Zu Hause sein können - Monika Schilling - E-Book

Zu Hause sein können E-Book

Monika Schilling

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Beschreibung

Mit diesem Buch möchte ich interessierte Familien motivieren, ein Kind aufzunehmen und Pflegeeltern unterstützen, die schon ein oder mehrere Kinder aufgenommen haben. Das Leben mit einem Pflegekind ist eine Herausforderung. Es ist aber auch nicht so schwer, wenn man sich die Sache vorher gründlich überlegt oder im Vorfeld gut informiert ist. Vielmehr kann es sowohl für die Kinder als auch für die Erwachsenen eine richtig gute und erfüllende Erfahrung sein. Ein Leben mit einem oder mehreren Pflegekindern kann einem sein Leben auf den Kopf stellen. Aber ich wollte die Erfahrung und die Liebe, die ich bekommen habe, niemals missen.

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Seitenzahl: 84

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Mit diesem Buch möchte ich interessierte Familien motivieren, ein Kind aufzunehmen und Pflegeeltern, die schon ein oder mehrere Kinder aufgenommen haben, unterstützen.

Ich möchte dazu ein paar Dinge zur Sprache bringen, die den Alltag mit Pflegekindern einfacher machen können und ein paar Situationen erklären, die Kinder erleben, die in einer ihnen zunächst fremden Familie aufwachsen sollen. Ich möchte dieses Buch auch nicht zu komplex halten. Daher kommen nicht alle möglichen Verhaltensauffälligkeiten vor, die manche Pflegekinder haben können. Ich möchte vor allem aber dafür werben, nicht alles zu pathologisieren, was Kinder an Unerwartetem tun.

Es geht um das tägliche Miteinander in einer Pflegefamilie, sowohl aus der Sicht der Pflegeeltern als auch aus der Sicht der Kinder. Im größten Teil meiner Ausführungen beziehe ich mich auf Kinder im Alter von 0 -14 Jahren.

Die eingefärbten Kästen sind Fragen oder Anregungen, noch einmal in sich hineinzuhören und sich Klarheit über sich selbst zu verschaffen.

Ein Leben mit einem Pflegekind ist eine Herausforderung. Es ist aber auch nicht so schwer, wenn man sich die Sache vorher gründlich überlegt oder im Vorfeld gut informiert ist. Vielmehr kann es sowohl für die Kinder wie auch für die Erwachsenen eine richtig gute und erfüllende Erfahrung sein.

Meine Idee zu dem Buch entstand durch den Kontakt zu anderen Pflegefamilien, durch die Fortbildungen des St. Elisabeth Vereins, Marburg, in meiner Supervision und durch den Austausch mit anderen Personen, die in das Leben von Pflegefamilien Einblick haben, z.B. Mitarbeiter von Jugendämtern, Kinderkliniken und Beratungsstellen.

Ich habe die Du-Form in diesem Buch gewählt, nicht weil ich respektlos erscheinen will, sondern weil mit dem „Du“ eine andere Ebene angesprochen wird. Nämlich Du selbst in Deinem Handeln und Wirken. Es ist nicht so distanziert und soll auf gar keinen Fall unhöflich sein. Es ist, wenn man so will, ein „Arbeits-Du“.

Ich habe im Vorfeld verschiedene Pflegeeltern befragt: Was ist positiv und was schwierig? Wann bist Du enttäuscht? Wie gehst Du mit Konflikten um? Was müsste schlimmstenfalls passieren, dass Du das Pflegeverhältnis als gescheitert erklärst? Was könnte besser klappen? Wo gibt es Schwierigkeiten?

Ich wollte mir einen Überblick verschaffen, wie es in anderen Familien zugeht.

Um es gleich vorweg zu sagen: Die meisten Pflegefamilien, die ich kenne, leisten eine tolle Arbeit mit den ihnen anvertrauten Kindern. Die meisten Familien sind tolle Menschen. Erwachsene und Kinder haben einen Weg miteinander gefunden, der für beide oft nicht nur gangbar ist, sondern sie glücklich macht.

