Zueinander finden - Marianne Kopp - E-Book

Zueinander finden E-Book

Marianne Kopp

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Beschreibung

Wie damit umgehen, wenn Großeltern der Kontakt zu ihren Enkelkindern verwehrt wird? Betroffene Großeltern leiden in dramatischer Weise unter diesem Zustand und sind oft hilflos. Wie soll das Leben weitergehen angesichts des Verlustes der Enkelkinder? Dieses Buch gibt Antworten und Betroffenen Hilfestellung. Ein Arbeitsbuch für von Enkeln getrennte Großeltern, die entweder in einer Selbsthilfegruppe oder auch für sich allein Hilfe und Ermutigung suchen.

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Seitenzahl: 206

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Informationskapitel

Zuerst noch ein paar Bemerkungen …

1. Was machen Großeltern eigentlich?

2. Hätte, hätte, Fahrradkette ...

3. Bittere Wahl: Verlassen oder verstoßen?

4. Sie sind nicht die Opfer Ihrer Kinder – so viel Selbstbewusstsein muss sein!

5. Tausche Wut und Hilflosigkeit gegen selbstbestimmtes Leben

6. Kommunikation – miteinander reden

7. Ohne Vermittlung geht es manchmal nicht – Mediation

8. Lassen Sie sich nicht demütigen: Drehen Sie den Spieß doch einfach um!

9. Lernen Sie, zu akzeptieren was ist

10. Auch ohne meine Enkel

11. Schreckgespenst Einsamkeit

12. Heimlichkeiten nicht mal an Weihnachten: Was Sie in Ihrer Situation unbedingt vermeiden sollten

13. Andere Eltern haben auch Kinder: Leihgroßeltern oder anderer Umgang mit Kindern

14. Ein guter Rat zum Schluss: Puzzeln Sie Ihren Kummer klein!

15. Wenn nichts mehr hilft …

Werkzeug Nr. 1 Bedeutung einer Selbsthilfegruppe

Werkzeug Nr. 2 Gesprächsregeln für eine Gesprächsgruppe

Werkzeug Nr. 3 Fragen für ein Gespräch in der Gruppe

Arbeitskapitel

Arbeitsthemen für Gesprächsgruppen

16. Es geht nicht um Sieg, sondern um Fortschritt: Konflikte

17. Wenn der Lebensrucksack drückt

18. Wahrheiten mit Verspätung: Enttäuschung gehört zum Leben

19. Du darfst jederzeit heimkommen

20. Das mir (uns) das passieren muss, oh, wie peinlich!

21. Zu viel Nettigkeit: Toxische Positivität

22. Werden Sie kreativ: Eigenes Leben gestalten

23. Innenarchitektur: Re-Framing oder dem Geschehen einen neuen Rahmen geben

24. Kommen Sie einfach mal runter: Gewaltfreie Kommunikation

25. Inventur statt Abrechnung!

26. Wegen Inventur geschlossen: Fangen Sie bei sich an!

27. Geht das? Sich ent-schuld-igen?

28. Ohne Risiken und Nebenwirkungen: „Supermedikament“ – Vergebung

29. Hör doch auf zu heulen? Nein!

30. „Du fehlst mir so“ – Mit Verlusten leben

Zu guter Letzt

Quellenverzeichnis

„Aus jeder Situation kann man etwas machen.“

(Reinhard Mohn, Bertelsmann-Nachkriegsgründer, eingespielt bei „Das blaue Sofa in Gütersloh“ am 9. Juni 2021)

Wegen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen und personenbezogenen Hauptwörtern in diesem Buch hauptsächlich die männliche Form verwendet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Form hat rein schreibtechnische Gründe und beinhaltet keine Wertung.

Vorwort

Liebe Großeltern, dieses Buch richtet sich an alle, die von ihren Enkeln getrennt wurden aufgrund willkürlicher Entscheidungen der Enkeleltern. Es richtet sich an jene Großeltern, die sich verstoßen oder verlassen fühlen, weil ihnen der Kontakt zu den Enkeln verwehrt ist.

Was Ihnen passierte ist so dramatisch und bitter, dass wir es in diesem Buch in Worte zu fassen versuchen.

Warum wir dieses Titelbild gewählt haben

Auf den ersten flüchtigen Blick erschließt sich dem Betrachter nur ein Tropfen am Ast. Wer jedoch genauer hinschaut, erkennt, wie sich in diesem Tropfen der ganze Baum spiegelt.

