Zwei Welten - Eileen Auras - E-Book

Zwei Welten E-Book

Eileen Auras

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Beschreibung

In der Hoffnung auf ein besseres Leben reist die obdachlose Sophie durch die USA. Aber wieder vergeht ein Jahr und der erbarmungslose Winter New Yorks greift nach ihr. Wird die Stellenausschreibung eines kleinen Hotels ihr neue Möglichkeiten eröffnen? Sollte das Glück ihr hold sein? Oder holt ihre Vergangenheit sie erneut ein? Eine einfühlsame Geschichte, wie zwei unterschiedliche Welten sich doch so sehr ähneln können.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Eileen Auras

Zwei Welten

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- gekürzte Vorschau -

Inhaltsverzeichnis

Titel

Klarstellung

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

Impressum tolino

Klarstellung

Liebe LeserIn,

ich möchte Sie mit meinen Büchern zum Träumen einladen.

In einem wirklich schönen Traum gibt es keine Krankheiten, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden. Schwanger wird man nur, wenn man es sich wünscht. Deshalb braucht man auch keine Kondome – in einem Traum.

Aber jeder Traum hat ein Ende, wie auch dieses Buch eins haben wird und Sie in die Wirklichkeit zurückkehren werden.

Daher ist es für mich mehr als eine Sorgfaltspflicht, Ihnen dies nahe zu bringen:

Ungeschützter Verkehr kann Ihr Leben und das Ihrer Lieben für immer verändern. Lassen Sie es nicht darauf ankommen!

Der Traum oder die Vorstellung, zu sexuellen Handlungen gezwungen zu werden, kann erregend sein. Ich spreche hier über Fantasien. Sobald dies zur Realität wird, hört der Spaß nach meinem Dafürhalten auf. Denn dass Sex tatsächlich als Gewalt und nicht im Einvernehmen mit dem oder den jeweiligen Partner/n ausgeübt wird, davon distanziere ich mich nicht nur ausdrücklich, das ist eine Straftat. Und für die gibt es keinerlei Toleranz. Diese Klarstellung ist mir wichtig.

Jede Ähnlichkeit der Protagonisten mit lebenden oder verstorbenen Personen ist zufällig.

Wegen der im Roman geschilderten sexuellen Handlungen ist dieser nur für erwachsene Leser geeignet.

1. Kapitel

Das Leben auf der Straße hat bereits so manchen Menschen geprägt. Oft trifft es Frauen oder Mädchen härter als ihre männlichen Gleichgesinnten. Vor allem, wenn sie sehr jung sind.

So wie Sophie, die mittlerweile schon seit zehn Jahren auf der Straße lebte. Immer auf der Suche nach etwas Beständigem führte ihr Weg sie kreuz und quer durch das gesamte Land. Kaum einen Bundesstaat hatte sie während ihrer Wanderschaft ausgelassen. Sie träumte den Traum, den viele schon aufgegeben hatten: Von einem Heim für sich, damit sie sesshaft werden konnte. Sie träumte von einer kleinen Wohnung, in der sie es warm und gemütlich hatte. Von einem Mann, der gut zu ihr war, und den sie heiraten und Kinder mit ihm haben würde. Aber nie war etwas von Dauer. Immer wieder trieben die Umstände sie weiter. Und jetzt schlich sie durch die spätherbstlichen Straßen von New York.

»So langsam muss ich mir überlegen, wo ich unterkomme.«

Es war Mitte Oktober und die Nächte wurden immer kälter. Nicht mehr lange und der erste Frost würde einsetzen, was das Schlafen unter freiem Himmel nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich machte. Hinzu kam, dass New York den Massen an Obdachlosen nicht gewachsen war. Es gab nicht viele Möglichkeiten, in den Wintermonaten eine warme und trockene Zuflucht für die Nacht zu bekommen. Die wenigen Obdachlosenasyle waren unweigerlich in kürzester Zeit überfüllt. Und die Regelung, dass man nur eine Nacht bleiben durfte, beziehungsweise sich jeden Tag von neuem anmelden musste, machte es nicht einfacher. Jeder sollte die Chance auf eine Nacht im Warmen haben. Die Idee hinter der Sache war nicht schlecht, aber die Umsetzung bedeutete ein tägliches Hoffen, Bangen und Scheitern. Daher war bereits jetzt der Kampf eröffnet. Jeder war sich selbst der Nächste. Wer um sein Recht auf Überleben nicht kämpfte, war so gut wie verloren.

