzieren und potenzieren damit ungerechtfertigte Ängste und bringen längerfristig den Nachschub und die Produktion in unruhiges Fahrwasser. Sie sind keine Plünderung im engeren Sinn, weil eine Bezahlung erfolgt, dennoch werden Regale geplündert mit der Konsequenz, dass für andere eine prekäre Versorgungslage eintritt. Wie sehr rationales Denken und offizielle Verlautbarungen dabei „für den Arsch“ sein können, zeigen die durchaus anhaltend leeren Regale, in denen ehedem Toilettenpapier zu finden war. Gut, dass wir eine Kassenbonpflicht haben... -ein Appell an deren kreative Verwendung?... .

Sorry, aber das musste jetzt sein. Und wir haben „die“ Marktwirtschaft. Echt, das regelt sich! Wenn es nix mehr zu essen gibt, rückt auch der Gedanke an den Stuhlgang wieder in den Hintergrund... . Na gut, Sarkasmus ist nicht die Sorte Fleisch, die satt macht, schmeckt überdies nicht den Betroffenen. Also: Zurück auf Anfang. Offenkundig sind wir derzeit Teil eines Gesellschaftsspiels ohne Gebrauchsanleitung.

„Vor Ankommen wird gewarnt“ (P. Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein). Aber für unser, für jedes Voranschreiten gibt es immer auch Voraussetzungen. Interessant, dass voraus hier auf das Wissen und die Erfahrung aus der Vergangenheit zurückgreift. Die Basis jeden Fortschritts. Jene Kohärenz, die mit Disruption „nix am Hut hat“.

So wie Ahnung zu haben den Wissenden beschreiben mag oder eben den, den nur das Gefühl einer Anwandlung leitet.

Der -entscheidende- Unterschied zwischen dem Sehenden mit Ein- und Weitsicht versus dem Seher mit seiner transzendentalen Eingebung. Neben derlei seichten Grenzerfahrungen erscheint die Spezialisierung als ein besonders sicheres Terrain. „Da weiß man, was man hat“ lautete einst ein mir bis heute eingeprägter Satz sauberer Waschmittelwerbung.

Spezialisten haben meistens recht, -soweit es den speziellen Ausschnitt ihrer Fokussierung betrifft. Je tiefer sie aber in die Materie eindringen, umso weniger finden sie sich allerdings insgesamt zurecht. Einst das Bild des „zerstreuten Professors“, geschmäht auch als akademische Exzellenz im Elfenbeinturm (vgl. Aeskulaps Aperçus, S. 261ff), gleicht das Prinzip des skotomisierten (V)Erkennens dem eines Kariesbohrers, dem in der Tiefe des Lochs der Blick auf das Gebiss als Ganzes fehlt.

Für das Verständnis einer Virusepidemie, auch der Ausbreitung einer Pandemie, muss ich als Arzt nicht hochspezialisierter Virologe sein, um die obwaltenden Mechanismen einschätzen zu können. Es reicht, den Film Der Reigen (1950) zu kennen oder das diesem zugrunde liegende gesellschaftskritische Drama Reigen (1920). Beides wohl auch nicht ganz zufällig vor dem medizinischen Hintergrund einer ebenso stillen wie gefürchteten Übertragung von Gonorrhö und Syphilis, zunehmend ins Bewusstsein dringender, 1920 noch unbehandelbarer Geschlechtskrankheiten. Gleichermaßen eindringlich schildert der Roman Die Pest von Albert Camus (1957) die Ausbreitung und Folgen einer unerbittlichen, vielfach tödlichen, medizinisch kaum zu beherrschenden Seuche (die wohl auch als Metapher eines infiltrativen Faschismus gedacht war bzw. interpretiert wird).

Der Reigen ist eine französische, eindrucksvolle filmische Inszenierung von Max Ophüls (1950) über Geben und Nehmen, Not und Nötigung, deutend inszeniert in kohabitativer Andeutung nach einer Vorlage des am 23.12.1920 in Berlin uraufgeführten Bühnenstücks Arthur Schnitzlers (Reigen), das seine Inspiration aus den gesellschaftlichen und moralischen Verflechtungen und Verwicklungen, menschlichen Gründen, Abgründen, Abhängigkeiten, Sehnsüchten und konkreten Begierden im Kontrast zu einem oberflächlich verbindlichen, träumerisch Walzer-seligen Wien um 1900 nimmt und damit im markantmokant preußisch-prüden Berlin einen phänomenalen Theater-Skandal auslöste.

