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Zlatko, der Mann mit vielen Namen, wird ermordet. Als die Polizei eintrifft, hält seine Ver-lobte, Martha Jones, die Mordwaffe noch in der Hand. Sie beteuert jedoch ihre Unschuld. Im Rahmen der Ermittlungen treten mehrere Damen in Erscheinung, die alle Opfer von Zlatkos Täuschungen geworden sind, und die den smarten Hochstapler unter den verschiedensten Namen kennengelernt haben. Unter ihnen befindet sich auch eine Dame aus adeligen Kreisen. Für DCI Plummer und seine Kollegen von Scotland Yard beginnt eine Reise durch ein Wirrwarr von Lügen.
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Seitenzahl: 94
Veröffentlichungsjahr: 2025
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DCI1 George Plummer, der eigentlich schon pensioniert sein könnte, stieg aus dem Auto und begab sich zum Tatort. DS2 Mary Hunt trottete hinter ihrem Chef her.
„Warum mache ich diesen Scheiß noch“, brummelte er vor sich hin und sah seine Kollegin dabei missmutig an.
„Vermutlich, weil Sie ohne ihn nicht sein können, Sir.“
„Grins nicht, Mary“, sagte der DCI, dem es nicht entgangen war, dass Mary seine Bemerkung belächelt hatte.
„Ich habe nicht gegrinst, Sir“, erwiderte Mary, was ihr einen strengen Blick ihres Chefs einbrachte. Sie mochte ihren Chef, ja, sie war sogar ein wenig in ihn verliebt, obwohl er altersmäßig ihr Vater hätte sein können.
„Ich fürchte, du könntest recht haben“, sagte der DCI, dem gerade ein Lächeln über das Gesicht huschte.
Die beiden Ermittler betraten das Haus, zu dem sie gerufen worden waren.
„Hallo, Sir!“
DI3 Marcus Ward, der bereits am Tatort war, begrüßte den DCI. Obwohl die beiden Männer per DU waren, bestand George Plummer darauf, im Dienst mit „Sir“ angesprochen zu werden.
„Ein alter Bekannter“, sagte Marcus, „in Ausübung seines Hobbies gestorben.“
DCI Plummer sah seinen jüngeren Kollegen an und fragte:
„Wie meinst du das? Wer soll das sein?“
„Erkennen Sie ihn denn gar nicht?“, erwiderte Marcus überrascht.
DCI Plummer zuckte mit den Schultern.
„Der serbische Don Juan“, sagte Marcus, worauf der DCI erstaunt erwiderte:
„Das ist Zlatko Brankovics?“
„Genau der“, sagte Marcus, „von zarter Frauenhand frühzeitig und endgültig in den Ruhestand versetzt.“
„Heißt das, wir wissen schon, wer der Täter ist?“
Das Erstaunen nahm bei DCI Plummer immer mehr zu.
Zlatko Brankovics war ein aktenkundiger Straftäter, der schon mehrere Verfahren durchlaufen hatte, die einmal sogar zu einer Verurteilung führten, die jedoch widerrufen wurde.
Eines seiner Opfer, alles Frauen, denen er den Himmel auf Erden versprach und die ihm bedingungslos vertrauten, hatte ihre Aussage zurückgenommen.
Die Frau kam erstaunlicherweise mit einer Bewährungsstrafe davon, weil der Richter Mitleid mit ihr hatte.
Zlatko Brankovics war ein Betrüger der Extraklasse, der sich in kurzer Zeit das Vertrauen seiner Opfer erschlich, um sie dann wie eine Weihnachtsgans auszunehmen.
Seine bedauernswerten Opfer waren Damen jeden Alters. Auch welche, die der Liebe schon längst abgeschworen hatten, weil sie alt und alleinstehend oder verwitwet waren.
Zlatko selbst war im besten Mannesalter und ein Beau. Vierundvierzig, mit einem Körper in einer beneidenswerten Verfassung und immer braun gebrannt. Hinzu kamen gute Manieren und ein sicheres Auftreten.
