Wahn und Ueberzeugung Reise des Kupferschmiede-Meisters Friedrich Höhne in Weimar über Bremen nach Nordamerika und Texas in den Jahren 1839, 1840 und 1841. - Höhne, Friedrich - kostenlos E-Book

Wahn und Ueberzeugung Reise des Kupferschmiede-Meisters Friedrich Höhne in Weimar über Bremen nach Nordamerika und Texas in den Jahren 1839, 1840 und 1841. E-Book

Friedrich, Höhne

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The Project Gutenberg EBook of Wahn und Ueberzeugung, by Friedrich HöhneThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.org/licenseTitle: Wahn und Ueberzeugung       Reise des Kupferschmiede-Meisters Friedrich Höhne in Weimar              über Bremen nach Nordamerika und Texas in den Jahren 1839,              1840 und 1841.Author: Friedrich HöhneRelease Date: March 13, 2016 [EBook #51430]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK WAHN UND UEBERZEUGUNG ***Produced by The Online Distributed Proofreading Team athttp://www.pgdp.net (This file was produced from imagesgenerously made available by The Internet Archive)

Links zu größeren Bildern sind in der vorliegenden Version möglicherweise nicht aktiv.

Ansicht der Einfahrt in die Baÿ von New-York. Herrliche Lage der Stadt.

(Bitte das Bild anklicken für eine größere Ansicht.)

Wahn und Ueberzeugung.

ReisedesKupferschmiede-MeistersFriedrich Höhne in WeimarüberBremen nach Nordamerika und Texasin den Jahren1839, 1840 und 1841.

Wahrhafte und ergreifende Schilderungender Bremer Seelen-Transportirungen, der Schicksale deutscher Auswanderer, vor, bei und nach der Ueberfahrt; Reisescenen zu Wasser und zu Lande und ausführliche Rathschläge für Ansiedler im Bezug auf den Charakter, die Sitten und konstitutionellen Verhältnisse der Amerikaner, ihren Handel und Gewerbe.

Zum Nutz und Frommen deutscher Auswanderer von ihm selbst gesammelt und zusammengestellt. Nebst seiner Rückreise über England und Frankreich.

Mit 7 Tafeln Abbildungen.

Weimar 1844bei Wilhelm Hoffmann.

Demtreuesten Freunde in der Nothmeinem braven LandsmanneKarl Aakewelcher in Amerikadiedeutsche Rechtlichkeit und Treuenicht abgelegtwidmet dieses Werkchenals Beweis seiner Achtung und Liebeder Verfasser.

Inhalt.

Vorwort.

II

Erster Brief.

1

Zweiter Brief.

6

Dritter Brief.

10

Vierter Brief.

15

Fünfter Brief.

20

Sechster Brief.

26

Siebenter Brief.

32

Achter Brief.

39

Neunter Brief.

44

Zehnter Brief.

51

Eilfter Brief.

57

Zwölfter Brief.

62

Dreizehnter Brief.

68

Vierzehnter Brief.

75

Funfzehnter Brief.

85

Sechzehnter Brief.

93

Siebenzehnter Brief.

101

Achtzehnter Brief.

111

Neunzehnter Brief.

119

Zwanzigster Brief.

130

Einundzwanzigster Brief.

135

Zweiundzwanzigster Brief.

143

Dreiundzwanzigster Brief.

150

Vierundzwanzigster Brief.

167

Fünfundzwanzigster Brief.

176

Sechsundzwanzigster Brief.

184

Siebenundzwanzigster Brief.

191

Achtundzwanzigster Brief.

199

Neunundzwanzigster Brief.

208

Dreißigster Brief.

216

Einunddreißigster Brief.

226

Zweiunddreißigster Brief.

238

Dreiunddreißigster Brief.

245

Vierunddreißigster Brief.

253

Fünfunddreißigster Brief.

263

Sechsunddreißigster Brief.

270

Siebenunddreißigster Brief.

278

Achtunddreißigster Brief.

287

Neununddreißigster Brief.

296

Vierzigster Brief.

304

Einundvierzigster Brief.

312

Zweiundvierzigster Brief.

327

Dreiundvierzigster Brief.

339

Vierundvierzigster Brief.

348

Fünfundvierzigster Brief.

355

Sechsundvierzigster Brief.

362

Siebenundvierzigster Brief.

378

Achtundvierzigster Brief.

385

Neunundvierzigster Brief.

393

Funfzigster Brief.

402

Einundfunfzigster Brief.

412

Zweiundfunfzigster Brief.

420

Die Heimkehr.

426

Nachschrift.

434

Vorwort.

Lange nahm ich Anstand, bevor ich mich entschließen konnte, die gesammelten Erfahrungen während meines Aufenthalts in Amerika und das mannichfaltig Erlebte auf der Land- und Seereise zu veröffentlichen, da es mir theils wegen anderer Geschäfte an der nöthigen Zeit fehlte, und ich auch unverhohlen gestehen muß, daß es mir, der ich nicht in literarischen Arbeiten geübt, eine zu schwierige Aufgabe war, um Etwas zu liefern, welches mit den schon vorhandenen Werken über jenes Thema in die Schranken treten könne.

Nur den Aufforderungen von mehreren Seiten und der Bemerkung gab ich nach, daß es zwar Abhandlungen über Amerika genugsam gäbe, diese meistens aber von Leuten herkämen, welche als Gelehrte sich darüber ausgesprochen, oder von solchen, deren finanzielle Verhältnisse es möglich machten, sowohl der Seereise, als dem Aufenthalte in Amerika selbst, die beste Seite abzugewinnen und somit Stoff zu den interessantesten, mitunter höchst verführerischen Beschreibungen geben, von welchen Herrlichkeiten aber den ärmern auswandernden Professionisten oder Bauern nichts zu Gute kömmt, und es deshalb hauptsächlich an einer zusammenhängenden, von aller Gelehrsamkeit befreiten, sich aber bis in die niedrigsten Nüançen des menschlichen Lebens erstreckenden Erzählung fehle.

Dieses bestimmte mich, nun Hand an’s Werk zu legen, und man erwarte daher keine gelehrte Abhandlung, sondern schlichte, der Wahrheit treu ohne Ausschmückung gemachte Darstellungen, welche nicht für das fein gebildete Publikum, sondern mehr für die niedern Stände geschrieben worden, von denen die meisten Leute diese Reise mit wenig Mitteln unternehmen, und deswegen Beschwernissen und Gefahren ausgesetzt sind, wovon begüterte Reisende, welche mit vollen Taschen ein Sibirien zu einem Paradiese umschaffen könnten, nichts erfahren, leider aber, gewöhnlich Erstere, durch ihre süßen Darstellungen zur Auswanderung auffordern und ermuntern.

Noch größeres Unheil, als solche überzuckerte Reisebeschreibungen, verursachen aber auch nicht selten die brieflichen Nachrichten, welche über’s Meer Freunden und Verwandten zugeschickt werden, und wo Alles in vergrößertem Maaßstabe angegeben ist, das aus amerikanischen Zeitungen Gelesene und Gehörte, als wahr und ausgemacht, nacherzählt wird, wo man Dollars verdient wie bei uns die Groschen, keine Steuern und Abgaben zu entrichten hat, wo Freiheit und Gleichheit vorherrschend sind, und wo mit einem Worte der Himmel schon auf Erden angetroffen wird.

Solche Briefe gehen gewöhnlich von Haus zu Haus, und wahr ist Alles was darinnen steht, wenn sich auch die Sätze nicht zusammenräumen lassen. — Denn der Vetter hat ja bei seinem Abgange versprochen, Alles genau zu schreiben, und wie sollte es auch im Lande der Wunder anders seyn?