Diese schroffe Gangart war nicht Sophies Welt. Sie gehörte nicht zu den Leuten, die ihre Ellenbogen einsetzten, um an ihr Ziel zu gelangen. Wie sie sich die ganze Zeit durchschlagen konnte, war selbst ihr ein Rätsel. Für ihre Lebenssituation war sie viel zu zart besaitet. Sie vermied Ärger und nahm Rücksicht auf ältere und gebrechliche Gleichgesinnte. Auch wenn sie wusste, dass ihr dieser Dienst von denen nie erwiesen werden würde, räumte sie ihre begehrte Ruhestätte und verbrachte die Nacht in der Kälte. Oder sie versuchte ihr Glück in einer der U-Bahn Stationen. Für die, die bei den Asylen nicht unterkamen, war dies die letzte Möglichkeit ein Dach über den Kopf zu bekommen. Aber die Bahngesellschaften waren sehr sparsam mit der Erlaubnis, in den hintersten Nischen zu nächtigen. Nur wenn der Winter sehr hart werden sollte, könnte man Glück haben, dass ein Wagon als Schlafstätte zur Verfügung gestellt wurde. Aber dazu musste es bitterkalt sein. Penner im Untergrund machten keinen guten Eindruck. Schwarzschläfer, egal wo sie zu finden waren, ließen Sicherheitskräfte von der Polizei des Platzes verweisen. Und die Chance, in diesem Winter nochmals unterzukommen, war gleich Null.

***

Sophie hatte jedoch Möglichkeiten, die anderen verwehrt blieben: Sie war jung und hübsch, auch wenn sie sich selbst nicht als schön bezeichnet hätte. Ihre langen schwarzen Haare umrahmten ein mädchenhaftes feines Gesicht. Ihre vollen Lippen hatten eine natürliche rote Färbung und ihre Stupsnase zierten kleine Sommersprossen. Aber das auffälligste waren ihre graublauen Augen. Diese Augen gaben ihr etwas Besonderes, was sowohl Segen, aber vor allem Fluch war.

Durch ihre Attraktivität und ihr unschuldiges Auftreten schaffte sie es, privat eine Unterkunft für die kalte Jahreszeit zu bekommen. Wenn sie sich etwas zurechtmachte, wirkte sie kaum wie eine von der Straße, auch wenn sie viel zu dünn für ihre Größe war. Sie bewarb sich auf Stellenausschreibungen und fragte, ob sie statt des Lohns eine Unterkunft bekommen könnte. Die meisten Arbeitgeber willigten ein, denn billiger kamen sie kaum an eine Aushilfe. Das bisschen, was sie an Speisen und Wasser kostete, war ein Bruchteil dessen, was sie an Lohn zahlen müssten. Sophie war keine Schnorrerin. Sie arbeitete hart für Kost und Logis, denn sie wollte nichts geschenkt. Aber vor allem die Männer gaben sich mit ihren Diensten oft nicht zufrieden. Nächstenliebe schien es nicht mehr zu geben. Sie wussten, dass Sophie von ihnen abhängig war, wenn sie nicht draußen erfrieren wollte. Und sie forderten schnell andere Gegenleistungen für ihre Gastfreundschaft. Sie näherten sich ihr, grapschten sie unverhohlen an und verlangten Sex. Wenn sie ihnen nicht zu Willen war, nahmen sie sich, was sie wollten. Viele lebten ihre noch so abartigen Triebe ungehemmt an ihr aus. Das, was sie sich nie bei jemand anderes wagen würden, schien bei einer Obdachlosen kein Problem zu sein. Und Sophie ließ alles über sich ergehen. Was konnte sie anderes tun? Ihr blieben nicht viele Optionen: Entweder sie erfror draußen, oder sie ließ die Männer gewähren. Welches das kleinere Übel war, konnte sie selbst nicht sagen. Sie konnte niemand etwas von all dem erzählen. Nirgends ihr Leid klagen. Wer hätte ihr auch geglaubt, dass sich ein angesehener Gärtner oder Geschäftsmann an ihr vergangen hatte? Sie zu abartigen sexuellen Handlungen zwang oder prügelte? Ihr Wort als obdachlose Schmarotzerin stand gegen das eines standhaften Mannes, der einen untadeligen Leumund hatte. Daher schwieg sie. Es hatte keinen Sinn zu reden. Die körperlichen Spuren würden bald verheilt sein. Wie es jedoch in ihrer Seele aussah, wusste wohl nicht einmal sie. Sobald das Wetter es wieder zuließ, packte Sophie ihren Rucksack und verschwand. Sie zog weiter. In eine andere Stadt, in einen anderen Bundesstaat. Sie brach erneut alle Brücken ab und suchte weiter nach dem Glück.

