Zukunft am Scheideweg - Claude Peiffer - E-Book

Zukunft am Scheideweg E-Book

Claude Peiffer

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Beschreibung

Falak-Tor und Blaue Kutten Der geheimnisvolle Fremde und die mächtigen Priester finden zusammen und entscheiden über das Schicksal der Menschheit. Die Masanische Allianz. Um den Frieden innerhalb der Lebenszone PAMAAGBO zu sichern, bereitet sich der Bahor der MA auf einen Krieg vor. Doch ein alter Gegner stellt sich ihm in den Weg. Die Kehati Der Kampf um den Thron der Kehati erreicht seinen Höhepunkt. Ein neuer Weg wird offenbart. Rebellen und Freidenker Der Aufstand der Rebellen und Freidenker gegen die Republik Terra und das Kartell ist gescheitert. Ihr Schicksal scheint besiegelt. Nereidschan Während sich sein Volk um das mysteriöse Projekt NURAGE kümmert, verteilt der Labora Nereidschan seine rätselhaften Weisheiten und sorgt für ziemlich viel Verwirrung.

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Seitenzahl: 267

Veröffentlichungsjahr: 2017

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„Er kam aus den Tiefen der Zeit, um den Menschen zu helfen, nicht um sie zu töten. Doch sie ließen ihm keine Wahl.“

Aus den Aufzeichnungen der Kosmischen Archivare von Halgoren

Inhalt

Kapitel 24: Die vergessenen Krieger

Kapitel 24: Das Talwenium-Gambit

Kapitel 26: Verstrickungen

Kapitel 27: Terraner unerwünscht

Kapitel 28: Begegnungen

Kapitel 29: Begegnungen

Erleben Sie Science-Fiction „made in Luxembourg“ Tauchen Sie ein in das Sci-Fi-Universum

Kapitel 24

Die vergessenen Krieger

27. Leztar 1435 ZMA (Zeitrechnung der Masanischen Allianz)

„Die Operation Brückenkopf wird programmmäßig in drei Tagen starten“, versicherte Hanor-Kum-Daghol seinem Begleiter, der gemächlich neben ihm hertrottete.

„Gut!“, knurrte Jaga-Numt-Aso zufrieden und folgte dem Obersten Rudelführer der Timber in eine der zahlreichen Kommunikationszellen der WERTF-TIM-3.

„Wir dürfen uns keine weitere Verzögerung erlauben. Ich bin mir sicher, dass Nuka-Nogh-Sponn irgendetwas in seinem kranken Hirn plant. Er verheimlicht bereits seit mehreren Tagen Information vor mir.“

Numt schmunzelte kurz und fügte in einem sarkastischen Unterton hinzu:

„Dabei ist er doch sonst stets so mitteilsam.“

„Hm!“, brummte der Kum nachdenklich. „Ist er uns vielleicht auf die Schliche gekommen? Das könnte unangenehm für Sie werden, Numt.“

„Nein!“, behauptete Jaga-Numt-Aso überzeugt, wobei ein tiefes Bellen aus seiner Kehle drang. „Ich bin mir sicher, mein Status als Doppelagent bei der Masanischen Allianz ist auch weiterhin nicht gefährdet. Schließlich war ich dem Bahor stets ein hingebungsvoller Vertrauter, ja sogar fast schon ein Freund“, spottete Numt. „Dieser feige Hund ist bloß extrem paranoid.“

Die beiden Timber betraten mit leichter Verspätung den rechteckigen Konferenzraum, der sicherlich jeden Vergleich mit einer kleinen militärischen Operationsbasis standgehalten hätte.

An der großen Wand gegenüber der Tür waren zahlreiche Holoschirme angebracht. Einige von ihnen zeigten Nachrichtenberichte aus den offiziellen Regierungskanälen der Welten der Malaga-Union. Andere lieferten Statusberichte der Werft oder erlaubten detaillierte Einblicke auf die diversen Produktionsstraßen der riesigen unterirdischen Anlage. Hin und wieder sprangen bunte Datenhologramme von den durchsichtigen Oberflächen der Monitore empor, leuchteten kurz auf und erloschen wieder, ohne dass ihnen Beachtung geschenkt wurde.

An einem ovalen Tisch in der Mitte des Raumes saßen drei weitere Timber, von denen die beiden Ankömmlinge bereits ungeduldig erwartet wurden. Hanor-Kum-Daghol und Jaga-Numt-Aso begrüßten ihre Artgenossen mit wenigen Worten und nahmen ebenfalls Platz.

Die Anwesenden zählten bereits seit Jahrzehnten zu den engsten Vertrauten des Obersten Rudelführers. Sie waren allesamt – wie Kum auch – von ihren Vorgängern sorgfältig ausgewählt worden und gehörten einer geheimen politischen Gruppierung an, der er mittlerweile vorstand.

Obwohl außer Jaga-Numt-Aso heute niemand von ihnen mehr fürs Militär arbeitete, trugen sie alle die schlichten, schwarzen, ledernen Brustharnische und Röcke, die typische Uniform der Krieger des Reiches. Wozu sie als Anführer ihrer jeweiligen Rudel durchaus berechtigt waren. Ihre politischen Ämter ermöglichten es ihnen sogar, Jaga-Numt-Aso, einem hoch dekorierten Forgor, Befehle zu erteilen.

Wie Hanor-Kum-Daghol durchliefen auch seine drei Kollegen nur eine sehr kurze militärische Laufbahn, ehe sie sich ganz und gar ihren politischen Karrieren auf ihren Heimatwelten widmeten. Keiner von ihnen hatte je an einem Kampf, geschweige an einer Schlacht teilgenommen. Und schon gar nicht an vorderster Front. Dazu waren sie sich zu schade.

„Insgesamt stehen uns für den Feldzug gegen die Kehati vierzehn POM-Geschwader zur Verfügung“, kam Kum gleich zur Sache.

