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Zwischen Zukunft und Vergangenheit Falak-Tor: Freund oder Feind? Der geheimnisvolle Fremde sieht aus wie ein Mensch, doch seine wahre Herkunft liegt verborgen in den Tiefen der Zeit. Die Brunnengötter: Kalaner, Timber, ein Brag und ein Terraner befinden sich auf den Spuren einer alten Kultur und Selean-Cir offenbart Unfassbares. Die Blauen Kutten: Die mysteriösen Priester bereiten das Zweite Hammanon vor und brauchen Hilfe. Die Greycrow: Während Captain Stoma und ihre Mannschaft sich auf eine Mission ins Reich der Kehati begeben, bringt Klaus Bodenstock eine alte Geschichte zum Abschluss. Die Terraner: Die Menschen der Republik Terra planen die Eroberung der Galaxie. Sie ahnen nicht, dass ihre Zukunft von Wesen bestimmt werden wird, die nicht gewillt sind, dem terranischen Größenwahn noch länger zuzusehen.
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Seitenzahl: 320
Veröffentlichungsjahr: 2015
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„Er kam aus den Tiefen der Zeit, um den Menschen zu helfen, nicht um sie zu töten. Doch sie ließen ihm keine Wahl.“
Aus den Aufzeichnungen der Kosmischen Archivare von Halgoren
Dieses Buch widme ich allen Lesern.
Ich danke euch, dass ihr so geduldig darauf gewartet habt.
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Anhang
27. Dezember 615 DNW (Der Neuen Weltordnung)
27. Leztar 1435 ZMA (Zeitrechnung der Masanischen Allianz)
Die beiden Rettungskräfte kümmerten sich pflichtbewusst um die Verletzten. Sie renkten Huuna die Schulter ein, versorgten die oberflächlichen Kratzer im Gesicht ihres Bruders Nkamo mit einem Gewebeerneuerungsspray, bescheinigten ihm des Weiteren eine leichte Gehirnerschütterung und legten um Jengo Lumumbas lädierten rechten Fuß eine flexible Heilmanschette. Einige Stunden Ruhe und der gebrochene Knochen würde wieder vollständig belastbar sein. Panek war mit ein paar leichten Prellungen am glimpflichsten davongekommen.
Nachdem der Arzt und sein Helfer den Tod der Eltern der Zulunu-Geschwister festgestellt hatten, waren diese mit dem Wrack des zerstörten Gleiters abtransportiert worden. Sie würden beim Recycling dessen Überreste problemlos entsorgt werden. Altmodische Friedhöfe oder kitschige Bestattungszeremonien, bei denen sich die trauernden Angehörigen von ihren Verstorbenen verabschieden konnten, gab es seit Jahrhunderten, seit dem republikweiten Religionsverbot keine mehr.
Ail Panek saß im hinteren Teil des Rettungsgleiters und grübelte still vor sich hin. Es grenzte fast schon an ein Wunder, dass sie den Einschlag ihres Gleiters in den 400 Meter hohen Wohnturm überlebt hatten.
Die meisten Bewohner von Taarig hatten weniger Glück gehabt. Die Stadt war von einem Strahl aus reiner Hyperenergie getroffen worden, abgefeuert von der im Orbit des Planeten positionierten Raumstation Nyota Nguvu.
Panek glaubte nicht an ein zufälliges Unglück. Dafür lagen die riesigen Fankton-Speicheranlagen – die ganz Afrikana mit Strom versorgten und vom Hyperenergie-Abstrahler der Raumstation zwei bis drei Mal pro Woche bedient wurden – mit über 5 000 Kilometer zu weit von Taarig entfernt. Außerdem wurde ein solcher Energietransfer erst aktiviert, wenn die Abstrahlstation mit ihrem Gegenstück auf dem Planeten in Verbindung stand. Hinzu kam noch, dass sich während des Vorgangs ein Schutzschirm um den Strahl legte, der einen Kontakt mit der Außenwelt verhinderte.
In diesem Fall jedoch war der Hyperenergie-Abstrahler ganz klar als Waffe missbraucht worden. Es stellte sich nur die Frage, ob dies die Tat eines Wahnsinnigen oder ein geplanter Anschlag gewesen war.
Panek dachte an seine Visionen, die ihn seit dem Treffen mit dem mysteriösen Obersten Priester von Tanat heimsuchten. War seine Anwesenheit auf dieser Welt gar erst der Auslöser für die eben erlebte Katastrophe? Handelte es sich bei den Visionen der Blauen Kutte um Warnungen, sich nicht an die betreffenden Orte zu begeben?
Es kam dem Lieutenant erst gar nicht in den Sinn, dass jemand eine Millionenstadt vernichten würde, nur um die Flucht von Gouverneur Zulunu und seiner Familie zu verhindern.
Seine Befehle, die er von Admiral Mygun erhalten hatte, lauteten: Helfen Sie den Zulunus bei ihrer unfreiwilligen Abreise von Afrikana und bringen Sie sie nach Regenwald. Nun, weit waren sie nicht gekommen.
Panek beobachtete Huuna.
Die wohlproportionierte Afrikana war eine exotische Schönheit. Mit ihren 1 Meter 95 war sie so groß wie Ail und genauso athletisch gebaut. Panek konnte nicht leugnen, dass er sich zu ihr hingezogen fühlte, obwohl die tiefbraunen Augen der schwarzhäutigen Frau eine ungewöhnliche Kälte ausstrahlten, die ihn immer wieder erschaudern ließ.
Konnte er ihr vertrauen?
Als Direktorin von Meroth-Farmering arbeitete sie für Charles Meroth, den Gouverneur von Pendragon, einem der einflussreichsten Geschäftsmänner der Republik Terra und einem treuen Verfechter deren Politik. Ein Mann, der ohne zu zögern jeden Freidenker und Rebellen eigenhändig töten würde. Teilte Huuna die Ansichten dieses skrupellosen Kerls?
Ihr verstorbener Vater hatte seinen Mitstreitern stets versichert, seine Kinder seien keine Verräter, sondern würden in ihren Positionen wichtige Aufgaben für die Rebellion erledigen. Dennoch zweifelte Panek an der Loyalität der Geschwister. Er traute vor allem Nkamo nicht.
Wer wie Huunas Bruder eine Ausbildung zum Jalar-Agenten hinter sich hatte, konnte unmöglich noch ein Sympathisant anders Denkender und ihrer politischen Ziele sein. Dafür sortierte der Geheimdienst des Kartells seine Leute zu gut aus.
„Es ist nicht Ihre Schuld, Ail!“
Huunas sanfte, fast schon verführerische Stimme unterbrach Paneks Grübeln. Er nickte stumm und kratzte sich kurz an der kleinen, eineinhalb Zentimeter langen Narbe über seinem linken Auge. Eine Erinnerung an den Gewehrkolben eines Ausbilders während Ails Zweiter Bildungsstufe an der Flottenakademie von Balkania.