Wie beim Titelbild geht es uns im vorliegenden Arbeitsbuch immer wieder um einen Perspektivwechsel: wir möchten Ihren Blickwinkel von dem, was Ihnen verloren ging (Ihre Enkel), hin wenden zu dem, was Ihnen noch geblieben ist. Sie dürfen entdecken, dass das Leben dennoch schöne Seiten und Ihnen etwas zu bieten hat.

Wie Sie dieses Buch handhaben können

Wir haben ein Arbeitsbuch geschrieben. Es ist unterteilt in Informations- und Arbeitskapitel. Nehmen Sie dafür einen Stift, Haftnotizen und ein Blatt Papier zur Hand, kreuzen Sie an, beantworten Sie die gestellten Fragen oder schreiben Sie auf, wie es Ihnen gerade geht. Das kann sowohl miteinander in Gruppen oder auch daheim, ganz individuell, geschehen.

Doppelungen sind gewollt

Aussagen, die sich wiederholen, sind gewollt, denn Sie müssen die Kapitel nicht in ihrer Reihenfolge durcharbeiten.

Kleiner Tipp: Wir empfehlen, unseren Ratgeber Typisch Oma, typisch Opa?! anzuschaffen, weil wir in diesem Buch oft Bezug darauf nehmen. Da wir uns nicht selbst zitieren wollten oder wiederholen, verweisen wir oft nur auf das entsprechende Kapitel.

Es wäre auch nicht verkehrt, unsern zweiten Ratgeber, Miteinander, füreinander, voneinander zur Hand zu haben, auf den wir zur Vertiefung einzelner Themen genauso verweisen.

Beim Schreiben dieses Buches haben wir vor allem an Selbsthilfegruppen gedacht

Im zweiten Teil erklären wir Ihnen, wie eine Selbsthilfegruppe funktioniert, wie man sie gründet und welche Regeln zu beachten sind.

Wir ermutigen Sie, sich mit anderen Großeltern, die keinen Kontakt zu ihren Enkelkindern haben, zusammenzufinden. Denn geteiltes Leid ist halbes Leid.

Wir können Ihnen nach dieser Lektüre nicht versprechen, dass sich das Verhältnis zu Ihren Kindern wieder normalisiert. Was wir Ihnen aber versprechen, wenn Sie mit unserm Buch an sich arbeiten, werden Sie Ihr Leben wieder in den Griff kriegen und neue Perspektiven für sich entdecken. Dabei besteht durchaus die Hoffnung, dass Sie, Ihre Kinder und Enkel wieder zueinander finden. Voraussetzung wäre allerdings, dass eine Seite mit dem ersten Schritt beginnt. Es gibt bequeme und herausfordernde Wege. Es liegt bei Ihnen, welchen Sie wählen.

Wir wünschen Ihnen viel Kraft und viele neue Erkenntnisse. Möge daraus auch eine neue Interpretation Ihrer Lebenssituation erwachsen!

Marianne und Reinhard Kopp

Informationskapitel

Was Sie brauchen

genügend Zeit

Offenheit

Ehrlichkeit mit sich selbst

Bereitschaft, Ihre Situation zu verändern

Aus (Lebens)Trümmern lässt sich manches bemerkenswerte Lebens-(Bau)werk errichten

Informationskapitel

1. Was machen Großeltern eigentlich?

2. Hätte, hätte, Fahrradkette

...

3. Bittere Wahl: Verlassen oder verstoßen?

4. Sie sind nicht die Opfer Ihrer Kinder – so viel Selbstbewusstsein muss sein!

5. Tausche Wut und Hilflosigkeit gegen selbstbestimmtes Leben

6. Kommunikation – miteinander reden

7. Ohne Vermittlung geht es manchmal nicht: Mediation

8. Lassen Sie sich nicht demütigen: Drehen Sie den Spieß doch einfach um!

9. Lernen Sie, zu akzeptieren was ist

10. Auch ohne meine Enkel

11. Schreckgespenst Einsamkeit

12. Heimlichkeiten nicht mal an Weihnachten: Was Sie unbedingt vermeiden sollten in Ihrer Situation

13. Andere Eltern haben auch Kinder: Leihgroßeltern oder anderer Umgang mit Kindern

14. Ein guter Rat zum Schluss: Puzzeln Sie Ihren Kummer klein!

15. Wenn nichts hilft … Die Bundesinititiative Großeltern (BIGE

)