„Ein Teil dieser Schiffe liegt so gut wie startbereit in den unterirdischen Hangars von WERFT-3. Die letzten Besatzungsmitglieder werden in wenigen Stunden an Bord gehen. Aufgrund von Jaga-Numt-Asos ausführlichen Berichten über den Feind benötigen wir vorerst nur fünf dieser Geschwader für die Eroberung des Kehat-Systems.

Ein sechstes wird uns als Rückendeckung im Sorg-System dienen. Es wird den Brückenkopf sichern, den wir dort errichten werden. Sollte trotz aller Erwartungen eine schnelle Energieversorgung unserer Schiffe vor Ort fehlschlagen, können wir jederzeit auf die Zycon-Station der Urpiden zurückgreifen, um unsere Fankton-Speicher aufzutanken. Außerdem wird dieses Geschwader dafür sorgen, dass die Annektierung der urpidischen Kolonie reibungslos abläuft.“

Jaga-Numt-Aso rechnete kurz nach.

Ein POM-Geschwader bestand aus sieben Schweren Kreuzern der Pason-, vierzehn Leichten Kreuzern der Omanon- und achtundzwanzig Zerstören der Mensun-Klasse, also aus insgesamt neunundvierzig Raumschiffen. Mit sechs multipliziert ergab dies eine gewaltige Streitmacht, deren Besatzungen und Bodentruppen aus den besten Blut-Camps des Reiches rekrutiert worden waren. Ihre Gegner, falls die hinterlistigen Kehati überhaupt als solche bezeichnet werden konnten, hatten nicht den Hauch einer Chance.

„Eigentlich schade!“, dachte Numt leicht enttäuscht. „Unsere Krieger hätten sicher einen längeren Kampf und einen würdigeren Gegner verdient. Für den Anfang muss es halt reichen.“

„Die restlichen acht Kampfgeschwader bleiben vorerst auf Rhenosem in Reserve. Sie treten erst in Phase 2 in Aktion, wenn wir uns um die Kolonien des kehatischen Imperiums kümmern müssen, sofern dies überhaupt nötig sein wird“, entschied Hanor-Kum-Daghol und erhielt dazu von seinen Mitstreitern stumme Zeichen des Einverständnisses.

„Bei einem Einmischen der Allianz in unsere Pläne könnten diese Schiffe jedoch auch anderweitig zum Einsatz kommen.“

„Der gut Nuka-Nogh-Sponn wird zweifellos davor zurückschrecken, die uns waffentechnisch unterlegenen Brag oder Kalaner gegen unsere Reichsschiffe in den Kampf zuschicken“, versicherte Jaga-Numt-Asol seinen Mitverschwörern.

Er sprach den verhassten Namen des Bahors der Masanischen Allianz, seines direkten Vorgesetzten, voller Verachtung aus.

„Und bis die Schiffe der Talpi im Sorg-System eingetroffen sind, werden wir längst Herr der Lage sein.“

„Was, wenn der Bahor die Timber-Schiffe, die der Allianz unterstehen, einsetzt, um uns aufzuhalten?“, fragte Ajono-Suma-Kaahl, die einzige Frau in dieser Runde.

An ihrem Gesicht waren ziemlich deutliche Spuren eines übermäßigen Wohlstandslebens zu erkennen, was die fettleibige Anführerin des Woon-Rudels aber nicht zu stören schien.

„Nuka-Nogh-Sponn wird es bestimmt nicht wagen, diesen Schritt zu tun“, knurrte Jaga-Numt-Asol mit knirschenden Zähnen.

„Eine solche Handlung könnte ohne Weiteres zum Ausbruch eines oder gar mehrerer Rudelkriege führen. Damit würde der Bahor das gesamte Reich in ein unermessliches Chaos stürzen und die politische Stabilität der Malaga-Union aufs Spiel setzen.

Außerdem glaube ich nicht, dass die Kommandanten unserer Allianz-Schiffe einem solchen Befehl nachkommen würden.“

Numt diente dem militärischen Arm der Malaga-Union, jenem Völkerbund der Lebenszone PAMAAGBO, dem auch seine eigene Spezies angehörte, bereits seit über zehn Jahren. Als Forgor stand er nur einen Rang unter Nuka-Nogh-Sponn, dem Oberbefehlshaber der Allianz. Seine wahre Loyalität galt jedoch alleine Hanor-Kum-Daghol. Numt hatte seinen Posten bei dem militärischen Bündnis nur auf dessen Wunsch angenommen, um dort in seinem Auftrag zu spionieren.

„Es gefällt mir nicht, dass wir immer noch ohne die Zustimmung des Reichsrates agieren“, gab Ajono-Suma-Kaahl zu bedenken.

„Immerhin kann der Rat selbst Ihnen, Hanor-Kum-Daghol, Schwierigkeiten machen. Unser Einfluss auf die Ratsherren und -frauen ist, trotz all Ihrer lobenswerten Versprechungen, immer noch zu gering. Wenn ich bedenke, dass sogar noch Räte aus unseren eigenen Rudeln sich sträuben, uns zu unterstützen, bereitet mir das durchaus mehr Sorgen als dieser verlauste Bahor.“

Sie warf Jaga-Numt-Asol einen provokanten Blick zu.

„Den haben Sie ja wohl unter Kontrolle, Numt. Oder etwa nicht?“

Jaga-Numt-Asol ließ sich erst gar nicht auf die kleinen hinterlistigen Spielchen der Frau ein.

„Wahrscheinlich möchten diese Räte nur nicht zu jenen Timbern gehören, die den seit über 1 400 Jahren existierenden Vertrag von Anfoghar brechen, indem sie für einen Krieg stimmen“, hechelte Numt ihr zu.

„Ach, vergessen Sie den Rat und vergessen Sie dieses alte, verstaubte Relikt der Labora-Ära“, winkte Schinaga-Kull-Moneng schroff ab.

Er führte das Ahaan-Rudel erst seit ein paar Monaten an, seit sein Vorgänger einen unehrenhaften Unfalltod ereilt hatte. So die offizielle Version. In Wahrheit hatte dieser sich politisch immer weiter von der Gruppe um den Obersten Rudelführer entfernt, war als Gefahr eingestuft und eliminiert worden.