Etwa einhundert Jahre später ist / hat man in Deutschland versucht, Seuchen auch begrifflich zu bekämpfen, will sagen: durch Vermeidung des Begriffes „Seuche“ zu vermeiden. Es war eine Gesundheitsministerin, die im Szenario der sich als Seuche verbreitenden HIV-Infektion das „Bundesseuchengesetz“ modernistisch in die neue Zeit eines „Infektionsschutz-Gesetzes“ transferierte. Inhaltlich, aber auch nomenklatorisch, um einer Stigmatisierung entgegenzuwirken und damit Ängsten entgegenzuwirken. Zur Kehrseite dieser Intention wurde allerdings auch eine überschießende Abkehr von einer adäquaten Gefahren-Wahrnehmung, ein Sich-treiben-Lassen aus beengend empfundener Verantwortung in den breiten Strom vermeintlich unlimitierter Freiheiten. Was da heute an dümmlicher und dümmster Sorglosigkeit wie dreister Ignoranz gegenüber einer HIV-Erkrankung gelebte Realität kontemporären, Exzessgeilen Verhaltens ist, großenteils verborgen durch die Kuscheldecke ärztlicher Schweigepflicht, das macht die Protagonisten der Schweigepflicht an sich schon sprachlos.

Und stinksauer.

Eine Empörung, die nicht allein auf individuelle Respektlosigkeit durch das Ignorieren von Sachverhalten, Erkenntnissen und Wissen gründet, einzig und allein aufgrund von Verantwortungslosigkeit mit dem Ziel egozentrischen Auslebens eigener Lotterhaftigkeit. Die Empörung betrifft gleichzeitig den grotesken Anspruch an ein solidarisches Aufkommen für derlei Unbedarftheit und Obsession, einen Anspruch, der impertinent, uferlos und brillantklar formuliert wird, egal, wie schmuddelig er ist und wie sehr er im perfekten und maximal möglichen Kontrast zu dem Defizit an Akzeptanz eines diesbezüglich vorauszusetzenden, verantwortlichen Handelns steht. Es ist auch die gut begründete, profunde Verärgerung darüber, dass das Eingehen unnötiger Risiken wie auch unangemessene Medikamenten-Einnahme dafür verantwortlich sind, dass sich für alle(!) anderen die Risiken einer Erkrankung erhöhen, sei es durch unmittelbare (primäre) oder mittelbare (sekundäre) Verbreitung der Infektion, sei es durch die Entwicklung von Resistenzen gegenüber primär wirksamen Medikamenten infolge breiterer Therapie-Notwendigkeit oder fehlerhafter, sorgloser Anwendung.

Diese Sorglosigkeit ist ein veritabler Grund zur Sorge.

In der Corona-Pandemie sind wir noch nicht soweit, aber das Prinzip bleibt gleich. Vor Corona. Bei Corona. Nach Corona.

Quarantäne

„Niemand ist eine Insel“ (ein erfolgreicher Roman von Johannes Mario Simmel), aber Inselstaaten wie Australien, Neuseeland oder Großbritannien verfügen über deutlich rigorosere Möglichkeiten, dem unerwünschten Zustrom an Migranten wie auch dem Import epidemiologisch relevanter Erkrankungen entgegenzuwirken. Auf lange Sicht muss das kein Vorteil sein, wie das Dahinraffen ganzer Bevölkerungen in Ozeanien infolge Einschleppung indigen völlig unbekannter Erkrankungen wie Masern durch die europäischen „Entdecker“ aufzeigt. Und der isolatorische Gestus der geographischen Lage allein ist bei weitem kein Schutz, wie das traurige Beispiel Großbritanniens im Gefolge einer Johnsonesken Fehleinschätzung der Bedrohungslage durch Covid-19 ausweist.

Eingrenzung ist immer auch Ausgrenzung.

Ohne Hintergrundwissen und in heutiger Pienzigkeit: „adding insult to injury“. Dabei war das bei den Mauern mittelalterlicher Städte so und es ist bei der Firewall des PC so. Und derartige Ein- wie Ausgrenzung ist immer prioritär Schutz.

Quarantäne nennt es die Medizin seit dem 14. Jahrhundert mit Bezug auf eine einst schematisch 40-tägige Dauer als Schutzmaßnahme gegen die Übertragung der Pest, heute adaptiert an die Inkubationszeit des jeweiligen Erregers (oder die hysterischen Befürchtungen potentiell Anzusteckender).

Quarantäne ist eine hochwirksame Maßnahme, um Infektionsketten zu unterbrechen. So gelang es 1918 Australien, sich dergestalt vor der weltweiten Pandemie der sog. Spanischen Grippe effektiv zu schützen. Die aktuelle, rigorose Abschottung Australiens gegenüber unerwünschten Einwanderungsströmen nimmt diese Erfahrung offensichtlich strukturell penetrant auf, -wenngleich ohne intellektuelle Nuancierung oder die Empathie humanitär geleiteter Erwägungen.