Egal, was ihr im Laufe der Jahre alles passiert war, sie verlor nie die Hoffnung. Irgendwann, irgendwo würde es besser. Vielleicht sogar schon in der nächsten Stadt.

2. Kapitel

»Zimmermädchen ab sofort gesucht. Vielleicht ist das eine Chance«, sagte Sophie zu sich selbst, als sie den kleinen Aushang am Seiteneingang eines Hotels las und beschloss, sich am nächsten Tag dort vorzustellen.

Aber vorher musste sie sich etwas Kleingeld zusammenschnorren. Sie hatte schon einige Tage nichts mehr gegessen und brauchte außerdem fünfzig Cent für die Dusche im Bahnhof. So wie sie gerade aussah und roch, konnte sie in so einem Laden nicht aufkreuzen. Nie und nimmer würden die eine wie sie einstellen. Daher legte sie sich ins Zeug und bis zum Abend hatte sie drei Dollar erbettelt. Es war nicht viel. Aber sie reichten aus, um sich ein Brötchen, eine Wurst und etwas zu trinken zu holen. Und die Dusche am Morgen war auch noch möglich.

Sophie hätte auch schneller mehr Geld machen können. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Obdachlosen klaute sie nicht. Und sie gab ihr geschnorrtes Geld nicht für Alkohol und Drogen aus. Sie wusste, was die Sucht aus den Leuten machte. Sie hatte schon oft gesehen, wie gestandene Männer heulend ihren Dealer anbettelten, um den nächsten Schuss zu bekommen. Oder wie andere sich im Suff ankotzten oder in die Hosen machten. Das bisschen Würde, das Sophie noch besaß, wollte sie sich bewahren. Auch wenn ihr oft gesagt wurde, dass die Situation leichter zu ertragen sei, wenn man nicht nüchtern war. Aber das nahm sie in Kauf. Ihren Traum von einer heilen Welt konnte sie sich nicht im Rausch erarbeiten. Dafür musste sie einen klaren Kopf behalten, auch wenn das hieß, das Grauen der Welt ungeschönt zu ertragen.

Langsam machte Sophie sich auf den Weg zum Bahnhof. Mit viel Genuss aß sie unterwegs ihr Brötchen mit der Wurst und trank ihre Limonade. Auch wenn es nicht viel war, war sie gesättigt und zufrieden. Ihr Magen hatte sich längst daran gewöhnt, mit sehr wenig auszukommen. Der Bahnhof lag nur drei Blocks vom Hotel entfernt. Den alten Mann am Nachtschalter hatte sie aus Zufall direkt zu Beginn ihres Aufenthaltes in New York kennengelernt. Unverhofft war erneut tiefer Frost hereingebrochen und sie hatte Zuflucht im Bahnhof gesucht. Statt sie hinaus zu werfen, ließ er sie seitdem ab und zu in der Abstellkammer übernachten. Er verlangte nichts dafür. Er war einer der ganz wenigen Menschen dieser Stadt, die das Herz am rechten Fleck hatten.

»Hallo, Mädchen. Wie geht es dir? Lange nicht gesehen.«

Der Alte war wie gewohnt bester Laune. Er mochte die Nachtschichten lieber als die Frühschicht. Kein Chef, der ihn unangemeldet besuchte und kein Trubel. Für den Stress der Rush hour fand er sich zu alt.

»Hallo. War am anderen Ende der Stadt. Ich möchte morgen mein Glück in dem Hotel drei Blocks von hier versuchen. Die suchen ein Zimmermädchen. Daher wollte ich morgen früh hier duschen.«

Sophie lächelte den Alten an und versuchte seinem musternden Blick standzuhalten. Er betrachtete sie von oben bis unten, ehe er den Kopf schüttelte.