Mit Schinaga-Kull-Moneng hatte ein würdiger Nachfolger seinen Platz übernommen. Kull wurde im gesamten Reich wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Friedenspolitik der Labora gemocht.

„Anfoghar war für unser Volk eine evolutionäre Kastration!“, fuhr Schinaga-Kull-Moneng aufgeregt fort. „Ein schlechter Witz auf unsere Kosten! Wir hätten uns das nie gefallen lassen dürfen. Aber unser Volk war damals durch den Großen Krieg zu geschwächt, um sich gegen die heuchlerischen Labora mit ihren mächtigen Kriegsschiffen wehren zu können.

Heute sieht die Sache aber anders aus.

Und glauben Sie mir, meine Freunde, wenn das Erste Blut geleckt wurde, werden viele der Unschlüssigen ihre konservative Einstellung aufgeben, sich dem Druck der ehrbaren Kriegerkaste beugen und sich unserem Feldzug mit fliegenden Fahnen anschließen.

Mit dem Rest der Reichsflotte auf unserer Seite bilden wir definitiv einen so gewaltigen Machtfaktor, dem keiner innerhalb der Malaga-Union, selbst niemand in ganz PAMAAGBO, etwas entgegensetzen kann.

Und wie mir zu Ohren kam, steht sogar Vutumu auf unserer Seite.“

Hanor-Kum-Daghol bestätigte diese Aussagen mit einer knappen bejahenden Geste. Ganz sicher war er sich bei Vutumu jedoch nicht.

Der sagorische Botschafter-Roboter machte sich in letzter Zeit einigermaßen rar. Er schien wichtigeren Geschäften nachzugehen. Welche diese waren, würde Hanor-Kum-Daghol nie wagen ihn zu fragen.

Bei ihrer letzten Unterredung auf Timb hatte Vutumu jedoch auch weiterhin keine Einwände gegen ihren geplanten Angriff auf die Kehati erhoben. Im Gegenteil, der Schutzherr der Timber erwartete sogar einen raschen Sieg.

Kum konnte das Verhalten des Roboters und seine wahren Absichten nur sehr schwer einschätzen. Außerdem vertraute er der hoch entwickelten Maschine nicht, die bereits seit über 2 000 Jahren – meist dezent im Hintergrund, aber hin und wieder auch sehr bestimmend – an den wichtigen politischen Entscheidungen der Timber teilnahm.

„Meine Ohren im Reichsrat sind davon überzeugt“, ergriff nun auch Jenoha-Loun-Pashor, der Jüngste in der Runde, das Wort, „dass das Sinfal- und das Asahn-Rudel die ersten sein werden, die sich uns beim Ausbruch des Krieges anschließen. Nur Feiglinge werden weiterhin den erbärmlichen Versprechungen des Präsidenten der Malaga-Union folgen.

Der Völkerbund in seiner jetzigen Form steht kurz vor dem Zusammenbruch, meine Freunde. Das wissen auch die Labora. Oder weshalb glauben Sie, ziehen sich die Ratten aus der Lebenszone PAMAAGBO zurück? Ihre rückständige Politik der Vernunft hat eindeutig versagt. Glorreiche Zeiten stehen unserem Volk bevor!“

„Alles der Reihe nach!“, bremste Kum den Eifer des jungen Staatsmanns. „Zuerst annektieren wir das Sorg-System der Urpiden, danach …“

„Da ist noch so ein Punkt, mit dem ich mich nicht so recht anfreunden kann“, unterbrach Ajono-Suma-Kaahl erneut den Obersten Rudelführer, dem dies sichtbar nicht gefiel, was die Frau aber völlig ignorierte.

„Warum muss unsere Flotte bei der Annektierung des Sorg-Systems eigentlich innerhalb der berüchtigten Austrittsverbotszone aus dem Gunarraum fallen? Ist das wirklich nötig?“

„Ja!“, lautete Kums schlichte Antwort in einem Knurrlaut, dem eine gewisse Bosheit nicht abzusprechen war.

„Wir müssen die Kröten so richtig aufschrecken! Sie ordentlich schockieren! Bereits mit dieser Aktion wird ihre gesamte Gegenwehr im Keim erstickt …“

„Welche Gegenwehr?“, fragte sich Suma. „Nicht einmal die Zycon-Raumstation im Orbit von Sorid besitzt irgendwelche Verteidigungsanlagen.“

„… Sie werden nicht die Zeit haben, sich um unsere Geschicke zu kümmern. Und sollte jemand von der Union versuchen, uns daraus einen Strick zu drehen, steht mir für diese dann misslungene Aktion auch schon der passende Sündenbock zur Seite.

Doch zurück zum eigentlichen Plan.

Nach der Sicherung des Brückenkopfes greifen wir Kehat an. Der Zwischenstopp bei den Urpiden und das damit verbundene Auftanken aller Fankton-Speicher unserer Schiffe darf nicht länger als 24 Stunden dauern.

Während der Zeit wird der Reichsrat sich entscheiden müssen, ob er sich uns anschließt oder nicht. Da der Rat es sich nicht erlauben kann, nach außen hin Schwäche oder gar Handlungsunfähigkeit zu zeigen, wird er mit uns ziehen müssen, was mir die Möglichkeit gibt, mich den Mitgliedern des Unionsrates als ihr neuer Präsident zu offenbaren.

Wie schon erklärt, wird Präsident Wetmasch, um das Wohlbefinden seiner Artgenossen auf Sorid besorgt, mein Anliegen voll unterstützen und mir damit die Machtübernahme erleichtern. Gleichzeitig werde ich verkünden, dass in Zukunft die Timber die Aufgaben der Allianz vollständig übernehmen werden und diese damit nicht mehr benötigt wird.“

„Das wird Nuka-Nogh-Sponn sicherlich nicht gefallen!“, lästerte Jaga-Numt-Asol amüsiert.