Zuerst noch ein paar Bemerkungen …

Was haben wir eigentlich falsch gemacht

bei der Erziehung unseres Kindes?, werden Sie sich als Großeltern immer wieder fragen. Statt einer konkreten Antwort verweisen wir darauf, dass Ihre Kinder inzwischen erwachsene Menschen sind, die selbst entscheiden, wie sie ihr Leben führen möchten. Manche glauben, es ginge ohne Eltern bzw. Großeltern viel besser, weil sie niemand bevormundet oder ihnen reinredet. Dass sie sich dabei bisweilen auf dem Holzweg befinden, erkennen sie meistens erst viel später, oft leider zu spät. Dann ist das sprichwörtliche Kind im Brunnen längst unrettbar untergegangen.

Das könnte bei uns nicht passieren

Doch. Das könnte jedem passieren. Niemand ist davor gefeit, dass plötzlich ein Riss durch die bis dahin ach so engen, heilen Familienbande geht. Jemand heiratet neu ein in die Sippe, lebt mit einem unserer Kinder zusammen oder „checkt“ plötzlich aus, verlässt die Familie mittels Trennung oder Scheidung und nimmt den Nachwuchs gleich mit.

In der irrigen Meinung, zu einem gescheiten Neuanfang gehöre nun mal, alle bisherigen Bindungen auf null zu setzen, wird nicht nur der Partner entsorgt, sondern die dazugehörigen Anverwandten, wie Großeltern, gleich mit. Und das könnte nicht jedem passieren? Die Trennungsstatistiken sagen etwas anderes! Darum dürfen Sie solchen Besserwissern gerne entgegenhalten, dass auch sie sich auf sehr dünnem Eis bewegen.

Sie sind kein Einzelfall

Falls Sie den Kontakt zu ihren Enkeln vielleicht auf behördlichem Wege wiederherzustellen versuchten, kennen Sie eventuell diesen Satz: Sie sind ein Einzelfall! Einzelfall zu sein bedeutet, dass Sie bzw. Ihre Kinder aus der Norm gefallen sind, andere diese Probleme nicht haben oder haben werden, den Behörden so etwas noch nie untergekommen ist und man Ihnen deswegen nicht weiterhelfen kann (oder will).

Natürlich sind Sie und Ihre Situation ein Einzelfall, wie jeder überall und in vielerlei Situationen ein Einzelfall ist, aufgrund seiner Individualität. Sie gehören zu den jährlich ca. 150.000 neu hinzukommenden Großeltern, deren Enkel aufgrund von Trennung oder Scheidung auch von anderen familiären Bindungen getrennt werden. Und sind somit kein Einzelfall. Mit anderen Worten: Vater oder Mutter kappen ihren Kindern willkürlich die Verbindung zu Oma und Opa und bringen ihren Nachwuchs damit in schlimme Konflikte. Darüber haben wir gerade ein Buch geschrieben.

Das Buch heißt: Was Ihr Euren Kindern antut, wenn Ihr sie von den Großeltern trennt.

Dieses Buch ist nichts für Sie,

wenn Sie aufgrund Ihrer Wut und Enttäuschung inzwischen auf Protest „gebürstet“ sind, Ihre persönlichen Feinde in Justiz, den Ämtern oder der Politik sehen, und Ihren Focus ausschließlich darauf richten, mit denen abzurechnen. Obwohl auch wir eklatantes Versagen der entsprechenden Stellen sehen und beklagen, sind wir keineswegs gewillt, unsere kostbare Lebenszeit mit sinnlosem Streit oder Protesten zu verbringen, die außer persönlichem Ärger und Frust nichts abwerfen. Verhältnisse, gerade politische, ändern sich in der Regel nicht über Nacht. Trotzdem dranzubleiben und auf welche Art ist eine andere Geschichte.

Zu Risiken und Nebenwirkungen

Genauso möchten wir Sie vor diesem Buch „warnen“, wenn Sie tagein tagaus beschäftigt sind, Ihren Kindern alle Schuld an dem Zerwürfnis zuzuschieben, Ihre Kinder bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit schlecht machen und sich zu diesem Zweck mit gleichbetroffenen Großeltern treffen. In allen diesen Fällen raten wir Ihnen von der Lektüre unseres Buches ab.

