Die Kerzenzieherin 4 - Caren Benedikt - E-Book

Die Kerzenzieherin 4 E-Book

Caren Benedikt

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Beschreibung

Eine mutige Novizin und eine dunkle Verschwörung. - Teil 4 des sechsteiligen Serials »Die Kerzenzieherin« Hattingen, 1225: Das Leben der Novizin Ellin gerät völlig aus den Fugen, als sie zufällig ein Gespräch zwischen zwei Männern belauscht, die eine Verschwörung gegen den Erzbischof von Köln planen. Ellin muss fliehen: Sie legt ihr Novizinnengewand ab und schafft es, sich in Bremen als Kerzenzieherin ein neues Leben aufzubauen. Doch schon bald holt sie ihre Vergangenheit wieder ein, und Ellin begreift, dass ihr Wissen sehr gefährlich und der Alptraum noch lange nicht vorbei ist.

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Caren Benedikt

Die Kerzenzieherin

RomanSerial Teil 4

Knaur e-books

Über dieses Buch

Hattingen, November 1225

Inhaltsübersicht

19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel
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19. Kapitel

Es waren eigens Ausrufer ausgesandt worden, die den Prozess auf dem Marktplatz samt der anschließenden Vollstreckung der Urteile überall in der Gegend verlautbarten.

Ellin hatte Tränen in den Augen, als sie sich ihr Gewand über den Kopf zog. Ihre Gedanken waren bei Jerg und dem Leben, das sie gemeinsam hätten haben können. Warum nur strafte Gott sie so? Erst Jonatha, dann Mathes und Linhart und nun Jerg. Es war, als würde jeder, der ihr lieb und teuer war, mit dem Tode bestraft. Ihr Blick streifte Berblin, die soeben die Nachttöpfe geleert hatte und nun wieder die Hütte betrat. Ellin hatte gehört, wie die Freundin draußen einen kleinen Schwatz mit den Wachmännern gehalten hatte, deren Anzahl auf vier erhöht worden war. Man ging anscheinend davon aus, dass Graf Friedrich erneut versuchen würde, Ellin zu ermorden. Und dass ihm dazu jedes Mittel recht war, hatten die Geschehnisse der letzten Tage ja gezeigt.

»Guten Morgen«, sagte Berblin. »Na, wie fühlst du dich?«

»Jerg ist tot. Wie soll ich mich da schon fühlen?«

»Ich weiß, es ist schwer. Mir fehlt er auch. Doch das Leben geht weiter, so schrecklich dir das jetzt auch scheinen mag. Heute werden seine Mörder hingerichtet. Und wir werden dabei sein und ihnen in die Augen sehen, wenn es so weit ist.«

»Glaubst du wirklich, dass wir zu der Hinrichtung gehen sollten?« Ellin seufzte. »Das bringt Jerg auch nicht wieder zurück.«

Berblin fasste die Freundin an den Schultern und suchte ihren Blick. »Nein, das nicht. Doch der Gerechtigkeit wird damit Genüge getan. Und nur so können wir eines Tages über das, was wir erleben mussten, hinwegkommen.«

»Gewiss hast du recht.«

Als sie sich auf den Weg nach Bremen machten, hatte Berblin ein Stück Brot in der Hand und biss immer wieder einmal etwas davon ab. Ellin hatte es dagegen abgelehnt, etwas zu sich zu nehmen. Ihr war speiübel, und allein die Vorstellung, etwas essen zu müssen, ließ sie würgen.

So liefen sie schweigend mit fast allen Dorfbewohnern und den zu Ellins Sicherheit abgestellten Wachen nach Bremen. Nur der alte Berthold hatte lieber bei seinen Bienen bleiben wollen. Also waren sie ohne ihn losgegangen.

In der Stadt herrschte helle Aufregung, obwohl es bis zum Prozessbeginn noch gut eine Stunde hin war. Zwei Jungen, die kaum älter als fünf oder sechs Jahre waren, rannten an ihnen vorbei, der hintere von ihnen mit einem Knüppel in der Hand und laut schreiend, er sei der Henker und werde den anderen gleich zur Hölle schicken. Ganz Bremen schien auf den Beinen zu sein.

»Es wäre gut, wenn Ihr Euch nicht allzu weit in die Menge der Schaulustigen wagt, damit wir Euch nicht aus den Augen verlieren«, sprach einer der Wachleute Ellin an. »In solch einem Gedränge ist es für uns schwer, den Überblick zu behalten.«

»Ist gut.«

Sie gingen noch ein Stück, bis sie wegen einer eng zusammenstehenden Traube von Menschen vorerst nicht weiterkamen. Geduldig reihte Ellin sich in die nur langsam vorankommende Menschenmenge ein.