Der Rettungsgleiter flog inzwischen landeinwärts in die Nacht hinein. Er folgte in niedriger Höhe in etwa dem Lauf des Mto Kashazani. Sein Ziel war ein Krankenhaus in der Stadt Sambia, was er jedoch nie erreichen sollte.
Plötzlich hielt Nkamo eine kleine Impulspistole in seiner rechten Hand und feuerte auf die beiden Mediziner, die tot in ihren Sitzen zusammenbrachen. Er sprang nach vorne zum offenen Cockpit und bedrohte die Pilotin mit seiner Waffe.
„Steigen Sie auf 10 000 Meter und überfliegen Sie Sambia!“, befahl er der älteren Frau, die ängstlich nickte und seinen Wünschen augenblicklich Folge leistete. „Danach halten Sie Kurs auf den Nordhang des Mlima Mkubwa!“
„Was soll das?”, schrie Jengo wütend. „Warum haben Sie diese Menschen getötet?”
„Kleine Planänderung!”, grinste Nkamo zufrieden. „Ich übernehme jetzt die Koordination unserer Flucht.”
„Wird die Flugsicherheit unseren abrupten Kurwechsel nicht bemerken?“, fragte Panek gefasst. Ihn überraschte Nkamos brutales Vorgehen nicht sonderlich.
„Ich trage einen Störsender bei mir“, erklärte ihm der junge Mann und an die Pilotin gerichtet meinte er, „der auch den Funkverkehr und den Notrufsender dieses Gleiters außer Funktion setzt. Also, wenn Ihnen an Ihrem Leben etwas liegt, unterlassen Sie den Versuch, die Heldin zu spielen!“
Die Pilotin schluckte betroffen.
Bereits nach wenigen Minuten erreichte der Rettungsgleiter eine Region, die von den Einheimischen als Nchi Mwambu – das Felsenland – bezeichnet wurde. Hier lag auch der Mlima Mkubwa, der mit 2 203 Meter höchste Berg des Planeten.
„Dort unten liegt unser Fluchtschiff!“, teilte ihnen Nkamo bereitwillig mit und gab der Pilotin genaue Landeanweisungen.
In der Dunkelheit war der schwache Schatten eines 35 Meter langen Objektes nur zu erahnen. Das Schiff lag versteckt unter einem Felsüberhang auf einem kleinen Plateau, das an einen tiefen Abgrund grenzte. Auf Nkamos Anordnung hin ließ die Pilotin die Landescheinwerfer ausgeschaltet, als sie von Impuls- auf Antigrav-Antrieb umschaltete. Sie orientierte sich an den Ortungsdaten und setzte den Rettungsgleiter etwas unsanft neben dem Schiff auf.
Lumumba öffnete das Schott und stieg als Erster aus, gefolgt von Huuna, Panek und Nkamo. Kaum waren sie von Bord, versuchte die Pilotin einen Notstart.
Sie kam jedoch nicht weit.
Nkamos Schuss traf das Impulstriebwerk.
Eine paar grelle Flammen erhellten für eine kurzen Augenblick die Nacht. Der manövrierunfähige Gleiter stürzte trudelnd in den Abgrund hinab. Zwei, höchstens drei Sekunden vergingen, bis er aufschlug. Eine dumpfe Explosion zeugte von seiner endgültigen Vernichtung.
„Minderwertige Menschen sind ja so berechenbar!“, meinte Nkamo verächtlich und schwenkte seine Pistole in Richtung Panek und Lumumba. „So, jetzt können wir unsere ,Flucht‘ ungestört fortsetzen! Und zwar nach Netos.“
„Was soll das?“, wollte Huuna von ihrem Bruder wissen, der sie ungeduldig mit einem Wink seiner Waffe aufforderte, sich in den Aufklärer zu begeben.
„Es geht nicht anders!“, versicherte Nkamo seiner Schwester. „Freiwillig würde keiner von euch mit nach Netos kommen.“
„Warum sollten wir auch so etwas Verrücktes tun, du Verräter?“, schrie Lumumba den bewaffneten Mann voller Verachtung an.
„Warum willst du uns unbedingt nach Netos bringen, Nkamo?“, fragte Huuna. „Hast du etwa vor, uns an Gart Hugen auszuliefern?“
Panek registrierte eine leichte Verunsicherung bei der jungen Frau. Sie schien ebenfalls von Nkamos Vorhaben überrascht zu sein.
„Das war von Anfang an mein Plan!“, verriet ihnen Nkamo. „Hugen gab mir persönlich den Befehl, dich und unsere Eltern zu ihm zu bringen. Vor allem nach dir sehnt er sich. Eigentlich sollten wir bereits von Afrikana verschwunden sein, bevor Myguns Leute hier auftauchen würden. Hugen rechnete nicht damit, dass Mygun noch in der Lage wäre, so schnell jemanden zur Rettung seiner alten Freunde zu schicken. Nicht nach dem Desaster von Nikong. Ja, und dann überschlugen sich bekanntlich die Ereignisse. Jetzt kommen mir diese beiden Halunken jedoch sehr gelegen.“
„Zwei einfache Rebellen als Ersatz für den Verlust deiner toten Eltern!“, wunderte sich Panek. „Ob sich Hugen so einfach trösten lässt?“
„Er wird es verkraften müssen!“
Nkamo dirigierte seine Gefangen auf die Brücke des Schiffes, wo er Lumumba befahl, sich in den Pilotensessel zu setzen und einen Kurs nach Netos in die Steuerkonsole einzugeben. Panek gab seinem Freund mit einem Blick zu verstehen, dass er sich Nkamo nicht widersetzen sollte, was Jengo amüsiert zur Kenntnis nahm.
Während Lumumba den Start vorbereitete, begab sich Nkamo an die Funkstation und sendete einen Jalar-Code an die Flugüberwachung des Planeten. Trotz des Startverbots, das wegen des Attentates auf Taarig über der Agrarwelt lag, würde sie nun niemand daran hindern, den Planeten zu verlassen.
Nkamo fordert seine Schwester und Panek mit vorgehaltener Waffe auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Jengo startete das Schiff.
„Musst du wirklich dauernd mit diesem Ding vor meiner Nase herumfuchteln?“, beschwerte sich Huuna bei ihrem Bruder, während der Aufklärer der Fargan-Klasse durch die oberen Atmosphärenschichten des Planeten stieß. „Ich weiß, dass du kein Verräter bist. Also, was hast du wirklich vor?“
Nkamo zögerte.
„Gleich!“, versicherte er ihr. „Erst müssen wir von hier verschwinden! Noch könnt ihr alles gefährden.“
„Gefährden?“, horchte Panek auf.