Die Dominanz des Neins überwiegt die Solidarität des Seins. Im politischen Rahmen hieß das einst Verbannung.

Was wir durch die „Corona-Krise“ erleben, sind die tief reichenden Auswirkungen einer oberflächlichen Welt, die sich (und in der sich jeder) als Rahm fühlen wollte, die aber dabei mächtig ins Schwimmen geraten ist, weil ihr die Bodenhaftung fehlt. Die hierfür notwendige, reale und gerichtete Kohärenz kann nicht durch virtuelle, vermeintliche Konnektivität ersetzt werden. Der Versuch, in einer mobilen Welt auf Immobilien der Haltung zu verzichten, Struktur präferentiell durch volatile Visionen anstelle auf dem Boden solider Infrastruktur zu gestalten, dieser Versuch hat eine aufgeblähte Abgehobenheit hervorgebracht, die wie ein missglücktes Soufflé kollabiert ist. Und so suchen wir denn nach der Stecknadel Sinn im Heuhaufen des Unsinns.

Auf hohem Niveau Wehzuklagen suggeriert a) ein hohes Niveau, b) den unterschwelligen Hinweis, es (noch) besser zu können und schließlich c) Virtuosität (auch) im Wehklagen. Gut, die Chance / das Risiko, dass uns Sars-CoV-2 mit der ihm innewohnenden Covid-19-Aggressivität ebenso tödlich trifft, wie die Menschen in China oder Oberitalien (er)scheint geringer, wenngleich ganz sicher nicht vernachlässigbar.

Positiv betrachtet hat die Epidemie aber als ein Weckruf deutlich gemacht, wo welche Defizite unserer Strukturen und Infrastruktur in diesem Stresstest blankliegen. Sie hat auch offengelegt, wie leicht die Wesenszüge einer vermeintlich aufgeklärten und gebildeten Gesellschaft „panisch“, zumindest aber irrational entgleisen können; weniger im ruhigeren Mainstream, aber doch quantitativ (und qualitativ) überraschend. In Bezug auf gesellschaftliche, alltagstaugliche Sicherheit ein derartiger (sorry) „Griff ins Klo“, dass nicht nur die Regale mit Toilettenpapier leergefegt sind. Nicht etwa wegen Durchfalls, sondern (nochmals sorry) „gequirlter Scheiße“. Ut aliquot fiat.

Diese Epidemie hat überdies gezeigt, wie klein die Welt geworden ist. Auch, wer auf / von ihr verdrängt wird, wenn es eng wird: die Alten, die Kranken, die Schwachen und… -die Anderen.

Und die, die etwas wagen, wie Kleinunternehmer, die in ihre Selbstständigkeit investiert haben sowie die Wagemutigen, die sich in Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Praxen erkrankter Patienten angenommen haben und dies in erschreckend hoher Zahl mit eigener Covid-19-Erkrankung und mitunter mit dem Tod bezahlt haben.

Wie leicht es dazu kommen kann, eine Infektion durch die medizinische Betreuung von hochkontagiösen Patienten selbst zu acquirieren / erleiden, weiß jeder erfahrene Arzt, oft genug aus eigener Erfahrung / Betroffenheit. Wie es aussieht, wenn man eine derartige Infektion definitiv bestmöglich vermeiden will, weiß jeder Fernsehzuschauer, der anlässlich von SARS, Vogelgrippe oder auch Rinderwahnsinn in den vergangenen Jahren Bilder aus dem Umfeld virologischer Hochsicherheitslabors, z.B. auf der Ostsee-Insel Rehn, gesehen hat. Die Diskrepanz zu den eigenen Schutzmöglichkeiten nährt Ängste, das Gefühl, nicht ausreichend gewappnet zu sein, befeuert Panik.

So eine Panik gedeiht auch auf Unwissen, Irrtum und dem Mist medialer Wiederholungen und Manipulation.

So entsteht eine Angst vor der Angst, berechtigte Angst durch unberechtigte Angst und vice versa, das apokalyptische Prinzip einer Explosion in durchdringender Verwirrung.

Gut, dass ich noch ein paar gedankliche Konserven einer guten „alten“ Zeit aufgehoben habe. Und ein paar erleuchtende / erhellende Kerzen, falls irgendwas oder irgendwer das Licht ausknipst.

Die gute alte Zeit ist die Zeit, an deren gute Momente sich die Älteren noch erinnern wollen, weil sie eine überschaubare Ordnung, Nachvollziehbarkeit und analoge wie proportionierte Relationen beinhaltete, bisweilen auch eine Zeit, von der sie schon früher geträumt haben. Selten ist es wohl Zeit, die sie prägend als gut wahrgenommen haben, eher Zeit, durch die sie einst schlurften, ohne ihre Nachteile (und vielleicht auch einige Vorzüge) zu bemerken.

