Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen. Gesammelte Erzählungen. - Gerstäcker, Friedrich - kostenlos E-Book

Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen. Gesammelte Erzählungen. E-Book

Friedrich, Gerstäcker

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The Project Gutenberg EBook of Inselwelt. Zweiter Band. AustralischeSkizzen., by Friedrich GerstäckerThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Inselwelt. Zweiter Band. Australische Skizzen.       Gesammelte Erzählungen.Author: Friedrich GerstäckerRelease Date: June 22, 2014 [EBook #46073]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK INSELWELT. ZWEITER BAND. ***Produced by richyfourtytwo and the Online DistributedProofreading Team at http://www.pgdp.net

Inselwelt.

Gesammelte ErzählungenvonFriedrich Gerstäcker.

Zweiter Band.

Australische Skizzen.

Leipzig,Arnoldische Buchhandlung. 1860.

Frau Marie Kinderzu Batavia widmet diese kleinen Skizzenin freundschaftlicher Hochachtung und Verehrungder Verfasser.

Inhaltsverzeichniß vom zweiten Bande.

I. Buschtreiben.

Seite

1. John Mulligan

1

2. Die Flucht

82

3. Gentleman John

105

4. Die Känguruh-Insel

173

II. Bilder aus den Australischen Goldminen.

1. John Newman

279

2. Im Australischen Busch

360

I. Buschtreiben.

1. John Mulligan.

In früheren Jahren war Australien nichts, als eine Verbrecher-Colonie, und immer neue Schiffsladungen voll Missethäter wurden von England aus hinübergeschickt. Zugleich aber gingen auch einzelne freie Ansiedler mit in das ferne Land, die sich, unbekümmert um das rohe Gesindel umher, bleibend da niederließen und Ackerbau oder meist Viehzucht trieben. Ihr Leben dort verlief aber nicht so glatt und einförmig, wie das jetzt wohl der Fall ist, wo sie sich um wenig mehr, als ihre Felder und Heerden, zu kümmern haben.

Auch die Polizei – obgleich sie in Australien selbst heute noch nicht ruhen darf – hatte mehr zu thun, als die unsrige – wenn ich auch nicht sagen will, daß sie sich mehr beschäftigte – und die kühnsten und unternehmendsten Leute wurden ihr eingereiht. Es galt aber auch damals nicht nur nächtlichen und scheuen Dieben aufzulauern, sondern oft den entsprungenen und zur Verzweiflung getriebenen Sträflingen draußen im Freien zu begegnen, und in dem weiten, wilden Lande gehörte dazu nicht allein eine zähe Ausdauer, sondern auch ein fester Muth, der vor keiner Gefahr zurückbebte.

Die Polizei war deshalb auch – und ist es dort bis auf den heutigen Tag – militairisch organisirt, und die Polizeiofficiere hatten vollkommen freie Hand, nach eigenem Gutdünken mit hinreichender Mannschaft oft gar nicht unbedeutende Streifzüge zu unternehmen. Man mußte sie eben von leeren Förmlichkeiten entbinden, um ihr freie Hand zu lassen, dem Augenblicke nach zu handeln; denn wie häufig kam es gerade vor, daß der Augenblick eben erfordert wurde, einen entscheidenden Streich gegen irgend eine der im Walde zerstreuten Banden entflohener Verbrecher zu unternehmen.

Unter diesen Polizeileuten zeichnete sich besonders ein gewisser Tolmer aus, der noch jetzt im Adelaide-District lebt und thätig ist. Nicht allein keck jeder Gefahr entgegengehend, die sich ihm in den Weg stellte, hatte er auch in dem Buschleben mit Schwarzen und Verbrechern eine Menge werthvolle Erfahrungen gesammelt, und wo ein schwieriges Unternehmen ausgeführt werden sollte, wo irgend ein verzweifelter Bursche verschwunden blieb und nun durch neue Verbrechen dafür sorgte, daß sein Andenken nicht ganz erlosch, da wurde gewöhnlich der damalige Polizeisergeant Tolmer abgeschickt, ihn aufzuspüren. Wenn es irgend möglich war, führte der seinen Auftrag aus.

In Adelaide, oder wenigstens in der Nachbarschaft, hatte ich das Vergnügen, mit Mr. Tolmer bekannt zu werden, und die nachfolgenden Skizzen eines abenteuerlichen Zuges, den er einmal nach einer unsern dem australischen Festlande liegenden Insel unternahm, und der ihn zum Lieutenant beförderte, habe ich aus seinem eigenen Munde. – Ich will versuchen, es so treu als möglich wiederzugeben.

Schon vor längerer Zeit waren ein paar lebenslänglich verurtheilte Deportirte aus dem Gefängnisse ausgebrochen und in den »Busch« geflohen. Anstatt aber allein darin umherzuwandern, wo sie sich gewöhnlich nicht lange halten konnten, ging das Gerücht, sie hätten sich einem Stamme der Schwarzen angeschlossen und hälfen diesem, die benachbarten und in ihrem Bereiche liegenden Stationen belästigen.

Berittene Polizei wurde augenblicklich dorthin beordert, und es gelang dieser auch, den bezeichneten Stamm Eingeborener aufzufinden und zu zerstreuen, aber von den weißen, sogenannten Buschrähndschern[1] fand sich keiner bei ihnen vor. Die Burschen hatten sich jedenfalls, als sie merkten, daß ihr Aufenthalt bei den Schwarzen nicht mehr gesichert war, irgend wo anders hingewandt, und ein volles Jahr lang blieb jeder Versuch, sie wieder aufzufinden, vergeblich.

Tolmer hielt sich nach dieser Zeit wieder in Adelaide auf und hatte eben wieder einen Transport von Flüchtlingen eingebracht, die sich eine Weile in den Dickichten der Hindmarsh-Sümpfe umhergetrieben. Die früher entsprungenen Verbrecher waren schon fast vergessen worden, da man nicht anders glaubte, als daß sie Mittel und Wege gefunden hätten, mit einem Boot in See zu gehen, um vielleicht nach Neuseeland hinüberzufahren oder auch ein unterwegs getroffenes Schiff anzurufen. Einzelne waren schon auf diese Art entkommen.

Tolmer glaubte übrigens nicht daran. Wenn er auch keinen bestimmten Platz wußte, wo er sie suchen sollte, konnte er den Gedanken nicht aufgeben, sie noch auf australischem Boden zu wissen, und unterließ in der ganzen Zeit nicht, die sorgfältigsten Nachforschungen anzustellen, wenn diese auch fortwährend erfolglos blieben.

So saß er eines Abends in dem am häufigsten besuchten Hotel in Adelaide bei einer Flasche Ale. Mehrere Stationshalter aus der Nachbarschaft, die in die Stadt gekommen waren, theils neue Weidegründe zu belegen, theils Vieh und Pferde zu verkaufen, saßen mit im Zimmer, und das Gespräch drehte sich um das Land im Inneren, die muthmaßliche Nutzbarkeit und Besiedelung desselben, die jetzige Bevölkerung und – wie das in Australien damals nicht ausbleiben konnte – um das Recht der Regierung, noch weitere Sträflinge herüberzuschicken. Schon damals nämlich strebten die australischen Colonieen danach – was sie auch später erreichten – daß das System, Verbrecher von England herüberzusenden, aufgegeben und Australien eine wirkliche Colonie von freien Einwanderern würde. Das pro und contra wurde dann, sowie das Gespräch einmal auszweigte, auf das Lebhafteste debattirt, denn es gab eine Menge von Ansiedlern, denen die Sträflingsarbeit sehr bequem und einträglich war und die sie nicht missen wollten. Diejenigen, die das Sträflingssystem bekämpften, führten dann nicht mit Unrecht zu ihrem Gunsten an, welche Massen schlechten, nichtsnutzigen Gesindels sich, in entlassenen oder halb begnadigten Verbrechern, über das ganze weite Land verbreiteten und nicht allein die Sicherheit der ehrlichen freien Bewohner gefährdeten, sondern auch dem unbemittelten Einwanderer eine schwere und kaum zu bekämpfende Concurrenz bereiteten. Nur von dem freien Einwanderer hatte deshalb Australien einmal zu hoffen, daß es ein mächtiges und reiches Land werden könne.