Die geschärften Sinne des ehemaligen TLD-Agenten schlugen Alarm. Auf dem Hauptschirm der Brücke baute sich der violette Gunarraumtunnel auf und verschluckte das Schiff. Neugierig wandte sich Panek an den Afrikana:
„Was verschweigst du uns, Nkamo?“, fragte Ail, wobei er beide Zulunus nicht aus den Augen ließ. Doch weder Huuna noch Nkamo erlaubten sich eine verräterische Geste.
„Ihr müsst mir helfen, meine Freunde zu retten!“, offenbarte ihnen Nkamo.
„Deine Freunde?“, fragte Huuna verblüfft und spöttisch zugleich. „Seit wann hast du Freunde?“
„Andere Jalar-Agenten, die wie ich bereit sind, sich der Rebellion gegen das Kartell anzuschließen!“
Lumumba lachte laut auf:
„Glaubst du, wir wären total bescheuert?”, fragte er Nkamo. „Jalar-Agenten wechseln nicht einfach so die Seiten! Damit kannst du uns nicht ködern.“
„Du hast ja nicht die geringste Ahnung, was sich in den letzten Jahren innerhalb des Jalars abspielte, Lumumba!“, fauchte Nkamo den schwarzhaarigen Lockenkopf erbost an. „Die Schließung der Zeugungshäuser macht sich auch unter den Angehörigen des Geheimdienstes des Kartells bemerkbar. Die Menschen erwachen langsam aus einem bösen Traum, blicken sich verwundert um und erkennen ihr eigenes Leben nicht mehr. Zahllose Jalar-Agenten, die nicht mehr aus dem Zeugungsprogramm der Regierung stammen, wurden bereits von ihren Kollegen ausgeschaltet – ermordet, weil sie aufmuckten oder sich nicht ,jalarmäßig‘ verhielten. Solche Leute gilt es in Sicherheit zu bringen, bevor das Kartell diese Menschen mit neuen Methoden auf den rechten Weg zurückbringt oder uns Hugen an die Kehati verrät. Ihr ahnt ja nicht einmal, was die Herren der Erde alles planen.“
„Aber du hast den völligen Durchblick!“, lästerte Jengo weiter. „Ein kleiner Agent, der gerade mal gelernt hat, alleine zu pissen, ohne dass Hugen ihm dabei den Schwanz hält!“
„Ja, du blöder Niger!“, beschimpfte Nkamo seinen Artgenossen mit einem Wort, das weder Lumumba noch Panek geläufig war. „Es sind gerade unsere Neuzugänge, junge Menschen wie wir, die sich dem System zu widersetzen versuchen.“
„Das leuchtet ein!“, stimmte Panek ihm zu. Ihm gingen Nkamos Worte über Gart Hugen und die Kehati nicht mehr aus dem Sinn. Was hatten diese zu bedeuten?
„Aber wieso willst du uns an Hugen ausliefern?“, stocherte Jengo weiter.
„Das habe ich gar nicht vor!“, eröffnete ihm Nkamo und steckte seine Waffe weg. Lumumba wollte sich sofort auf ihn stürzen.
„Lass es gut sein!“, hielt Ail ihn zurück.
Es war Panek nicht entgangen, dass Huunas rechte Hand blitzschnell in eine der Taschen ihres orangefarbenen Hosenanzugs geglitten war. Sicherlich lag sie nun auf einer kleinen schussbereiten Impulspistole. Einer Spezialanfertigung aus dem Hause Meroth. Stellt sich bloß die Frage, auf wen sie schießen würde?
Nkamos schwache Rechtfertigungen vergrößerten nur das allgemeine Chaos. Sie waren konfus und wenig überzeugend. Trotzdem entschied sich Panek, den mutmaßlichen Köder erst einmal zu schlucken.
„Was hast du denn mit uns vor?“
„Ich werde euch als Mitglieder des Jalars auf Netos einschleusen und ihr werdet mir beim Abtransport meiner Leute von dort helfen.“
„Deiner Leute?“, fragte Huuna verblüfft.
„Ja, ich leite eine Gruppe von 36 Männern und Frauen, die liebend gerne den Kampf gegen das Kartell aufnehmen würden.“
„Wie der Vater, so der Sohn!“, kommentierte Huuna die Aussage ihres Bruders, wobei sie eine gewisse Verachtung nicht ganz unterdrücken konnte.
„Das ist doch alles Kuhmist!“, bemerkte Lumumba nur kopfschüttelnd. Ihm war klar, dass niemand so schnell den Jalar infiltrieren konnte. Und an eine Meuterei unter dessen Agenten glaubte er immer noch nicht. Und wenn Nkamos Geschichten alle stimmten, warum brauchte er gerade ihre Hilfe?
„Und wie soll das funktionieren?“, fragte Panek interessiert. „Deine Befehle lauteten doch, Huuna und deine Eltern nach Netos zu bringen. Von uns beiden war nie die Rede.“
„Stimmt!“, gab Nkamo zu. „Ein paar meiner Leute gehören der Personalabteilung des Stützpunktes an. Ich werde ihnen bei unserem Anflug auf Netos eine geheime Nachricht mit euren Daten zukommen lassen. Diese Jungs fertigen euch Akten an, die jeder Durchleuchtung standhalten werden. Bei der Landung werdet ihr bereits Agenten des Jalars sein, die ich auf Afrikana zur Unterstützung angefordert habe, um Myguns rebellische Terroristen auszuschalten.“
„Schon wieder ein neuer Lebenslauf!“, brummte Jengo mürrisch. „So langsam weiß ich gleich selbst nicht mehr, wer ich eigentlich bin.“
„Ich verstehe nicht“, sagte Nkamo. Er blickte Panek fragend an.
„Identitätsprobleme eines Rebellen!“, erklärte Panek die unvorsichtige Bemerkung von Lumumba. „Aber wird das Schiff nicht bereits während des Landeanflugs auf unerwünschte Eindringlinge gescannt?“
„Ich weiß, mein Plan ist nicht perfekt. Aber auf Grund der Situation bin ich gezwungen, ein Risiko einzugehen. Außerdem kann ich auf die Schnelligkeit meiner Freunde vertrauen. Wir werden uns halt etwas früher aus dem Gunarraum fallen lassen, um etwas Zeit zu gewinnen. Und mit Hilfe meines Störsenders kann ich die Ortungssatelliten um Netos für ein paar weitere Minuten austricksen, obwohl die Raumüberwachung seit Beginn der Ausbauarbeiten im Band der Stille stark verbessert wurde. Dennoch müsste es zum Gelingen meines Plans reichen.“
„Band der Stille?”, fragte Jengo neugierig.