Alter ist daher auch so etwas wie Quarantäne. Nicht räumlicher, sondern zeitlicher Abstand: also mindestens 40 Jahre Reifung, auch Fermentation und Sedimentation von Schwebstoffen, - Leben im Barrique.

Viele Menschen werden im Alter milder, ausgeglichener und sind mit sich und der Welt im Reinen, wenn sie am Ende ihres Lebens angekommen sind. Sie gehen in Frieden. Und dann gibt es die Alten, die die Veränderungen, die sie bis in die Gegenwart begleitet haben, derart missbilligen, dass sie nicht unglücklich sind, dieser Welt den Rücken zu kehren.

So gehen diese ebenfalls in Frieden.

Wenn nicht im Frieden mit der Welt, so doch auf Distanz zu ihr und im Frieden mit sich. Das ist es wohl, was uns das urvertrauende Wort sagen will: am Ende wird alles gut.

In der Coronakrise erscheint Abstand zwischen den Menschen als Königsweg der Infektionseindämmung. Bleibt die Frage, was Anstand zwischen den Menschen alles bewirken könnte. Innehalten, Ruhe bewahren und Luftholen?

Soviel Kontemplation erscheint uns sichtlich fremd. Schockstarre, Hektik und Hecheln kommen da der Gegenwart deutlich näher.

Gut, wenn man dann nicht über Souveränität sinnieren muss. Auch der Souverän, gemeint ist „das Volk“, ist hier definitiv überfordert. Überfordert ist dabei Melioration, aber ein gängiger Begriff. Zu dumm und unbeweglich wären Synonyma, aber eben ungern wahrgenommene. Nur wahr.

Andererseits erkennen gerade sehr kluge Menschen in dieser Situation, dass sie „in ihrer Mündigkeit überfordert“ sind (Dr. Svenja Flasspöhler, Philosophin bei maybrit illner, 12.3.2020). Das, das nuancierte und sensible Erkennen einer Überforderung des individuellen Bemühens um mündige Eigenverantwortlichkeit, hört sich schon mal bewundernswert einsichtig an. Aber ist das dann noch Mündigkeit?

Ich betrachte es als eine Erschütterung, die ein ideologischgrundsätzliches Beharren auf eigener Mündigkeit insofern infrage stellt, als sie das individualistische Prinzip unter Verweis auf Naturgewalten und Grundsätze der Biologie (und in diesem Kontext auch auf Seuchen und Krankheiten) redimensioniert. So etwas nennt man wohl Besinnung. Und Vernunft. Erschütterung und Redimensionierung bedeutet denn auch nicht, dass Mündigkeit hier fehl am Platz wäre. Im Gegenteil. Mündigkeit im Konnex mit Urteilsfähigkeit ist die Grundlage von Verantwortung, verantwortlichem Handeln. Erschütterung und Redimensionierung stellen diese nur auf eine (sinnvoll) neu justierte Grundlage.

Ein Kirchenlied bei Beerdigungen trägt den Titel „So nimm denn meine Hände“ und die ergreifende Melodie wie auch der ergreifende Text vom Ergreifen der Hände entfalten in der gemeinschaftlichen und der intimen, persönlichen Trauer um unsere Verstorbenen die ihnen zugedachte Bedeutung und Resonanz. Dabei übersehen wir gern, dass wir uns auch in beschwerlichem Alltag, speziell aber in belastenden, für uns undurchdringlichen Situationen, auch in der Krisensituation der Sars-CoV-2-Pandemie, nach hilfreichen Händen sehnen, die uns geleiten, entlasten, besser noch: die uns tragen.

Sogar Svenja Flaßpöhler wies darauf hin, dass sie ungeachtet einer sehr liberal-freiheitlichen Grundüberzeugung in derart exzeptioneller Situation dirigistische Rahmenbedingungen, die Klarheit direktiver Wegweisungen, durchaus wünscht.

Ich teile ihren zutiefst menschlichen Einwurf, handelt es sich doch letztlich um Sicherheit durch ein Koordinatensystem, das alle Lebensentwürfe benötigen, auch und gerade liberal-freiheitliche Grundüberzeugungen, die ohne Haltung haltlos daherkämen. Und dieses Koordinatensystem benötigt im Sturm einer Krise zusätzliche(s) Streben und Befestigungen, um seiner Aufgabe, Halt zu geben, gerecht zu werden. Jenes Vertrauen, das eine Gesellschaft positiv auszeichnet.