„Da aber bereits vierzig Prozent der Kriegsschiffe der gesamten Allianz von uns gestellt werden und deren Besatzungen alle lieber mit uns gegen die Kehati kämpfen würden, als dem Bahor zu folgen, wird Nuka-Nogh-Sponn nur ein unehrenhafter Rücktritt von seinem Posten übrig bleiben.

Und zurzeit sehe ich keinen, der in der Lage wäre, die Allianz in dieser misslichen Lage noch am Leben zu halten.

Somit wären die Allianz-Kriegsschiffe der Brag, Kalaner und Talpi führungslos, und ihre Regierungen werden diese Schiffe zurückrufen. Und keiner von ihnen wird es wagen, alleine gegen uns in den Krieg zu ziehen. Nicht einmal die Talpi.“

„Das stimmt!“, pflichtete Hanor-Kum-Daghol seinem Spion siegessicher bei. „Und wenn doch jemand so verrückt sein sollte, dies zu versuchen, mit den Produktionsanlagen von WERFT-3 wird es für uns ein Leichtes sein, die gesamte Malaga-Union in Schach zuhalten, womit Rhenosem zur wichtigsten strategischen Welt des Reiches aufsteigt.“

Was die Timber in den letzten sieben Jahrzehnten auf dem atmosphärlosen Planeten am Rande des Quasor-Systems errichtet hatten, konnte sich durchaus sehen lassen. Für den Bau von WERTF-3 war nur auserwähltes Personal eingesetzt worden. Hauptsächlich Angehörige aus den Woon-, Ahaan- und Hosun-Rudeln, aus deren Reihen auch die Mittel zur Finanzierung des gesamten Projektes stammten.

Zuvor hat es auf Rhenosem nur eine kleine Forschungsstation gegeben, in der fast tausend Jahre lang die unterschiedlichsten geheimen Militärprojekte verwirklicht worden waren. Heute verbarg der kaum 1 600 Kilometer durchmessende Himmelskörper in seinem Innern die größten und modernsten Werftanlagen des gesamten Reiches, wenn nicht sogar der gesamten Union. Sie waren beinahe doppelt so leistungsfähig wie die beiden anderen Werften der Timber zusammen.

Und die Öffentlichkeit hatte nicht die geringste Ahnung von der Existenz von WERFT-TIM-3.

Als junger Politiker hatte Hanor-Kum-Daghol zu Beginn des Jahres 1366 ZMA auf dem Planeten Chillac, einer Timber-Kolonie im Quasor-System, an einer geheimen Konferenz teilgenommen, auf der über das zukünftige Schicksal seines Volkes sowie dessen Bestimmung innerhalb der Malaga-Union beraten wurde. Bereits damals wurde der Entschluss gefasst, die fast vierzehn Jahrhunderte andauernde Einmischung des Völkerbundes und der Labora in die Innenpolitik des Reiches zu beenden.

Da dies nicht ohne die notwendigen militärischen Mittel vollzogen werden konnte, wurde ein Langzeitplan konzipiert, der die politische und militärische Führung über die Union dauerhaft in die Pfoten der Timber legen würde.

Ein großes Reich mit unterwürfigen Vasallen-Enklaven und billigem Kanonenfutter sollte auf diese Weise entstehen. Schließlich gab es innerhalb der PAMAAGBO noch eine Menge Welten zu erobern.

Den Timbern lag der Krieg in ihren Genen.

Seit Jahrtausenden lebten sie in einer von Kriegen geprägten Gesellschaft, und Krieger benötigten Kriege. Schon zu lange herrschte Frieden.

Nur während der paar abwechslungsreichen Jahre des Borrun-Malona-Krieges war es den Timbern vergönnt gewesen, sich an vorderster Front auszutoben und ihrer wahren Natur zu folgen. Danach kehrte schnell wieder der eines Kriegers unwürdige Alltag ein.

Diesen kurzen Motivationsschub seines Volkes hatte Hanor-Kum-Dagohl genutzt, um mit aggressiven politischen Ideen seinen Einfluss im planetaren Rat seiner Heimatwelt Tanrau zu stärken. 1398 ZMA wurde er zum Rudelführer dieser wichtigsten Kolonie des Reiches gewählt und 1425 ZMA sogar zum Obersten Rudelführer der Timber.

Langsam wurde es für sein Volk wieder Zeit, Stärke zu demonstrieren, und die Gelegenheit konnte nicht günstiger sein.

„Bitte, meine Freunde, begleiten Sie mich nun hinab zu den Produktionsanlagen“, forderte Hanor-Kum-Daghol seine Gäste höflich auf und erhob sich aus seinem Sessel. „Ich habe noch eine kleine Überraschung für Sie.“

Kum führte seine Begleiter aus der Kommunikationszelle, die nahe an der Oberfläche des Planeten lag, hinaus, hinab zu den riesigen Montagehallen, wo weiterhin fleißig produziert wurde.

Die kleine Gruppe schlenderte gemütlich über eine breite Empore. Gegenüber deren gelblichen Rückwand boten große, gebogene Panoramafenster aus Stahlglas einen faszinierenden Blick auf eine mehrere Kilometer lange Fertigungsstraße.

Hier reihten sich die verschiedenen Stufen der Grundkonstruktionen mächtiger Raumschiffe der 623 Meter langen Pason-Klasse in den unterschiedlichsten Montagestufen aneinander. Ein Anfang und ein Ende der Straße waren vom Standpunkt des Betrachters aus nicht zu erkennen.

Zufrieden bemerkte Hanor-Kum-Daghol das feurige Leuchten in den Augen seiner Artgenossen. Etwas in echt zu sehen war immer noch beeindruckender als die modernste Holoprojektion.

Die kleine Gruppe wechselte in einen kurzen Nebenflur und benutzte einen der wenigen Personalfahrstühle in dieser Sektion, um tiefer ins Innere der gigantischen Werftanlage vorzudringen. Am Ende des Schachtes erwartete die Besucher eine riesige Höhle. Unzählige Hochleistungsscheinwerfer beleuchteten eine karge graue Felsenlandschaft.