„Mich interessiert dieser Ausbau!“, drängte sich Panek zwischen Lumumbas Frage. „Was treibt ihr eigentlich auf Netos?“
Ohne zu zögern antwortete Nkamo:
„Der Jalar errichtet innerhalb der Atmosphäre von Netos eine weitere WERFT-Anlage. Aber nicht im Auftrag des Kartells oder der Republik. Sicherlich eine interessante Information für Admiral Mygun!“
„Wenn sie der Wahrheit entspricht!“, dachte Panek, behielt seine Zweifel aber für sich.
Charles Meroth fixierte das lebensechte Hologramm von Leriah White, das sich vor ihm im Arbeitszimmer seiner Privaträume im Gebäude von Meroth-Farmering manifestiert hatte. White sah wie immer rattenscharf aus und es fiel Meroth wie gewöhnlich schwer, sich bei ihrer Präsenz, auch wenn es sich diesmal dabei nur um Photonen handelte, zu konzentrieren.
„Dennoch bleibe ich dabei! Sie hätten mit Ihrem eigensinnigen Handeln beinahe unseren gesamten Plan ruiniert!“, warf der Gouverneur der blonden Frau vor. „Warum mussten Sie denn gleich die ganze verdammte Stadt zerstören? Eine subtilere Lösung wäre mir lieber gewesen.“
Leriah lächelte ihn vielsagend an.
„Nur ein unbedeutender Zwischenfall, mit dem Sie niemand in Verbindung bringen wird“, erklärte die Frau verführerisch. „Keine Angst, Charles! Denken Sie immer an unser gemeinsames Ziel. Auf Terra freut man sich schon darauf, demnächst Ihre Bekanntschaft zu machen.“
Das Hologramm erlosch.
„Du kannst mich mal, du hinterfotziges Miststück!“, schickte ihr Meroth einen Abschiedsgruß hinterher. Erwartungsvoll blickte er den hageren Mann an, der langsam aus dem abgedunkelten Bereich des Raumes hervortrat.
„Na, habe ich Ihnen zu viel versprochen, Gart?“
Der Angesprochene gesellte sich zu Meroth.
„Diese Frau entwickelt sich langsam zu einer echten Plage!“, verriet ihm der Vize-Direktor des Jalars, der trotz seiner 134 Jahre noch sehr robust und kräftig wirkte. „Ich habe in den letzten vier Monaten sieben meiner besten Agenten auf sie angesetzt. Keiner von ihnen ist noch am Leben.”
„Haben Ihre Nachforschungen denn gar nichts ergeben?“, fragte Meroth höhnisch.
Hugen ließ sich von solchen Spötteleien nicht beeindrucken.
„Berichte über Whites Karriere bei der Raumflotte reichen nur zurück bis ins Jahr 604!“, informierte er den Gouverneur. „In dem Jahr übernahm sie den Posten des Ersten Offiziers auf der Bonaparte. Kallos Mygun hatte ihre Versetzung auf sein Flaggschiff höchstpersönlich angefordert. Admiral Towin von der Raumflotte, einer dieser Freidenker-Verräter, hatte sie ihm empfohlen. Die Akten über Whites Werdegang vor dieser Zeit, sogar ihre Geburtsdaten stehen unter Verschluss.“
„Selbst für Sie, Gart?“
„Ja!“, knurrte Hugen verärgert. „Einsicht haben nur die Direktorin des Jalars und die Mitglieder des Kartells. Ich habe versucht an die Daten heranzukommen, was mir aber nur einen Verweis der Alten einbrachte. Meines Erachtens ist die ganze Akte nur eine Farce!“
„Sitzt Direktorin Sung zurzeit nicht auf der Erde hinter dem Silberschirm fest?“, erkundigte sich Meroth.
Gart Hugen schien überrascht.
„Sie sind verdammt gut unterrichtet, mein Freund!“, bemerkte er und Meroth entging das gefährliche Funkeln in seinen Augen nicht. „Für mich schon etwas zu gut. Aber Sie haben recht. Tin Sung wurde am 21. Mai dieses Jahres vom Kartell nach Terra gerufen. Zwei Tage später verschwanden Erde und Mond hinter dem Silberschirm. Wohl kaum ein Zufall!“
„Ich möchte ja nicht zu neugierig erscheinen“, formulierte Meroth seine Frage mit Bedacht, „aber haben Sie oder einer der anderen vier Vize-Direktoren überhaupt noch Kontakt mit der Erde oder dem Kartell?“
„Den haben wir, Gouverneur!“, versicherte ihm Hugen eine Spur zu eifrig. „Aber wir schweifen vom Thema ab.“
„Lügner!“, dachte Meroth und unterdrückte ein Lächeln.
„Kurz bevor White zum ersten Mal in Erscheinung trat, ging vom Kartell eine sonderbare Fahndungsmeldung an den Jalar, deren Beschreibung zwar nur entfernt auf White passt, aber dennoch.“
„Wie lautete diese Beschreibung?“, wollte Meroth wissen.
„Eine völlig haarlose Frau. Nicht rasiert oder so. Nein, eine Frau ohne jegliche Körperbehaarung. Größe und Körperproportionen stimmen mit denen von White überein. Ebenso die Augenfarbe. Es gibt ein Phantombild nach Aussagen von Bewohnern der Erde, mit denen sie Kontakt hatte. Die Gesichtszüge ähneln White, aber passen bestimmt auch auf zahlreiche andere Frauen. Positronisches Bildmaterial oder sonstige Aufzeichnungen gibt es keine. Das Kartell ließ nur noch verkünden, dass diese Frau extrem gefährlich sei und unbedingt lebendig zur Erde zurückgebracht werden müsste.“
„Handelt es sich bei White etwa um ein fehlgeschlagenes Experiment des Kartells?“, fragte Meroth nachdenklich.