Unter den Gästen befand sich auch ein Stationshalter von der südlich vom Adelaide-District liegenden Känguruh-Insel, die damals erst seit sehr kurzer Zeit von den Engländern wirklich in Besitz genommen war. Auch nur Einzelne hatten sich dort drüben niedergelassen, und zwar nur in der Hoffnung, daß die ziemlich ausgedehnte Insel einmal später größere Bedeutung erlangen solle, wodurch ihre dort angelegten Besitzungen auch an Werth und Wichtigkeit gewinnen würden.

Dieser eiferte besonders gegen das Verbrecher-System, trotzdem daß es ihnen in der Schafschur, wie er gern eingestand, willkommene Arbeiter lieferte. Jetzt aber sei man, wie er behauptete, selbst auf diesem entlegenen und durch einen Seearm von den eigentlichen Verbrecherstationen getrennten Theile der Colonie doch nicht sicher, solchem Gesindel jeden Augenblick im Busche zu begegnen, und er gehe immer mit Sorge und Angst von Hause fort, daß einmal während seiner Abwesenheit irgend etwas vorfallen könne, was die Sicherheit der Seinen gefährde.

Tolmer, als Regierungsbeamter, hatte sich nicht in das Gespräch gemischt und nur schweigend den verschiedenen Bemerkungen und Ansichten gelauscht; als sich aber die übrigen Gäste nach und nach verloren und die Unterhaltung auch schon lange auf andere gleichgültige Gegenstände übergewechselt war, setzte er sich zu dem Ansiedler von der Känguruh-Insel und unterhielt sich auf das Lebhafteste mit ihm über die dortigen Aussichten späterer Cultur, über Weiden und Ackerbau und – die Möglichkeit, Arbeiter zu den verschiedenen und nöthigen Verrichtungen zu bekommen. Eine directe Frage über das, was ihm eigentlich am Herzen lag, that er aber nicht, und zwar aus Gründen, die wirklich nur ein Australier begreifen würde.

Der Mann sah vollkommen anständig aus und Tolmer bezweifelte keinen Augenblick, daß er ein Stationseigenthümer von jenem Eiland sei, aber – sie befanden sich in Australien und Tolmer hatte schon zu oft erfahren, daß man Niemandem, was seine frühere Existenz betraf, trauen dürfe, besonders nicht in der damaligen Zeit. Die dem äußeren Anscheine nach anständigsten Leute waren oft als »Deportirte« herübergekommen, und wenn sie auch später nicht mit den »Buschrähndschern« gemeinsame Sache machten, hüteten sie sich doch wohl, dieselben zu verrathen – theils vielleicht aus Mitgefühl, theils vielleicht auch wohl aus Furcht vor einer möglichen Rache derselben.

Der Mann hatte allerdings mit dem größten Eifer gegen das fortgesetzte System gesprochen, verbrecherische und gezwungene Ansiedler nach Australien zu bringen, das aber stellte noch gar nicht fest, daß er nicht in näherer Beziehung zu diesen stand, wie er jetzt vielleicht eingestehen mochte. War das aber wirklich der Fall, so konnte eine unbewacht hingeworfene Frage mehr verderben, wie sich leicht wieder gut machen ließ, und war es nicht so, nun, so hatte er eben nichts verdorben oder versäumt.

In der Unterhaltung und durch geschickte Fragen bekam er übrigens doch heraus, daß sich gerade in der Nachbarschaft von »Mr. Lindsay's« Station einige Individuen aufhielten, die von der Jagd und vom Fischfang lebten und keine feste Ansiedelung ihr eigen nannten, und über diese etwas Näheres zu erfahren, war er jetzt fest entschlossen. Das aber mußte auf andere Art geschehen, als durch einfache Fragen.

Tolmer hatte in Adelaide einen Polizeisoldaten Borris, auf den er sich in jeder Hinsicht verlassen konnte. Borris war noch ein junger Mann, aber in seinem Fach, dem er schon seit sechs Jahren vorstand, ausgezeichnet und außerdem erst seit ganz kurzer Zeit von Sidney hierher versetzt, also jenen Verbrechern noch vollständig unbekannt.

Sein Plan war bald gemacht. Borris sollte als gewöhnlicher »Bündelmann«[2] nach der Känguruh-Insel hinübergehen und dort als Schäfer oder Hüttenwächter oder was immer, Beschäftigung bei Mr. Lindsay, und wenn das nicht anginge, ganz in der Nachbarschaft suchen. Dort blieb es ihm dann selber überlassen, alle möglichen und nützlichen Erkundigungen über seine Nachbarschaft einzuziehen, und wußte er, was er wissen wollte, so konnte er wieder nach Adelaide herüberkommen und selber Bericht abstatten. Tolmer warnte ihn aber besonders davor, einen Brief zu schreiben, wenn sich nicht eine ganz günstige Gelegenheit fand ihn zu befördern. Das Schreiben an und für sich war überdies schon gefährlich, denn wurde er dabei von irgend Jemandem gesehen, so mußte Verdacht gegen ihn rege werden. Ein ordentlicher und richtiger »Bündelmann« kann nie mehr schreiben, als höchstens seinen Namen – und selbst den nicht immer.

Borris war übrigens klug und gewitzt genug, um in dieser Hinsicht vollständiges Vertrauen zu verdienen. Er wußte, was man von ihm verlangte, und das genügte; das Weitere besorgte er schon selber.

Mr. Lindsay blieb noch einige Tage in Adelaide; die Zeit benutzte Borris, seine nöthigen Einrichtungen zu treffen, und schiffte sich dann, mit einem ticket of leave, das ihm Tolmer ausfertigen ließ, versehen, nach seinem Bestimmungsorte ein. Mit einem solchen ticket wurde er von allen Ansiedlern geduldet und bei der Menschenclasse, unter der er sich besonders umsehen sollte, galt es als vollständiger Freipaß, ihm unbedingt zu vertrauen – war er doch Einer der Ihrigen.

Borris war somit spurlos von Adelaide verschwunden, denn drüben auf der Insel nannte er sich, der Verabredung gemäß, Jack, und Monat nach Monat verging, ohne daß Tolmer wieder etwas von ihm gehört hätte. War ihm am Ende gar ein Unglück zugestoßen? – Hatte er sich verrathen oder ihn Jemand doch erkannt? – Tolmer wurde schon unruhig und dachte daran, einen zweiten Boten hinüberzusenden, um Gewißheit über das Schicksal des ersten zu bekommen. Das war aber nicht nöthig.

Eines Morgens trat Borris, in seiner Buschtracht, wie er eben ankam, in des sehr erfreuten Tolmer Zimmer, und die Beiden blieben dort mehrere Stunden eingeschlossen in eifrigem Gespräch.