»Hast du noch etwas anderes zum Anziehen? Ich glaube, die Sachen sind nicht angemessen für ein Vorstellungsgespräch.«

Sophie sah an sich herunter. Sie besaß nur das, was sie am Leibe trug.

»Komm mit. Wir gehen in die Fundgrube. Du würdest dich wundern, was die Leute alles in der Bahn liegen lassen. Vielleicht ist da etwas Passendes bei.«

Sophie folgte dem Alten, der in einer Kammer verschwand. Sie konnte leises Gemurmel hören, ehe er wieder zu ihr trat. Tatsächlich fand er eine schwarze Stoffhose, eine Bluse und einen Blazer.

»Bring sie einfach die Tage wieder vorbei.«

Der Alte führte Sophie zur Abstellkammer, die ihr Schlafplatz für diese Nacht sein sollte. Viel Platz gab es dort nicht. Es war ein kleiner Raum, der vollgestopft war mit Putzutensilien. Aber Sophie war nicht wählerisch. Hauptsache es war trocken und warm.

Nach einer Nacht, in der sie nicht fror und endlich wieder ohne Angst durchschlafen konnte, genoss sie die heiße Dusche. Das Wasser auf ihrer Haut zu spüren tat so gut. Es war schon einige Zeit her, dass sich Sophie mehr als nur eine Katzenwäsche leisten konnte. Sie spürte, wie der Schmutz der letzten Wochen von ihr abgespült wurde. Nun fühlte sie sich frisch und sauber. Mit einem neuen Körpergefühl und in ihrer geliehenen Kleidung ging sie zum Hotel. Im Eingangsbereich atmete sie noch einmal tief durch und schritt an den Empfang.

»Guten Morgen. Ich habe den Aushang wegen der Stelle als Zimmermädchen gesehen. Ich würde mich gern bewerben.«

Sophies Stimme war leise und zurückhaltend. Sie war überwältigt von der Kulisse, die sich ihr bot. Von außen sah das Hotel eher unscheinbar aus, aber das Innere war eine Mischung aus alt und neu. Als hätte ein neuer Besitzer seinen Stempel auf das Ambiente des Vorgängers gesetzt, ohne es zu zerstören.

Die Dame am Empfang beäugte sie von oben herab und griff zum Telefon. Diese Blicke waren Sophie wohl bekannt. So wurde sie auch angesehen, wenn sie Leute anschnorrte. Konnte man ihr so eindeutig ansehen, was für eine sie war? Konnte man auf dem ersten Blick erkennen, dass sie obdachlos war? Klar, die Kleidung, die sie trug, passte nicht hundertprozentig, aber sie war sauber, ordentlich und dem Anlass entsprechend.

»Hier ist eine junge Dame, die wegen der Stelle als Zimmermädchen da ist … gut, ich sage es ihr.«

Die Rezeptionistin musterte Sophie wieder, als sie auflegte.

»Nehmen Sie doch kurz Platz. Mrs Cord kommt gleich und führt das Gespräch mit Ihnen.«

Sophie nickte und setzte sich in einen der Sessel, die vor dem Tresen standen. Sie besah sich die Leute, die ein und aus gingen, und fühlte sich zwischen den vielen gut angezogenen Gästen fehl am Platz.

»Guten Morgen. Ich bin Mrs Cord.«

Eine Frau in den Fünfzigern trat an sie heran und reichte ihr die Hand zur Begrüßung.

»Guten Morgen. Ich bin Sophie Walsh.«

Sophie stand auf, wie es die Höflichkeit gebot, und nahm Mrs Cords Hand mit leichtem Druck.

»Sie interessieren sich für die Zimmermädchenstelle? Haben Sie Erfahrung in diesem Bereich?«

Sophie schüttelte langsam den Kopf und ihre Hoffnung schwand, als sie sah, wie Cord zu überlegen begann.

»Nicht optimal, aber wir brauchen dringend jemanden. Das Weihnachtsgeschäft beginnt und da benötigen wir jede Hand. Kommen Sie. Ich erkläre und zeige Ihnen alles.«

Während Cord Sophie durch die Halle führte, redete sie ohne Unterlass.