„Das könnte sein!“, ließ sich Hugen entlocken. „Schon mal was von den Killern des Kartells gehört?“
„Ich dachte immer, dabei würde es sich um Ihre Leute handeln, Gart! So eine Art von Super-Agenten!“
„Leider nicht!“, versicherte Hugen dem Gouverneur ernst. „Erst vor kurzem hat sich Admiral Huntingen bei mir nach übermenschlichen Kämpfern erkundigt, wobei auch der Name White gefallen ist. Und nun ist Georges Huntingen tot. Angeblich ein Giftanschlag eines Freidenkers!“
„Sie glauben, White hat ihn ermordet?“
„Davon bin ich überzeugt!“, antwortete Hugen. „Wenn nicht sie, dann einer ihrer Handlanger. Huntingen hatte etwas über White herausgefunden und sie hat ihn sofort aus dem Weg geräumt.“
„Gibt es dafür Beweise?“
„Nein!“
„Schade! Und was, glauben Sie, sind Whites Ziele?“
„Die Übernahme der Flotte, womit sie die Macht innerhalb der Republik besäße!“
„Eine Militärdiktatur! Klingt logisch!“, stimmte Meroth dem Vize-Direktor zu und legte erneut eine Spur von Hohn in seine Stimme. „Denn die Admiralität hat ja, im Gegensatz zum Jalar, keinen Kontakt mehr zum Kartell und ist sozusagen führungslos. Wer also die Admiralität kontrolliert, kontrolliert die Flotte. Aber auf dem Weg dorthin steht ihr noch etwas im Wege!“
„Der Jalar!“, pflichtete Hugen Meroth bei. „Darum ist es wichtig, den Bau von WERFT-TER-3 so schnell wie möglich zu vollenden. Und wenn es Ihnen gelingt die Admiräle von WERFT-TER-2 auf Dragoneye zu überzeugen, sich mit dem Jalar zu verbünden, hätte White keine Chance, ihre Macht über längere Zeit aufrechtzuerhalten. Es sei denn, Meroth, Sie verfolgen mit Whites Unterstützung eigene Pläne?“
„Die Paranoia, die zurzeit auf der Erde herrscht, scheint auch vor der Jalarspitze nicht Halt zu machen“, erwiderte der Gouverneur auf Hugens Anspielung und versetzte dem Vize-Direktor gleich einen weiteren Tiefschlag. „Mir ist zu Ohren gekommen, Gart, dass der Jalar und das Kartell miteinander Probleme hätten. Ist dies bloß ein bösartiges Gerücht oder ist da etwas Wahres dran?“
Hugen überlegte kurz, bevor er sich entschied, dem langjährigen ,Freund‘ zu vertrauen.
„Meinungsverschiedenheiten gibt es seit der Gründung des Jalars, der aber stets die Interessen des Kartells vertrat, nie die eigenen. Das hat sich seit einiger Zeit geändert. Kurz nach dem Ende des Krieges gegen die Masanische Allianz erkannten wir plötzlich Schwächen in den Handlungen des Kartells. Die Stilllegung der Zeugungshäuser, das Kolonialamt auf dem Mars, überhaupt all diese Zugeständnisse an die Kolonien. Können Sie sich vorstellen, wie schwierig es im Moment ist, regierungstreue Soldaten zu rekrutieren? Kein Wunder, dass es bei der Flotte zu einer Anschwemmung dieser verdammten Freidenker kam. Zwar wurden auf den Flottenakademien der Republik neue Erziehungsprogramme eingeführt, die aber kaum die Effektivität der genetischen Manipulation in den Zeugungshäusern erreichten.“
„Gerade dieses übertriebene Manipulieren an dem menschlichen Erbgut wurde den Häusern zu ihrem Verhängnis, wie uns die letzten Jahre verdeutlichten“, erinnerte Meroth den großen Jalar-Mann und reichte ihm einen Drink. „Es gab Millionen von unbrauchbaren Abfallprodukten! Allein schon deren Beseitigung wurde immer problematischer.“
Hugen nahm das Getränk dankend entgegen.
„Schon klar!“, stimme er dem Gouverneur zu und genehmigte sich einen großen Schluck des Whiskys. „Oh!“, gab er zufrieden von sich. „Ein echter Highlander! Guter Stoff! Wie lange reifte er in Ihrem Lager auf Pendragon? Vierzig, fünfzig Jahre?“
„Achtzig!“
Hugen nickte anerkennend.
„Dennoch!“, fuhr er fort, „wird es langsam Zeit, dass das neue Erziehungsprogramm endlich in den Kolonien anläuft. Das wird diese Möchtegern-Autonomen wieder in ihre Schranken weisen.“
„Erziehungsprogramm!“, grinste Meroth und erfreute sich ebenfalls am Whisky seiner Heimatwelt. „Ich glaube, der inoffizielle Name des Projektes, Zuchthof, wenn meine Informationen stimmen, wird sich wohl eher bei der Bevölkerung durchsetzen!“
„Wenn das Programm wirklich so erfolgreich sein wird, wie das Kartell es seit Jahren verspricht, ist die Bezeichnung dafür bedeutungslos.“
Da hatte Gart Hugen natürlich recht.
„Das erklärt aber immer noch nicht, wieso das Kartell plötzlich dem Jalar misstraut“, ließ Meroth nicht locker.
„Das hängt alles mit der momentanen Entwicklung der Lage zusammen!“, erläuterte ihm Hugen. „Ein weiterer Krieg mit der Masanischen Allianz steht uns bevor und die Raumflotte braucht neue, gehorsame Soldaten, die jedem Befehl blind folgen. Vor allem unsere Bodentruppen müssen viel brutaler zu Werke gehen und nicht plötzlich auf dem Schlachtfeld an ihrer Mission zu zweifeln anfangen.
Daher sah der Jalar sich nach Alternativen um. Selbstverständlich alles zum Wohle der Republik. Ähnlich wie Ihre speziellen Unternehmungen, Gouverneur!“
Charles Meroth liebte diese Spielchen. Ob nun White oder Hugen daran beteiligt waren. Mit dem Ass, das er in seinem Ärmel versteckt hielt, würde er zum Schluss immer als Sieger dastehen.
„Und der Jalar fand einen Ausweg!“, vermutete Meroth.
„In der Tat!“, bestätigte ihm Hugen. „Aber dabei brachen wir mit einem Tabu. Wir nahmen Kontakt zu einer außerirdischen Zivilisation auf und spalteten das Kartell.“
„Nun wird mir einiges klar!“, äußerte sich Charles Meroth mit einem Schmunzeln auf den Lippen. „Lassen Sie mich raten, Gart! Der eine Teil des Kartells stimmte dem Vorhaben zu, der andere Teil war darüber entsetzt und hätte am liebsten den ganzen Jalar für diesen Verrat bluten lassen! Und dieses Entsetzen, diese Angst vor dem Kontakt zu dem Nichtmenschlichen, das sich in unsere Belange einmischen könnte, verschaffte uns schließlich den Silberschirm!“
„Zu dieser Schlussfolgerung kamen wir beim Jalar auch. Wir nehmen weiterhin an, dass es innerhalb des Kartells zu einem Machtwechsel kam.“
„Und Sie wollen mir erzählen, Sie hätten noch Kontakt mit dem Kartell!“, lachte Meroth laut auf. „Gart, ich bitte Sie, das glauben Sie doch selbst nicht!“
„Wir hatten nach dem Einsatz des Silberschirms nur noch Kontakt zu einem Mitglied des Kartells!“, gab Hugen zu. „Bis zu dem Zeitpunkt, als der Memochip Ihres Sohnes vernichtet wurde.“
Nun war Charles Meroth doch überrascht.