Wenn Sie aber gewillt sind, das Ihre dazu beizutragen, um mit Ihren Kindern und Enkeln wieder ins Reine zu kommen, ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis zu leben und willens sind, an sich selbst, Ihrer Persönlichkeit, Ihrem Charakter, zu arbeiten, dann beglückwünschen wir Sie zu diesem Entschluss. Sie werden vieles lernen, manches wird mit Ihrer eigenen Erfahrung übereinstimmen. Sie können sich in vielem bestätigt und sich wohl fühlen, wenn Sie merken, dass bei Ihnen persönlich etwas vorwärts geht. Wir wollen Sie herausholen aus der Spirale von Selbstmitleid und Wut ohne Ihr Problem kleinzureden oder zu verniedlichen. Wir möchten Ihnen helfen, falls sich die zerbrochene Beziehung nicht mehr kitten lässt, wenigstens ein achtbares, zufriedenes Leben weiterführen zu können.

In diesem Sinne: Herzlich Willkommen im Club derer, die Probleme nicht nur beklagen, sondern an einer Lösung interessiert sind, die von ihnen selbst ausgeht!

1. Was machen Großeltern eigentlich?

Die Großelternrolle ist nicht definiert

Die Großelternrolle ist weder klar definiert, noch mit konkreten Verhaltensforderungen verknüpft und kann daher auf individuelle Weise ausgeführt werden. Mit anderen Worten: Es gibt für uns Großeltern keine familienrechtliche Definition, wie etwa für die Rolle von Vater oder Mutter.

Es ist, als bewegten wir uns in einem völlig autarken Raum: wir können tun und lassen was wir wollen, also etwas tun oder alles lassen. Wenn wir uns entschließen, uns nicht um unsere Enkel zu kümmern, kann uns niemand belangen: die Enkel nicht, die Enkeleltern nicht, keine Nachbarn, Verwandten, weder eine Behörde noch irgendjemand anderes. Es ist und bleibt unsere Entscheidung, mit deren Folgen wir zwar zurechtkommen müssten, dennoch hätten wir keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten, von keiner Seite.

Diese totale Entscheidungsfreiheit ist, vordergründig betrachtet, die Schokoladenseite der Großelternschaft. Die meisten Großeltern entscheiden sich selbstverständlich für ihre Enkel und die damit verbundenen Verpflichtungen. Die meisten übertreiben es vielleicht sogar in dieser Richtung. In jedem Fall bleibt so eine Entscheidung freiwillig.

Als Eltern hatten wir diese Freiheit nicht. Nachdem der Nachwuchs geboren war, wurden wir in die Pflicht genommen, die meistens auch über das Alter der Volljährigkeit hinaus andauern.

Halten wir also fest: Großeltern haben das Glück einer freiwilligen Entscheidung.

Die Kehrseite des Ganzen ist allerdings, dass es für uns kaum eine Handhabe gibt, wenn es darum geht, den Kontakt zum Enkelkind einzufordern.

Werden uns die Enkel entzogen, können wir rechtlich dagegen kaum Einspruch erheben, wie beispielsweise der Vater oder die Mutter, denen vom Ex-Partner der Kontakt mit dem Kind verweigert wird.

Seien Sie sich folglich bewusst, das juristische Recht ist nicht unbedingt auf Ihrer Seite. Auch wenn Sie und das Enkelkind sich noch so sehr mögen, lieben oder vermissen, ein Richter entscheidet weniger nach Emotionen, als vielmehr nach Aktenlage.

„Denn Großeltern haben nur dann ein Anrecht auf Umgang mit dem Enkelkind, wenn dieser Umgang ‚dem Wohl des Kindes dient‘, was vom Gericht positiv festgestellt und von den Großeltern nachgewiesen werden muss. Das ‚Wohl des Kindes‘ muss dabei nicht gleichbedeutend mit dem ‚Wunsch des Kindes‘ sein; vor allem wenn Kinder Gefahr laufen, in Loyalitätskonflikten zerrieben zu werden, tendieren die Gerichte meist zu einer restriktiven Regulierung des großelterlichen Umgangsrechts und genehmigen dieses nur selten.“ (Eckard Hammer, Großvater sein, Seite 135)

2. Hätte, hätte, Fahrradkette ...

Kennen Sie diesen flapsigen Spruch? Mit anderen Worten: was wäre, wenn ... Wenn der eine oder andere im Lotto gewönne, der Lebenspartner ein anderer wäre, wir in einem anderen Land leben würden usw. In diesem Kapitel träumen wir für Sie von einer intakten Enkelbeziehung.