Hört man aber auch mitunter von Einem, dem es nicht so recht glücken will, der um Geld oder sonstige Unterstützung schreibt, und das Elend, in welchem er und tausend Andere schmachten, schildert, und die verwünscht, welche durch lügenhafte Berichte ihn vermocht, sein theures Vaterland zu verlassen und in’s Unglück gestürzt haben, der wird statt bedauert, ausgelacht und ihm wenigstens theilweis die Schuld für das Mißlingen seiner gemachten Pläne beigemessen, wenn man ihn nicht gar unter die zählt, welche durch ein ungeregeltes, lüderliches Leben nur sich selbst alles zu erleidende Ungemach zuzuschreiben haben.

Dieses ist die Ursache, warum so Viele gar nicht schreiben, da sie nicht lügen wollen, die Wahrheit aber aus falscher Schaam und um nicht mißverstanden zu werden, zu verheimlichen suchen und ihr Loos im Stillen tragen. Demnach werden noch Viele ihr Vaterland verlassen, und zu spät einsehen lernen, was sie bei dem Tausche gewonnen oder verloren haben.

Es wird daher nicht ganz ohne Interesse und Nutzen seyn, die meiner Familie geschriebenen Briefe dem Drucke zu übergeben, woraus man sehen wird, wie mannichfaltig das Geschick in der neuen Welt mit dem Menschen spielt, was der unbemittelte Reisende auf einer solchen Tour mehr oder weniger abzuhalten hat, und was des armen Deutschen Loos gewöhnlich in seinem adoptirten Vaterlande ist.

Schließlich erlaube ich mir noch die Bemerkung: daß von Allem, was ich über Amerika gelesen, die Gall’schen Notizen am Uebereinstimmendsten mit meinen selbst gemachten Erfahrungen sind, und es ist demnach Jedem, welcher nicht lockende Berichte über Amerika, wie es die von Duden sind, lesen will, die Gall’sche Reisebeschreibung zu empfehlen.

Ich lebe nun in der Hoffnung und dem Vertrauen, daß dem Niedergeschriebenen eine gerechte und billige Beurtheilung nicht fehlen werde, da solches die Arbeit eines Laien und mithin aus einer nicht zum Druck geeigneten Feder fließt, wie auch, daß die gute Absicht nicht zu verkennen sey, welche mich zur Herausgabe dieses Werkchens bewog, nämlich mit dazu beizutragen, daß man immer richtiger und unbefangener einsehen lerne, was der wenig bemittelte und der Landessprache unkundige Auswanderer in Amerika zu suchen und zu finden hat.

Der Verfasser.

Ohne dem Eigenthümlichen und Einfachen der Schreibart des Herrn Verfassers zu nahe zu treten, habe ich mir, bei der Durchsicht des Manuskripts nur hie und da Aenderungen erlaubt, der Rechtschreibung der Namen von Personen, Städten, Ländern, Flüssen etc. nachgeholfen und selbst mehrere deutsche, wahrscheinlich von Deutschen in Amerika gebildete Provinzialismen stehen lassen und so mag denn dieses Büchlein in seiner schmucklosen Sprache in die Welt gehen und den Nutzen stiften, welchen sein Verfasser mit Recht erwarten kann.

Taf. I. der Abbildungen, von welcher pag. 29 die Rede ist, fällt weg, weil man vorzog, anstatt der Abbildung eines Schiffes, besser die Ansicht von New-York beizugeben.

Weimar den 12. Juli 1843.

Wilh. Hoffmann.

Erster Brief.

Bremen im Juni 1839.

Landreise von Weimar nach Bremen.

Gott zum Gruß an Euch alle meine Lieben!

Das Ziel der Landreise ist glücklich erreicht und unsere Karavane nach manchen überstandenem Ungemach am 12. d. M. früh 9 Uhr hier angekommen.

War schon die Erinnerung an den Abschied von Allem was uns lieb und theuer ist, nicht geeignet, den Anfang einer solchen Reise angenehm zu machen, um so mehr mußte die ungünstige Witterung der ersten Tage dazu beitragen, das Gemüth niederzudrücken und den Muth der Reisegesellschaft herabzustimmen.

Auf Wittigs Höhe[1], dem Sammlungsort der Reiselustigen, wohin mir einige Freunde das Geleite gaben, wurde von den jungen Leuten zum Abschied so lange gezecht, gesungen und gesprungen, bis die mit dem Gepäck, Weibern und Kindern beladenen Wagen ankamen und zum Aufbruch mahnten.

Obgleich mir das Herz durch den Abschied von Weib und Kindern zerspringen wollte, war ich doch bis hierher Herr meiner Gefühle, dem Vorsatz treu geblieben, als Mann standhaft das unternommene Werk zu beginnen und mit Gottes Schutz und Beistand auszuführen. Als aber beim Scheiden das Lied: „Nun leb’ denn wohl, du stilles Haus!“ angestimmt wurde, und Viele sich zum letzten Male die Hände drückten und für dieses Leben auf immer Abschied nahmen, da vermochte auch ich die Thränen nicht länger zu unterdrücken, welche dem beengten Herzen Luft zu machen suchten, empfahl nochmals den zurückkehrenden Freunden Frau und Kinder und eilte dem Wagen voraus, der mich, erst langsam nachfolgend, in Linderbach[2] einholte, wo ich, an Leib und Seele ermattet, weilte.

Was ich auf diesem Wege gedacht und empfunden, vermag ich nicht zu beschreiben. Wie ein gehabter Traum nach dem Erwachen nur noch dunkel dem Gedächtniß erinnerlich ist, so stand mein Lebenslauf vor meiner Seele, und jetzt noch frage ich mich oft: wachst du, oder ist Alles nur ein Traum, was du wachend erlebt zu haben glaubst?

Die Sitze auf dem Wagen waren schlecht arrangirt, so daß unmöglich neben dem Gepäck das ganze Personal Platz haben, und daher nur abwechselnd gefahren werden konnte. Ein Familienvater stieg ab und überließ mir seinen Raum mit der Bitte, das schlafende kleine Kind im Schooß zu beherbergen. Bald war ich selbst entschlummert und der Gott des Schlafs suchte die matten Glieder von Neuem zu stärken, als, o Vorgeschmack der Reise! ein übler Geruch mich aus dem süßen Traume weckte und ich nun mit Schrecken bemerkte, daß mein Schützling mich mit einer Gabe beschenkt, welche mich mit einer Schnelligkeit vom Wagen trieb, die ich mir bei meinen zusammengerüttelten Gliedern nicht zugetraut hätte.

Die Zeit des Anhaltens in Erfurt benutzte ich dazu, um noch einige Geschäftsangelegenheiten abzumachen, wurde aber dabei wider Erwarten aufgehalten, so daß ich vermuthen mußte, die Karavane habe bereits schon die Stadt verlassen. Ich schlug daher den kürzesten Weg zum Thore ein, ohne vorher im Gasthofe nachzusehen, ob die Wagen abgegangen oder nicht; die gefragte Schildwacht bestätigte das Erstere, und im Sturmschritt wurde der Berg erstiegen. Da aber auf der Höhe nichts von den Wagen zu bemerken war, entgegenkommenden Fuhrleuten auch keine Auswanderer begegnet seyn wollten, so war guter Rath theuer, da entweder der Soldat oder die Letztern mich zum Besten gehabt. Sollte ich weilen oder meine Schritte verdoppeln. Unschlüssig, was zu thun oder zu lassen sey, nöthigten mich Regentropfen im Gasthof zu Schmiera[3] Obdach zu suchen.

Ein schweres Gewitter hatte sich zusammengezogen und der nahe Donner kündigte dessen Entladung über unsern Häuptern an. Der Sturm wühlte den Chausseestaub dermaßen auf, daß kein Baum mehr zu erkennen war, bis der herabströmende Regen wieder freie Aussicht verschaffte. Mitten unter diesen Naturereignissen kam in vollem Lauf der Pferde eine Chaise an, und vom Hintertheil derselben sprang einer meiner Reisegefährten, welcher, um der Nässe zu entgehen, diese Fahrgelegenheit benutzt hatte, und gab Kunde, daß die Wagen noch zurück, das männliche Personal aber denselben vorausgeeilt und bis aufs Hemde durchnäßt, bald nachkommen würde. So bedauerlich auch ihr Anblick war, so konnte ich mich doch des Lachens nicht enthalten, dankte aber Gott im Stillen, daß er mich durch die falsche Angabe des Soldaten zur Eile angetrieben und dadurch vor Durchnässung so wie vor leicht möglicher Erkältung beschützt hatte.