„Was hat Clayn mit alldem zu tun?“, verlangte er nach Aufklärung.
„Nun, Gouverneur“, sagte Hugen und suchte vergeblich nach einer emotionalen Regung in Meroths Gesicht, „Ihr Sohn und Miss Zulunu waren in ihrem letzten Ausbildungsjahr an der Republic Academy etwas zu neugierig. Sie entdeckten das Schiff der Außerirdischen auf dem Mars, mit denen wir dort seit einigen Tagen Verhandlungen führten.“
„Mit wem?“, wollte Meroth endlich wissen und Hugen bestätigte ihm seine Vermutung.
„Mit den Kehati! Doch bevor ich fortfahre, möchte ich Ihnen zuerst versichern, dass wir auch weiterhin den rätselhaften Tod Ihres Sohnes untersuchen.“
Meroth winkte ab.
„Wahrscheinlich hat Clayn in seinem Eifer, mir zu imponieren, gewaltigen Mist gebaut und seinen Abgang selbst zu verschulden. Also sparen Sie sich Ihre Untersuchungen.“
„Ganz so einfach ist es nicht!“, versicherte ihm Hugen. „Wir benötigen Clayn bei unserer Zusammenarbeit mit den Kehati. Er ist eine Art Schlüsselfigur für unseren Erfolg. Genauso, wie die anderen Mitglieder der Fraktion Neues Blut für den kommenden Krieg mit der Masanischen Allianz von Bedeutung sind.“
„Ich verstehe! Die zufällige Einmischung meines Sohnes in diese Sache kam dem Kartell sehr gelegen. Wer eignete sich besser an einem solchen Bündnis teilzunehmen als jemand, über den das Kartell jederzeit die Kontrolle übernehmen konnte, selbst über tausende von Lichtjahren hinweg. Und nun, nach Clayns Ableben, brauchen Sie ….“
„… wir brauchen Huuna Zulunu!“
„Vergessen Sie’s!“
„Aber das Kartell …!“
„… können Sie getrost mir überlassen!“
„So einflussreich sind selbst Sie nicht, Gouverneur! Es sei denn, Sie und White …?“, wiederholte sich Hugen.
„Mit Leriah White möchte ich höchstens vögeln! Sie eventuell schwängern, um mir einen neuen Erben zu verschaffen. Mehr aber auch nicht! Wenn Sie einen Ersatz für Clayn haben möchten, nehmen Sie doch von Falkenhaus’ Sohn!“
„Daran haben wir auch schon gedacht! Aber da Miss Zulunu …“
„Keine Chance, Gart! Und wer könnte besser für solch eine Beziehung geeignet sein als der Sohn des Präsidenten.“
„Wir beim Jalar dachten immer, dass Clayn dies sein würde!“
„Jetzt enttäuschen Sie mich aber, Gart!“, amüsierte sich Meroth. „Sie wissen doch am besten, dass das Kartell die Republik regiert, nicht der Präsident. Könnten Sie sich mich wirklich in der Position einer Marionette vorstellen? Nein, mein Lieber! Diese Funktion übt von Falkenhaus schon ganz gut aus. Kehren Sie nach Netos zurück und kümmern Sie sich um den Bau von WERFT-TER-3. Ihre Leute liegen bereits zwei Wochen hinter den Plänen zurück. Wenn die Mannschaften für die dritte Aufbaustufe von Meroth-Industries Ende Januar nächsten Jahres eintreffen, müssen die Atmosphären-Gerüste fertig und das gesamte Gebilde endlich stabilisiert sein. Logistische Verzögerungen kann ich keine gebrauchen.
Inwieweit ist eigentlich Kallos Mygun über das Geschehen auf Netos informiert? Es war nicht gerade klug von Ihnen, Admiral Huntingen und seine Commodore im letzten September ausgerechnet nach Netos einzuladen. Sie hätten Ihre neuen Einsatzbefehle auch per Gunarfunk übermitteln können.“
„Wenn man etwas gut verstecken möchte, ist es stets am bestens, es offen zu präsentieren!“, hielt Hugen dagegen und folgte Meroth, der seinen Gast zu dessen Gleiter führte. „Jeder, der an dieser Besprechung auf Netos teilgenommen hat, ist davon überzeugt, dass der Jalar hier ein hochmodernes Ausbildungszentrum aufbaut. Niemand vermutet, dass wir im Lamir-System eine weitere Werft errichten, auf der die neuen Schlachtschiffe der Stran-Klasse gefertigt werden sollen. Ebenso wird kein Außenstehender je davon erfahren, dass wir den dafür geplanten Ausbau der Anlagen auf Dragoneye im Crown-System dazu benutzen, die Produktion der leichten und schweren Kreuzer zu vervierfachen, um den Ausfall von WERFT-TER-1 auf Luna auszugleichen. Schade nur, dass wir nicht mehr auf die Arbeiter von Nikong zurückgreifen können. Diese Leute waren stets besonders fleißig. Vor allem nachdem wir das Problem mir Gouverneur Dschang Hei gelöst hatten.“
„Wenn es nach mir ginge, würden wir alles den Bots überlassen. Die sind zuverlässiger.“
„Aber nicht billiger! Außerdem vergeuden wir so nicht das dringend für unsere Raumschiffe benötigte Talwenium, dessen Vorräte bekanntlich immer noch begrenzt sind.“
„Immer noch?“, fragte Meroth skeptisch, als die beiden Männer das Besucherhangar von Meroth-Farmering erreichten. „Klären Sie mich bitte auf!“
„Den Kehati ist es allem Anschein nach gelungen, Talwenium künstlich herzustellen.“
„Unmöglich!“
„Im Gegenteil!“, behauptete Gart Hugen schmunzelnd, griff in die linke Tasche seine Hose und brachte ein kleines Stück eines blauen Talwenium-Kristalls zum Vorschein. „Lassen Sie diese Probe von Ihren Spezialisten gründlich untersuchen. Sie werden überrascht sein.“
„Aber wie …?“
„Keine Ahnung!“, bremste Hugen sofort die verständliche Neugier des Gouverneurs. „Hargen-Lon-Mailen-Nack, der Anführer der Kehati-Delegation, mit der wir verhandelten, versprach uns in naher Zukunft Unmengen dieser Kunstkristalle zu liefern, wenn wir ihn dafür beim Umsturz seiner Regierung unterstützen. Was natürlich für unseren gemeinsamen Kampf gegen die Masanische Allianz nur von Vorteil wäre! Sehen Sie jetzt ein, wie wichtig ein vertrauenswürdiger Kontaktmann für diese Sache ist?“
„Nehmen Sie von Falkenhaus’ Sohn!“, wiederholte sich Charles Meroth.