Interessant wird sein, zu erleben, ob diese Streben nach dem Sturm wieder zur Disposition stehen, ob sie zur „Verschlankung“ wieder abgebaut werden, als fakultative Reserve verbleiben oder „für alle Fälle“ als dauerhaftes Bollwerk persistieren, womöglich ausgebaut werden können.

Wenn ich bereits im Aufschwung der Infektionsausbreitung eine Lehre aus dieser Epidemie ziehen kann, dann die, dass der Abbau von Infektionsstationen, die ideologische und ökonomische, ignorante Resistenz gegenüber Einzelzimmern (vgl. hierzu Aeskulaps Aperçus, S. 241ff) und das „rationalisierende“ Szenario eines selbstgefälligen Ökonomie-Imperialismus im Gesundheitswesen nunmehr für jeden erkennbar ihre Absurdität offenbaren.

Daseinsvorsorge ist das Gegenteil von Gewinnmaximierung.

Und rational ist dabei das Gegenteil von sogenannten Rationalisierungen, die als „rationell“ die Notwendigkeiten durchzüngeln und ihr Feuer an das Unabdingbare gelegt haben.

Was dabei nicht passte, wurde passend gemacht.

Eine Gallenblasen-Operation? „Routineeingriff“. Entlassung nach 1-2 Tagen, „kein Problem“. Arthroskopie, Meniskus-Op? Geht ambulant! Stimmt. Aber nicht, ob es ambulant geht, ist die Frage, sondern, ob der Patient anschließend gut gehen kann. Wie es dem Patienten dabei ergeht und eben wie es ihm nach der Meniskus- oder Gallenblasen-Operation geht.

Und selbst das ist nur kurz gedacht. Wie soll der junge Arzt sich ein Bild davon machen, was ein hervorragender, ein „normaler“, ein unterdurchschnittlicher, ein schwieriger, ein problematischer oder ein desaströser postoperativer Verlauf ist, wenn der Patient längst zuhause oder in der „Reha“ ist? Das Wissen der erfahrenen Ärzte heute, ihr Können und die Sicherheit der Operateure unserer Zeit kaschieren (und kreieren damit) die Defizite der medizinischen Zukunft!

Dabei decouvriert schon der Begriff „Routineeingriff“ die ideologische Manipulation. Wenn ärztliches Tun in Routine abgleitet, ist es kein ärztliches Tun mehr, sondern medizinisch verbrämtes Schematisieren bekannter Gedanken und Maßnahmen, nicht etwa das ärztlich-kompetente, individuelle, zugewandte und sorgfältige Handeln mit allen Momenten der Einzigartigkeit, das als ärztliches Antlitz eine humane Medizin charakterisiert.

Das vorgeblich Beruhigende des Begriffs „Routineeingriff“ beinhaltet entsprechend auch die Kehrseite der Medaille in Form einer realen Beunruhigung.

Das Corona-Virus bzw. die Covid-19-Pandemie bieten eine ganze Reihe von Chancen. Die Chance, unsere globale Vernetzung wahrzunehmen. Die Chance, zu erkennen, dass die Natur in Form von Krankheiten sich nicht an Ländergrenzen hält. Die Chance, zu verdeutlichen, was Hygiene bedeutet, welche Regeln im Umgang mit anderen Menschen und mit sich selbst die Begriffe Zivilisation und Kultur rechtfertigen, auch Erkrankungen abwehren sowie die Chance, neu zu lernen, dass ein Verbot ein Verbot ist und nicht ein individuell flexibel leichtfertig zu handhabender Vorschlag.

Chancen, die existenzielle Verhaltensweisen wieder in Erziehung einfließen und Verbindlichkeit wieder zu etwas Verbindendem werden lassen könnten. In der Realität spiegelt so eine Virus-Pandemie allerdings in vielen Bereichen, ganz offenkundig aber im gesellschaftlichen Zusammenleben die Konsequenzen von Inkonsequenz wider und entlarvt damit die, die nur sich selbst die Nächsten sind. Und nein, hier muss ich gar nicht einen transatlantischen Präsidenten bemühen, zumal dieser auch hier nicht als Solitär glänzen würde.

Ich spreche von denen, die meinen, sie seien unbesiegbar, zumindest unanfechtbar oder unberührbar, immun gegen alles Unerwünschte und doch nur durch eigenes Wunschdenken ignorant sind gegenüber wohlgesetzt vermittelten, wohlbegründeten Richtlinien und Empfehlungen. Ihr unbesonnenes, besinnungslos vorgetragenes, cool-knappes „egal“ erweist sich dabei als ornamental hypertroph ausgeschmücktes Ego. Jenes Ego unserer Nächsten, das den auf gemeinsamem Handeln beruhenden Erfolg gefährdet und das Wir seiner axiomischen Solidarität beraubt. Für gesellschaftlichen Fortschritt und Reife bedarf das einer Konsequenz.