Der Lärm von schwerem Arbeitsgerät schmerzte in den empfindlichen Ohren der Timber. Hunderte von kugelförmigen Bots unterschiedlicher Größen flogen emsig herum, nahmen Vermessungen vor oder legten Lasermarkierungen für die riesigen Baumaschinen aus, die demnächst hier eintreffen würden.

„Eine weitere Fertigungsstraße!“, erkannte Jaga-Numt-Asol sofort, wobei er ziemlich laut bellen musste, um sich verständlich zu machen.

„In der Tat!“, stimmte Hanor-Kum-Daghol ihm mit Stolz in der Stimme zu. „In ein paar Monaten werden hier Schiffe der Stran-Klasse montiert.“

Dies beeindruckte selbst Numt, denn bisher stellten die Timber Raumschiffe dieser Größenordnung nur in seltenen Einzelstücken her.

Hanor-Kum-Daghol gönnte seinen Freunden ein paar Minuten, um die Dimensionen dieser Anlage auf sich einwirken zu lassen, eher er die staunende Gruppe zurück zum Fahrstuhl führte.

„Sie können sich gar nicht vorstellen, wie deprimierend es ist, sich den ganzen Tag lang in der Gesellschaft eines stinkenden Tolschs wie Nuka-Nogh-Sponn aufhalten zu müssen“, wandte sich Numt an den Obersten Rudelführer, nachdem sich die dicken Türen des Fahrstuhls hinter ihnen geschlossen hatten und wieder Ruhe eingekehrt war.

„Oh doch, das kann ich!“, versicherte ihm Kum ernsthaft und meinte anerkennend:

„Sie leisten hervorragende Arbeit, mein Freund, und nicht nur Ihre Informationen über die stärker werdenden politischen Unruhen im Imperium der Kehati waren extrem wertvoll für unsere Pläne. Ich verspreche Ihnen, wenn die Schlangen erst einmal besiegt sind und die Union neu gestalt wurde, werde ich Ihnen persönlich den Oberbefehl über eine große Flotte erteilen, mit der Sie die Choren angreifen können.“

„Es geht also gegen die Lavelle-Konföderation, nicht gegen die Terraner?“, fragte Numt ein wenig überrascht, zumal sie ja, im Gegensatz zu den Choren, schon einige aktuelle Erfahrungswerte im Kampf mit den verhassten Menschen besaßen.

„Nun, Vutumu hat mir geraten, die Terraner in Ruhe zu lassen, und war dabei sehr überzeugend!“, hechelte Hanor-Kum-Daghol ihm leise zu.

Jaga-Numt-Asol hätte zu gerne mehr über dieses Gespräch zwischen dem Obersten Rudelführer und dem Botschafter-Roboter in Erfahrung gebracht. Doch er kannte Kum gut genug, um zu wissen, dass der ihm keine weiteren Informationen darüber verraten würde.

„Kehren Sie nach unserem kleinen Rundgang wieder nach Masan zurück!“, verlangte Kum von seinem Spion.

„Mein alter Gegenspieler wird Sie sicher schon vermissen“, sagte er leise, wobei er seine messerscharfen Zähne gefährlich aufblitzen ließ.

Jaga-Numt-Asol kannte ein paar der Geschichten über den Obersten Rudelführer und den Bahor der Masanischen Allianz.

Geschichten, die sich ältere Offiziere nach langen Jagden in den dichten Wäldern von Timb abends am Lagerfeuer beim Zerlegen ihrer Beute gerne erzählten. Wahrscheinlich entsprachen nicht alle davon der Wahrheit. Zu einigen hatten sich im Laufe der Jahre bestimmt falsche Fakten hinzu geschlichen oder wichtige Details waren einfach weggelassen worden.

Fest stand jedoch, dass die Feindschaft zwischen den beiden Streithähnen bis zu ihrem gemeinsamen Aufenthalt im Blut-Camp von Tog-Pang zurückreichte; in eine Zeit, wo Hanor-Kum-Daghol dort kurz als Ausbilder tätig gewesen und von einem jungen Offiziersanwärter namens Nuka-Nogh-Sponn wegen schweren Fehlverhaltens ordentlich verdroschen worden war.

Jaga-Numt-Asol zweifelte an der Richtigkeit dieser Geschichte. Wahrscheinlich hatte es sich genau anders rum abgespielt.

„Es war mir wie immer eine Ehre, Ihnen persönlich berichten zu dürfen“, verneigte sich Jaga-Numt-Asol respektvoll vor dem Obersten Rudelführer.

„Ganz meinerseits, mein treuer Weggefährte!“, erwiderte Kum dankbar.

„Ruhm und Ehre dem Reich!“, bellte Jaga-Numt-Asol laut auf und seine Artgenossen schloßen sich dem uralten Kampfgruß ihres Volkes voller Begeisterung an.

28. Leztar 1435 ZMA (Zeitrechnung der Masanischen Allianz)

Hanor-Kum-Daghol trat hinaus auf die steinerne Terrasse des alten Regierungspalastes. Die Wachen vor der gläsernen Doppeltür nahmen augenblicklich Haltung an. Kum schenke ihnen keinerlei Beachtung. Sie waren wie vieles in diesem Gebäude nur überflüssiges Schmückwerk.

Seit seiner Rückkehr von Rhenosem hatte er sich mit den üblichen, fast schon belanglosen Problemen des Reichsrates beschäftigen müssen. Dies war nicht nur langweilig, sondern auch ermüdend gewesen. Er hoffte, dass sich das politische Geschäft mit dem Ausbruch des Krieges verändern würde.

In Gedanken sah er sich schon an riesigen holografischen Schirmen meisterhafte Strategien ausarbeiten, ganze Flotten hin und her schieben und mit blutgierigen Bodentruppen stark bewaffnete Städte des Feindes einnehmen. Dabei vergrößerte sich sein fiktives Reich Tag für Tag unaufhörlich.