Hugen nickte stumm, stieg in seinen Gleiter und flog mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht davon. Meroth ahnte nicht einmal, dass er bereits seine Finger nach Huuna Zulunu ausgestreckt hatte. Schon sehr bald würde sie ihm gehören.
Charles Meroth kehrte in seine Privaträume zurück.
Bereits nach ein paar Sekunden registrierte er das ihm mittlerweile vertraute und erwartete Summen.
Ein wespenähnliches Insekt, das sich auf Grund der Biofilter des Gebäudes nie in seine Gemächer hätte verirren können, näherte sich ihm und ließ sich ungeniert auf seinem Handrücken nieder. Meroth spürte dessen Stich kaum, bemerkte aber sofort, dass etwas in seinen Blutkreislauf eingedrungen war. Mit einer lässigen Handbewegung verscheuchte er das künstliche Insekt und machte es sich auf der Couch bequem.
Entspannt schloss Meroth seine fehgrauen Augen und wartete.
Lichtschnell wurden die biochemischen Botenstoffe an den oberen Hirnstamm des Gouverneurs übermittelt, wo Neuronen die Erregungsmuster der Mitteilung reproduzierten, die daraufhin vom Cortex in eine verständliche Botschaft umgewandelt und als eine Art Erinnerung abgespeichert wurden.
„Wir grüßen Sie, Mr Meroth!“
Der Gouverneur von Pendragon erkannte die Stimme. Sie gehörte Nicolas. Wie gewöhnlich erschien nur ein schemenhaftes Bild des Abgesandten des Kartells in seinem Kopf.
„Es tut uns leid, weiterhin auf diese … umständliche Art der Kommunikation zurückgreifen zu müssen, aber sie ist die einzige absolut sichere Möglichkeit, Ihnen Informationen zu übermitteln, ohne verfolgbare Spuren zu hinterlassen.
Zuerst die neusten Erkenntnisse zum Unfall Ihres Sohnes.
Leriah White hat damit eindeutig nichts zu tun. Clayn hatte den Unfall der Mighty Queen überlebt, ist aber wahrscheinlich kurze Zeit später an den Unfallfolgen verschieden. Das letzte Signal seines Memochips fingen wir am 9. November auf. Zum Erstaunen aller erreichte es uns tief aus dem Raum der Masanischen Allianz. Spekulationen zu dieser Gegebenheit bringen uns im Moment nicht weiter.
Es ist leider notwendig, Commodore White weiterhin ihre Spielchen treiben zu lassen. Sie ist überzeugt, alles im Griff zu haben und hält uns seit ihrer Flucht von der Erde für handlungsunfähig. Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sich dieses Wesen in eine führende Position der Raumflotte bringen konnte. Demnächst wird sie der Admiralitätsrat sogar in den Rang eines Admirals erheben und ihr Huntingens Verband übertragen sowie weitere Vollmachten.
Wir möchten Ihnen bestätigen, dass wir mit dem Ableben von Paul LeBeau nichts zu tun haben. Seine Ermordung geht, wie Sie schon vermuteten, auf Whites Konto und war nicht in unserem Sinne. Ihrer Entscheidung, Kurt von Falkenhaus als Präsident einzusetzen, stimmen wir nachträglich zu. Er hat mit dem Einsatz der Extinktionsbombe bewiesen, dass das Kartell immer noch handlungsfähig ist und die Rebellen nicht gewähren lässt. Mit dieser Machtdemonstration überraschte er unsere Gegner völlig.
White macht tatsächlich Jagd auf die Mitglieder der Gruppe Fraktion Junges Blut. Clayns Verlobte Jennifer Greed hat sie schon ausgeschaltet. Und mit der Vernichtung von Taarig, zufällig oder nicht, auch Huuna Zulunus Brutpartner. Es war richtig von Ihnen, Miss Zulunu für unsere Pläne einzuspannen. Sie und ihr Bruder werden uns von großem Nutzen sein. Behalten Sie Gart Hugen weiterhin im Auge. Er steht nicht auf unserer Seite und soll demnächst ausgeschaltet werden.“
„Schade!“, murmelte Meroth leise vor sich hin. „Wäre mir diese Info etwas früher zugespielt worden, hätte ich diese Aufgabe mit Vergnügen gleich selbst erledigt.“
„Die Lage auf der Erde hat sich inzwischen wieder entspannt! Wir haben den Schaden, den White vor elf Jahren bei ihrer Flucht angerichtet hat, endlich behoben. Das Wenige, das wir aus ihrem abgestürzten Raumschiff bergen konnten, wird uns beim Bau unserer neuen Kriegsschiffe auf WERFT-TER-1 einen so großen technologischen Vorsprung verschaffen, dass wir die Masanische Allianz förmlich aus dem Universum fegen werden. Auch ohne diese absonderlichen Kreaturen als Verbündete, mit denen sich der Jalar abgibt.
Und jetzt habe ich noch eine sehr erfreuliche Nachricht für Sie, Mr Meroth. Nach dem erfolgreichem Abschluss Ihrer jetzigen Mission steht der Aufnahme Ihrer Person in den Inneren Kreis nichts mehr im Wege. Ihrer Weihe, die erste seit der Erneuerung des Kreises, wird natürlich auf der Erde stattfinden.
Wir danken Ihnen, Mr Meroth!”
Meroth wartete, bis das begleitende Hintergrundrauschen der biologischen Transmission völlig verstummt war. Erst dann öffnete er wieder die Augen und winkte das kleine Insekt zu sich. Die Wespe näherte sich ihm mit einem leisen Summen, setzte sich auf seinen Unterarm und zapfte ihm eine winzige Menge Blut ab. Zufrieden lächelnd verfolgte Meroth den Abflug des Insektes. Schon morgen würden seine Informationen das Kartell auf der Erde erreichen.
30. Dezember 615 DNW (Der Neuen Weltordnung)
30. Leztar 1435 ZMA (Zeitrechnung der Masanischen Allianz)
„Es sind bereits 72 Stunden ohne jegliche Nachricht, Sir!“
„Und was sollen wir Ihrer Meinung nach tun, Logan?“, fragte Mygun den Captain der Bonaparte.
Jetter zuckte ratlos mit den Schultern.
„Sehen Sie!“
Der Admiral war müde und erschöpft.
Während der letzten Tage hatten die Männer und Frauen der neuen Führungsriege der Widerstandskämpfer die Kommandozentrale des Stützpunktes auf Regenwald kaum verlassen. Sie alle litten an Schlafentzug.
Die Reorganisierung und Zusammenführung von Freidenkern und Rebellen verlangte ihnen einiges ab. Hinzu kam noch, dass vielleicht nur ein Zehntel der Leute von Kadochi Taro Erfahrungen mit militärischen Operationen besaßen. Zum Glück schien bei diesen 20 000 Männern und Frauen die geistige Konditionierung durch die ehemaligen Zeugungshäuser nicht mehr zu wirken. Ganz sicher konnte man sich jedoch nie sein, was eine Umschulung für einen Einsatz auf einen der Kriegsschiffe zusätzlich erschwerte.