»Ich werde nicht mehr mit zurückkommen«, sagte Ellin so leise, dass nur Berblin sie hören konnte, die direkt neben ihr ging.

»Was?«

»Nicht so laut, sonst werden die Wachen noch hellhörig.« Sie senkte abermals die Stimme und flüsterte: »Ich habe es mir genau überlegt. Es gibt keine andere Möglichkeit, solange Graf Friedrich nicht gefasst ist. Wenn ich bleibe, ist jeder im Dorf in Gefahr.«

Berblin brauchte einen Moment, um zu begreifen, was die Jüngere ihr soeben anvertraut hatte. Eine Weile sagte keine von beiden ein Wort.

»Aber das ist doch Unsinn«, meinte Berblin dann schließlich.

»Schhhh, nicht so laut.« Ellin funkelte die Freundin böse an. Diese drehte sich sicherheitshalber kurz nach den Wachen um, um zu sehen, ob diese sie beobachtet oder gar belauscht hatten.

»Aber wo willst du denn hin?«, fragte Berblin, so leise es ging.

»Ich weiß noch nicht. Aber ich muss noch heute verschwinden. Die Wachen des Bischofs und des Vogts lassen mich nicht aus den Augen. Kehre ich wieder nach Selete zurück, werde ich keine Gelegenheit mehr zur Flucht haben und euch alle ins Verderben reißen.«

»Du glaubst also wirklich, dass der Graf es noch einmal versuchen wird?«

»Hat er denn eine andere Wahl? Solange ich lebe und meine Aussage machen kann, droht ihm das Todesurteil. Und Friedrich von Isenberg scheint mir kein Mann zu sein, der sich so einfach in sein Schicksal fügt.«

Berblin wusste, dass Ellin recht hatte. Doch sie wollte sie auf keinen Fall verlieren. Es musste doch noch einen anderen Weg für die Freundin geben, als den, zu fliehen und stets damit rechnen zu müssen, dass ihr Graf Friedrich und seine Leute hinter der nächsten Hausecke auflauerten, um sie dem Barmherzigen zu überstellen.

»Und dein Ochse?«

»Den behältst du.«

»Und deine Kerzengießerei?«

Fast unmerklich zuckte Ellin zusammen, gab aber keine Antwort. Es schmerzte sie, ihr Leben in Selete, das ihr so viel Freude bereitet hatte, wieder aufgeben zu müssen.

Immer weiter wurden sie von der Menschenmenge in Richtung Marktplatz vorangeschoben, ohne dass sie sich dagegen hätten wehren können.

»Und wovon willst du leben?«

Ellin fasste an ihre Hüfte, an der sie unter ihrer Kleidung die Geldkatze verbarg. »Wir haben letztes Mal so viel verdient auf dem Markt. Ich werde versuchen, mich bis zur nächstgrößeren Stadt durchzuschlagen. Dort werde ich mir eine einfache Unterkunft suchen und einen Kessel kaufen.« Sie bemühte sich zu lächeln. »Doch wo ich jemals wieder einen so hilfsbereiten Knochenhauer auftun soll, der mir den Talg sogar ins Haus bringt, weiß ich noch nicht.«

Es war als kleine Auflockerung gedacht, doch Berblin presste fest ihre Lippen aufeinander.

»Ich habe kein gutes Gefühl dabei.«

Die Menschenmasse geriet ins Stocken, bis sie schließlich ganz zum Stehen kam.

Ellin sah zu Berblin hinüber, deren Augen sich mit Tränen gefüllt hatten.

»Ich komme mit«, flüsterte diese plötzlich.

»Was?«

»Nicht so laut. Du hast selbst gesagt, es soll keiner was hören.«

Ellin blickte sich um. Niemand nahm Notiz von ihnen. »Das geht nicht.«

»Ach, sieh an. Und weshalb nicht, wenn ich fragen darf?«

»Dein Leben ist doch in Selete. Du kannst nicht so einfach alles aufgeben, wofür du all die Jahre gearbeitet hast.«

»Pah, was denn für ein Leben? Bis du gekommen bist, saß ich die meiste Zeit allein in meiner Kate und hab zugesehen, dass ich nicht den Verstand verliere.«

Die Menge setzte sich wieder in Bewegung, und die Frauen erreichten schließlich den Marktplatz. Überall wogte ein Meer von Köpfen, die sich in die Höhe reckten, um besser sehen zu können. Dabei war das niedrige Podest, auf dem der Prozess stattfinden sollte, noch immer leer.