Kum schritt zur Brüstung am Rand der Terrasse und blieb vor der breiten Treppe, die hinab in den Wald führte, stehen. Er blickte hinauf zu Quionara, dem riesigen Gasplaneten, um den der Waldmond Timb kreiste. Es war kurz nach Mitternacht, doch das stimmige, hellblaue Leuchten des Planeten machte die Nacht fast zum Tage.

In der Ferne war ein sehnsüchtiges Heulen zu hören.

Hanor-Kum-Daghol überkam ein eisiges Schaudern.

Es gab immer noch Timber, die diesen verdammten Planeten anheulten, an diesem unsinnigen Aberglauben einer längst erloschenen Ära weiterhin festhielten.

Ein alter Mythos seines Volkes besagte, dass die Timber in der Frühzeit ihrer Geschichte Quionara für eine Gottheit gehalten hatten und sich mit ihrem Heulen bei ihr bedankten oder beklagten.

Der Oberste Rudelführer hasste Timb.

Er verabscheute die uralten Geschichten seiner Vorfahren mit all ihren festgefahrenen und unsinnigen Gebräuchen. Nichts daran entsprach den wahren Werten eines Kriegers. Die Ursprungswelt seines Volkes war für Kum nur ein unbedeutender Mond, der nicht einmal ein Sechstel der Größe von Tanrau besaß.

Auf Timb, vor allem auf dessen Hauptkontinent Kasazia, gab es überwiegend dichte Wälder. Viele der Einheimischen gingen immer noch, wie einst schon ihre Vorfahren, dort auf die Jagd. Natürlich nicht täglich und auch nicht mehr um ihr Überleben zu sichern, sondern aus einer Art unsinnigem Zeitvertreib, dem Hanor-Kum-Daghol nichts abgewinnen konnte. Dennoch blieb ihm auf Grund seiner gesellschaftlichen Stellung nichts anderes übrig, als sich ab und zu einem solchen armseligen Vergnügen anzuschließen, wie es sich anscheinend für einen traditionellen Krieger gehörte.

Lächerlich!

Sie waren doch keine primitive Wilde mehr.

Als stinkenden Wolf hatte ihn einst eine Terranerin beschimpft, eine Gefangene, die er während des Krieges verhört und gefoltert hatte, so lange, bis sie ihm alles über diese ehemaligen Tiere der Erde erzählt hatte.

Zwar gab es große Unterschiede zwischen den terranischen Wölfen und seiner Rasse, aber ein Vergleich war dennoch nicht ganz von der Hand zu weisen. Und Kum mochte diesen Vergleich überhaupt nicht.

Er war erniedrigend!

Hanor-Kum-Daghol war das Paradebeispiel eines stolzen, modernen Timbers, eines prächtigen Kriegers, sowie die Unions-Völker seine Artgenossen sahen und fürchteten.

Dabei war das Leben eines Kriegers auch nicht unbedingt Kums Sache. Was ihn interessierte, war die Macht, die Befehlsgewalt, die hinter dieser Art von Gesellschaftsform stand. Schließlich gab es niemanden, der leichter zu beherrschen und zu manipulieren war als ein einfacher Soldat. Das hatte Hanor-Kum-Daghol früh erkannt.

Doch dem Reich drohte eine große Gefahr durch seine Krieger. Es gab zu viele.

Die gesteigerte Aggressivität zwischen den verschiedenen Rudeln war ihm in den letzten Jahrzehnten nicht entgangen. Immer öfter drohten die unterschiedlichsten Parteien im Reichsrat bereits bei Kleinigkeiten mit einem Rudelkrieg. Es wäre der erste seit dem Aufbruch der Timber ins All.

Natürlich waren dies alles nur kindische Drohungen kleinkarierter Politiker. Doch die Gefahr einer gewalttätigen Eskalation war nicht von der Pfote zu weisen. Und so weit würde es Hanor-Kum-Daghol nicht kommen lassen.

Es gab da draußen genügend Feinde.

Warum sollten sich die Timber also gegenseitig bekämpfen?

Hanor-Kum-Daghol blickte hoch.

Von seinem Standpunkt aus konnte er die Reste einer der alten Baumkronenstädte erkennen. Einem weiteren Relikt aus tiefster Vergangenheit, als sein Volk gezwungen worden war, in die Kronen der bis zu 120 Meter hohen Bäume zu flüchten und dort zu leben, um so einer gigantischen Flutwelle zu entkommen, die den halben Mond überschwemmt und dabei zahlreiche Opfer gefordert hatte.

Eine Naturkatastrophe, die durch eine bestimmte Stellung der Monde des Planetensystems ausgelöst worden war und die sich etwa alle 25 000 Jahre wiederholte. In knapp 3 000 Jahren würde es wieder so weit sein.

Hanor-Kum-Daghol konnte nicht verstehen, warum die hier ansässigen Rudel, im Angesicht der Möglichkeiten, die ihnen heute zu Verfügung standen, diese zukunftslose Welt nicht längst aufgegeben hatten.

Wollten sie wirklich wieder eines Tages wie einfältige Affen auf den Bäumen hausen? Oder glaubten sie etwa mit Hilfe von Technologie, diesen Naturgewalten trotzen zu können?

Timb konnte bei der nächsten großen Konjunktion von den Gravitationskräften dieses kosmischen Schauspiels vollständig zerrissen werden. Die Bewohner des Mondes wollten von solchen Schreckszenarios jedoch nichts wissen.

Kum hatte schon mehrmals vergeblich dem Rat vorgeschlagen, die hier lebenden Timber auf die Kolonien umzusiedeln oder gar eine neue Welt für sie zu finden.

Außerdem würde Tanrau mit Sicherheit eine sehr viel bessere Hauptwelt für das Reich abgeben.

Eine Ordonanz riss den Obersten Rudelführer aus seinen Gedanken.