Ganz verstimmt langten wir Abends spät in Siebeleben[4] an, wo das erste Nachtquartier gehalten wurde. Des Streueschlafens längst entwöhnt und durch das Kindergeschrei beunruhigt, welche durch die Reise aus aller Ordnung gebracht, die ganze Nacht kein Auge schlossen, verließ ich früh das Lager müder, als ich solches am Abend eingenommen[5]. Meine erste Sorge war jetzt, das Gepäck so zu plaçiren, daß bei gutem Wege das ganze Personal aufsitzen und fahren konnte. Ein vom Wirth requirirtes Bret wurde hinten querüber auf einen der Wagen gelegt und diente mir, der im Voraus auf jedes fernere Kindergeschenk Verzicht leistete, so wie noch drei Andern als Platz.

Obgleich schon beim Antritt der Reise von mir in allen Stücken die größte Vorsicht anempfohlen worden war, damit nicht durch etwaiges Unglück eines Einzelnen, durch Aufenthalt das Ganze darunter leiden müsse, so hätte dennoch vor Gotha ein Kind leicht tod gefahren werden können, da es während des Absteigens vom Vorderwagen fiel und die Räder dicht an dessen Kopf vorbeigingen.

In Gotha wurde nicht angehalten und nur während der Durchreise das Nöthige eingekauft. Erst zwei Stunden später, wo gefrühstückt werden sollte, kam die sich daselbst zerstreute Gesellschaft wieder zusammen, nur der Großvater einer Schuhmacherfamilie blieb aus. Länger zu verweilen hielt der Fuhrmann für unräthlich, versprach aber langsam zu fahren, damit der Alte, der übrigens kein schlechter Fußgänger war, uns bis Mittag einholen könne. Doch auch diese Zeit verstrich und es mußte von Neuem angespannt werden, und schon hatten wir Ammern, wo das zweite Nachtquartier gehalten werden sollte, erreicht, ohne daß der alte Mann wieder zu uns gekommen war. Die Angst des Sohnes, so wie auch dessen Frau und Kinder, läßt sich denken, denn jetzt war es ausgemacht, daß er entweder krank liegen geblieben sey, oder von Gotha aus einen falschen Weg verfolgt haben mußte. Ohne Reisepaß und Geld, da beides der Sohn in Verwahrung hatte, hoch an Jahren, wie sollte der Arme, wenn er nicht noch diese Nacht ankam, uns einholen? Alles nahm den größten Antheil an der beängstigten Familie. Kein Auge wurde die Nacht über zugethan, da man bei jedem Geräusch die Ankunft des Verirrten vermuthete. Der Morgen brach an, die Fuhrleute mahnten zum Aufbruch, und noch war der Ersehnte nicht da. Der Sohn, außer sich, wollte zurückkehren, um den Vater zu suchen; doch welchen Weg sollte er einschlagen, wo ihn finden? Mußten wir nicht befürchten, bei etwaiger Ankunft des Gesuchten, den Sohn zurückzulassen? Hier aber noch länger zu verweilen, stimmte nicht mit den Ansichten der Fuhrleute überein, welche vermutheten, daß der Fehlgegangene seinen Weg über Eisenach und Kassel fortgesetzt habe und erst in Hannover zu uns stoßen werde. Diese Ansicht theilten mehre von der Gesellschaft, und so sehr auch ich und die beängstigte Familie um längern Verzug baten, so wurden wir doch überstimmt und demnach unverzüglich aufgebrochen.

Zweiter Brief.

Bremen im Juni 1839.

Fortsetzung.

Die Witterung am dritten Tage unserer Reise war ebenfalls äußerst ungünstig, da es fortwährend näßte und Staupen gab, so daß, als wir das Eisfeld passirten, welches schon dem Namen nach keine warme Gegend verspricht, wir uns mitten in den Winter versetzt glaubten. Das gestrige Gewitter hatte in dieser Gegend großen Schaden verursacht; die Felder verschlämmt, die Straßen zerrissen und in mehren Ställen das Vieh ersäuft. Das größte Unglück hatte aber eine Auswanderer-Familie aus Baiern betroffen, welche bei herannahendem Gewitter den Wagen verlassen, um nicht vereint den Blitz an sich zu ziehen. Nur zwei kleine Kinder, in wollene Decken gewickelt und mit Betten zugedeckt, um sie vor der Nässe zu wahren, wurden auf dem Wagen zurückgelassen. Wer vermag aber den Schrecken der Mutter zu beschreiben, als sie nachsieht und eins derselben erstickt findet.

In Duderstadt, dem Grenzorte vor Hannover, wurde heute etwas früher als gewöhnlich das Nachtquartier bezogen, da hier die Pässe visirt, das nöthige Reisegeld vorgezeigt und auf das Gepäck Durchgangszoll entrichtet werden mußte.

Die Schuhmacherfamilie, durch die Abwesenheit des Großvaters, nach welchem die Kinder beständig fragten, voller Unruhe und äußerst betrübt, hielt den Muth der übrigen Gesellschaft fortwährend niedergedrückt, und ich hatte meine ganze Beredsamkeit aufzubieten, um den Armen Trost zuzusprechen. Eben saßen wir insgesammt am Tisch, um das Nachtmahl einzunehmen, als der Sohn des Zurückgebliebenen, welcher vor dem Hause auf und abgehend, der Ankunft des Vaters ängstlich geharrt, mit dem Freudenrufe hereinstürzte: „Ach Gott, mein armer Vater kömmt!“ Er war es, doch in welchem Zustande? Ganz erschöpft sank er zu den Füßen seiner Kinder nieder.

Der arme alte Mann war in Gotha beim Einkauf von Schnupftaback von seinem Begleiter getrennt worden und ohne weiter zu fragen, auf dem geraden Wege, welcher nach Eisenach führt, fortmarschirt. In dem Wahne, die Wagen seyen noch zurück, hat er bereits einige Stunden Weges zurückgelegt, bis ihn die Müdigkeit zum Einkehren zwingt, wo er den Irrthum erst gewahrt, und da kein näherer Weg ihn auf den richtigen Pfad leitet, sieht er sich genöthiget, nach Gotha zurück zu wandern. Das Gehen entwöhnt, zum Fahren ohne Geld, muß er mit Angst und Noth, da ihm ein wunder Fuß nur langsam zu gehen erlaubt, den Seinen nachzukommen suchen. So wankt er, nur wenige Stunden der Ruhe gönnend, Tag und Nacht seinem Ziele zu. Nur noch zwei Stunden vom Grenzort entfernt, schwinden ihm die Kräfte ganz; er kann nicht weiter und sucht schon Nachtquartier. Da kommt ein Reisender (sein guter Geist) und zeigt ihm die Möglichkeit, uns heute noch einzuholen, da wir in Duderstadt verweilen müßten, was morgen weniger möglich sey, wenn ihm durch Ruhe die ausgespannten Sennen erschlaffend, den Dienst zur Weiterreise versagen würden. Diese Aufmunterung wirkt, er sucht von Neuem sich fortzuschleppen und kömmt gleich dem Galeerensclaven, den man im Schauspiel sieht, bei seinen Kindern an.

Aufs Neue bat ich jetzt, daß Niemand mehr den Zug verlassen sollte und ahnete nicht, daß ich selbst schon in den nächsten Tagen gleich jenem mich verirren würde.

Die Witterung schien sich am 7. Juni günstiger zu gestalten. Die Sonne brach die trüben Wolken und mit ihren warmen Strahlen drang neues Leben in uns ein. Alle hatten die Wagen verlassen und nur der Irrgänger blieb wie zerschmettert auf demselben liegen.