Das Resultat seiner Entdeckungsreise war auch insofern ein günstiges, daß er die Gewißheit brachte, daß auf der Insel eine Anzahl verdächtiger Individuen lebte. Ob es nun gerade jene Verbrecher waren, deren Spur Tolmer schon so lange vergebens verfolgt, war schwer zu bestimmen. Die Beschreibung des Einen von ihnen, der einen gewissen Einfluß auf die Uebrigen auszuüben schien, paßte aber ziemlich genau auf den Verwegensten der Flüchtlinge, einen gewissen John Mulligan, dem man damals besonders auf der Spur gewesen, und hielt sich dieser jetzt dort drüben versteckt, so hatte er auch seine Genossen sicher in der Nähe. Jedenfalls war es der Mühe werth, jene Gesellen aufzuheben und zur Rechenschaft zu ziehen, denn sie brandschatzten in neuerer Zeit wieder die Stationshalter, tödteten von den Heerden, was sie für ihren eigenen Bedarf brauchten, ohne sich viel um irgend ein Eigenthumsrecht zu kümmern, und hatten sogar neulich einen Einbruch auf einer Station versucht – allerdings ohne Wissen und, wie Borris behauptete, gegen den Willen ihres Führers, der kluger Weise Alles vermied, was die Aufmerksamkeit der Regierung auf sie lenken konnte.

Tolmer selber war damals noch nie auf Känguruh-Eiland gewesen und kannte das Terrain gar nicht; Borris beschrieb es ihm dabei als diesen, außer den Gesetzen lebenden Menschen außerordentlich günstig, so daß es große Schwierigkeiten haben möchte, sie wirklich einzufangen, wenn sie vorher gewarnt wären. Die größte Vorsicht blieb deshalb noch immer nöthig. Darnach handelte Tolmer.

Mit einem Regierungscutter durften sie nicht hinüberfahren und drüben anlegen; die Kunde davon würde sich blitzesschnell über die ganze Insel verbreitet haben. In Adelaide lag aber gerade ein kleiner Schooner, der neuseeländischen Flachs von Aukland geholt hatte und den man recht gut für eine solche Fahrt bekommen konnte. Der Gouverneur gab auch augenblicklich seine Erlaubniß dazu und bewilligte die nöthigen Mittel, und drei Tage später segelte der Schooner mit Mr. Tolmer und zehn Leuten, auf die er sich vollständig verlassen konnte, an Bord. Diese hatte er theils als Bündelleute, theils als Matrosen gekleidet und alle weiteren Pläne aufgeschoben, bis er an Ort und Stelle selber das Terrain kennen gelernt hätte.

Der Schooner ging in Ballast, angeblich Wolle von drüben abzuholen und nach irgend einem der australischen Haupt-Stapelplätze, Sidney, Adelaide oder Melbourne, hinüberzuschaffen.

Borris hatte übrigens seinen hiesigen Aufenthalt vortrefflich angewandt, sich mit allen Schlichwegen im benachbarten Busche genau bekannt zu machen. Von Lindsay dabei nur mit dessen Erlaubniß auf Urlaub fortgegangen, konnte es natürlich nicht auffallen, daß er diese Gelegenheit benutzt, mit diesem Schooner zu seiner Station zurückzukehren. Er trat auch, so wie das kleine Fahrzeug landete, augenblicklich wieder in seine Stelle ein und verabredete sich nur vorher mit Tolmer, diesen wieder an Bord zu sprechen, wobei er sorgen wolle, daß Mr. Lindsay ebenfalls hinüberkäme.

Borris hatte Lindsay, ohne sich selber dabei zu verrathen, als einen durchaus rechtlichen und thätigen Mann kennen gelernt, von dem sie nicht zu fürchten brauchten, daß er sie verrathen würde. Besser blieb es aber immer, daß er so spät wie irgend möglich in ihren Plan eingeweiht wurde, und die Zeit war jetzt gekommen.

Der Schooner ankerte gerade der Stelle gegenüber, an der Lindsay's Station lag, und Tolmer, ebenfalls in Matrosenkleidung und mit glatt rasirtem Gesicht, um sich so viel als möglich unkenntlich zu machen, fuhr an Land, ließ sich bei Mr. Lindsay melden und frug an, ob der Gentleman seine Wolle vielleicht auf dem Schooner nach Adelaide verladen möchte.

Lindsay, der ihn nicht mehr kannte, nahm ihn mit in das Haus, und hier entdeckte sich ihm Tolmer, erklärte ihm, daß er gedenke, die Insel von allem Gesindel zu befreien, und bat ihn um seine Hülfe.

Der Squatter schien erst keine rechte Lust zu haben, darauf einzugehen, denn mißlang der Versuch, und wurde es bekannt, daß er die Polizei unterstützt hatte, so durfte er sich darauf verlassen, daß die Buschrähndscher sich an ihm rächten. Tolmer aber überredete ihn leicht, diese unnöthige Besorgniß schwinden zu lassen, und Lindsay versprach wenigstens, ihn gegen Abend auf seinem Schooner zu besuchen, dort – vollkommen sicher vor jedem Horcher – alles Weitere zu besprechen. Borris wollte er dann mitbringen.

Das geschah. Lindsay hatte ein eigenes Boot und ließ sich von Borris hinüberrudern, angeblich, etwas Tabak und einige andere Kleinigkeiten zu kaufen, die im Busch gebraucht wurden. Von seinen Leuten gehörte allerdings keiner mit zu den Buschrähndschern, oder würde sich ihnen angeschlossen haben. Sie Alle wußten aber, wo jene lagerten, und hätten sie nur den geringsten Verdacht geschöpft, daß das kleine Handelsfahrzeug da draußen von Polizei bemannt sei, so wären die »mates« im Busch augenblicklich gewarnt worden.

Das Nähere, was jetzt Tolmer über die hier versteckten Verbrecher erfuhr, war, daß sie nicht mehr zusammen in einem Trupp wohnten, sondern sich vor etwa acht Tagen in Folge eines Zankes getrennt hätten. Mulligan – Lindsay kannte den Namen genau – hauste in einer kleinen Rindenhütte, etwa vier oder fünf englische Meilen von Lindsay's Station entfernt, und die Uebrigen, wie Lindsay meinte und auch Borris bestätigte, »buschten« es – d. h. sie hatten ihr Lager bei dem schönen Wetter mitten im Busch und unfern von einem kleinen Bach aufgeschlagen, da sie noch unentschieden sein mochten, welcher Richtung sie sich zuwenden sollten.

Borris wußte nur von fünfen, Lindsay behauptete aber, daß es im Ganzen sieben wären, John Mulligan mit zweien seiner Anhänger in der Rindenhütte und die vier Anderen, die draußen im Walde lagerten. Diese Trennung der Schaar mußte ihrem Plan nur förderlich sein, denn sieben entschlossene und zur Verzweiflung getriebene Menschen konnten einem so kleinen Trupp Polizei schon einen gefährlichen Widerstand entgegensetzen, noch dazu, da sie Alle gut bewaffnet waren. In zwei verschiedenen Trupps ließen sie sich aber weit leichter bewältigen, und die Männer beschlossen, am nächsten Morgen vor allen Dingen der Rindenhütte einen Besuch abzustatten, um gleich im Anfang den gefährlichsten von ihnen, John Mulligan, unschädlich zu machen.

Zu diesem Zweck mußte der Schooner aber wieder vor Tag unter Segel gehen, damit die Besatzung nicht in Sicht der Station zu landen brauchte. Lindsay bezeichnete ihnen weiter gen Osten ein kleines Vorgebirge, wo sie wieder beilegen konnten. Dort befanden sie sich nur höchstens anderthalb englische Meilen von John Mulligans Hütte, und Borris sollte sie an der Stelle erwarten, während Lindsay zu Pferde sie später im Busch selber traf. Je früher sie dabei aufbrachen, desto besser, denn um so viel sicherer durften sie erwarten, die Hüttenbewohner noch Alle zu Hause zu finden.