Die es -auch hier- aber vermutlich nicht wirklich geben wird.

Dammbrüche richten speziell in geistigem Flachland große Schäden an.

Deutschland, Deine Panikkies

Regelmäßig erreicht uns im Januar / Februar die Grippewelle, schließlich ist da Karneval, und der ist allemal einen Besuch sowie das eine oder andere Küsschen wert. Nun kommt also ein weiteres Virus aus China, so wie die Grippeviren (Influenza) auch. Die Virologen in China haben herausgefunden, dass es sich um ein Virus aus der Gruppe der Coronaviren handelt und flux bricht -hier- Hysterie aus. Erstens, weil das gefährliche SARS-Virus vor 18 Jahren zur gleichen Gruppe gehörte und die ganze Welt zu erschrecken vermochte, sowie zweitens, weil „Corona“-Virus so hübsch klug klingt.

So, wie die Krone aller Viren.

Und die Moderator(inn)en aller Morgen- und Abendmagazine sprechen das dann zwar hohl, aber mit respektvoll Beeindruckung ausdrückendem Gesicht aus, ganz so, als ob sie etwas davon verstünden. Erinnert irgendwie an Eheberatung durch katholische Priester. Dabei wäre die zunächst -temporär- korrekte Bezeichnung „Coronavirus 2019 nCOV“, inzwischen Sars-CoV-2. Das ist dann zwar vielleicht für den Wissenschaftsteil oder zur Füllung des Feuilletons zeitungstauglich, aber eben nicht auf Sendung formulier-, plauder- oder plapperbar und so wird bestenfalls noch aus dem Coronavirus ein Coronavirus.

„Corona“ für das Virus selbst ist so zutreffend, wie wenn der Mercedes-Händler seine verschiedenen Premium-PKW mit der präzisierenden Beschreibung anpreisen würde, er verkaufe „Autos“. Und dass das Virus „aus China“ auf uns zukommt (und es kommt [Stand Anfang Februar 2020] sicher, schließlich leben wir in einer Welt) ist dann ein hübscher Grund, ein Horrorszenario zu entfalten bzw. ihm zu erliegen. Dieses Virus ist nämlich -soweit man das heute (2/2020) einschätzen kann- ziemlich gefährlich.

Aus Westen kommt meistens das Wetter, aus dem Osten die Gefahr. So war das wohl schon immer. Und jetzt: aus China, dem Musterland der Desinformation. Auauau…!

Das war zu Zeiten von Vandalen und Hunnen so, zu Zeiten der Osmanen vor Wien und -als Propaganda- zu Zeiten einer lügenhaften Kriegs„rechtfertigung“ im 20. Jahrhundert.

Entsprechend erscheint es verständlich, dass sich das Wort von der „Gefahr aus dem Osten“ als Metapher, schließlich begrifflich als Engramm verfestigt und dadurch verselbstständigt hat. Wenn das das Virus wüsste! Ich vermute mal, es würde sich wohl verschämt nach Wuhan zurückziehen und dort verkriechen. Nur: so funktioniert das bei Viren und Pandemien eben nicht. Und ganz nebenbei kreieren wir ein emotionales Crescendo für das Unangenehme und Bedrohliche durch den -durchaus gerechtfertigten- Fokus unseres Interesses.

Wie geht es Ihnen? Eine Frage freundlicher Zugewandtheit, meist weniger eines persönlichen, wahren Interesses. Aber dennoch: ein guter Einstieg. Interesse am Befinden eines Menschen, Interesse an einem Menschen. Und wenn eine Erkältungswelle anrollt, sich eine Grippewelle ausbreitet oder „das Corona-Virus“ durch Land und Leute zieht, dann ist ein solches Interesse angemessen, es erscheint uns als eine normale Umgangsform. Das mutiert allerdings, wenn so ein Virus wie Sars-CoV-2, SARS, Mers, oder auch nur die Vogelgrippe wie der Rinderwahnsinn durch die Medienlandschaft brausen, gesellschaftlich wüten und sich in reflektoiden Kurzschluss-Handlungen austoben. Dann bestimmt nicht etwa die Frage, wie es dem Nächsten geht das mediale Klima, dann überwiegt die Frage: wie geht es den Aktien, hustet die Wirtschaft?

Als Arzt habe ich vermutlich (zu) wenig Verständnis für die sublimativen Anwandlungen derartigen oberflächlichen Vorpreschens. Die Börse mag wichtig sein, Versorgungssicherheit und Versorgungsketten sind es gewiss, aber im Vordergrund stehen doch die, um deren Versorgung und Sicherheit es geht.