Der junge Timber stellte einen mobilen Holoprojektor vor ihm auf den Boden, murmelte etwas von einer dringenden Nachricht auf einem geheimen Kanal und verschwand so schnell, wie er aufgetaucht war.

Kum schaltete das Gerät ein.

Automatisch baute sich ein gut drei Meter durchmessendes, leicht gelb leuchtendes Dämpfungsfeld um ihn herum auf und verschaffte ihm eine völlig abhörsichere Umgebung. Ein Hologramm bildete sich flackernd im Innern des Feldes.

„Numt!“, knurrte Hanor-Kum-Daghol überrascht auf, als sich das Bild stabilisiert hatte und er seinen Spion erkannte. „Ich habe nicht damit gerechnet, so schnell wieder von Ihnen zu hören. Ist alles in Ordnung?“

Jaga-Numt-Asol grüßte kurz und kam gleich zur Sache.

„Nuka-Nogh-Sponn wird sich morgen mit den vier Leitern des Allianzdienstes treffen, um sich auf den neuesten Stand der politische Lage innerhalb PAMAAGBOs bringen zu lassen. Im Vorfeld dieser Versammlung hat er mich bereits angewiesen, große Teile der masanischen Timber-Einheiten in Bereitschaft zu versetzen. Der Bahor plant, diese bereits morgen in die beiden Sonnensysteme der Urpiden zu verlegen.

„Verdammt!“, fluchte Kum unbeherrscht vor sich hin. „Hat dieser blöde Hundesohn etwa unsere Absichten erfahren, Numt?“

„Das glaube ich nicht!“, versicherte ihm der Forgor ernsthaft. „Er scheint eher davon überzeugt zu sein, dass die Kehati ihrerseits einen Angriff auf diese Welten planen, und möchte den Schlangen zuvorkommen.“

„Ich dachte, die Kehati hätten genug mit sich selbst zu tun. Ein solcher Angriff würde gegen die Informationen sprechen, die Sie mir geliefert haben, Numt.“

„Nuka-Nogh-Sponn vertraut mal wieder keinem“, hielt Jaga-Numt-Asol dagegen. „Er befürchtet, eine einflussreiche politische Gruppe von Kehati könne mit einem Angriff auf die Urpiden dafür sorgen, dass ihr Volk sich von der Impertrice abwenden und in ihr Lager überwechseln wird.“

„Wie auch immer!“, entschied sich Hanor-Kum-Daghol ohne zu zögern. „Ich werde unsere Schiffe sofort aufbrechen lassen. Es wird Nuka-Nogh-Sponn nicht gelingen, meine Pläne zu durchkreuzen.“

29. Leztar 1435 ZMA (Zeitrechnung der Masanischen Allianz)

Sechzehn Stunden später fielen, angeführt vom Schweren Kreuzer Killgoon, 294 schwer bewaffnete Kriegsschiffe der Timber, mitten in der Austrittsverbotszone des Planeten Sorid, aus dem Gunarraum.

Forgor Jagga-Weu-Stuun betrachtete mit gemischten Gefühlen den graugrün schimmernden Planeten auf dem Hauptschirm der Killgoon. Die Aussicht wirkte so friedlich.

„Unser Auftauchen wird sicherlich einiges an Chaos und Zerstörung bei den Urpiden angerichtet haben“, ließ sie den Hetron der Killgoon wissen.

Der hagere Kommandant schwieg.

Wahrscheinlich war er in der Lage, ebenso wie Weu, sich ganz genau ausmalen zu können, was sich in diesen Minuten auf Sorid abspielen würde.

Jede Bord konnte das.

In sämtlichen Lehrdateien der Sagorer, die auch nur ansatzweise mit Gunarraum-Technologie zu tun hatten, wurde ausdrücklich vor der Gefährlichkeit eines solchen Manövers gewarnt.

Jagga-Weu-Stuun war der ranghöchste Offizier auf dieser Mission. Sie fragte sich, warum der Oberste Rudelführer einen solchen Kriegszug für nötig hielt. Warum diese übertriebene Härte gegen ein friedliches, völlig unbewaffnetes Volk wie die Urpiden?

Weu stand eigentlich voll hinter Hanor-Kum-Daghols Kriegsplänen, und für die schleimigen Kröten hatte sie auch noch nie besonders viel übrig gehabt. Diese Maßnahme hielt die Timber-Frau jedoch für völlig übertrieben.

Und ehrenhaft war sie schon gar nicht.

Aber es war der Befehl des Obersten Rudelführers, und dem hatte sie Folge zu leisten.

Jagga-Weu-Stuun hatte sich diesen vor dem Beginn der Mission sogar noch einmal persönlich von Hanor-Kum-Daghol bestätigen lassen und sich dabei einen Tadel eingehandelt. Seitdem geisterte das Wort Kriegsverbrechen ständig durch ihren Kopf, ein Gedanke, der nicht leicht zu ignorieren war und vielleicht Einfluss auf ihre späteren Entscheidungen nehmen konnte.

Der Forgor unterstanden bei diesem Einsatz fünf Galore. Alles Männer, die ihrerseits ebenfalls die Verantwortung für ein POM-Geschwader trugen und sich bestimmt fragten, warum ihr Anführer ihnen ausgerechnet Jagga-Weu-Stuun, eine politisch völlig bedeutungslose Person, vor die Schnauzen gesetzt hatte.

Für eine Frau hatte Jagga-Weu-Stuun beim Militär ziemlich viel erreicht. Dies nicht auf Grund ihres guten Aussehens und trotz der Schande, die auf ihrer Familie lag. Alleine derentwegen hätte sie diese historische Flotte eigentlich gar nicht anführen dürfen.

Ein weiterer, diesmal ziemlich beängstigender Gedanke brannte sich daraufhin ebenfalls in Weus Hirn fest.

Was, wenn sie auf dieser Mission nur eine Opferrolle spielen sollte? Eine Frau mit ihrem familiären Hintergrund war jederzeit austauschbar.

„Strategische Aufstellung der Flotte um Sorid verläuft planmäßig!“, teilte der Hetron der Killgoon Weu mit.