Nachdem dies verabredet war, fuhr Lindsay wieder mit Borris an's Land zurück.

Am nächsten Morgen war der Schooner von seinem Landungsplatz verschwunden, ohne daß irgend Jemand Notiz davon genommen hätte. Derartige Fahrzeuge kamen oft an die Küste und hielten sich nie länger an einem Orte auf, als sie hoffen durften, ein Geschäft zu machen.

Borris hatte noch am Abend von Lindsay zum Schein einen Auftrag bekommen, mit einem Brief nach einer benachbarten Station hinüber zu gehen, und Mr. Lindsay ließ sich, wie er das gewöhnlich that, Morgens in aller Frühe sein Pferd satteln und ritt in den Busch. Dem Koch[3] sagte er, daß er zum Frühstück zurück sein werde.

Genau nach der Verabredung hatte Tolmer auch gehandelt, traf mit Borris an der besprochenen Stelle zusammen und schlug sich dann rasch mit seiner kleinen, bis an die Zähne bewaffneten Schaar in den Busch, wo ihnen Mr. Lindsay begegnete.

Nach kurzem Marsch erreichten sie die Gegend, in welcher die Hütte stand. Zu weiterer Führung wollte sich aber der Squatter nicht verstehen.

»Ihr wißt nicht,« sagte er, »was für ein verzweifelter Mensch dieser Mulligan ist, und fangt Ihr ihn nicht, so fahrt Ihr nachher wieder ruhig nach Adelaide hinüber, und wir haben die Geschichte hier auszubaden. Ich kann auch mein Pferd hier nicht anbinden, und nähme ich es mit, hörten sie uns schon von Weitem. Dort gleich hinter jenem Dickicht liegt die Hütte – ich selber will nach Cooley's Station hinüberreiten – Ihr wißt, wo das ist, Borris. Habt Ihr den Mulligan, so kommt und laßt mich's wissen« – und damit wandte er sein Pferd und hielt langsam quer durch den Busch der Richtung zu, wo er die Straße wieder erreichen mußte.

Tolmer murmelte einen Fluch zwischen den Zähnen durch. Fest entschlossen aber, das einmal Begonnene auch durchzuführen, ob mit oder ohne fremde Hülfe, gab er seiner kleinen Schaar die nöthigen Befehle, und rückte jetzt langsam und vorsichtig mit ihnen weiter, bis sie in Sicht der Hütte kamen.

Diese, wie tausend ähnliche im Busch, bestand nur aus einem leichten Gestell von Pfosten, mit Latten übernagelt, und mit breiten Stücken Rinde des Stringybark-Baumes gedeckt. Eben solche Rindentafeln bildeten die Wände, und rauh genug sah solch ein Wohnhaus aus. Im Busch werden aber keine Ansprüche an Bequemlichkeit gemacht; Schutz gegen Wind und Wetter gewährte sie, und was weiter konnte man hier von einer Wohnung verlangen?

Sie lag dabei mitten im Dickicht drin, und war von dem benachbarten Stationshalter erbaut worden, einem Schäfer Unterkommen zu bieten. Die Schafe vermehrten sich aber nicht so rasch, wie der Stationshalter geglaubt. Die Hütte wurde nicht benutzt, und John Mulligan, der sie auf seinen Streifzügen durch den Busch entdeckte, fand sie passend, ihm zum Aufenthalt zu dienen – wenigstens eine Zeit lang dort zu leben.

Tolmer war vorangekrochen, vor allen Dingen die Gelegenheit zu erspähen, und ein Blick auf die Hütte verrieth ihm, daß sie ihren Weg hierher nicht umsonst genommen hatten. Zwischen den Rindenstücken, die das Dach bildeten, wirbelte der blaue Rauch hervor, und die Insassen mußten also daheim sein.

Rasch war jetzt seine Disposition getroffen, und die kleine Schaar so vertheilt, daß aus der Hütte Niemand mehr entkommen konnte, ohne wenigstens ihrem Kreuzfeuer ausgesetzt zu sein. So vorsichtig aber schlichen sie an, daß sie von denen in der Hütte nicht einmal bemerkt wurden, und wie sie erst die Thür besetzt und die übrigen Wände umstellt hielten, wußten sie sich ihrer Beute sicher.

Tolmer selber spähte jetzt durch einen schmalen Ritz der einen Seitenwand, konnte aber nur eine Person im Innern erkennen. Es war das ein Mann der vor dem Kamin auf einer dort liegenden wollenen Decke saß und sich gerade jetzt eine kleine Thonpfeife stopfte. Außerdem schien er auch das Frühstück zu bewachen, denn eine Theekanne stand auf den Kohlen, und die zusammengescharrte Asche verrieth, daß ein »Damper«[4] darunter backe.

Sonst war die Hütte leer – das kleine enge Gemach ließ sich leicht genug überschauen, da in der einen Wand zwei große Rindenstücken fehlten, und der leere Raum als Fenster diente. War das nun Mulligan? Hatten ihn seine beiden andern Gefährten auch verlassen, und war er hier allein zurückgeblieben? Jedenfalls mußten sie sich seiner so rasch als möglich bemächtigen, und Tolmer sah sich jetzt nur noch nach Waffen um. Er konnte nichts erkennen als eine einzelne Muskete, die in der Ecke lehnte.

Der Mann am Feuer war dabei so in seine Pfeife vertieft, daß er keine Ahnung von der ihm drohenden Gefahr hatte. Der Thür drehte er gerade den Rücken zu, und da diese halb geöffnet stand, glitten Tolmer, Borris und einer ihrer Leute hinein und warfen sich – zu verhindern, daß der Ueberfallene nach der Muskete springen könne – plötzlich und geräuschlos auf den Buschrähndscher.

»Na, zum Donnerwetter,« rief dieser, der gar nicht Miene machte, emporzuspringen, »Ihr werdet mir die Pfeife zerbrechen. Prächtiges Stück Arbeit nachher, und keine andere wieder zu kriegen in dem verdammten Busch.«

»Hallo, der nimmt's kaltblütig,« lachte Borris.

»Bindet ihm nur die Arme auf den Rücken,« sagte Tolmer ruhig, »wenn er glaubt, daß er uns sicher machen will, irrt er sich.«

»Nur nicht ängstlich, old cove« lachte der Mann, in dem sich der Matrose nicht leicht verkennen ließ. »Halt da, mate,[5] schnürt mir die Arme nicht in Stücken.«

»Und was zum Henker machst Du hier, Camerad?« sagte Tolmer, der mit seinem Fang nicht besonders zufrieden schien, denn der Mann betrug sich nicht wie ein ertappter Verbrecher, und das Gesicht war ihm vollkommen fremd.

»Was ich mache?« sagte der Seemann vollkommen kaltblütig. »Ich passe auf, daß der blutige, steinharte Damper da in der Asche nicht zum Teufel geht, und hätte jetzt meine Pfeife geraucht, wenn Ihr nicht wie die Wilden über Einen hergefallen wäret. Steck sie mir einmal Einer von Euch in's Gesicht, und lege eine Kohle darauf.«

»Wie heißt Ihr?« fragte Tolmer, während ihm Borris lachend willfahrte, und der Gefangene indessen an der Pfeife zog.

»Bill – dank' Euch, Mate,« lautete die Antwort. »Weshalb zum Henker, habt Ihr mir die Finnen hinten festgeschnürt? Mit den Füßen kann ich den Damper nicht aus der Asche nehmen.«

»Was treibt Ihr hier im Busch?« frug aber Tolmer weiter, ohne seinen Einwand zu berücksichtigen.