»Arbeitsbeginn der Frühschicht wäre um sechs Uhr. Dann müssen die Zimmer derer gemacht werden, die des Nachts ausgecheckt haben. Diese Zimmer müssen bis zehn Uhr fertig sein, weil ab elf Uhr offizieller Check in ist. Das ist früher als in anderen Hotels. Dieser Service wird gern genommen. Vor allem von Gästen, die am Nachmittag Termine haben. Die belegten Zimmer müssen bis ein Uhr gemacht werden. Danach folgen alle Zimmer, die im Laufe des Vormittags frei werden. Wie das alles funktioniert, wird Ihnen erklärt.«

Sophie rauchte bereits der Kopf, aber Cord war noch lange nicht fertig.

»Die Frühschicht endet um drei Uhr nachmittags und da beginnt auch die Spätschicht, die bis Mitternacht geht. Alle drei Tage wäre es Ihre Aufgabe, die Kamine in den Suiten und im Penthouse zu reinigen. In der Zeit übernähme jemand anderes die Zimmer Ihrer Zuständigkeit.«

Cord musterte Sophie.

»Meinen Sie, Sie schaffen das?«

Sophie nickte zögernd. Sie war so überwältigt, dass sie kein Wort herausbrachte.

»Gut. Es ist viel, aber Sie sind nicht allein.«

Cord öffnete eine Tür, hinter der ein Aufenthaltsraum mit Tisch, Stühlen und Spinden verborgen war. Eine ältere, etwas dickliche Frau mit zu einem Dutt zusammengefassten grauen Haaren saß am Tisch und las die Zeitung.

»Das ist Martha. Sie wird Sie in alles einweisen.«

Martha sah missmutig von ihrer Zeitung auf und beäugte Sophie kurz.

»Martha, das ist Sophie.«

»Ich hoffe, die stellt sich besser an als die Letzte«, meinte sie und widmete sich wieder ihrer Lektüre.

»So, Ihre Uniform bekommen Sie morgen.«

Cord war von Marthas Reaktion vollkommen ungerührt und führte Sophie weiter.

»Kommen Sie bitte morgen früh pünktlich um sechs Uhr zum Dienst. Dann können Sie auch den Dienstplan besprechen. Die Gehaltsschecks gibt es hier alle zwei Wochen.«

Damit verabschiedete sich Cord und Sophie verließ das Hotel, in dem sie ab morgen arbeiten sollte. Sie konnte es gar nicht fassen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Eigentlich wurde sie gar nicht gefragt, ob sie den Job nach der Informationsflut überhaupt noch haben wollte. Cord setzte es einfach voraus.

»Ich habe einen Job!«

3. Kapitel

Sophie war nervös, als sie überpünktlich im Aufenthaltsraum des Hotels stand und ihrem ersten Arbeitstag entgegensah. Sie wusste nicht, was sie erwartete. Marthas eher ablehnende Haltung vom Vortag machte ihr zu schaffen. Aber Martha stellte sich als freundlicher heraus, als es den Anschein machte. Sie erklärte geduldig alle notwendigen Schritte, die das Herrichten der Zimmer einfacher machten. Vielleicht lag es auch daran, dass Sophie sich nicht so dämlich anstellte, wie sie es befürchtet hatte. Man merkte sofort, dass es ihr Spaß machte. Sie versteckte sich nicht hinter falscher Scheu, sondern fragte auch wiederholt, wenn sie sich nicht sicher war. Außerdem war sich Sophie für nichts zu schade. Sie reinigte die Toiletten mit der gleichen Hingabe, wie sie die Betten machte oder mit dem Staubtuch hantierte. Ihr bei der Arbeit zuzusehen erfüllte Martha mit Freude. Endlich hatte sie jemand an ihrer Seite, auf den sie sich verlassen konnte. Daher scheute sie sich auch nicht, Sophie bereits nach wenigen Tagen eine Generalschlüsselkarte anzuvertrauen, damit sie sich bei den Arbeiten aufteilen konnten. Das kam ihr sehr zu Gute, denn das Alter machte sich bei Martha bemerkbar. Sie war nicht mehr so schnell, wie sie es früher einmal gewesen war. Aber auch Sophie hatte ihren Nutzen. Der November hatte begonnen und die Nächte wurden klirrendkalt. Durch die Schlüsselkarte hatte sie die Möglichkeit, in einem der freien Zimmer die Nächte zu verbringen. Sophie versuchte, ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen. Es war ja kein Vertrauensbruch. Sie klaute nichts, sondern wollte nur dort schlafen. Hinterher richtete sie das Zimmer wieder ordentlich her. Die Frage, die sich stellte, war nur, wie sie abends unauffällig ins Hotel kam. Die Lösung für dieses Problem fand sich jedoch leichter als gedacht. Der Publikumsverkehr des Hotels stieg rasant an und durch Krankheit fehlten immer häufiger Angestellte. Sophie bot sich an, einige Doppelschichten machen zu können. Sie begründete es damit Schulden zu haben, die sie schnellstmöglich begleichen wollte. Dieses Angebot wurde dankbar angenommen. Und auf diese Weise löste sich ihr größtes Problem von ganz allein.