„Außer der Lonntonn befinden sich, wie erwartet, keine weiteren Kriegsschiffe der Allianz in unmittelbarer Nähe. Nur ein paar kleine kalanische und urpidische Frachter kreuzen auf ihren üblichen Handelsrouten durch das System.“

„Sehr schön!“, lobte Jagga-Weu-Stuun den Kommandanten ihres Flaggschiffes für seinen Bericht.

„Stellen Sie nun bitte eine Holoverbindung zu Galor Gorha-Tkoll-Dunat her und natürlich zum Regenten der urpidischen Kolonie!“

Der Hetron gab dem Funker ein Zeichen und dieser bemühte sich, den Wünschen der Einsatzleiterin nachzukommen. Ein paar Sekunden später manifestierte sich die Holoprojektion des Galors. Es dauert aber fast fünf Minuten lang, bis sich Regent Gallkasch über den normalen Bildfunk meldete.

„Was soll dieser unerhörte Aufmarsch?“, beschwerte sich der Urpide anstelle einer Begrüßung.

Sein Amphibienkopf füllte den gesamten Panoramaschirm der Brücke vollständig aus.

„Diese Ungeheuerlichkeit wird Ihnen …“

„Halten Sie den Mund, Kröte!“, unterbrach Weu den aufgebrachten Regenten.

„Hiermit annektiere ich, Forgor Jagga-Weu-Stuun, im Namen des Obersten Rudelführers der Timber dieses System und all seine Bewohner ans Reich und dessen Gesetzgebung. Galor Gorha-Tkoll-Dunat“, sie deute kurz auf Tkolls Hologramm, „wird vorübergehend mit seinen Leuten die administrativen Kommandopositionen auf der Zycon-Station im Orbit von Sorid übernehmen. Bis zum Eintreffen einer offiziellen Reichsverwaltungseinheit wird er, im Notfall mit Gewalt, die Wünsche des Obersten Rudelführers an Ort und Stelle durchsetzen.

Widerstand, welcher Art auch immer, wird nicht toleriert!

Sollte trotzdem jemand versuchen, den Helden zu spielen, werden Sie, Regent, persönlich die Verantwortung für solche Aktionen übernehmen müssen. Befolgen Sie meine Befehle und niemand kommt zu Schaden.“

Mit einem Handzeichen gab sie dem jungen Funker zu verstehen, die Verbindung mit dem Urpiden zu unterbrechen.

„Galor Gorha-Tkoll-Dunat, umstellen Sie mit Ihrem Geschwader die urpidische Raumstation. Aktivieren Sie ruhig die Waffensysteme Ihrer Schiffe. Die Frösche sollen verstehen, dass wir es ernst meinen. Übernehmen Sie augenblicklich das Kommando auf der Station und sorgen Sie dafür, dass unsere Flotte schnellstens aufgetankt wird. Je eher wir weiterfliegen können, desto besser.“

Tkoll bestätigte und sein Hologramm erlosch.

„Nun“, meinte Jagga-Weu-Stuun gelassen und lehnte sich entspannt in ihrem Sessel zurück, „dann wollen wir mal abwarten, wie lange der Hetron der Lonntonn braucht, um mir seine Aufwartung zu machen!“

„… Inzwischen wurden über 30 verheerende Erd- und Seebeben der Stufe zwölf registriert. 11 gefährliche Tsunamis durchlaufen zurzeit die Meere unserer Welt. Einige Küstenstriche können nicht rechtzeitig evakuiert werden.

Tausende Urpiden sehen dem sicheren Tod ins Auge.

Die Hauptstadt wurde ebenfalls schwer getroffen. Die medizinische Versorgung ist größtenteils ausgefallen, so dass viele der Schwerverletzten an den Folgen ihrer Blessuren sterben werden und …“

Entsetzt hörte sich Regent Gallkasch die Berichte der globalen Nachrichtensender in der Medien- und Funkzentrale des Regierungspalastes an. Die Gravitationsverzerrungen, die durch den Austritt der Timber-Schiffe aus dem Gunarraum innerhalb der AVZ entstanden waren, hatten Sorid mit voller Wucht getroffen. Die Rotationsachse des Planeten hatte sich um vier Grad verschoben. Prognosen für die dadurch zu erwartenden Klimaänderungen wagte noch niemand abzugeben.

Außerdem war die satellitengesteuerte globale Kommunikation zu neunzig Prozent ausgefallen. Ebenso der gesamte Gunarfunkverkehr.

Auf eine solche Katastrophe, die nur als feiger terroristischer Akt bezeichnet werden konnte, waren die Urpiden gar nicht vorbereitet. Ihre Rettungskräfte waren völlig überfordert.

Regent Gallkasch fragte sich unaufhörlich, was es mit diesem Gerede von einer Annexion auf sich hatte. So einen Schwachsinn würde weder die Masanische Allianz noch die Malaga-Union tolerieren.

„Wir haben jetzt wieder Kontakt mit Masan“, rief ein Offizier dem Regenten zu. „Die Qualität des Gunarfunks wird jedoch weiterhin durch die Gravitationsverzerrungen stark beeinträchtigt!“

„Senden Sie ein Notsignal auf dem Prioritätskanal und versuchen Sie, mich direkt mit dem Präsidenten der Union zu verbinden!“, befahl Gallkasch dem Mann.

„Ich möchte ihm persönlich die Lage auf Sorid schildern und ihn um Unterstützung gegen diese ungeheuerliche Invasion der Timber bitten.“

Nach einigen Versuchen kam der Kontakt über Gunarfunk zum Sitz der Malaga-Union auf dem Planeten Masan zustande.

Zum Glück war Präsident Wetmasch ein Artgenosse und ein guter Bekannter von Gallkasch. Er würde diese Angelegenheit nicht erst mit seinen Senatoren stundenlang ausdiskutieren, sondern sich direkt an den Bahor der Masanischen Allianz wenden und von diesem eine Erklärung verlangen.