Was wäre, wenn Sie eine funktionierende Enkelbeziehung leben könnten?

Wer Enkelkinder von klein auf begleiten darf, weiß es: nachdem unsere eigenen Kinder erwachsen geworden sind, Jahrzehnte später also, besuchen wir endlich mal wieder einen Spielplatz, sehen eine Kita von innen und erleben, wie Schule inzwischen funktioniert. Enkel bringen uns sozusagen an den „Puls der Zeit“.

Wir dürfen miterleben, wie Kinder heutzutage aufwachsen.

Kinder sprühen vor Leben und Abenteuerlust, was auf viele Großeltern überzuspringen scheint, denn sie beginnen ebenfalls manches Wagnis, von dem sie vorher nie geglaubt hätten, dass sie es nochmal tun würden: schaukeln, wippen, rennen, Sandkuchen backen, Kaufmannsladen spielen, im Nichtschwimmerbecken planschen. Derart beschäftigte ältere Menschen haben kaum Zeit, den eigenen Wehwehchen Beachtung zu schenken. Vielleicht wundern Sie sich sogar, dass die Knochen nicht mehr so steif sind, wie noch vor ein paar Monaten und ahnen, dass es daher kommt, weil Sie sich jetzt regelmäßiger bewegen (müssen). Sonst kämen Sie nicht hinterher, wenn der kleine Wildfang davon saust.

Selbst die Beschäftigung mit Teenager-Enkeln, die ja nicht mehr auf Spielplätzen stattfindet, bringt ein Stück Lebendigkeit. Wie geht das mit dem „Internetz“? „Internet“, wird Sie Ihr jugendliches Enkelkind korrigieren und Ihnen wohlwollend helfen, Ihr Handy zu entsperren, nachdem Sie versehentlich auf eine falsche Taste gekommen sind.

Enkelkinder bringen uns Leben. Mit ihnen gemeinsam haben wir Zukunft vor uns und nicht nur Vergangenheit hinter uns!

Wenn für viele Eltern ihr eigentlicher Lebenssinn im Großziehen der Kinder bestand, wie viel mehr wird für Großeltern dann dieser Lebenssinn erweitert, wenn Enkelkinder da sind. Enkel „ziehen“ uns ins Morgen, zeigen uns, wo es langgeht.

Es könnte eine wechselseitige Beziehung werden, wenn Großeltern die Lebens-Sinn-Frage für sich schlüssig geklärt haben: Woher komme ich, wohin will ich, was trägt mich, was prägt mich, was gibt mir Kraft? Das nennt sich dann Lebenserfahrung. Davon dürfen Großeltern gerne großzügig austeilen.

Mehr darüber im Buch Wissen Großeltern alles besser?

Großeltern, die Enkelkontakt haben, leben zufriedener. Dankbare, zufriedene Menschen, das hat die Wissenschaft längst herausgefunden, sind gesünder. Gesunde Menschen verfügen über widerstandsfähige Immunsysteme. In der Sprache unserer Enkel ausgedrückt: die haut so schnell nichts um. Gesunde Menschen haben gute Chancen, alt zu werden. Sie werden noch die Hochzeit ihrer Enkel erleben und Urgroßelternfreuden entgegensehen.

Das alles könnte sein und werden, wenn ... es nicht diese schlimme, hässliche, schreckliche Trennung von den Enkeln gäbe. Bedeutet das nun im Umkehrschluss, Sie werden früher sterben, weil Sie keinen Kontakt mehr zu Ihren Enkeln haben dürfen? Hoffentlich nicht! Auch mit Einschränkungen oder chronischen Leiden kann der Mensch ein achtbares Alter erreichen, wenn er sich nicht unterkriegen lässt und trotz allem sein Leben so einrichtet, dass die Faktoren Dankbarkeit und Zufriedenheit, wenn auch in bescheidenerem Rahmen, nicht zu kurz kommen.