Jedes Gemeinwesen, jede Gemeinschaft besteht aus Individuen. Es ist löblich, sich Gedanken um die Formen des Miteinanders zu machen; ohne Individuen ist es aber überflüssig, weil sinnlos. An der Börse löst bereits die Antizipation wirtschaftlicher Holprigkeiten einen Abwärtstrend aus, der dann vielen Menschen -grundlos- schadet. Das eigentliche Drama, das Schicksal des Einzelnen, der schwer erkrankten oder der verstorbenen Menschen, löst dagegen (dort) gar nichts aus.

Wer hätte gedacht, dass es zur (Wieder-) Entdeckung der Langsamkeit (Titel eines Romans von Sten Nadolny, Piper, 1983) der Entdeckung der Hilflosigkeit bedurfte? Hilflosigkeit ist auch ein Stichwort, wenn mich mal wieder meine private Krankenkasse mit einer substantiellen, man kann auch sagen: knalligen Beitragserhöhung beglückt und das dann noch „Wertanpassungsschreiben“ nennt.

Allein das wäre wohl Grund genug, über Werte zu schreiben.

Auch über den Wert von Gesundheit, über den wir -meistenswohl doch nur nachdenken, wenn wir krank sind. Oder der Krankenkassenbeitrag verursacht Schwindel und Bauchschmerzen. Oder aber, ein bedrohliches Virus „dreut“.

Ob es -wie bis zu dieser exzeptionellen Herausforderung üblich- erfolgreich respektive sinnvoll ist, Krankheiten nur mit Gelegenheitsinteresse zu begegnen, möchte ich bezweifeln, schließlich habe ich einmal Medizin studiert, um mein darüber hinausgehendes Interesse mit der nötigen Sorgfalt zu begleiten, zu vertiefen und so tief wie es mir möglich war, an die Wurzeln der Probleme vorzudringen. Die Probleme der Erkrankungen und die Probleme der Erkrankten.

Das ist immer individuell, so, wie es dieses Buch ist.

Heute erkenne ich, dass derartige Individualität den Hauch der Exotik beinhaltet, wird doch die Seriosität fachlicher Kompetenz von plebiszitären Wunschgedanken wahlweise (…also mit Bezug auf Wahlen, nicht auf weise) glorifiziert oder in die Schranken gewiesen, bisweilen populistisch hinweggeblasen, so dass die sonore Tonalität der seriöser Wissenschaft innewohnenden Zurückhaltung zu einem medial quakenden Nebengeräusch verkommt. Glücklicherweise gibt es daneben auch weiterhin die nicht medial breitgetretenen, zuweilen am Ende auch niedergetrampelten Forscher, Ärzte und Themen, deren Fortschritte nicht im publizistisch markant angestrahlten, mitunter inszenierten Vordergrund stehen, wohl aber die Substanz von Fortschritt ausmachen. Wir interessieren uns für Gewinner und Goldmedaillen, aber es kommt doch zuvorderst darauf an, viele für den Sport / die Gesellschaft zu begeistern, „mitzunehmen“ und über die Ziellinie zu bringen.

Aeskulaps Sfumato

Deutlichkeit in der deutbaren Undeutlichkeit.

Kieselsteine, in ihrer Vielzahl und Komposition die Struktur und Linie eines Strandes formend, markieren den Übergang zwischen dem Meer und dem Land. Jeder für sich rund, geschliffen und dennoch vereinzelt kantig, wobei sogar perfekt runde Kiesel drücken können, wenn man denn schwergewichtig oder auch nur exakt auf ihnen steht. Die englische Sprache kennt das Wort „gritty“ (kieselig, sandig, mutig) und nimmt wohl eben diese Anmutung im Kontext auch für das Wesentliche oder auf den Punkt kommen auf.

So hätte dies ein Text über Corona werden können. Einer von vermutlich ungezählten und einer, der zugleich nicht zählt, weil das Thema zwar aufrüttelt, aber eben auch -jetzt, im Frühsommer 2020- nicht mehr, -Folge einer Überstimulation. Eine hier ganz bewusst missverständliche Formulierung: inhaltlich nicht mehr zulässt, als aufzurütteln, oder aber schon nicht mehr (in der Zeitachse), weil wir längst begonnen haben, sattsam gesättigt abzustumpfen? Abwarten!

Die Flüchtigkeit ist zwar immer Teil unseres Wissens, aber wenn schon kein tragendes Fundament besteht, sollte wenigstens ein Sediment erkennbar sein, ein Bodensatz, auf den auch Sätze als gesetzte Worte oder literarische Koloraturen gründen könnten.

Derlei Missverständlichkeit erscheint in der Wissenschaft explizit ungelitten, hier zählt nur die Klarheit des Wissens, wo doch -zumindest für die Motivation des Forschers- gerade die Hypothesen, das Unklare, auch die aromatischen Miasmen des Möglichen den eigentlichen Charme ausmachen, -neben der Redimensionierung des Potentiellen durch Kompetenz.