In Einbeck trafen wir mit einer Gesellschaft Baiern zusammen, die ebenfalls ihr Heil in Amerika suchen wollten und logirten mit ihnen im Gasthofe zur Stadt London. Doch bald sollten wir erfahren, daß wir wirklich in London waren, weil alles sehr theuer war. Hatte es daher schon am Abend beim Zahlen der Zeche Verdrießlichkeiten gegeben, so wurde der Unmuth und die Zänkerei um so lauter, als man das zur Streue dienende Stroh nur spärlich herbeischaffte und der Wirth sich beleidigender Ausdrücke bediente, weil nur wenige von uns Betten verlangten. Mir selbst blieben in der überfüllten Stube, dicht an der Thür nur einige Halmen zur Unterlage übrig, weshalb ich mehr und mehr links zur Nachbarin rückte, die freundlich Platz zu machen schien, als ein Marqueur über meine Beine stolperte und meinen Nachbar rechts mit dem gefüllten Waschbecken begoß. Dieser, welcher diese Taufe für beabsichtigten Schabernack hielt und ohnedies auf Jenen, der sich unberufen in Liebeshändel eingemischt, aufgebracht war, faßt schnell des Marqueurs Beine und kühlt seinen Muth an diesem Armen. Der Wirth, gelockt vom Lärm, eilt mit den Seinen herbei, doch eben so schnell verlassen wir das Lager, und da aus Zufall oder List die Lichter schnell verlöschen, erhält mancher in der Dunkelheit einen Schlag, welcher ihm nicht zugedacht war. Ich selbst, der nächste an der Thür, verzichtete auf Ruhm und Ehre, ergreife schnell die Flucht und suche Schutz auf einem unserer Wagen, wo mein Bruderssohn sich schon hinredirirt hatte. — Neuem Zank am Morgen zu entgehen, wurde der Wagen früh von uns verlassen, in der Absicht, im nächsten Dorfe die Reisegefährten zu erwarten.

Die majestätisch aufgehende Sonne versprach heute einen der schönsten Tage unserer Reise, und froh und vergnügt, da uns manche Scene vom gestrigen Abend zum Lachen zwang, waren wir im Gespräch bis zu der Stelle gekommen, wo der Angabe nach ein über den Berg führender Feldweg das Ziel der Reise um eine Stunde abkürzen werde, und uns später wieder auf die Straße leiten sollte. Obgleich mit rüstigen Füßen die ermüdende Straße zum Bergdorf bald zurückgelegt war, so sanken wir doch erschöpft auf das zum Ruhen einladende junge Gras und die reizende Gegend in das weit sich ausbreitende Thal ließ bald die gehabten Beschwernisse vergessen. Im Dorfe selbst war so früh des Tages noch Niemand zu erspähen, wo man die nöthige Erkundigung in Betreff der Richtigkeit des Weges hätte einziehen können. Es wurde daher von uns der hinter demselben angetroffene gebahnte Weg muthig betreten, welcher aber bald rechts bald links in mehre Arme sich ausbreitete, schwer noch die richtige Straße erkennen ließ. Nach einem mehrstündigen Wege war endlich in weiter Ferne die sich um einen Berg windende Chaussee dem Auge sichtbar, welche nach der Gegend führte, wohin unser Fußweg durch Getraidefelder sich schlängelte. Schnell eilten wir vorwärts, um noch vor Ankunft der Wagen unsere leeren Magen zu füllen und auszuruhen.

Eben hatte ich mich, auf den bestellten Kaffee wartend, auf der Schenkbank ausgestreckt, als der Wirth neugierig nach dem Ziel unserer Reise fragte, und als er Willwingen als den Ort unserer heutigen Etappe vernommen, die Schreckenskunde gab, daß dieses nicht der Weg nach jener Stadt sey, indem diese Straße ins Münsterland und nicht nach Hannover führe. Zu früh, setzte er hinzu, hätten wir am Morgen die Chaussee verlassen, da solche in zwei Arme getheilt, der eine links zu ihm, der rechts aber für uns der richtige gewesen sey. Sollte ich fluchen oder beten? Ich, der erst anbefohlen, daß Keiner die Wagen mehr verlassen sollte, mußte selbst Fersengeld entrichten und hatte dabei für Spott der Reisegesellschaft nicht zu sorgen. Um nicht die gekommene Straße zurück machen zu müssen, führte uns ein angenommener Bote einen Holzweg über die steilen Berge, und so erreichten wir nach vierstündigem sauern Marsch die richtige Chaussee.

Zu unserm Glück hatten die Fuhrleute am Morgen etwas später als gewöhnlich eingespannt, und da sie uns vermißten, langsam gefahren, weshalb wir im nächsten Gasthofe noch einige Zeit auf die Gesellschaft warten mußten. Von jetzt an verließ Keiner mehr die Wagen.

Dritter Brief.

Bremen im Juni 1839.

Fortsetzung.

Im Dorfe Limmer bei Alsfeld, woselbst Mittag gemacht wurde, trafen wir Auswanderer, welche von Bremen zurückkehrend, die Kunde brachten, daß bei dem jetzt überhäuften Andrang von Reiselustigen und bei dem Mangel an Transportschiffen, die Kaufleute das Fahrgeld erhöht und ohne Unterschied des Alters 44–45 thlr. in Gold pro Kopf bezahlt werden müsse, wodurch sie, die außer Stande so viel geben zu können, gezwungen wären, in ihre Heimath zurückzukehren. Man denke sich bei dieser Nachricht den Schreck der Familien unserer Karavane, welche viel Kinder bei sich und für solche nur auf wenig Fahrgeld gerechnet hatten. Sollten sie ebenfalls umkehren, oder durch den Verkauf ihrer Habseligkeiten, die Seereise dennoch zu ermöglichen suchen, und dann von Allem entblöst, als Bettler den amerikanischen Boden betreten? Noch unschlüssig, was zu thun oder zu lassen sey, stimmte ich dafür, wenigstens bis Bremen das einmal Unternommene auszuführen, um sich an Ort und Stelle von der Richtigkeit der Angabe selbst zu überzeugen, da leicht Mißverständnisse obwalten könnten.

Während ich langsam vorausging, um das so eben Erfahrene im Tagebuche zu notiren, hatten die jungen Leute meine Abwesenheit benutzt und das von mir verbotene Necken erneuert, wobei ein Steinwurf den Einen, welcher mit hinten auf dem aufgelegten Wagenbret saß, am Kopfe verletzt. Dieser nun, um sich zu rächen, springt ab, ohne jedoch seinem Nebenmann etwas zu sagen, wodurch das Bret das Gleichgewicht verliert und der Andere stürtzt und sich die Hand ausfällt. Der Springer aber ließ einen Theil seiner Beinkleider am Wagen hängen, wodurch er bei einer kurzen Jacke, das Gelächter der ganzen Gesellschaft erregte.

Den 8. Juni trafen wir im Nachtquartier zu Willwingen einen tauben Wirth, der auf alle an ihn gerichteten Fragen mit dem Kopfe schüttelte und zur Geduld verwieß, bis seine Frau zu unserer Bedienung vom Felde kommen werde. Hungrig wie die Wölfe, wurde sogleich selbst Hand angelegt und das letzte Fleisch im Orte zum Abendbrod vorgerichtet, doch bei mangelnder Aufsicht hatten die Haushunde noch vor dem Kochen, solches in Sicherheit gebracht und wir mußten den hungrigen Magen mit saurer Milch und Sallat füllen, dem Einzigen, was wieder aufzutreiben war, wodurch sich Mancher wegen Magenerkältung gezwungen sah, die ganze Nacht über auf den Beinen zuzubringen. War aber auch das Essen schlecht, so erhielten wir eine um so bessere Streue, und der gute Kaffee am Morgen ließ alles Uebrige leicht vergessen.