»Wie wollen wir es machen?«, nahm Berblin das Gespräch wieder auf.

»Bist du dir auch wirklich sicher?«

Berblin nahm kurz Ellins Hand und drückte sie. »Ganz sicher.«

»Eigentlich hatte ich vor, dich zu bitten, die Wachen abzulenken, damit ich unbemerkt in der Menge verschwinden kann. Doch jetzt müssen wir uns wohl etwas Neues einfallen lassen.«

»So sieht’s aus.«

Ellin überlegte. »Eigentlich doch nicht«, meinte sie dann. »Es ist ohnehin besser, wenn wir uns aufteilen und später wieder an einem vereinbarten Ort treffen. Getrennt können wir viel besser verschwinden als zu zweit.«

»Was hältst du von Lübeck?«

»Lübeck?«

»Ja, ich habe dir doch erzählt, dass ich von dort komme. Wir könnten dorthin gehen und uns ein neues Leben aufbauen. Was meinst du?«

»Bist du dir wirklich ganz sicher, diesen Schritt nicht zu bereuen?«

»Bereuen ist etwas für Dummköpfe«, erwiderte Berblin. »Wenn du einen Fehler gemacht hast, kannst du nur zuschauen, ihn kein zweites Mal zu machen. Wer stattdessen aber in der Vergangenheit lebt und stets nur bereut, was er getan hat, wird keinen schönen Tag mehr in seinem Leben haben.«

Ellin war einmal mehr überrascht, wie viele Gedanken sich eine scheinbar so einfache Frau wie Berblin über das Leben machte.

»Ich kenne Lübeck nicht, doch das wird sich ja nun ändern.«

Sie zwinkerte Berblin zu.

Auf dem Podest tat sich etwas, und sofort kam wieder Bewegung in die Leute.

Berblin sah sich nach den vier Wachleuten um, die einen Kreis um Ellin und sie gebildet hatten.

»Sagt, Wachmann«, wandte sie sich nun an einen von ihnen, »weshalb ist es eigentlich nicht notwendig, dass wir als Zeugen angehört werden? Oder müssen wir später doch noch nach vorn?«

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Die Sache ist so eindeutig, dass der Vogt nicht das Risiko eingehen will, Euch als Zielscheibe eines weiteren Anschlags auf das Podest zu bitten. Euer Feind könnte Euch hierher gefolgt sein und nur auf eine solche Gelegenheit warten. Wer weiß schon, wie viele seiner Männer auf dem Platz direkt um uns herum sind, die Euch oder zumindest ihr«, er deutete auf Ellin, »an den Kragen wollen. Außerdem reicht die Aussage der Büttel, die mit dabei waren, als ihr überfallen wurdet, völlig aus, zumal auch einer der drei Mordbuben gestanden haben soll.«

»Welcher?«, mischte Ellin sich in das Gespräch ein.

Der Mann hob die Augenbrauen. »Das wird einem wie mir nicht erzählt. Aber wir werden es ja gleich erfahren.«

»Erhält derjenige, der gestanden hat, denn eine mildere Strafe?«, hakte Ellin nach. »Kommt er womöglich mit dem Leben davon?« Angst stieg in ihr auf, dass Ruppert, der Schmied, der Geständige sein könnte. Dann würde sie ihr Leben lang keine Ruhe mehr finden, ganz gleich, ob die Sache mit Graf Friedrich ausgestanden sein würde oder nicht.

»Ich glaube kaum, dass sie ihn am Leben lassen, nur weil er gestanden hat. Mord ist Mord. Sogar wenn er dabei gar nicht selbst Hand angelegt haben sollte, so war er doch mit dabei, als zwei Wachen des Erzbischofs niedergemacht worden sind. Und wären sie es nicht gewesen, hätte es uns Stadtbüttel erwischt. Nein, so einen lassen die nicht am Leben.«

Ellin nahm die Antwort zur Kenntnis, doch ihre Unruhe blieb. Sie stieß Berblin vorsichtig in die Seite. »Wo wollen wir uns nachher treffen, wenn wir die da«, sie nickte mit dem Kopf in Richtung der Wachen, »abgeschüttelt haben?«

»Kennst du das nördliche Stadttor?«, flüsterte Berblin.