Seine Masche war, seinen Opfern mit Großzügigkeit zu begegnen, sie zu verwöhnen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie einzigartig wären.
Und die Damen sogen all dies gierig in sich auf und schickten ihren gesunden Menschenverstand in die Wüste.
Zlatko Brankovics ließ sich immer viel Zeit bei der Arbeit. Seine Devis hieß: scharf anbraten und dann lange, lange dünsten lassen.
Hatte er den Braten dann verzehrt, wandte er sich einem neuen Opfer zu. So gelang es ihm, sich mit der Zeit einen gehobenen Lebensstandard zu erschaffen und diesen auch zu genießen.
DI Ward deutete auf eine Frau, die etwas abseits stand, gut bewacht von zwei Uniformierten.
„Das ist die Täterin, Mrs. Martha Jones.“
DCI Plummer und DS Hunt schauten hin zu der Frau, die den Kopf zu Boden gesenkt hielt.
„Hat sie gestanden?“, fragte DCI Plummer.
„Nein, hat sie nicht“, antwortete DI Ward und fügte hinzu:
„Sie hielt die Tatwaffe noch in ihrer Hand.“
„Das heißt noch lange nicht, dass sie auch die Mörderin ist“, entgegnete der DCI.
DI Ward hätte gern widersprochen, unterließ es aber tunlichst. Der Respekt dem älteren Kollegen gegenüber war zu groß.
Er bewunderte seinen Vorgesetzten, einen „alten Hasen“, der eine sehr hohe Erfolgsquote vorweisen konnte, was die Aufklärung seiner Fälle betraf.
Marcus Ward betrachtete es als Ritterschlag, als der DCI ihm das DU-Wort anbot.
Es war nach der Lösung des „Cromwell-Falls“, in dessen Verlauf sich Marcus profiliert hatte. Hinzu kam, dass er den DCI zur Seite stieß, als auf ihn geschossen wurde. Dadurch hatte er ihm mutmaßlich das Leben gerettet.
DCI Plummer ging zu der Frau, die regungslos zwischen den beiden Uniformierten stand. Als er die Frau ansah, streckte sie ihm ihre blutverschmierten Hände entgegen, ähnlich einem kleinen Mädchen, das um Hilfe bittet.
Die Beamten hatten ihr Handschellen angelegt. Sie wirkten viel zu groß für die zarten Handgelenke der Frau.
George sah in die Augen der Frau, und obwohl alles gegen sie sprach, war sich George sicher, dass sie keine Mörderin war.
Er nickte ihr kurz zu, als nonverbales Mittel, ihr seine Gedanken mitzuteilen. Und Martha Jones schien sie gelesen zu haben. Sie nickte ebenfalls, begleitet von einem zaghaften Lächeln ...
*****
Vernehmung von Martha Jones:
Anwesend sind DCI Plummer und DI Ward. Beginn der Befragung 09:15 a.m.
DI Ward:
„Mrs. Jones, nennen Sie uns bitte Ihren Namen, Ihr Alter und Ihre Adresse.“
Martha Jones:
„Ich heiße Martha Jones, bin 61 Jahre alt und wohne in Epsom, Kings Road 16.“
DI Ward:
„Sind Sie verheiratet?“
Martha Jones:
Nein, ich bin verwitwet.“
DCI Plummer:
„Mrs. Jones, Ihnen wird zur Last gelegt, dass Sie Zlatko Brankovics ermordet haben. Was sagen Sie dazu?“
Marcus Ward ist überrascht, als er seinen Chef das sagen hört. Er kennt ihn sonst als toughen Ermittler, der seine Verhöre stringent anlegt, ohne Benützung von Samthandschuhen.