Sophie hätte nie beschreiben können wie schön es war, nach den vielen Monaten, die sie draußen nächtigte, nun in einem warmen weichen Bett zu liegen. Glücklich schlüpfte sie unter die Decke und erhoffte sich einen erholsamen Schlaf. Dieser war ihr jedoch nicht vergönnt. Immer wieder schüttelten sie Albträume und brachten sie um ihre verdiente Ruhe. Es waren Träume von den Erlebnissen der Vergangenheit, die sich wie tiefe Krater in ihr Gedächtnis gebrannt hatten. Immer wieder lief ihr Leben wie ein grausamer Film vor ihrem inneren Auge ab. Oft lag sie lange wach und traute sich kaum wieder einzuschlafen, bis die Müdigkeit übermächtig wurde und sie sich nicht mehr dagegen wehren konnte. Durchwachte Nächte und Doppelschichten zollten ihren Tribut. Sophie war müde, auch wenn sie ihre Arbeiten weiterhin sehr gewissenhaft erledigte. So vergingen die ersten zwei Wochen wie im Fluge und Martha zeigte ihr in einer der Suiten, wie sie die Kamine zu reinigen hatte. Diese Aufgabe hatten beide so lang wie möglich vor sich hergeschoben, aber nun gab es keine Ausrede mehr.

»Am besten machst du das in der Spätschicht von vier bis sechs. Dann ist meist keiner da und du hast Ruhe.«

Martha wischte sich den Schweiß von der Stirn und Sophie nickte lachend. Sie deutete mit dem Finger auf Marthas Stirn, auf der nun ein schwarzer Rußstreifen zu sehen war.

»Entschuldige, aber du hast da was.«

Auch Martha begann jetzt zu lachen und erhob sich. Das gemeinsame Arbeiten war so entspannt, auch wenn es körperlich anstrengend war. Die beiden Frauen verstanden sich blind. Jede wusste, was zu tun war und es sah fast so aus, als wären sie bereits seit langer Zeit ein Team.

***

»Sie sind wohl neu hier?«

Sophie schrak auf, als sie eine Männerstimme hörte. Sie steckte gerade mit dem Kopf im Kamin des Penthouses und stieß sich den Kopf an der Kante, als sie sehen wollte, wer sie ansprach.

»Shit, au.«

Sie rieb sich den schmerzenden Hinterkopf, ehe sie sich umdrehte. In der Tür zum Nebenraum stand ein junger Mann und lächelte sie an. Er war groß, schlank, mit einem wohl definierten Körper, der ganz leger in Jeans und T-Shirt steckte. Seine blonden Locken und die strahlendblauen Augen rundeten das charmante Aussehen ab.

»Entschuldigung. Ich wusste nicht, dass jemand hier ist. Ich bin sofort fertig.«

Hastig begann Sophie die Asche weiter aufzufegen. Wohl wissend, dass der Mann sie beobachtete. Und das hasste sie. Sie konnte es nicht leiden, wenn ihr jemand auf die Finger sah. Das machte sie nervös. Und wenn es auch noch so ein gutaussehender Typ war, war es schier unerträglich.

»Wie kommen Sie darauf, dass ich neu hier bin?«

Ihre Stimme war leise und sie sah sich nicht um. Einen Gast direkt anzusehen schickte sich für ein Zimmermädchen nicht.