3. Bittere Wahl: Verlassen oder verstoßen?

Sind Sie „verlassene“ Großeltern, weil Sie keinen Kontakt zu Ihren Enkeln haben dürfen? Fühlen Sie sich „verstoßen“? Oder verstehen Sie sich als von Ihren Enkeln (willkürlich) getrennt lebend?

Wir haben es hier mit verschiedenen Wortnuancen zu tun, die diesen unzumutbaren Zustand beschreiben. Dabei wird die Härte des Abgetrenntseins sehr unterschiedlich ausgedrückt. In einem Wörterbuch sind wir der Entstehung und Wortbedeutung verschiedener Begriffe im Zusammenhang mit verlassen und verstoßen nachgegangen und haben Interessantes herausgefunden:

Verlassen

Im Lateinischen gibt es den Begriff „serere“, der aneinanderfügen, reihen bedeutet. Davon wurde später das Wort desertieren, abtrennen, verlassen gebildet. Verlassen ist das Gefühl der Einsamkeit und fehlende Geborgenheit.

Einsam

Im 16. Jahrhundert für unverheiratet, für sich allein, verlassen, verwendet.

Eklipse

Entlehnt aus dem Lateinischen eclipsis und dem Griechischen ekleipsis mit der Bedeutung von ausbleiben, verschwinden, verlassen, sich verfinstern. In der Astronomie ist es ein Fachbegriff für Sonnen- und Mondfinsternisse.

Gelassen

Erinnert an

ruhig, beherrscht

und

gleichmütig

. Auch im Sinn von

lassen, erlassen, unterlassen

und

verlassen

. Gegenwärtig gelangt der Begriff

Gelassenheit

zu neuer Bedeutung.

Verstoßen

Stoßen

ist ein starkes Verb. Wortverwandt dazu:

Stock,schlagen, stottern, stupfen, stutzen, stupid

und

verstoßen

– alles geschieht gegen den persönlichen Willen mit körperlicher oder seelischer Gewaltanwendung.

Beißen

Starkes Verb. Verwandte Begriffe:

spalten, trennen, zerstören, erschlagen, beizen, bitter

.

Trennen

Gehört seit dem 10. Jahrhunderts zum Standardwortschatz, wie auch

entrinnen

und

abgetrennt

sein. Mit

trennen

verbunden sind auch die Fremdworte

separat, kritisch, diakritisch

. Ein

Scheit

ist etwas

Getrenntes, Gespaltenes

. Beim

Scheren

schneidet, trennt

oder

teilt

man etwas ab. Dabei geht es

schroff

und

scharf

zu. Im Begriff scheren steckt auch das Wort

Scherbe

.

Scholle

Ein Stück Erde vom Ackerboden ist auch etwas

Abgetrenntes

oder

Abgespaltenes

.

Route

Dieser aus dem Französischen stammende Begriff hat es auch mit trennen zu tun und bedeutet

freigebrochener Weg

. Das lateinische rumpere bezeichnet ein

brechen, zerteilen, gewaltsam trennen

. So bezeichnete man einen von Menschenhand angelegten Weg in der Wildnis.

Diese unterschiedlichen Begriffe zeigen von Betroffenheit bis zu starkem Schmerz, welche Härte in ihnen steckt. Aufgrund von Verlassen- oder Verstoßensein nimmt das eigene Leben plötzlich andere Formen an, lässt Betroffene erstarren und antriebslos, fast stumpfsinnig werden.

In diesem Zusammenhang sind wir auf den Begriff „untot“ gestoßen. „Heute nicht zu sterben, bedeutet nicht, am Leben zu sein, sondern nur untot zu sein. Denn ist es nicht bereits angebrochen, das Zeitalter der Untoten, die das Leben vergessen, weil sie Tag und Nacht damit beschäftigt sind, sich auf Schritt und Herzschlag zu überwachen.“ (Thea Dorn „Trost: Briefe an Max“)

Das Wort „lost“ (verloren) wurde 2020 von den Jugendlichen zum Wort des Jahres gewählt.