Da heute Hannover passirt werden sollte, so zeigte Freund M., daß er der Sohn eines Schneiders sey und nähte das halbe Hintertheil der auf dem Wagen hängen gebliebenen Hose so geschickt zusammen, daß der arme Gefallene nur drei Zoll weite Schritte machen konnte und das eine Hosenbein um ein Viertheil kürzer als das andere war. Auch der Glaser R. ließ heute sein Talent als Friseur glänzen und schor dem Zimmermann S. die Haare so glatt wie einem Hammel, wofür des letztern Frau ihm zum Danke die gröbsten Reden anzuhören gab.

Hannover, wo wir Mittag ankamen, schien der Sammelplatz deutscher Auswanderer zu seyn, in allen Straßen waren deren anzutreffen, vorzüglich aber auf dem Paradeplatze, wo die schönste Musik gemacht wurde, weil es Sonntag war. Auch wir vergrößerten die Zahl der Neugierigen und ich hatte bald Gelegenheit, mit einigen Bürgern eine Unterhaltung anzuknüpfen, während welcher ich die Bemerkung machen mußte, daß solche ihre Landesangelegenheiten weniger kannten, als wir Ausländer. Außer der gepuderten Hofdienerschaft, welche gleich Marionetten vor den Wohnungen der Herrschaften aufgestellt sind, kam uns von den höchsten Herrschaften selbst nichts zu Gesicht. Eben so wenig konnte wegen Kürze der Zeit irgend eine Merkwürdigkeit der Stadt in Augenschein genommen werden.

Zu Neustadt, am Rübenberg, wo am Abend ausgespannt wurde, erfuhr ich vom Wirth, daß heute sechs Wagen mit Auswanderern den Ort passirt hätten, und daß nach der Zahl derselben zu schließen, welche in letzter Zeit hier durchgereist wären, Bremen ziemlich angefüllt seyn müßte, so daß schwerlich bei dem täglichen Zudrang von Menschen, die nöthigen Transportschiffe vorhanden seyn könnten.

Jetzt vermuthete ich selbst, daß die uns begegneten Auswanderer, welche wieder der Heimath zugeeilt waren, nicht ganz Unrecht haben dürften, und brachte daher bei meiner Reisegesellschaft in Vorschlag, daß ich diese Nacht mit der durchfahrenden Post auf gemeinschaftliche Kosten nach Bremen vorausfahren, um vielleicht noch mit den am 15. dieses Monats absegelnden Schiffen akkordiren zu können. Der Vorschlag wurde angenommen und um Mitternacht bestieg ich den nur mit einem Passagier besetzten Postwagen, welcher schlaftrunken mich in dem blauen Ueberhemde für einen schlichten Bauersmann halten mochte und so brummend in der Wagenecke liegen blieb. Der Gott des Schlafes schloß auch meine Augen bald, und schon blickte die Morgensonne zum Wagenfenster freundlich herein, als mich der Hunger weckte, da ich Abends vorher nichts genossen hatte. Eben im Begriff, aus der Jagdtasche etwas heraus zu langen, hielt der Wagen an der neuen Station an, wo beim Oeffnen des Schlages auch mein Begleiter erwachte und von dem Marqueur dienstfertig aus dem Wagen gehoben wurde, welche Ehre mir aber, in dem man keinen respektablen Gast vermuthete, nicht zu Theil wurde. Beim Kaffeetrinken wünschte der Fremde meine Bekanntschaft zu machen und fragte daher: „Wie weit die Reise, Landsmann!“ Nach Amerika! gab ich kurz zur Antwort. „Auf der Post, erwiederte er spottend?“ Ja, wenn es seyn könnte, entgegnete ich; nur müßte ich dabei wünschen, die Reise nicht in Ihrer Gesellschaft machen zu müssen. „Und warum?“ fragte er, über meine Antwort verwundert; da ich auf der Reise gerne spreche, gern etwas erzählen höre und vor Allem das Schnarchen nicht vertragen kann. „Ich habe Sie, wie es scheint, verkannt!“ sprach er forschend, „und hoffentlich werden wir jetzt die Reise um so angenehmer fortsetzen.“ Er ging hinaus und bald ward von dem Marqueur eine Flasche Wein vor mich auf den Tisch gesetzt. Sie sind im Irrthum Freund! bedeutete ich Letztern, ich habe keinen Wein bestellt. Das glaube ich wohl, versetzte er lächelnd, doch in dem Augenblicke, ehe er weiter sprechen konnte, trat der Fremde ein, schenkte die Gläser voll und sagte: wir wollen ein Glas Wein zusammen trinken, damit der Schlaf verscheucht werde. Geschwind! denn der Wagen ist schon angespannt und der Schwager wird sogleich zum Abgang blasen. Eben wollte ich meine Bemerkung machen, daß ich ein schlechter Trinker sey und vor Allem für Spirituosen mich hüten müsse und dergl., als das Horn erschallt und uns kaum Zeit blieb, auf eine glückliche Reise die Gläser zu leeren, worauf in den Wagen gestiegen wurde.

Mein Reisegefährte war Hannöverscher Staatsdiener und Sohn eines Kaufmannes; hatte die Feldzüge vom Jahr 1813 mitgemacht, wußte viel und gut zu erzählen, und war mit einem Worte ein höchst interessanter Gesellschafter. Auch ich ermangelte nicht, aus meinem Jugendleben so manches aufzutischen, was ihm gefiel, und so im Gespräch vertieft, wurden weniger die Wagenstöße verspürt, welche die gepflasterte Chaussee verursachte. Bald verrieth die mehr und mehr zunehmende Menge der nach der Stadt fahrenden Bauersleute, daß Bremen nicht mehr fern seyn könnte, und von meinem Begleiter aufmerksam gemacht, sah ich die vom Sonnenstrahl vergoldeten Thurmspitzen Bremens, aber wie lange dauerte jedoch noch der Weg, bevor die Stadt selbst erreicht wurde. Endlich am 9. d. M. Mittags 11 Uhr hielt der Wagen vor dem Posthause zu Bremen.

Vierter Brief.

Bremen im Juni 1839.

Aufenthalt in Bremen und Bremerhaven.

Wohl eine Stunde irrte ich durch die mit Menschen und Wagen gefüllten Straßen, um den Gasthof aufzusuchen, wo unsere Fuhrleute ausspannen wollten, damit ich mit dem Wirth über das Unterkommen der ganzen Gesellschaft akkordiren könnte. Niemand wollte das betreffende Gasthaus in der Altstadt kennen, bis endlich ein Helfershelfer der Herren Wirthe sich erbot, mir den Weg zu zeigen[6]. Derselbe brachte mich in ein Haus, welches zwar das rechte Schild, der Wirth aber einen anderen, als den von unsern Fuhrleuten angegebenen Namen führte. Letzterer erbot sich sogleich, uns sämmtlich gegen ein Billiges aufzunehmen[7], weil, wie er versicherte, sein Hôtel nur für Auswanderer eingerichtet sey, und obschon einige Vierzig bereits bei ihm logirten, so würden wir doch noch Alle Platz finden. Dabei ermangelte er nicht, weidlich auf seine Herren Kollegen loszuziehen und solche als Preller darzustellen, denen es nur darum zu thun sey, die mit den Verhältnissen der Stadt nicht vertrauten Auswanderer möglichst zu bevortheilen. Während des Gesprächs wurde mir fleißig zugetrunken, dabei der äußerst billige Wein gerühmt, und als Probe der hier gebräuchlichen guten Kost eine Mahlzeit vorgesetzt, ohne dafür Zahlung anzunehmen. Alles nur, um zu zeigen, wie gut ein Jeder in dieser Herberge aufgehoben sey. Auf mein Bemerken, daß ich wenigstens da, wo die Fuhrleute ausspannen würden, hinterlassen müsse, in welchem Gasthofe man mich auffinden könne, erbot sich der gefällige Wirth, mich in eigener Person zu geleiten, da ich es ablehnte, seinen Hausknecht mit meinem Auftrage dahin abzuschicken, und stellte unterwegs noch billigere Bedingungen, als wie sie schon vorher gemacht worden waren.