Ellin schüttelte den Kopf.

Berblin streckte sich. »Sieh zum Podest. Schräg hinter ihm geht eine kleine Gasse ab. Siehst du sie?«

»Ja.«

»Gut. Die läufst du entlang und passt auf, dass dir dabei niemand folgt. Am Ende der Gasse hältst du dich links.« Berblin überlegte kurz, wie sie Ellin den weiteren Weg zum Tor am besten beschreiben konnte, meinte dann aber: »Bevor wir uns am Ende noch verpassen, machen wir es lieber so, dass du dich, sobald du links abgebogen bist, im nächstbesten Hauseingang versteckt hältst. Sobald es mir möglich ist, folge ich dir dorthin und hole dich. Hast du verstanden?«

»Hab ich.« Das flaue Gefühl in Ellins Magen verstärkte sich noch. Was möglicherweise aber auch daran lag, dass in diesem Moment die Delinquenten mit gefesselten Armen auf das Podest geführt wurden. Das Volk jubelte auf, und es dauerte eine Weile, bis einer der Ratsherren sich Gehör verschaffen konnte.

»Ihr braven Bremer! Der Rat ist zusammengekommen, um Recht zu sprechen. Und das Urteil, das gefällt wurde, gilt es nun zu vollstrecken.«

»Ich dachte, der Prozess würde hier stattfinden«, flüsterte Ellin.

»Den muss der Rat wohl schon hinter verschlossenen Türen im Rathaus abgehalten haben«, mutmaßte Berblin.

»Wir haben hier einen geständigen Mörder und zwei, die sich weigern, ihre Seelen zu erleichtern, und somit die Hoffnung verwirken, dass der Herr ihnen vergeben möge.«

Er gab dem Henker ein Zeichen.

»Der geständige Mörder wird zum Tode durch den Strang verurteilt, wobei ihm die Gnade gewährt wird, nicht langsam ersticken zu müssen, sondern durch einen Stoß vom Balken durch sofortigen Genickbruch zu sterben.«

Das Volk jubelte erneut auf, und der Ratsherr zeigte sich zufrieden. Milde lächelnd nickte er den Bremern zu. Am Galgen aufgeknüpft zu werden war noch das Beste, was einem Mörder widerfahren konnte. Doch der Ratsherr wusste auch, dass dem Volk noch etwas mehr geboten werden musste. Denn die Meute wollte Blut sehen und qualvolle Schreie hören, zumal die letzte Hinrichtung schon eine Weile her war.

»Die anderen beiden nun, die sich geweigert haben, ihre frevelhaften Taten zu gestehen, werden an Pfähle gebunden und so lange gedrosselt, bis sie das Bewusstsein verlieren. Danach wird ihnen der Bauch aufgeschlitzt, ihre Eingeweide werden herausgerissen und den Kötern zum Fraß vorgeworfen. Was dann noch von ihnen übrig ist, wird außerhalb der Stadtmauern nur eine Handbreit unter der Erde in ungeweihtem Boden verscharrt, auf dass die wilden Tiere sich an ihren Resten gütlich tun können.«

Freudengeschrei brandete auf, und auch Ellin fiel ein Stein vom Herzen. Keiner der drei würde am Leben bleiben.

Die Büttel griffen sich einen der drei, Ruppert, wie Ellin erkannte, und gingen mit ihm zum Galgen hinüber. Fast musste sie lächeln. Sie hatte gewusst, dass er derjenige gewesen war, der gestanden und um sein erbärmliches Leben gefleht hatte. Sie empfand Befriedigung darüber, dass das Geständnis ihn dennoch nicht vor dem Galgen bewahrt hatte.

»Gnade«, bettelte er auch jetzt so leise, dass es nur die Menschen in den Reihen unmittelbar vor dem Podest hören konnten. »Verschont mein Leben. Ich will mich zu Gott bekennen und allen Irrwegen abschwören.«

»Das kannst du ihm gleich selbst sagen«, knurrte der Ratsherr und gab den Bütteln mit einer Geste den Befehl, ihn dem Henker zu übergeben.

Ruppert wurde neben einen Balken geführt, vor dem ihn dieser schon mit dem Seil in der Hand erwartete. Dem Verurteilten war keine Gemütsregung anzusehen, und einen Augenblick bedauerte es Ellin, nicht weiter vorne zu stehen, so dass Ruppert sie entdecken musste und der Hass in ihren Augen das Letzte wäre, was er in seinem elenden Leben sah.