»Verdammt wenig,« brummte der Bursche, »koche, wie Ihr seht – Hutkeeper, glaub' ich, nennen's die Burschen hier im Land.«

»Das ist keiner von den »Birds«,« flüsterte Borris seinem Vorgesetzten in's Ohr.

»Ich glaub' es auch nicht,« sagte dieser eben so leise zurück, und setzte dann laut hinzu: »Wer wohnt hier noch mit Euch?«

»Zwei Andere.«

»Und wo sind die jetzt?«

»Ausgegangen, ein Wallobi zu schießen – wenn sie das nicht bekommen können, bringen sie ein Schaf mit.«

»So? – Haben sie eine eigene Heerde?«

Der Matrose lachte und sah still vor sich nieder.

»Wie lange seid Ihr schon auf der Insel?« fuhr Tolmer fort.

»Drei Wochen,« lautete die Antwort.

»Und wo kommt Ihr her?«

»Hm,« brummte der Mann, der hier nicht recht mit der Sprache heraus mochte, »gehört Ihr zur Wasserpolizei?«

»Nein.«

»Gut, dann geht's Euch nichts an.«

»Von einem Schiff weggelaufen?« fragte Tolmer.

Der Matrose schwieg und zog an seiner Pfeife.

»Hört einmal, Camerad,« sagte Tolmer, der jetzt keinen Augenblick mehr zweifelte, daß er es blos mit einem weggelaufenen Matrosen zu thun hatte. »Seid Ihr nur einem Schiff ausgekniffen, so hab' ich damit allerdings nichts zu thun, und es wird Euch nichts geschehen, aber wir müssen die beiden andern Burschen fangen. Wollt Ihr uns dabei helfen? Denn ich kann mir nicht denken, daß Ihr mit den Verbrechern weiteren Verkehr gehabt habt.«

»Mit gebundenen Armen soll ich Euch helfen.«

Tolmer löste ohne weitere Antwort seine Bande, und Bill fühlte seine Arme kaum frei, als er vor allen Dingen seine Pfeife etwas fester stopfte.

»Daß es mit den Beiden nicht ganz richtig sei,« sagte er dabei, ohne seine Stellung zu verändern, »hab' ich mir etwa gedacht. – Hol' sie der Henker, ich bin froh, daß ich mit guter Manier von ihnen fortkomme.«

»Wie bald können sie zurück sein?«

»Jeden Augenblick. Das Beste ist dann, Ihr stellt Euch hier im Innern der Hütte auf, denn ich weiß nicht, von welcher Seite sie kommen.«

»Ist die Muskete Euer?«

»Nein – sie gehört dem Einen – John nennt er sich.«

»John Mulligan?«

»Was weiß ich, wie sein ganzer Name ist; John genügt, um ihn zum Essen zu rufen.«

»Da kommt Einer!« flüsterte in diesem Augenblicke Borris rasch, der indessen schon an die verschiedenen Theile der Hütte Wachen gestellt hatte. Die Rinde war an unzähligen Stellen gesprungen, und man konnte überall hindurch sehen.

»Ist das John?« frug Tolmer, der dem Matrosen winkte, den Ankommenden zu beobachten. Dieser schüttelte den Kopf.

»Nein,« sagte er, »das ist der lahme Tom – hat richtig ein Schaf erwischt – wird sich unendlich freuen, wenn er hier so angenehme Gesellschaft findet.«

»Und wo ist der Andere?«

»Weiß nicht – sind Beide zusammen fortgegangen.«

»Bst – er kommt – ruhig jetzt!« warnte Tolmer, und schweigend sammelten sich die Polizeileute im Innern der Hütte an beiden Seiten des Eingangs, auf den der Buschrähndscher, ohne Ahnung dessen, was ihn erwartete, langsam zuschritt.

Er war in die gewöhnliche rauhe Buschtracht gekleidet, jetzt aber in seinen Bewegungen gehindert, da er das schon geschlachtete Schaf auf den Schultern trug und dabei mit der rechten Hand seine Muskete festhielt.

»Holla, Bill!« rief er, indem er, dicht vor der Thür, mit dem einen Fuß dagegen trat. »Zum Teufel auch, mach Einem den Deckel auf – oder schläft die Canaille schon wieder?«

Tolmer sagte kein Wort, aber wie er dem Matrosen winkte, die Thür zu öffnen, zeigte er ihm ein gespanntes Pistol als Warnung, was ihm selber drohe, wenn er sie verrathen wolle. Bill dachte aber an nichts Derartiges, denn, selber ein ehrlicher Kerl, hätte er schon lange die Gesellschaft dieser Burschen, die ihn gewissermaßen als Diener behandelten, gemieden, wenn er nur gewußt, wohin er sich wenden solle. Jetzt, da es sich herausstellte, daß seine bisherigen Gefährten das wirklich waren, wofür er sie seit den letzten Tagen heimlich gehalten, wäre er der Letzte gewesen, mit ihnen »in einen Topf zu springen«. Ruhig öffnete er deshalb die Thür für den »lahmen Tom«, wie der Buschrähndscher von seinen Cameraden genannt wurde, weil er ein klein wenig hinkte.

»Da hier,« sagte dieser, noch vor der Thür – »nimm mir einmal das Schaf ab – na, wird's bald? Soll ich's etwa noch eine Stunde auf dem Buckel haben?«

Tolmer winkte dem Matrosen, den Ankommenden in die Hütte zu rufen, denn war sein Camerad in der Nähe, so wurde er durch einen Lärm vor der Hütte gewarnt.

»So kommt doch herein damit,« sagte Bill, »oder habt Ihr Angst, daß Ihr den Fußboden schmutzig macht?«

»Damit man nachher die Decken im Blute herumschmiert, nicht wahr?« sagte der Buschrähndscher, der schon lange die Geduld verloren hatte. »Hölle und Verdammniß, da holt's Euch selber,« und mit einem Ruck warf er das Schaf vom Rücken ab auf den Boden nieder. Jetzt war aber auch keine Zeit mehr zu verlieren, und ehe er nur seine Muskete ordentlich fassen konnte, stand Tolmer draußen neben ihm, packte ihn um den Leib und schleuderte ihn zu Boden.

»Hülfe, John! Teu–,« er sagte nicht mehr, denn Borris hatte ihm mit großer Geschicklichkeit ein Tuch in den Mund geschoben, jeden weiteren Aufschrei zu ersticken – aber zu spät. Tolmer's rasch umherschweifender Blick erkannte eine dunkle Gestalt in den Büschen, die, wie sie erschienen, eben so auch wieder verschwand, und ärgerlich mit dem Fuße den Boden stampfend, rief er aus:

»Das haben wir schlau gemacht – da geht der Hauptfuchs zum Teufel, und jetzt können wir den ganzen Busch von einem Ende zum andern umdrehen, ehe wir ihn wiederfinden.«

»Habt Ihr ihn gesehen?« rief Borris rasch.

»Wie eine Erscheinung, gerade hinter jener Kasuarine,« sagte Tolmer. »Aber nehmt den Vogel wenigstens einmal in die Hütte herein, daß wir sehen, was wir aus ihm herausbringen können.«

Das geschah. Der »lahme Tom« machte aber, wenn sie auf seine Hülfe gerechnet hatten, ihre Hoffnung zu schanden, denn er beantwortete keine ihrer Fragen.