Der rechte Wirth in der Neustadt beherbergte gewöhnlich nur Fuhrleute, durch mich aber, der mit dem Eilwagen vorausgekommen, vermuthlich auf die Idee gebracht, daß ich für lauter wohlhabende Auswanderer Quartier bestellen solle, von welchem sich Etwas verdienen lasse, war ebenfalls sogleich erbötig, uns sämmtlich aufzunehmen. Mein Führer, ärgerlich darüber, uns zu verlieren, gab mir verstohlen ein Zeichen zum Weggehen und erzählte mir nun im Vertrauen, daß ein Jeder, welcher Auswanderer zu einem Schiffsmakler bringe, Einen Gulden Douçeur pro Kopf erhalte, welches Geld ich ohne Beihilfe eines Andern selbst verdienen könne. Dagegen mußte ich die Versicherung geben, möglichst dahin zu wirken, daß die ganze Gesellschaft nicht hier, sondern bei ihm logire. Jetzt wurde mir erst die Ursache von diesem Verrath klar; da der Schurke das Kopfgeld nicht selbst verdienen konnte, so entzog er es auch seinem Kollegen, dem er es nicht gönnte.

Da ich sogleich im Bremerhaven, welcher 10 Stunden von Bremen entfernt ist, die nöthigen Erkundigungen wegen der vorhandenen Schiffe und deren Abgang einziehen wollte, so benutzte ich das eben dahin abfahrende Dampfschiff, wo ich nach einer Fahrt von fünf Stunden im Hafen ankam.

Hier erblickte ich ein Bild, welches ich zu sehen nicht erwartet hatte. Ueber 2000 Auswanderer lagen im Hafen zusammengedrängt, theils auf drei großen Schiffen, theils in Privat- und Gasthäusern auf Kosten der Schiffsmakler. Von einem Landsmann wurde ich auf eines dieser Schiffe eingeführt, wo ich sogleich einen Vorgeschmack der Seereise bekam. Schaudererregend war der Anblick der hier in dem engen Raume zusammengedrängten Menschenmenge, wo durch einander Männer und Weiber, Jung und Alt, ohne Rücksichtnahme auf gebildete Personen, die größten Zoten zum Besten gegeben, wo manch altes Bauernweib die letzten Fetzen der Hemden ihrer Familie zusammensuchte, um sie zu gebrauchen, da diese dann bei der Ankunft, nebst dem eingewohnten Ungeziefer ersäuft werden. Hier sitzt eine besorgte Mutter und reinigt den Kopf des Kleinen, dort hat ein Kind sein Lager besudelt und dicht daneben schmeckt Anderen der erhaltene Thee nebst Schiffszwieback ganz vortrefflich; während dessen wird auf dem Oberdeck getanzt und gesungen, und oft wie ich so eben Gelegenheit hatte mit anzuhören, das Ganze von zwei bösen Sybillen, die sich veruneinigt hatten, überschrieen. Jetzt wurde mir einleuchtend, weshalb manche gebildete Familie, vorzüglich wenn sie erwachsene Töchter hat, noch beim Einsteigen ins Zwischendeck die Reise aufgiebt, wenn die Mittel, in der Kajüte zu fahren, nicht ausreichend sind.

Ein anderes dieser Schiffe, das ich bestieg, hatte im Zwischendeck nur eine Höhe von fünf Fuß, so daß man nicht anders als gebückt darin stehen konnte. Die Passagiere, auf diesen Uebelstand von mir aufmerksam gemacht, verlangten, daß durch Niederlegung des Fußbodens das Zwischendeck erhöht werden solle, zu welcher Veränderung sich erst nach langen Debatten der Schiffsmakler verstand.

Im Nachtquartier traf ich mit Auswanderern aus aller Herren Länder zusammen, von welchen einige schon über vier Wochen auf Kosten der Makler hier logirten und auf abgehende Schiffe warteten. Von ihnen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, wie man nicht genug Vorsicht gebrauchen könne, um nicht beim Kontrahiren zur Reise bevortheilt zu werden, und so allen Versprechungen entgegen, aus eigenem Beutel bis zum Abgang des Schiffes zehren müsse, wie es leider jetzt Manchem gehe.

Schon am frühen Morgen des folgenden Tages bekam ich durch den Landsmann S.[8], welcher mich gestern auf dem segelfertigen Schiffe eingeführt hatte, die Einladung, auf diesem die Reise mitzumachen, da diese Nacht auf solchem ein Passagier erkrankt, deshalb die Fahrt aufgegeben und dessen Platz einzunehmen sey, welchen er bei dem Kapitän für mich erbeten habe. So gern ich auch von dieser schnellen Fahrgelegenheit Gebrauch gemacht, so erlaubten es doch die gegen meine Reisegefährten übernommenen Verpflichtungen keineswegs. Ich dankte diesem Braven herzlich, für den guten Willen mir zu dienen und mit dem Wunsche eines glücklichen Wiedersehens in einer andern Welt, schieden wir gerührt von einander.

Da in Bezug auf die Seereise im Hafen selbst nicht zu akkordiren war[9], so durfte auch keine Zeit verloren gehen, um das Nöthige in Bremen selbst zu ordnen, und so fuhr ich mit dem Dampfschiff, welches einige von Amerika kommende Reisende am Bord hatte, unverzüglich zurück. Letztere schienen in den überseeischen Ländern ihre Rechnung auch nicht gefunden zu haben, da ein Paar Eheleute äußerten: lieber in ihrem Vaterlande zu betteln, als in dem freien Lande hungrig sterben. Ein Zweiter klagte über die Schurkerei der Amerikaner, die ihn um seinen sauer verdienten Lohn betrogen hätten. Ein Dritter wollte durch einen Bankbruch um das Seinige gekommen seyn. Jeder hatte seine eigenen Bemerkungen zu machen, welche am Ende alle dahinaus gingen, im Lande zu bleiben und sich redlich zu nähren. Schöne Aussichten für uns! Nur einer schien mit seinem Loos zufrieden, da er, seiner Erzählung nach, amerikanischer Landmann sey, ein hübsches Eigenthum besitze und jetzt eine Reise zu seinen Verwandten mache. Freundlich wurde ich von demselben eingeladen, auch ihn, der bald zurückkehren werde, in Amerika zu besuchen, da er selbst Brennereibesitzer sey und ich ihn vielleicht auch mit meinem projektirten Unternehmen dienen könne.

In Bremen angekommen, verfügte ich mich sogleich auf das Komptoir des Herrn W.[10], wo ich zu meinem Befremden erfuhr, daß von den Agenten der Schiffsrheder weit mehr Auswanderer hergeschickt würden, als die vorhandenen Schiffe zu fassen vermöchten, weshalb man sich genöthigt sähe, die Frachtpreise zu erhöhen und daß auch jetzt für Kinder jeglichen Alters, selbst bis auf den Säugling herab, dieselbe Summe wie für Erwachsene bezahlt werden müsse, da bei dem gegenwärtigen außerordentlich großen Andrange von Auswanderern die nöthigen Schiffe fehlten, und bis zu deren Ankunft die von den Agenten zugeschickten Personen als Entschädigung für Kost und Logis pro Kopf 10 Groten[11] auf den Tag erhielten und solches eine nicht unbedeutende Ausgabe verursache.

Was sollte ich unter solchen Umständen thun? Für die ganze Gesellschaft konnte ich nicht zur nächsten Fahrgelegenheit abschließen, da ich wußte, daß einigen meiner Reisegefährten, die nicht auf die gegenwärtig bedeutend erhöhten Fahrpreise gerechnet, das nöthige Fahrgeld fehle. Um aber nicht für uns Alle die Gelegenheit zu verabsäumen, mit dem am 15. d. M. expedirten Schiff in See gehen zu können, so schloß ich wenigstens für sechs Mann fest ab, mit der Bedingung, daß für die andern Personen die Plätze bis Morgen Mittag offen bleiben sollten, wo die bis dahin Ankommenden das Weitere selbst beschließen könnten.