„Aber wir können doch nicht nur hier herumsitzen und Däumchen drehen, Admiral. Vielleicht sitzt Panek auf Afrikana fest und braucht unsere Hilfe.“
„Ail kannte das Risiko und die Gefahren, die ihn erwarteten!“, erwiderte Mygun verbittert.
Die Katastrophe auf Afrikana war genau so eingetroffen, wie der Lieutenant sie dem Admiral auf Grund seiner merkwürdigen Visionen geschildert hatte. Laut The Voice of the Republic – dem terranischen Propaganda-Nachrichtensender, der nach eigener Meinung stets für Wahrheit und Recht eintrat – war die Stadt Taarig vor drei Tagen von aufständischen Rebellen, durch den Beschuss mit reiner Hyperenergie aus der orbitalen Raumstation, völlig zerstört worden.
Zwar besaß Mygun noch keine zuverlässigen Informationen über diesen irrsinnigen Anschlag, doch für ihn stand es außer Frage, dass Ail Panek etwas damit zu tun hatte. Kein Freidenker oder Rebell würde so eine Aktion auch nur in Erwägung ziehen. Dieser Teil der Nachricht war eine unverschämte Lüge.
Achtzehn Millionen Tote waren jedoch bittere Realität!
Erst die Kolonisten von Nikong und nun die Einwohner einer afrikanischen Stadt.
Mygun fragte sich, ob die Menschheit versuchte, sich langsam selbst zu vernichten. Dabei passten diese Ereignisse ganz und gar nicht zu der neuen Expansionspolitik des Kartells. Die Herren der Erde brauchten die Kolonisten doch für ihren geplanten Krieg gegen die Masanische Allianz. Wer sonst sollte ihnen als billiges Kanonenfutter dienen?
Bei Mygun verdichtete sich immer mehr der Verdacht, dass irgendetwas in der Republik völlig neben der Spur lief. Dies erklärte wohl auch Veeguns sonderbares Verhalten.
Der sagorische Botschafter-Roboter tauchte vor knapp einer Woche überraschend über dem Planeten Regenwald auf und bot ihnen einen erstaunlichen Handel an: die sechsunddreißig Frachter, mit denen Kadochi seine Leute vor den Regierungstruppen der Republik gerettet hatte, gegen die gleiche Anzahl an werftneuen Kriegsschiffen. Ein Geschäft, das der Admiral, den plötzlich alle als ihren Führer ansahen, nicht ausschlagen konnte, wenn der Kampf gegen das unmenschliche Regime des Kartells nicht schon frühzeitig zu Ende sein sollte.
Gleichzeitig erreichte seinen Vater Stephen eine Nachricht vom Planeten Afrikana. Sein langjähriger Freund und Weggefährte im Kampf gegen Terra, Mhakami Zulunu und dessen Familie, befanden sich auf der Flucht vor dem Jalar. Admiral Mygun blieb nichts anderes übrig, als Ail Panek auf eine fragwürdige Rettungsmission zu schicken.
Mygun Senior war inzwischen nicht mehr ansprechbar. Sein Verstand hatte die Auslöschung der Nikong nicht verkraftet, hatte sich völlig der Realität entzogen und war in den Wahnsinn abgedriftet.
Dr. Liz Bordo, die dunkelhäutige Corse und Chefärztin der Bonaparte, hatte versucht, dem alten Mann zu helfen, konnte ihn aber trotz aller medizinischen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung standen, nur noch ruhigstellen. Sie besaß wenig Hoffnung, dass sich sein Zustand je wieder verbessern würde, da Kallos Vater seinen Lebenswillen verloren hatte.
Der Admiral machte sich schwere Vorwürfe.
Er hätte sich in der Vergangenheit nicht von seinem Vater abwenden sollen, dem immer nur das Wohl anderer Menschen am Herzen gelegen hatte. Was bedeuteten schon ein paar kleine Unterschiede in ihren politischen Ansichten.
Zugegeben, Freidenker waren sicherlich keine Rebellen. Doch jetzt, nachdem bereits zahlreiche Mitglieder beider Gruppierungen auf den Welten der Republik aufgeflogen und hingerichtet worden waren, war eine Verschmelzung ihrer Ideen und Prinzipien der einzige Weg, um zu überleben.
Kallos Mygun musste das Erbe seines Vaters antreten.
Es war nun seine Bestimmung, sich den Kampf gegen das Kartell auf die Fahne zu schreiben und die Menschen in eine bessere Zukunft zu führen.
So langsam ergaben auch die mysteriösen Andeutungen des Obersten Priesters des Tempels von Tanat einen Sinn.
Würde er es schaffen, die Menschheit zu retten?
„Verzeihung, störe ich?“
Mygun schreckte auf und erblickte den Kalaner Soden-Mad, der unbemerkt die Kommandozentrale betreten hatte.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Mygun, wobei er versuchte, sich seine Befürchtungen und Ängste nicht anmerken zulassen. Als Fremdrassenspezialist besaß Soden-Mad, ihr Kontaktmann zur Masanischen Allianz, ein besonderes Gespür für solche Gefühle.
„Ich wollte mich nur verabschieden!“, erinnerte ihn der Arzt. „Der Bahor der Allianz ist der Meinung, dass Sie und Ihre Leute von nun an alleine klarkommen müssten. Ich kehre mit meinen Artgenossen in unser normales Leben zurück. Sie können mich jederzeit auf der Raumstation Vanamex erreichen, deren Koordinaten in der Positronik des Stützpunktes gespeichert sind. Natürlich werden wir Ihre Gruppe auch weiterhin mit allen Versorgungsgütern beliefern, die Sie hier auf Regenwald brauchen werden.“
„Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und die Ihres Volkes, Soden-Mad!“, meinte es Mygun ehrlich.
„Bedanken Sie sich bei dem Labora Nereidschan“, wehrte der kleinwüchsige Kalaner ab. „Wir Kalaner folgten nur unseren Befehlen!“
„Ich hoffe doch, es war mehr als nur ein Job!“, entgegnete Mygun. Er hielt dem Arzt die ausgestreckte Hand hin.
Soden-Mad war mit dieser menschlichen Geste inzwischen gut vertraut. Dennoch zögerte er instinktiv.
„Ich bin mir bewusst, Soden-Mad, dass zu viele Schmerzen, zu viel Leid und zu viel Tod zwischen unseren beiden Völkern liegen, um als Freunde zu scheiden. Verbündete sollte für den Anfang genügen.“