Martha Jones:
„Ich habe noch niemals einen Menschen getötet, Herr Kommissar. Meine Achtung vor der Schöpfung Gottes ließe das niemals zu. Und außerdem kenne ich keinen Mr. Zlatko…
DCI Plummer:
„Brankovics, der Ermordete heißt Zlatko Brankovics.“
Martha Jones:
„Das kann nicht sein. Der Tote heißt Thomas Brown und ist mein Verlobter.“
DCI Plummer und DI Ward sehen einander erstaunt an.
DCI Plummer:
„Wie darf ich das verstehen, Mrs. Jones?“
Martha Jones:
„So wie ich es gesagt habe, Herr Kommissar. Thomas und ich wollten in einem Monat heiraten. Warum also hätte ich ihn ermorden sollen?“
DI Ward:
„Es fällt uns schwer, das zu glauben, Mrs. Jones. Schließlich haben wir sie am Tatort mit einem Messer in der Hand vorgefunden, direkt neben der Leiche von Zlatko Brankovics.“
Martha Jones:
„Ich weiß, Herr Kommissar. Der Schein spricht gegen mich; aber ich habe den Mann nicht ermordet.“
DI Ward:
„Nennen Sie mich bitte „Inspektor“ und nicht „Kommissar.“.
Marcus Ward hatte die Worte mit einer gewissen Schärfe gesagt, die seine ganze Gereiztheit widerspiegelte. George sah vorwurfsvoll zu seinem Kollegen, weil er dessen Reaktion als unangemessen empfand.
DCI Plummer:
„Wenn Sie den Mann nicht getötet haben, warum hielten Sie dann die Mordwaffe in Ihrer Hand?“
Martha Jones:
„Der Anblick war mir unerträglich. Das Messer ragte aus der Brust eines Menschen, den ich geliebt habe. Ich musste es herausziehen.“
Martha Jones beginnt zu weinen. Sie schaut zu DCI Plummer, als suche sie Verständnis bei ihm für ihre Handlungsweise.
DCI Plummer bricht die Befragung an dieser Stelle ab. Er tut das in der Überzeugung, dass eine Fortführung wenig Sinn ergäbe.
„Ende der Befragung um 10:00 a.m. Die Befragte wird in Untersuchungshaft genommen.“
Als er den Raum verlässt, sagt er zu seinem völlig verwirrten Kollegen:
„Jetzt mache ich diesen Scheiß schon beinahe vierzig Jahre; aber ich werde nie verstehen, warum sich die Frauen so leicht hinters Licht führen lassen.“
*****
Als DCI Plummer das Reich von Dr. Roy McDormand betrat, wurde er von dem Gerichtsmediziner auf die üblich Weise begrüßt.
„Ich entbiete Euch meinen Morgengruß, edler Lancelot4, der Ihr mit Eurem magischen Schwert „Arondight“5 tapfer gegen die Feinde des Reichs zieht.“
Der DCI verbeugte sich und erwiderte:
„Habt Dank, Sir Galahad6. Euer Schild trägt das Wappen Englands. Es ist ein Rotes Kreuz auf weißem Grund, ein Symbol für Hilfe und Eure edle Gesinnung.“
Dieses für außenstehende befremdlich wirkende Ritual entsprach der Vorliebe der beiden Freunde für die Sage um die Ritter der Tafelrunde. Sie übten es aber nur aus, wenn sie allein waren.
„Hallo George, ich habe gehört, ihr habt schon den Täter bzw. die Täterin?“
„Von wem hast du das Roy? Von Marcus?“
Der Gerichtsmediziner nickte.
„Er kann es einfach nicht lassen“, sagte der DCI, „immer aus der Hüfte schießen und nur selten treffen. Ich frage mich, wie er die Inspector-Prüfung bestanden hat.“
„Na, na“, beschwichtigte der Doktor, „er ist halt manchmal etwas übereifrig und möchte dem großen Meister gefallen.“
Das Augenzwinkern und das Lächeln von Dr. McDormand waren ansteckend, und George konnte nicht widerstehen.