»Hol' Euch der Böse,« knirschte er in die Zähne, als man ihm das Tuch wieder aus dem Munde nahm. »Ihr seid Alle über Einen hergefallen, wie ein Rudel feiger Dingo's über ein einzelnes Schaf, das ich war – jetzt macht mit mir, was Ihr wollt, aber laßt mich ungeschoren, denn verdammt will ich sein, wenn ich Euch auf weitere Sprünge helfe.«

Aus dem Burschen war in der That nichts weiter herauszubringen und Tolmer schickte ihn, in Handschellen und von zweien seiner Leute bewacht, zu dem Schooner hinunter. Die ihn trausportirten, sollten dann so rasch als möglich wieder zurück zu der Rindenhütte kommen, hier die weiteren Anordnungen zu hören.

Tolmer fürchtete, daß durch die Flucht Mulligan's ihr ganzer Plan vereitelt sei, und dieser wahrscheinlich den anderen Trupp augenblicklich vor ihnen warnen würde. Dem aber widersprach Borris.

»Haben sich die beiden Parteien miteinander gezankt,« sagte dieser, »so wird Mulligan weit eher glauben, daß ihn jene verrathen hätten, um ihn los zu werden, und sich dann wohl hüten, selber an ihr Feuer zu laufen. War er das aber, den Ihr im Busche gesehen habt, und ich zweifle keinen Augenblick daran, so fürcht' ich, ist es ein hoffnungsloses Unternehmen, ihn mit so wenigen Leuten auf der großen Insel einzufangen. Von den Stationshaltern dürfen wir nicht die geringste Hülfe erwarten, das haben wir an Lindsay gesehen. Trotzdem daß er selber viel Geld geben würde, die Schufte aus dem Wege zu haben, will er doch sein eigenes Haus nicht der Gefahr aussetzen, von ihnen in Brand gesteckt zu werden. Und wo sollen wir den schlauen Gesellen jetzt suchen? Am Ende wär' es am besten, wir legten ihm hier in der Hütte eine Falle; jedenfalls hat er seine Munition und seine Decke hier und ohne Beides kann er nicht lange im Busche aushalten.«

»Da können wir lange warten,« lachte Tolmer, »ehe der alte Fuchs wieder daran denkt, hier zu Bau zu kriechen. Wo er sich die jetzige Munition verschafft hat, bekommt er auch mehr, und ebenso eine wollene Decke. Uebrigens haben wir noch eine Weile Zeit, den Ort hier zu untersuchen, und Bill kann uns vielleicht sagen, ob er weiß, wo die Munition versteckt ist.«

Es verstand sich von selber, daß der Verbrecher nicht ein so werthvolles Ding, wie Pulver ist, würde frei und offen liegen lassen. Bill wußte aber nichts davon. John Mulligan hatte sich wohl gehütet ihn zum Vertrauten zu machen, und eine Nachsuchung in der Hütte blieb ebenfalls erfolglos.

Indessen waren die Leute hungrig geworden und Einer von ihnen holte jetzt das Schaf in die Hütte, ihr Frühstück damit zu bereiten. Der Damper war unter der Zeit ebenfalls gebacken, und mit Thee und Zucker, was sie in der Hütte vorfanden, hielten sie ein vortreffliches Mahl. Auch die beiden mit dem Gefangenen zum Schooner geschickten Polizeileute kamen zurück und ein ordentlicher Kriegsrath wurde jetzt gehalten, ob sie sich, die ganze Sache als verfehlt betrachtend, wieder einschiffen oder erst noch einen Versuch machen sollten, den anderen Trupp von vier Mann aufzuheben.

Fast Alle entschieden sich für das Letztere, Tolmer aber wollte auch nichts versäumen, jenen Mulligan in ihre Gewalt zu bekommen, und da es doch möglich war, daß er sich noch in der Nähe aufhielt, um die Hütte wieder aufzusuchen, sollten zwei Mann von seinen Leuten hier versteckt bleiben, und den Flüchtigen todt oder lebendig in ihre Gewalt zu bekommen suchen. Bill, der Matrose, erbot sich allerdings, mit aufzupassen, Tolmer aber wollte das nicht riskiren, denn er war nicht gewöhnt, einem Fremden gleich nach der ersten Stunde Bekanntschaft zu trauen. Dagegen konnte ihnen der handfeste Seemann von trefflichem Nutzen bei dem Fang der Uebrigen sein, indem er seine kleine Schaar ja ohnedem noch durch die Wache in der Rindenhütte schwächen mußte.

Nach Lindsay's Beschreibung kannte Borris ganz genau die Stelle, wo jene Buschrähndscher lagerten, aber es blieb unmöglich, sie am Tage dort zu überraschen. Erstlich war es kaum glaublich, daß sie überhaupt bei hellem Tageslicht ihren Lagerplatz einhalten würden, und dann hätte der Trupp auch keinesfalls ungesehen an sie anschleichen können. Würden sie aber bemerkt, so kam es jedenfalls zu einem Kampf auf Leben und Tod, den Tolmer, so lange es anging, vermeiden wollte. Blieb ihm keine andere Wahl, gut, so mußte selbst das versucht werden.

Damit im Reinen, hielten sie sich in der Hütte, bis sich die Sonne gegen den Horizont neigte, denn sie waren sicher, daß die mit John Mulligan verfeindeten Buschrähndscher nicht hierher kommen würden, und draußen hätten sie ihnen leicht zu früh begegnen können. Nur ein Bote wurde hinüber nach Cooley's Station geschickt, Mr. Lindsay von dem bisherigen Resultat in Kenntniß zu setzen, denn Tolmer wußte nicht, ob er seine Hülfe vielleicht morgen in Anspruch nehmen müsse. Lindsay war aber schon wieder nach Hause geritten, und der zu ihm gesandte Polizist mochte ihm dahin nicht folgen, um keinen unnöthigen Verdacht zu erregen.

Borris, mit dem Busch vollkommen vertraut, führte zur bestimmten Zeit die kleine Schaar sicher der Gegend zu, in der er das Lager der Verbrecher wußte. In der Nachbarschaft desselben angelangt, blieb ihnen aber nichts weiter übrig, als erst den vollen Einbruch der Nacht abzuwarten; dann schlichen sie vorsichtig dem Lager der Sträflinge zu, bis sie in Sicht von deren Feuer kamen.

Es war aber immer noch nicht dunkel genug, und Tolmer ließ seinen kleinen Trupp in einem Dickicht versteckt, vorher selber den Platz einmal zu recognosciren.

Auf Händen und Füßen, jeden Strauch und Baumstamm benutzend, die ihn decken konnten, kroch er näher und näher zu dem Feuer, und da er auch die Vorsicht gebraucht hatte, den Wind zu beachten, im Fall sie Hunde bei sich haben sollten, kam er bald nahe genug, die sich um die Gluth her bewegenden Gestalten deutlich zu erkennen. – Es waren aber mehr als vier Männer, die sich dort gelagert hatten, denn von da aus, wo er sich befand, konnte er klar und deutlich fünf Personen unterscheiden, die bald ausgestreckt am Feuer lagen, bald aufstanden und um die Flammen herumgingen. War Mulligan doch zu ihnen gestoßen, sie zu warnen? – Aber dann wären sie keinesfalls an ihrem alten Lagerplatz geblieben, und wer konnte der Fünfte sein?

»Mit gefangen, mit gehangen,« murmelte aber Tolmer vor sich hin, und fest entschlossen, sich die schon halb im Netz sitzende Beute nicht wieder entgehen zu lassen, kroch er zu den Seinen zurück und theilte ihnen den Plan mit, den er sich in der Schnelle entworfen hatte.