4. Sie sind nicht die Opfer Ihrer Kinder – so viel Selbstbewusstsein muss sein!

Ihnen ist Schreckliches widerfahren. Sie wurden u. U. ungerecht behandelt, Ihre Kinder haben Ihnen Leid angetan, kurz gesagt: Sie fühlen sich als Opfer. Sie stehen vielleicht fassungslos vor den Trümmern einer bis dahin funktionierenden Enkel-Großeltern-Enkelelternbeziehung und sind von jetzt auf gleich außen vor. Abgelegt, weggeschubst, weggedrückt, beschimpft, verleumdet, verletzt. Zu sagen, das schmerze, ist noch viel zu milde ausgedrückt. Diese Schmerzen brüllen regelrecht, es zerreißt das großelterliche Herz, es hinterlässt nicht nur eine offensichtliche Leere in Ihrer Wohnung, sondern auch in Ihrem Kopf. Dafür gibt es kein Medikament, keine Tabletten, keine Tropfen, kein Pflaster.

Anzeigen können Sie es auch nicht, denn kein Polizist würde Ihnen zuhören, wenn Sie behaupten, ein Opfer zu sein. Schließlich sind Sie in diesem Fall weder niedergestochen noch bestohlen worden. Ihr Körper weist keine Stiche auf und Ihre Handtasche steht unversehrt auf dem Schränkchen im Flur.

Und trotzdem leiden Sie wie ein waidwundes Tier, denn man hat Sie anderweitig beraubt, hat Ihnen Ihre Enkelkinder weggenommen, Sie damit Ihres Lebenssinnes beraubt, Sie in eine Leere gestoßen und sich selbst überlassen. Angekommen in einem Lebensraum, von dem Sie sich nie hätten träumen lassen, dass es ihn überhaupt gibt, müssen Sie sich erstmal zurechtfinden. Und das kann dauern.

Jetzt wäre es an der Zeit, die „Machtfrage“ zu stellen: Mache ich mich zum Opfer anderer (meiner Kinder), so gebe ich ihnen die Herrschaft über mein Leben und mache mich abhängig. Als Großeltern „entmachten“ Sie sich dadurch selbst.

Ist in der Opferrolle zu bleiben bequemer?

Opfern ist Schlimmes geschehen, Opfer sind bemitleidenswert und hilflos, Opfer brauchen Aufmerksamkeit. Das alles stimmt. Wir wollen nicht verharmlosen, dass schlimme Verbrechen passieren und betroffene Menschen darunter zu leiden haben. Auch das, was Ihnen, liebe Großeltern, geschah, soll nicht verniedlicht werden. Man hat Ihnen sozusagen ein Stück eigen Fleisch und Blut entrissen. Das hinterlässt natürlich eine klaffende Wunde, keine Frage.

In Typisch Oma, typisch Opa?! ab Seite 167 Ausführliches zur Opferrolle.

Doch stellt sich die Frage: Wollen Sie Ihr restliches Leben in dieser Opferrolle verharren? Wollen Sie als lebendiger Vorwurf an die leben, die Ihnen das angetan haben? Wollen Sie fixiert bleiben auf Ihre übergriffigen, respektlosen, gleichgültigen Familienmitglieder, derentwegen Sie gerade so leiden? „Schmerz ist unvermeidlich, Leiden freiwillig“, hat mal jemand gesagt. Sie haben die Antwort in der Hand und die kann nur lauten: ja oder nein. Ein „aber“ oder etwas „dazwischen“ gibt es nicht. Wenn Sie darin verharren, können Sie auf ewig Wunden lecken, sich ins Unrecht gesetzt fühlen. Es gibt sogar einen Aha-Effekt dabei: die andern schulden Ihnen nämlich was! Sie haben Ihnen das angetan, jetzt sollen sie sehen, wie Sie damit zurechtkommen! Doch Hand aufs Herz: Solche Aha-Effekte sind ganz gewiss nicht der große Wurf, sondern eher in die Kategorie „Trost“-Preis einzuordnen. Wollen Sie sich weiterhin mit einem „Trost“-Preis zufriedengeben?

Mitleid einheimsen

Bemitleidenswerte Menschen können passive Menschen werden. Sie „wälzen“ sich voller Wonne in ihrer Opferrolle und genießen die Mitleidsbekundungen der andern. Aber irgendwann lichtet sich das Publikum, der Kreis der Anteilnehmenden wird kleiner, irgendwann „baden“ Sie ganz allein in all dem Schlamassel und keinen interessiert es mehr. Keiner will oder mag mehr hören, was Sie gebetsmühlenartig von sich geben, weil jeder Bescheid weiß und es doch niemanden noch wirklich interessiert.