Aber es gibt eben auch die Pflegefamilien, die mit der besten Absicht handeln und trotzdem scheitern. Scheitern heißt in solchen Fällen nicht, dass sie etwas Böses tun, sondern sie sind nervlich am Ende und verstricken sich in ihren Gefühlen. So entstehen Situationen, die weder dem Kind noch den Erwachsenen gut tun. Konflikte können zu unüberwindbaren Hindernissen werden. Denn bevor ein Kind wieder einen Beziehungsabbruch erlebt, weil es in einer Familie nicht mehr geht, solltest du dir alle potentiellen Konfliktsituationen erst noch einmal genauer ansehen. Vielleicht aus dem Gefühl heraus: „Ja, dass etwas schiefläuft, merke ich auch und ich möchte es ändern, aber ich hatte nur noch nicht die richtige Idee dazu.“

Wenn es nämlich einmal nicht mit einem Kind in einer Familie klappt, ist das eine Katastrophe für beide, Kinder und Erwachsene. Zunächst einmal für das Kind. Es fühlt sich schuldig und seine Annahme: „Mich will sowieso keiner!“ wurde bestätigt.

Eine neue Leidenssituation ist für das Kind entstanden, und wenn dies eintritt, leiden auch die Pflegeeltern. Sie fühlen sich als Versager und denken: „Warum ist es schief gelaufen?“ Habe ich versagt? Hätte ich es anders machen können?“

Erziehung ist kein leichter Job. Das haben viele schon bei ihren eigenen Kindern bemerkt. Es ist ein Job, den man 24 Stunden 7 Tage die Woche hat. Man kann sich nicht einfach mal freinehmen. Das anvertraute Kind ist immer da.

Ich nenne unsere Pflegekinder unsere uns anvertrauten Kinder. Denn das Wort „anvertraut“ impliziert mehr als das eher unpersönliche Wort „Pflege- oder Erziehungsstelle“. Es heißt nämlich auch, dass es Menschen gibt, die das Vertrauen in mich und meine Familie haben, dass ich das Kind gut begleite. Anvertraut heißt für mich auch, ich muss mir dieses Vertrauen verdienen und darf es nicht missbrauchen.

Ich selber mache auch oft Fehler in der Erziehung meiner mir anvertrauten Kinder, aber ich tue mein Bestes, dass es gelingt, ihre Entwicklung positiv zu begleiten. Erziehung ist oft ein Versuch-und-Irrtum-Projekt. Man merkt schnell, dass das, was man gerade tut, gar nicht wirkt, oder manchmal hat man aber eben auch das Gefühl auf einem guten Weg zu sein.

Inhaltsverzeichnis

Wie kann es gelingen?

Die Entscheidung zum pflegekind

Wie lernt man ein kind anzunehmen? – Reine gefühlssache!

Ein kind kommt

Zu hause fühlen – Wie denn?

Was ist wirklich schwierig?

Kennst du deine schwachstellen?

Wir alle brauchen eine struktur in unserem leben

Konfrontationsthemen können sein

Strafen – Muss das sein? – Jeden tag neu anfangen!

Schule – Ein auf und ab!

Nachwort

WIE KANN ES GELINGEN?

Wie so manches gelingen kann, möchte ich in diesem Buch schildern. Dazu benenne ich Probleme, die oft diskutiert werden, und wie schnell sich Konflikte einschleichen, ohne dass wir es wollen. Konflikte in einer Familie gehören zum Zusammenleben, denn nur so lernt man, auch in der Welt außerhalb der Familie Konflikte zu bestehen.

Sorgen mache ich mir, wenn es so gar nicht mehr klappt, wenn ich merke, dass mein mir anvertrautes Kind nicht glücklich ist und meine Nerven am Ende sind.

Kennst Du auch diese Situationen, in denen Du denkst:

,,Jetzt geht es gar nicht mehr weiter?”

Kennst Du Momente, in denen Du denkst:„So habe ich mir das nicht vorgestellt?“

Vor Kurzem habe ich jemandem zugehört, der sehr negativ und genervt von seinem Pflegesohn sprach. Eine andere Pflegemutter hatte das Gefühl, sie müsse dem Kind mit sprachlicher Gewalt begegnen, damit sie einmal Zeit für sich bekommt, weil das Kind immer wieder aus dem Zimmer kam und ihrer Meinung nach nichts anderes respektierte als diese Art der Sprache. Sie könne ja auch nicht einmal weggehen, denn sie wisse ja nie, was dann geschehe. Sie habe ja keine eigenen Freiräume mehr.