Die Dämmerung ist in Australien außerordentlich kurz, und fast unmittelbar nach der sinkenden Sonne tritt auch die Nacht ein. Die Polizeileute brauchten deshalb nicht lange im Hinterhalt zu liegen, und Tolmer verließ jetzt seine genau instruirte Mannschaft, das beschlossene Wagniß auszuführen.

Er umschlich das Lager in einem weiten Bogen, bis er es zwischen sich und die Seinen brachte, ging dann noch eine Strecke in den Busch hinein, von den Buschrähndschern fort, und ließ dort den in Australien gebräuchlichen und von den Schwarzen angenommenen Waldruf: »Ku-ih! – Ku-ih!« erschallen.

Im Anfang war Alles ruhig, und Niemand antwortete ihm, endlich aber, nachdem die Buschrähndscher wahrscheinlich mit einander berathen hatten, daß Jemand, der so laut im Wald herumschrie, ihnen schwerlich gefährlich sein könne, antwortete Einer von ihnen mit dem gleichen Laut, und Tolmer brach jetzt, so viel Geräusch als irgend möglich machend, durch die Büsche dem Lagerplatz zu.

Diesen erreichte er bald und fand hier die kleine Schaar von Verbrechern, die Musketen im Anschlag, seiner harrend am Feuer.

»Holla,« redete ihn Einer von ihnen an, »was habt Ihr denn da bei Nacht und Nebel im Wald herumzuschreien?«

»Gott sei Dank,« sagte Tolmer, wie er nun den freien Platz erreichte, »da sind doch wenigstens Menschen mit einem vernünftigen Feuer. Ich glaubte schon, ich müßte die Nacht draußen allein unter einem Baume liegen bleiben. – Wie geht's mit einander?«

»Hm, gut,« antwortete der Eine von der Schaar – »aber wo kommt Ihr her?«

»Von dem Nordufer,« sagte Tolmer, auf alle Fragen vollkommen vorbereitet, »und wollte nach Cooley's Station, habe aber den Weg verfehlt und bin in den verdammten Känguruhdornen beinah umgekommen. Wie weit ist's noch bis dahin, und führt ein Weg hin?«

»Verwünscht wenig, was Ihr von einem Weg bis dahin finden werdet,« brummte ein Anderer. »Wenn Ihr nicht nach den Sternen marschirt, könnt Ihr Euch ein Jahr lang im Busch herumdrehen.«

»Wie weit habe ich wenigstens bis zum Strande?« frug Tolmer wieder, der mit raschem Blick die Schaar überflogen hatte und sich jetzt mit dem Rücken zum Feuer stellte, daß sein Gesicht nicht zu hell beleuchtet wurde. Er fühlte sich doch nicht so recht sicher, ob ihn nicht Einer oder der Andere von den Burschen kannte. Ebenso hatte er schon bemerkt, daß es nur vier Weiße und ein Schwarzer waren, den sie irgendwo aufgelesen hatten.

»Bis zum Ufer,« sagte der Erste wieder, »mag es etwa drei Miles sein, wenn Ihr in gerader Richtung ausschreiten könnt.«

»Am Strande führt ein Weg hin, nicht wahr?«

»Ja; aber Ihr seid doch nicht mitten durch die Insel gekommen?«

»Mitten durch.«

»Da wundert's mich, daß Ihr noch einen Fetzen Zeug auf dem Leibe habt,« sagte der Buschrähndscher, der von dem einzelnen Manne keine Gefahr fürchtete und sein Gewehr neben sich wieder an den Baum lehnte.

»Wenn Ihr nichts dagegen habt,« meinte Tolmer, indem er seinem Beispiele folgte und seine Doppelflinte ebenfalls abnahm und neben die des Burschen stellte, »so ruhe ich mich hier bei Euch erst ein wenig aus. Kann man für Geld und gute Worte einen Becher Thee und ein Stück Damper bekommen?«

»Für Geld nicht, für gute Worte ja,« sagte der Buschrähndscher, der den Gast aber noch immer aufmerksam betrachtete. »Ihr seid ein Seemann, wie?«

»Ein Stück von einem,« lachte Tolmer.

»Irgend wo ausgekniffen, he?«

»Mit französischem Urlaub, ja; von einem Handels-Schooner, der hier anlegte. Hol' der Teufel das Wergzupfen an Bord! Findet sich denn wohl einmal Gelegenheit, von hier nach dem festen Lande hinüberzukommen?«

»Möglich,« sagte der Buschrähndscher, »habe mich noch verwünscht wenig darum gekümmert.«

»Damper ist fertig,« brummte jetzt Einer der Anderen, der das Kochgeschäft besorgte. Der, mit dem Tolmer bis jetzt gesprochen, wandte sich wieder zu ihm und sagte:

»Setzt Euch zum Feuer nieder und eßt mit, was wir haben.«

»Dank' Euch,« meinte Tolmer, »werde mir das nicht zwei Mal sagen lassen. Wetter noch eins, ich habe den Rheumatismus in den Rücken gekriegt, und gräßliche Schmerzen; vielleicht daß es die Hitze wieder herauszieht. Mit Euerer Erlaubniß,« und mit den Worten kauerte er sich ohne Weiteres beim Feuer nieder, aber so, daß er demselben den Rücken zudrehte und die bei Seite gestellten Gewehre dabei im Auge behielt. Es war ihm aber auch nicht entgangen, daß der Schwarze, der etwas abseits vom Feuer saß, ein paar Mal schon aufmerksam auf irgend ein Geräusch wurde und den Kopf dann jedes Mal horchend emporhob. Glücklicher Weise nahm aber das gerade fertig gewordene Abendbrod die Aufmerksamkeit der Buschrähndscher für den Augenblick in Anspruch, und Alle setzten sich zum Feuer, den Wortführer ausgenommen, der zu dem Gewehre seines Gastes ging, es ohne viele Umstände in die Höhe nahm und genau betrachtete.

»Hm, ein hübsches Stück,« sagte er dabei, »wie seid Ihr dazu gekommen, Mate, wenn Euch die Frage nicht etwa genirt? Matrosen führen sonst nicht so leicht solche Flinten.«

»Ich habe es einmal billig von einem Franzosen gekauft,« sagte Tolmer gleichgültig, »weiß aber jetzt nicht recht, was ich damit anfangen soll, denn ich bin kein besonderer Schütze. Wenn ich das halbwegs dafür wiederbekomme, was es mich gekostet hat, schlag' ich's los.«

»Und wie viel war das?«

»Dreißig Schilling, ein Spottgeld für die Flinte, aber Geld kann man hier im Busche eher gebrauchen, wie ein Gewehr.«

»Für den Preis nehm' ich's Euch ab,« sagte der Buschrähndscher schnell, »das ist ein Handel.«

»Meinetwegen.«

»Und Ihr nehmt Noten dagegen von den Squattern in der Nachbarschaft?«

»Noten? – was ist das?«

»Nun, Anweisungen, so gut, wie baar Geld. Jeder nimmt sie Euch ab.« Er blinzte dabei seinen Cameraden hinter dem Rücken des Fremden zu, und diese lachten still und höhnisch vor sich hin. Tolmer that aber, als ob er es nicht bemerke, sondern sagte treuherzig:

»Wenn sie so gut wie baar Geld sind, wär' ich ein Narr, wenn ich was dawider hätte. Gott sei Dank, jetzt brauch' ich doch das alte Schießeisen nicht mehr mit herumzuschleppen. Heute im Busch hatt' ich zwei oder drei Mal gar nicht so übel Lust, es in das erste beste Wasserloch zu werfen.«