„Du bist ein unverbesserlicher Menschenfreund, Roy“, erwiderte George lächelnd, „und ich bin es eben nicht.“
„Ich versteh dich, mein Freund“, sagte Roy, „dein Beruf prägt dich nun einmal.“
Der DCI sah Roy einfach nur an. Er hatte nicht viele Freunde. Eigentlich gar keine; außer Roy. Aber der war ein ganz besonderer Freund, wenn auch ein wesentlich jüngerer.
Roy kam aus dem Nordosten von Schottland. Er hatte an der University of Aberdeen seinen Doktor gemacht. Als er in London eine gewisse Helen Lewis kennen- und lieben lernte, verschlug es ihn dorthin. Sie heirateten und haben inzwischen zwei entzückende Kinder: Harry und Belinda.
„Ich nehme an, ich solle Euren Geist erhellen, edler Lancelot, was die durch Mörderhand dahingeraffte Jungfer betrifft.“
Der Gerichtsmediziner hatte George wieder aus seinen Gedanken geholt.
„Was kannst du mir sagen, Roy? Ist es eine Affekthandlung oder eine geplante Tat? Nach was sieht es für dich aus?“
„Schwer zu sagen, George“, erwiderte Roy, „der Stichkanal verläuft gerade, von vorne ausgeführt. Eigentlich sind es zwei Stiche. Der eine in den Bauch und der andere gezielt ins Herz.“
„Und in welcher Reihenfolge wurden sie ausgeführt?“, fragte George.
„Jetzt wird es interessant, mein Lieber“, antwortete Roy. „Bei dem Stich ins Herz gibt es zwei Verläufe. Einmal gerade und einmal schräg. Das bedeutet, dass der Stich in den Bauch zuerst ausgeführt wurde.“
„Korrigiere mich, wenn ich falschliege“, erwiderte Georg. „Der Mörder hat das Opfer zuerst in den Bauch gestochen und danach ins Herz. Diese beiden Stiche verliefen etwas schräg. Und danach wurde das Messer herausgezogen. Und zwar gerade. Nach den beiden ersten Stichen fiel das Opfer um. Und als das Messer herausgezogen wurde, lag das Opfer auf dem Rücken. Danach wurde das Messer von der vermeintlichen Täterin herausgezogen. Und zwar ganz behutsam und langsam. Und vor allem - gerade. Das war das Handeln einer Liebenden und trauernden Frau und nicht einer kaltblütigen Mörderin…“
Dr. McDormand sah seinen Freund lächelnd an.
„Besser hätte ich es Euch nicht erklären können, edler Lancelot. Fürwahr, das war vortrefflich.“
„Dies Lob aus Eurem Munde tut meiner Seele wohl. Habt Dank, Sir Galahad. Doch nun heißt es, eilig von dannen zu reiten und Ausschau zu halten nach dem ruchlosen Schergen.“
Die beiden Freunde umarmten sich.
„Grüß Helen und die Kinder!“
„Mach ich, George, und komm mal wieder bei uns vorbei!“
*****
DCI Plummer hatte DS Hunt gebeten, das Leben von Zlatko Brankovics zu durchleuchten. Zlatko war im Lauf seines Lebens viele Male mit der Justiz in Berührung gekommen und die Gazetten waren stets voll davon.
In Zeiten von Social Media müsste er dort bestimmt ebenfalls zu finden sein. Und DS Hunt gehörte zu der Generation, die im World Wide Web zu Hause ist.
„Hast du etwas gefunden, Mary?“
„Jede Menge, Boss.“
Der DCI mochte es nicht, dass DS Hunt ihn so nannte. Er hatte es ihr auch mehrmals gesagt, aber Mary ließ nicht ab davon. Irgendwann gab er auf und manchmal fühlte er sich fast ein wenig dadurch geschmeichelt.
„Dann schieß los, Mary!“
„Also, der liebe Zlatko hat sehr vielen Frauen das Herz gebrochen und ihre Geldbörse erleichtert.
Er bewegte sich dabei fast immer in höheren Kreisen und einmal kam sein Opfer sogar aus der Aristokratie.