Fünfter Brief.

Bremen im Juni 1839.

Fortsetzung.

Die Reisegesellschaft war bei ihrer Ankunft nicht wenig bestürzt, als ich ihr die bereits gemachten Erfahrungen mittheilte, und schon sahen sich einige im Geist wieder in die Heimath versetzt. Noch unschlüssig über das, was zu thun oder zu lassen sey, wurde in banger Erwartung der Mittagsstunde entgegen gesehen, wo den Armen durch den Makler selbst ihr Schicksal verkündigt werden sollte. Der schlaue Wirth, meine Abwesenheit benutzend, da ich eben mit einigen Gefährten die Verhältnisse in Erwägung zog, sucht bei den Uebrigen seine Person geltend zu machen und verspricht, wenn sie sich ihm anvertrauen würden, bei dem Makler, welcher sein Freund sey, dahin zu wirken, daß er Etwas von der Forderung ablasse.

Die Leichtgläubigen ließen sich bethören und gingen, ohne meine Ankunft und die bestimmte Zeit abzuwarten, mit Letzterm auf das Komptoir des Herrn W.[12], doch, wie vorauszusehen, galt der Wirth hier wie jeder andere, und seine Absicht ging blos dahin, das Kopfgeld[13] zu verdienen. Aber noch zur rechten Zeit kam ich selbst mit den Uebrigen an, um ihm, wie er uns, den Verdienst zu entziehen.

Alles bot ich auf, des Maklers Mitleid zu erregen, durch Schilderung der Lage derjenigen Armen, welche sich gezwungen sähen, in die Heimath zurückzukehren. Doch nur zu oft kommen solche Scenen vor, um Eindruck auf ein Herz zu machen, welches nur am Golde hängt. Es blieb daher bei der Bestimmung, daß die Erwachsenen 44 thlr., Kinder 40 thlr., die Säuglinge aber 35 thlr. in Golde zahlen sollten. Die Abfahrt nach New-York mit dem Schiff St. Lawrence, wurde zwischen dem 20. und 23. d. festgestellt, und von dieser Zeit an uns die Beköstigung vom Schiffe aus zugesagt. Im Fall aber widrige Winde oder sonstige Umstände den Abgang verzögern würden, sollte die gewöhnliche Vergütung von 10 Groten pro Kopf für jeden Tag eintreten.

Auf dem einer jeden Familie unserer Reisegesellschaft ausgestellten Schiffskontrakt war nur die richtig geleistete Zahlung bescheinigt und die Zeit der Abfahrt bestimmt, ohne daß auf demselben etwas über die uns mündlich zugesagte Beköstigung oder Geldentschädigung erwähnt worden wäre. Auf meine Bitte, dieses nachzuholen, gab man den kurzen Bescheid, solches sey nicht gebräuchlich und auch nicht nöthig, da schon das gegebene Wort genüge[14].

Alle, die wir von Weimar aus die Reise unternommen hatten, waren dennoch im Stande das zur Ueberfahrt nöthige Geld aufzubringen. Nur der Zimmermanns-Familie S. fehlte es wegen dem erhöhten Fahrgeld an Mitteln, da solche für drei Kinder auf weniger, den Säugling aber frei gerechnet hatten. Außerdem war der Vater krank und von einer Ehehälfte geplagt, welche ohne Gefühl und Mitleid den Armen noch mit Vorwürfen quälte, da sie mehr gezwungen, als freiwillig zur Auswanderung sich entschlossen hatte. Sollten sie die Sachen verkaufen und so von Allem entblößt, die Seefahrt zu ermöglichen suchen, oder zurück in die Heimath kehren, wo Haus und Hof veräußert war? Das Erstere verbot die Klugheit und von Letzterem hielt sie falsche Schaam zurück. Auf mich hatten sie daher ihre letzte Hoffnung gesetzt und bestürmten meine Person mit Bitten und Flehen um den nöthigen Vorschuß, welcher mit dem größten Danke dem Retter aus der Noth, in Amerika wieder zurückgezahlt werden sollte[15]. Da der Mann selbst mir als rechtlich bekannt war, so bedurfte es nichts mehr, um sein Flehen zu erhören, und durch eine Unterstützung so die Möglichkeit an die Hand zu geben, mit uns vereint die Reise fortzusetzen.

Den militärpflichtigen Mitgliedern unserer Reisegesellschaft, welche ohne Erlaubniß die Auswanderung beschlossen, wurde bei Ausstellung des Schiffskontrakts, auf deren Anfrage, wegen ihrem sonstigen Verhalten, von Herrn W.[16] der Bescheid, das Wanderbuch, ohne weiter etwas zu bemerken, auf der Polizei nach dem hannöverschen Grenzort visiren zu lassen. Der Weg dahin führe über Bremerhaven; daselbst angelangt, frage dann Niemand mehr, ob die Seereise mit oder ohne Erlaubniß unternommen sei, da man das Wasser nicht gern von der Mühle weise.[17]

Gleich beim Weggang vom Komptoir wurde beschlossen, das Gasthaus zu verlassen und eine Privatwohnung zu beziehen, wo dann Jedem die Gelegenheit werde, möglichst billig leben zu können, und im Hause des Schneidermeisters Achelpohl fanden wir dazu die schönste Gelegenheit. Jetzt hieß es, bei karger Kost und dünnem Kaffee sich in Geduld zu üben, und wir suchten uns, in Erwartung besserer Tage, gegenseitig das Leben so angenehm als möglich zu machen.

Das Drängen und Treiben der Bremer, das Ein- und Ausladen der Schiffe, die schönen Anlagen um die Stadt, die reizenden Parthien in derselben, das im Vorgefühl der schönen Hoffnungen fröhliche, mitunter aber auch traurige Aussehen der Auswanderer, welche zu Hunderten durch den Reiz der Neuheit getrieben, da viele von ihnen noch nie eine so große Stadt wie Bremen gesehen hatten, gaffend in den Straßen standen, oder mit dem Einkauf der zur Seereise nöthigen Gegenstände und Lebensbedürfnisse beschäftigt waren.[18] Der Lärm in Wein-, Schnaps- und Bierhäusern, wo Mancher noch vergeudete, was bei erhöhtem Fahrgeld übrig geblieben war, so wie durch das mitunter herzergreifende Ansehen der Familien, welche durch Krankheit, oder aus Mangel des nöthigen Geldes, die Reise getrennt unternehmen müssen, Alles dieses gab vollauf Stoff, die Zeit zu tödten und Betrachtungen über das menschliche Leben anzustellen, von denen man Folianten füllen könnte.