»Das wäre Schade drum gewesen,« meinte der Buschrähndscher, indem er die Flinte zu den übrigen lehnte und sich jetzt selber mit zum Feuer setzte. Er war vortrefflicher Laune. – »Wißt Ihr wohl, Mate,« fuhr er nach einer Weile fort, indem er sich ein großes Stück Damper und Schaffleisch auf die Kniee nahm, »daß mir Euer Gesicht verdammt bekannt vorkommt, und ich habe mir schon die ganze Zeit den Kopf zerbrochen, wo ich Euch einmal gesehen haben könnte?«

»Hier noch nicht,« sagte Tolmer, ruhig von dem Damper zulangend und sich dem Feuer zukehrend. Dieses brannte jetzt ziemlich düster und der Hut, den er trug, beschattete sein Gesicht ebenfalls. »Drüben am Lande könnt's aber gewesen sein; freilich auch nicht in den letzten Jahren. Früher war ich oft drüben.«

»Das wäre möglich!« nickte Jener. »Habt Ihr Euere Passage nach Australien bezahlt?«

»Werde nicht so dumm sein,« lachte der vermeintliche Matrose. »Wo sich's die Regierung so viel kosten läßt, tüchtige Ansiedler herüber zu bekommen, soll man ihr nicht in's Handwerk pfuschen.«

»Gescheidter Gedanke, Mate, verdammt gescheidter Gedanke,« schmunzelte der Buschrähndscher; »aber was zum Henker hat denn die Schwarzhaut da zu horchen? – na, was gibt's, Schneeball?«

Tolmer's Herz schlug, daß es ihm die Brust zu zersprengen drohte. Er wußte, daß seine Leute jetzt dicht am Lager waren, und jedenfalls hatte der schwarze Bursche mit seinen viel schärferen Sinnen etwas von ihnen gehört oder gesehen.

»Me, make a light, flourbag,«[6] sagte der Eingeborene in seinem englisch sein sollenden Dialekte.

Tolmer stand langsam auf und trat zum Feuer, um es ein wenig zusammenzustoßen. Er stand jetzt nur zwei Schritte von den Gewehren.

»So? – Du hast was Weißes gesehen?« sagte der Buschrähndscher, mit den Augen der Richtung folgend, nach der der Arm des Schwarzen deutete.

»Ich werde einmal hinschießen,« sagte jetzt Tolmer, und mit den Worten drehte er sich um, griff sein Gewehr auf und spannte zugleich geräuschlos die Hähne.

»Bah, mach' keinen Unsinn, Mate,« sagte aber der Buschrähndscher, der keine Ahnung hatte, daß ihnen hier Gefahr drohen könne. »Wer weiß, was der Bursche gesehen hat.«

»Vielleicht war's ein Opossum,« meinte Tolmer.

»Möglich,« sagte der Andere, »setzt Euer Gewehr hin.«

»Habt Ihr schon gehört, wie man ein Opossum lockt?« frug Tolmer jetzt. – Er war todtenbleich geworden, denn er wußte, daß der nächste Augenblick der entscheidende sein mußte.

»Ein Opossum? – Was zum Donnerwetter hat denn nur der schwarze Bursche? Etwas muß im Winde sein,« und unwillkürlich machte er einen Schritt den Gewehren zu, während der Eingeborene seine Lanze aufgriff und scheu und vorsichtig vom Feuer zurückglitt.

»Ich will's Euch zeigen, Mate,« sagte Tolmer, und in dem Moment gellte ein schriller Pfiff durch den Wald.

»Verrath!« schrie der Buschrähndscher und sprang nach den Gewehren.

»Wer sich bewegt, ist eine Leiche!« rief Tolmer mit Donnerstimme, die eigene Waffe an den Backen reißend, und von allen Seiten sprangen die Seinen auch schon herbei, während die Buschrähndscher, förmlich überrumpelt, im ersten Schrecken nicht wußten, ob sie fliehen oder sich vertheidigen sollten.

Tolmer, so viel wie möglich unnöthiges Blutvergießen zu vermeiden, schoß nicht, und nur als der Anführer der Schaar an ihm vorbeifuhr, um seine Waffe aufzugreifen, hielt er ihm sein Bein vor und der Buschrähndscher stürzte wie im Fluge nach vorn, alle vier Gewehre mit sich zu Boden reißend. Im nächsten Augenblicke saß ihm aber schon Borris auf dem Nacken, und während diesen der Matrose unterstützte, den wüthend um sich Schlagenden zu binden und unschädlich zu machen, fanden sich die anderen drei von Bewaffneten umstellt und jede Flucht abgeschnitten. – Was auch hätten sie im Busche ohne Gewehre anfangen wollen?

Der Schwarze war gleich bei dem ersten Anprall der Polizei – vielleicht auch schon vorher – spurlos im Busche verschwunden.

Zehn Minuten später staken die Buschrähndscher in Handschellen. Es war aber zu gewagt, sie in dunkler Nacht durch den Busch zu transportiren, wo doch Einer oder der Andere Gelegenheit gefunden hätte, zu entkommen. Tolmer beschloß also, die Nacht dort mit ausgestellten Wachen im Lager zu bleiben und die Gefangenen erst am nächsten Morgen hinüber zum Schooner zu transportiren.

»Jetzt weiß ich auch, Mate, wo ich Euer blutiges Gesicht schon einmal gesehen habe,« zischte der alte Buschrähndscher durch die zusammengebissenen Zähne, als er eine Stunde später neben seinen Cameraden und unter einer Aufsicht, die jeder Flucht spottete, am Feuer lag.

»Denk's auch, Tomlins,« lachte Tolmer, »ich hatte aber gleich vom Anfange an ein besseres Gedächtniß. Weil ich jetzt keinen Bart trage, seid Ihr irr geworden.«

»Hol' Euch der Teufel,« brummte der Gefangene und warf sich auf die andere Seite.

Am nächsten Morgen mit Tagesanbruch war die kleine Truppe marschfertig und erreichte etwa dritthalb Stunden später den Schooner, in dem die Gefangenen einquartiert wurden. Tolmer aber, jetzt fest entschlossen, sein Aeußerstes zu versuchen, auch den noch flüchtigen Mulligan wieder einzubringen, wollte sich doch nicht der Gefahr aussetzen, daß bei einem längeren Aufenthalte an der Insel die bisher gemachten Gefangenen vielleicht Gelegenheit fänden, ihre Freiheit wieder zu erlangen.

Derartige Menschen, mit Nichts zu verlieren und Alles zu gewinnen, hatten sich schon aus schwierigeren Lagen befreit, und er befahl dem Schooner deshalb, mit zwei von seinen Leuten als Wache an Bord, ohne Weiteres wieder unter Segel zu gehen und diese kostbare Ladung erst einmal an das County-Gefängniß abzuliefern. Dann sollte er ohne Zögern wieder umkehren, sie selber abzuholen oder vor Anker zu bleiben, bis sie an Bord kämen.

Tolmer behielt, nachdem er zwei von seinen Leuten der Schoonermannschaft beigegeben, noch, mit Borris, sieben Mann und den Matrosen. Der Seemann hatte sich freilich mit auf dem Schooner einschiffen wollen, Tolmer war aber viel zu vorsichtig, das zuzugeben, denn er wußte nicht, ob er vielleicht mit ein oder dem anderen der Gefangenen schon früher Bekanntschaft gemacht hätte, und wollte sich nicht muthwillig selber einen Helfershelfer für die Schaar in das Fahrzeug setzen. Mit ihnen versprach er ihm aber freie Passage nach Adelaide, wenn er sie dahin begleiten wolle.

Nun galt es vor allen Dingen, den jetzigen Aufenthaltsort John Mulligan's herauszubekommen, und das schien viel schwerer, als es Tolmer im Anfange erwartet hatte.