In einer anderen Familie verschließen die Pflegeeltern Vorratskammer und Kühlschrank, damit das Kind nicht alles „wegfrisst“. Als ich diese Aussagen hörte, war ich zunächst entsetzt und dachte bei mir, wie man nur so reden oder so etwas tun kann. Doch dann sah ich, dass solche Reaktionen auch mit Hilflosigkeit zu tun haben.

Es kann sein, dass man in Stresssituationen einmal ausfällig wird. Aber ich denke, man sollte es trotzdem vermeiden. Achte auf deine Sprache und achte darauf, dass sie niemanden verletzt, denn meistens verletzt du dich innerlich auch selber.

Ich möchte in meinem Buch ein paar Beobachtungen beschreiben, die vorher ansetzen, und schildern, wie man agieren kann, um es gar nicht erst so weit eskalieren zu lassen.

Es sollen keine Belehrungen sein, denn die nützen nichts. Es sollen nur ein paar andere Ideen sein, um vielleicht einen anderen Ansatz in belastenden Situationen zu finden. Ich möchte ein paar Dinge, die mir durch den Kopf gehen, einfach weitergeben.

Man verstrickt sich schnell in seinen guten Vorsätzen und manchmal hilft es schon, den Tagesablauf ein wenig anders zu gestalten, und schon entsteht ein anderes Familienklima.

DIE ENTSCHEIDUNG ZUM PFLEGEKIND

Es ist ein bewusster, manchmal auch ein spontaner Entschluss, ein fremdes Kind in sein Leben hinein zu nehmen. Es hört sich auf den ersten Blick nicht so schwierig an, denn Du denkst ja auch, dass ihr es schon ohne weiteres hinkriegen werdet. Sonst würden Du und Deine Familie es ja nicht tun. Einige Paare denken, dass sie ihre eigenen Kinder ganz gut aufgezogen haben, daher wird es auch mit einem Pflegekind klappen, oder sie haben noch kein Kind und wollen die Lücke in ihrem Leben ausfüllen.

Ein Kind aufzunehmen bedeutet aber eben auch einen großen Einschnitt in der eigenen Familie. Es ist ein fremdes Kind und kein „Eigengewächs“, keines, mit dem man schwanger war, keines, zu dem von vornherein eine Bindung besteht. Es ist kein Kind, mit dem man gewachsen ist und das in einem gewachsen ist. Es ist ein fremdes Kind mit eigener Mutter und eigenen Vater. Ihr bekommt das Kind meistens, weil das Jugendamt das Kind aus der Herkunftsfamilie herausgenommen hat. Oft geht das nicht ohne deren Widerstand und sehr oft plötzlich und dramatisch. Es kann auch sein, dass das Kind schon eine Zwischenstation in einer Inobhutnahmestelle hinter sich hat.

Ein Kind aufzunehmen ist wie in eine andere Kultur einzutauchen, denn nichts, was wir selber an Werten und Moralvorstellungen mitbringen, hat mit diesem Kind zu tun. Dieses Kind hat eine eigene Mutter und einen eigenen Vater, und hat, egal in welchem Alter du es bekommst, mit dem Bindungsabbruch ein Trauma erlitten. Das Kind hat evtl. schon mehr Enttäuschungen erlebt als wir Pflegeeltern in unserem ganzen Leben.

WIE LERNT MAN EIN KIND ANZUNEHMEN? – REINE GEFÜHLSSACHE!

Auf einmal steht ein fremdes Kind vor dir und es betrachtet dich mit einer Mischung aus Fremdheit und einem Funken Hoffnung. „Ist da jetzt jemand für mich da? Will die/der mich?“ Der Blick eines Kindes sagt so viel. Vielleicht sehe ich da auch, was ich sehen will. Aber ich versuche, genauer hinzuschauen. Ich versuche das Kind kennenzulernen. Kann ich es annehmen? Berührt es mein Herz? Kann ich mir vorstellen, dass es jeden Tag und jede Nacht bei mir/uns ist? Kann ich mir vorstellen, meine eigenen Bedürfnisse erst einmal eine ganze Weile zurückzustellen und mich komplett auf dieses Kind einzulassen? Ich glaube, es ist wichtig, dass ich das weiß und mein Gefühl dem Kind gegenüber stimmt, und erst wenn ich zu diesem Schritt gekommen bin, kann ich für mich und meine Familie sagen, dass wir dieses Kind in unsere Familie aufnehmen möchten.