Andern die Schuld geben – Verantwortung verschieben

Damit wollen wir nicht behaupten, Ihre Kinder hätten richtig gehandelt und Sie lägen falsch. Keine Frage, was Ihnen widerfuhr, wünschen wir niemandem und es ist (meistens) Unrecht! Aber damit, dass für Sie die Schuldfrage dahingehend geklärt scheint, nämlich die Enkeleltern entziehen Ihnen die Kinder, machen Sie sich abhängig.

Opfer, die nichts unternehmen, um ins alltägliche Leben zurückzufinden, damit der Täter mal merkt, was er „angerichtet“ hat, machen sich abhängig von ihm. Wer so lebt, hat seinen Fokus falsch justiert. Auch wenn wir uns wiederholen, weisen wir erneut auf den Franzosen Antoine Leiris, dessen Frau eines der Opfer des Anschlags auf das Bataclan in Paris 2015 wurde. Zurück blieben er und sein 17 Monate alter Sohn. Er schrieb damals einen offenen Brief an die Täter, woraus später ein Buch wurde unter dem Titel: „Meinen Hass bekommt ihr nicht“. Er hatte sich entschlossen, sein Leben zu leben, ohne sich von den terroristischen Verbrechern abhängig zu machen. Er war und ist nicht auf ihr Mitleid oder ihre Schadenfreude angewiesen. Liest man in diesen Zeilen, spürt man einen furchtbaren Schmerz, der sich mit gleicher Entschlossenheit paart, solchen Attentätern nicht die Oberhand über sein weiteres Leben und das seines Sohnes zu lassen.

Vielleicht könnten Sie sich, liebe Großeltern, entscheiden, Ihren Kindern nicht Ihre verletzten Gefühle, Ihre Wut oder Ihren Ärger aufzubürden, sondern alles selbst zu be- und verarbeiten.

Von wem Sie sich abhängig machen, dem geben Sie die Macht über sich

Bestimmt liegt Ihnen nichts ferner, als sich zum Spielball Ihrer Kinder und Enkel machen zu lassen. Damit das weder geschehen noch weiter geschehen kann, müssen Sie aus der Opferrolle herauskommen, so schwer es Ihnen auch fallen mag. Denn wer die Macht über Sie hat, der bestimmt über Sie.

Selbst wenn sich Kinder und Enkel von Ihnen getrennt haben, werden sie weiter Ihr Leben bestimmen, falls Sie nicht aus der Opferrolle kommen. Und manche werden es sogar genießen, Sie leiden zu sehen. Erst in dem Moment, wo Sie dagegen aufstehen, aufbegehren und nicht mehr mitmachen, durchbrechen Sie die aufgezwungenen Regeln, und das Ganze wird für Ihre „Gegenpartei“ uninteressant, bzw. sogar zum Bumerang. Denn das, woraus sie ihre eigene Zufriedenheit und Überlegenheit zu schöpfen meinten, existiert nicht mehr. Das Kartenhaus ist zusammengebrochen, Game over. Und Sie wären frei für ein Leben nach Ihren Regeln und Wünschen.

Ihre Kinder sind erwachsene Menschen, die Sie so gerne vor Ihren Fehlern bewahren würden

Jede Mutter, jeder Vater weiß genau, welche Folgen manche Entscheidung nach sich zieht und setzt darum alles daran, den eigenen Nachwuchs davor zu bewahren. „Alles“ daran zu setzen, deswegen mit jedem Mittel zu arbeiten, nennt sich „Übergriffigkeit“ oder „Verhätscheln“.

Sie können Ihren Kindern nicht jede Entscheidung abnehmen, Sie müssen oft damit leben, dass manche Entscheidung eigentlich falsch war. Darin besteht die Weisheit des Alters, nicht wie ein lebendiger Vorwurf herumzulaufen, sondern gelassen zu bleiben. Großeltern, die mit so etwas nicht gut leben können, müssten sich eigentlich täglich mantraartig bewusst machen, dass ihre Kinder erwachsen und voll verantwortlich für sich selbst sind.

Resilienz

Gestärkt aus Krisen hervorgehen, das versteht man unter „Resilienz“. Resilienz ist das krasse Gegenteil einer Opferabhängigkeit.

Mehr über Resilienz in Miteinander, füreinander, voneinander ab Seite 234

Auch Sie können gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn Sie es wollen. Es ist Ihre Entscheidung.

5. Tausche Wut und Hilflosigkeit gegen selbstbestimmtes Leben