Probleme zu erkennen, die man bislang gar nicht kannte, ist das weite Feld der Wissenschaft. In manchen Zeiten und stark gesellschaftlich geprägt aber auch von Spekulation, Wunschdenken und Traumdeutungen, Ahnungen, Glauben oder Esoterik. Da kommt eine kernige Behauptung gerade recht, -und sei sie im Kern noch so hohl. Immerhin haben wir hierfür a) die Meinungsfreiheit, b) das Recht zu demonstrieren und c) die Medien. Da will ich Bücher nicht grundsätzlich ausnehmen.

Aber auch literarisch ist die Klarheit, die Prägnanz eines Textes ein hoch gelobtes Stilmittel. Wenngleich: „je klarer der Ausdruck, desto prägnanter der Eindruck“ beinhaltet doch wohl gleichzeitig für den Leser auch Bevormundung, eine vorgegebene Bahnung seiner Sichtweise und eine Einschränkung seiner Freiheitsgrade, wo doch gerade die Literatur in vielfältige Freiheitsgrade und Ausmalungen führen darf, kann und bisweilen soll.

Wissenschaft kultiviert darüber hinaus noch ein anderes Problem, auf das die Professorin Lorraine Daston, ehemals Direktorin am MPI für Wissenschaftsgeschichte in Berlin in ihrem Buch über „Objektivität“ hingewiesen hat: „Es geht nicht darum, ein Urteilsvermögen zu pflegen oder zu kultivieren, sondern darum, sich selbst tatsächlich zu verdrängen. Es ist dieses Extrem, das der Objektivität ihren Heiligenschein gegeben hat“.

Da bleibe ich denn mal distinguiert unwissenschaftlich „ich“.

Ist gescheid gescheitert?

Derart imperativ seziert erscheint mir solch „wissenschaftliches“ Denken als Reduktion, die auch eine Sabotage von Freiheit beinhalten kann. Eine Askese des Denkens, mehr kondensatorische Pyknose als illustre, (er)läuternde Fokussierung.

Lange habe ich geglaubt, es bräuchte einen besonders scharfen Blick, um Dinge und Zusammenhänge korrekt wahrzunehmen. Inzwischen spüre ich da Zweifel. Gelegentlich setze ich mich nachts an ein weit geöffnetes Fenster und blicke auf die Straße. Ohne Brille. Entsprechend verschwommen, unscharf sind dann auch meine Eindrücke.

Nocturner Impresssionismus. Nicht alles schläft. Ab und zu huscht ein Auto durch die ruhige Straße, vereinzelt nehmen Menschen mehr oder weniger erfolgreich den Weg an den Autos vorbei. Und hinter einigen Fenstern schämt sich noch gedämpftes Licht beim Spiel mit dem Vorhang. Es ist diese Unschärfe inmitten einer breiten Nehrung Ruhe bei frischer Luft, die es mir ermöglicht, zu mir zu kommen, „herunterzukommen“, mit mir selbst ins Reine zu kommen und eingedenk der visuellen Unschärfe zu klaren Gedanken zu kommen.

Das kann man dann An- oder Einsichten nennen. Solche, zu denen der Blick und die Introspektion nicht fähig sind, solange ihnen eine Ausrichtung am Konkreten abverlangt wird.

Vor dem Gewitter: aufwühlend, ungeordnet, interessant. Nach dem Platzregen: geerdet, ruhig und tief atmend, die Ruhe und Geborgenheit in der Natur, wiederhergestellte Ordnung. Schreiben am offenen Fenster erfolgt wohl ebenso konzentriert wie die vielzitierte (und von den darüber phantasierenden Autoren nie gesehene) „Operation am offenen Herzen“.

Einfach, weil das persönliche Schreiben des Schriftstellers, ob nun fokussiert oder open minded, mit offenem Herzen geschieht.

„Die Deutlichkeit ist die Höflichkeit der Kritiker“, stellte einst Marcel Reich-Ranicki einigermaßen kategorisch fest.

Undeutlichkeit ist es denn auch, die als ein gesellschaftliches Sfumato den klaren Blick verstellt und politische Präzision verhindert. Aber eben nicht Politik. Jenes „Nuscheln der Demokratie“, das als Mauscheln missdeutet werden kann und dergestalt in Missverständnisse, Missdeutungen und nachfolgend Missliebigkeiten führt. Das rotnasige Rentier will kein rotznasiges Rentier sein. Und der rotnasige Rentier fühlte sich beleidigt, sähe man in ihm einen rotznasigen Rentier.