»Weil die Neuen immer die Kamine machen müssen.«

An seiner Tonlage war deutlich das Lächeln zu erkennen, das auf seinen Lippen lag.

»Oh. Dann hatten Sie wohl länger keine Neue hier.«

Mist. Sie wollte das nur denken und nicht aussprechen. Und das vor einem Gast. Was sollte der jetzt von diesem Hotel halten? Aber der Mann lachte.

»Stimmt, aber wie kommen Sie darauf?«

»Es steht mir nicht zu, darüber noch etwas zu sagen. Ich hatte nur leider laut gedacht. Entschuldigung.«

Sie strich sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn und wandte sich um. Dieses Lächeln, in das sie blickte, faszinierte sie. Es war so offen und frei, wie sie es noch nie gesehen hatte. Es wirkte, als wäre dieser Mann mit sich und der Welt im Reinen. Das war etwas, das Sophie in dieser modernen Welt nicht mehr für möglich gehalten hatte. Heute war jeder mit allem unzufrieden.

»Es kommen nicht so viele mit Martha aus. Da flüchten die meisten in den ersten Tagen. Ich bin übrigens Phil Kean.«

Sophie schluckte hart und sah ihn verdattert mit weit aufgerissenen Augen an. Sie hatte das Gefühl, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war.

»Ich bin Sophie, Sir. Ich wusste nicht, dass Sie hier wohnen. Martha hat mir nichts gesagt.«

Sie begann zu stottern und sah verlegen zu ihm auf. Phils verschmitztes Lächeln entwickelte sich zu einem breiten Grinsen. Das machte sie nur noch unsicherer.

»Es bot sich an. Und so habe ich mein Personal besser im Auge.«

Seine Stimme war warm, sanft und nachsichtig. Sophie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Die gesamte Situation war ihr peinlich. Auf den Chef zu treffen war ihr sehr unangenehm. Warum hatte Martha sie nicht gewarnt?

»Gefällt es Ihnen hier?«

Sophie merkte, dass er die Peinlichkeit aus der Situation zu nehmen versuchte. Wahrscheinlich sah sie gerade aus, als hätte sie ein Gespenst gesehen.

»Ja, Sir. Ich bin zwar erst die zweite Woche hier, aber es macht Spaß. Und Martha ist gar nicht schlimm.«

Zügig arbeitete sie weiter und räumte ihre Utensilien zusammen. Sie wollte nur so schnell wie möglich von hier weg.

›Flucht.‹

Das war in diesem Moment ihr einziger Gedanke. Und als sie die Tür hinter sich schloss, atmete sie tief durch. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, was erst nachließ, als sie im Erdgeschoss aus dem Fahrstuhl stieg.

»Martha, du hättest mich aber ruhig vorwarnen können, dass der Chef im Penthouse wohnt. Ich kam mir so dämlich und überrumpelt vor.«

Sophie hatte sich zwar wieder gefangen, aber etwas Luft musste sie sich machen. Martha saß im Aufenthaltsraum und sah von ihrer Lektüre auf.

»Oh, entschuldige. Habe ich vergessen. War er da? Sonst ist er um diese Zeit nicht im Haus. Wie findest du ihn denn? Ist doch echt ein Schnittchen, oder? Wenn ich nur dreißig Jahre jünger wäre.«

Sophie verdrehte die Augen. Sie kommentierte das Gesagte nicht. Natürlich war er ein gutaussehender Mann. Aber er war ihr Chef und ihre Situation war nicht die, die es ihr möglich machen könnte, sich falsche Hoffnungen zu machen.

***

Phil stand noch eine Weile in der Durchgangstür zwischen seinem Homeoffice und dem Wohnzimmer, nachdem Sophie aus dem Penthouse geeilt war. Er dachte über die Reaktion der Neuen nach und schmunzelte vor sich hin. Bevor sie gewusst hatte, wer er war, war sie noch unbefangen gewesen. Aber auch nachdem er sich zu erkennen gab, reagierte sie ganz anders als ihre Vorgängerinnen. Während die anderen versuchten sich bei ihm einzuschmeicheln und ihm schöne Augen zu machen, war sie zurückhaltend und distanziert. Sie schien sich ihres Ranges sehr wohl bewusst zu sein. Und das machte sie interessant. Oder bezweckte sie gerade mit diesem Verhalten diese Einschätzung? Nein, ganz bestimmt nicht, da war er sich sicher. Phil war es müde, dass die Zimmermädchen immer meinten, ihren Nutzen daraus ziehen zu können, indem sie sich ihm schier an den Hals warfen. Die Reinigung des Kamins wurde gern als Vorwand genommen, um sich ihm mit offener Bluse und hochgerafftem Rock anzubieten. Aber so einer war er nicht. Er wollte nicht seinen guten Ruf verlieren, nur weil er seinen Trieb nicht unter Kontrolle hatte. Aber jetzt war seine Neugierde geweckt. Daher setzte er sich an seinen PC und rief die Personalakte von Sophie auf. Er scrollte durch die Angaben und stellte verwundert fest, dass sie gar nichts aussagten: Lediglich Name und Geburtsdatum standen darin. Weder Adresse, Geburtsort oder Sozialversicherungsnummer waren angegeben worden. Dort stand ›folgt‹. Und ein Foto gab es auch nicht. Cord hatte ihm zwar gesagt, dass es eine Blitzeinstellung war, aber innerhalb von zwei Wochen hätte sie die Unterlagen nachreichen können, eigentlich sogar nachreichen müssen. Er wagte zu bezweifeln, dass das Geburtsjahr stimmte, das sie als neunundzwanzig auswies.

»Sie ist nie im Leben älter als fünfundzwanzig.«

Phil betrachtete die kläglichen Angaben auf seinem Bildschirm.

»Ob wenigstens ihr Name stimmt?«

Seine Gedanken kreisten. Wer war diese Frau, die in seinem Hotel arbeitete? Was hatte sie zu verbergen? Hatte sie etwas zu verbergen? Er ließ ihre erste Begegnung Revue passieren.

»Sie ist sehr mager. Sogar Größe vierunddreißig scheint noch zu weit zu sein. Und ihre grauen Augen wirken riesig.«

Er hatte die Uniformen bewusst sehr figurbetonend ausgewählt, da die Erfahrung zeigte, dass die Gäste dann lieber Trinkgelder zurückließen. Aber bei Sophie wirkte sie etwas weit an der Taille. Phil beschloss sie im Auge zu behalten. Zwar dachte er nicht, dass Sophie ihm oder dem Hotel schaden wollte, aber Kontrolle war besser, als hinterher auf die Nase zu fallen. Es kam schon ab und zu vor, dass Angestellte sich an Hoteleigentum vergriffen hatten. Außerdem wollte er sich bei seinem Team umhören, wie zufrieden sie mit ihrer Arbeit waren. Zumindest waren bis dato keine Klagen über sie gekommen.

***

Um Mitternacht war Sophies Schicht endlich zu Ende. Sie war todmüde und wollte ihre Tasche aus dem Aufenthaltsraum holen. Im Laufe der Spätschicht hatte sie sich ein freies Zimmer ausgesucht und durch die Generalkarte konnte sie jedes Zimmer betreten.

»Ich habe dich beobachtet.«

Sie hörte eine Männerstimme hinter sich und drehte sich um. Der Nachtportier lehnte lässig im Türrahmen und grinste sie gehässig an. Er war ein ekelhafter Zeitgenosse. Nicht unbedingt wegen des Aussehens, auch wenn er nicht zu der Sorte Mensch gehörte, die man als attraktiv hätte bezeichnen können. Er war groß und hager. Sein Gesicht war von der pubertären Akne vernarbt und sein zu langes Haar klebte in fettigen Strähnen an seinem Kopf. Aber schlimmer als sein Aussehen war seine Art. Er war ein schleimiger Typ. Er hatte etwas an sich, das einfach nur abstoßend war. Sophie fragte sich immer wieder, wie so einer sich in einem Job mit Publikumsverkehr halten konnte.

»Ich weiß, dass du hier nachts durchs Hotel schleichst. Du haust in den leeren Zimmern. Mein Schweigen wird dich etwas kosten.«

Sein Tonfall war unangenehm ruhig und berechnend. Er trat auf Sophie zu, die zurückzuweichen versuchte.

- Ende der Buchvorschau -

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Texte © Copyright by Eileen Auras Im Brauck 19 58849 Herscheid [email protected]

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