Unter solcher Zerstreuung war der 16. d. herangekommen, wo das schöne feierliche Glockengeläute am Sonntag zum Besuch der heiligen Stätte mahnte. Auch ich wünschte vor Antritt der großen Reise mich nochmals dem zu empfehlen, welcher das Schicksal der Menschen lenkt. Deshalb besuchte ich, feierlich gestimmt, in Begleitung des Sohnes meines Bruders und dem Glaser R. die St. Pauluskirche. Nach dem Gottesdienste war Kommunion und obgleich nicht festlich gekleidet, waren wir doch willkommene Gäste des Herrn. Nach beendigtem Abendmahl wartete am Ausgang der Kirche der würdige Pastor Hemstängel auf uns, und sprach: „Wir haben uns am Tisch des Herrn gesehen und da ich in Ihnen Auswanderer vermuthete, so wünschte ich nun auch in meiner Wohnung Ihre nähere Bekanntschaft zu machen. Ich bitte Sie, mich dahin zu begleiten.“ Wie eine Stimme von oben, klang uns diese Einladung und mit beklommenen Herzen folgten wir derselben. Nachdem Sr. Ehrwürden die uns zur Reise veranlaßten Gründe erfahren hatte, hielt dieser brave Geistliche eine so herzergreifende Rede, daß jedes seiner Worte tief ins Innere drang, da er alle die Gefahren so treffend berührte, aber auch den Lohn zu schildern wußte, welcher den Menschen erwartet, welcher mit Ausdauer und seinem Gott ergeben, sein Werk mit Muth und Standhaftigkeit zu Ende führe. Daraus gab er uns für die andern Familien Gebetbücher mit den Worten: „sagen Sie solchen in meinem Namen, daß der Herr überall mit Jedem sei, welcher ein gottgefälliges Leben führe; er wandle hier oder in jenem Welttheil, wohin wir zu reisen gedachten. Nur nicht überall gäbe es für die Kinder den nöthigen religiösen Unterricht, damit der Mensch in jeder Lage des Lebens sich seines Gottes und dessen unerschöpflicher Güte vollkommen erfreuen könne. Er fühle sich daher veranlaßt, die Erwachsenen darauf aufmerksam zu machen, daß sie mit Beihilfe der mir übergebenen Bücher für das Seelenheil ihrer Kinder nach Kräften sorgen möchten und nicht dasselbe über Mühe und Arbeit, Verdienst und etwaigen Reichthum vernachlässigten. Denn was ist alles Irdische! fuhr er fort, wenn dabei der Himmel verschlossen bleibt und die Seeligkeit für den Menschen verloren geht, die nur durch richtige Begriffe von Gott und Jesum zu erlangen ist. Um wie viel glücklicher sind Sie, sprach er zu mir, da Sie ihre Familie in einem Lande zurücklassen, wo wahre Aufklärung herrscht. Leiden Sie auch durch die Trennungsschmerzen mehr als die Familienväter, welche die ihrigen um sich haben, ist auch der Gedanke an die zurückgebliebenen Frau und Kinder herzergreifend, so muß Ihnen dagegen zur Beruhigung dienen, daß dieselben wohl versorgt sind und nicht die Beschwernisse einer solchen Reise zu ertragen haben, sondern im sichern Hafen abwarten können, was der Herr unser Gott über sie beschlossen hat. Empfangen Sie hiermit nochmals durch mich den Seegen des Herrn, welcher im Geist mit übertragen wird auf die zurückgelassenen Ihrigen. Was auch Ihr Schicksal sei, Gott wird Sie geleiten auf allen Ihren Wegen und deshalb vertrauen Sie auf den, der Alles zum Besten führt.“ Tief gerührt verließen wir das Haus. Denn noch nie hatte die Rede eines Geistlichen solchen Eindruck auf unserer Aller Herzen gemacht. Möchten doch Viele sich berufen fühlen, den Reisenden in ähnlichem Sinne Muth und Trost zuzusprechen.

Sechster Brief.

Bremerhaven im Juni 1839.

Fortsetzung.

Ein Tag verstrich wie der andere. Die leer gewordenen Logis wurden sofort mit Neuangekommenen besetzt, wobei nicht selten die Sachen verwechselt oder vorsätzlich entwendet wurden, wie solches dem Konditor T. aus V. widerfuhr. Uhren- und Gelddiebstähle sind häufig, und es ist daher auf Pretiosen die größte Vorsicht zu verwenden. Eben so wenig sollten die Kisten ohne Aufsicht gelassen werden.

Mein gewöhnlicher Spatziergang fing bald an mich zu langweilen, und die prächtigen Karossen, sowie die durcheinander wogenden Fußgänger hatten keinen Reiz mehr für mich, da die mannichfaltigen Erinnerungen an die zurückgebliebene Familie und ein banges Sehnen nach der dunkeln Zukunft, das Warten um so peinlicher machte.

Endlich brachte der 21. d. eine Unterbrechung in das alltägliche Leben, da an demselben Tage die über die Weser führende Nothbrücke dem Publikum geöffnet wurde, welche die Kommunikation der Neustadt mit der Altstadt so lange unterhalten sollte, bis die alte baufällige Brücke abgerissen und an deren Stelle eine neue, von Steinen, aufgeführt worden sein werde. Jeder wollte die Nothbrücke zuerst passiren, und es drängten sich daher von beiden Seiten so viele Menschen auf derselben zusammen, daß Mann an Mann wie eingemauert standen. Von den Ufern aus sahen Tausende der Mannschaft zu, welche an der Brücke gearbeitet hatten und jetzt auf zwei nebeneinander stehenden Schiffen bei Musik und Tanz das erhaltene Freibier verzehrten. Zum Schluß war Feuerwerk verkündet, weshalb eine Masse Kähne auf stiller Fluth die größern Bote umschwärmten und das schaulustige Publikum bis spät Abends auf den Beinen hielt. Doch mehr Witz als Wahrheit war das Feuerwerk, da nur einige Raketen zerplatzten.

Schon war der 22. verstrichen und noch keine Anstalt zu unserm Transport nach dem Hafen gemacht, wir erhielten aber auf dem Komptoir des Herrn W.[19] die Versicherung, daß morgen drei Weserschiffe uns dahin bringen würden. Jedoch auch der 23. und 24. gingen ohne Erfüllung der gemachten Zusage vorüber, und eben so wenig erhielten wir auf diese Tage für Kost eine Entschädigung, sondern wurden damit bis zur Ankunft auf dem Seeschiffe vertröstet. Was sollten aber bis dahin meine armen Reisegefährten anfangen, von denen einige ganz von Baarschaft entblößt und der hungrige Magen sich nicht wie der Geist mit den lockenden Aussichten in dem gelobten Amerika begnügen wollte.

Endlich am 25. waren die Transportschiffe bereit, uns nebst Effekten aufzunehmen, und auf dem, welches ich bestieg, war bis Mittag alles so geordnet, daß Jeder noch nothdürftig ein Plätzchen zum Liegen hatte. Als aber am Nachmittag noch einige Funfzig Juden mit ihren sämmtlichen Sachen ebenfalls in dem schon sehr beengten Raum untergebracht werden sollten, so wurde von Neuem alles drüber und drunter geworfen, um nur so weit Platz zu bekommen, daß sämmtliche Passagiere, wenn auch wie Häringe zusammengeschichtet, im Zwischendeck dem Hafen zugeschickt werden konnten.

Die anderthalben Tag und eine Nacht lange Fahrt war eine der beschwerlichsten, die ich gemacht habe, da ein anhaltend starker Wind das Schiff beständig in schaukelnde Bewegung versetzte, wodurch die Seekrankheit sich sofort einstellte und ein Erbrechen erfolgte, welches um so beschwerlicher war, da bei dem engen Zusammenliegen ein gegenseitiges Beschmutzen nicht vermieden werden konnte. Da die meisten Passagiere nicht darauf vorbereitet waren, bekamen wir jetzt schon den Vorgeschmack der Seereise, und Mancher hätte gern auf das gepriesene Amerika verzichtet, wenn ihm das bezahlte Fahrgeld restituirt worden wäre.

Taf. II.

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Das große dreimastige amerikanische Schiff St. Lawrence, welches uns im Hafen aufnahm, war mit einem 7 Fuß hohen Zwischendeck versehen und versprach deshalb vor allen andern jetzt hier liegenden Schiffen eine möglichst gesunde Fahrt; auch war vorauszusehen, daß bei der Größe desselben die Bewegungen weniger fühlbar sein würden, als dieses bei dem Weserschiff der Fall war, da bei letzterem die Bewegungen kürzer und deshalb um so empfindlicher sind. Damit aber die Vorstellung von dem Gebäude selbst, welches uns über den Ocean bringen sollte, um so deutlicher wird, will ich das in Taf. I. abgebildete Schiff etwas näher beschreiben.

Dieses kolossale Gebäude ist aus nicht sehr großen aber gut zusammengearbeiteten Holzstücken gefertigt, welche mittelst hölzerner und eiserner Schraubenbolzen an das innere Holzgerippe befestigt werden. Die Fugen sind mit Pech und Werg so dicht verstopft, daß kein Wasser eindringen kann. Um dieses schwimmende Gebäude schnell fortzubewegen, sind drei hohe Masten darauf angebracht, wovon jeder derselben wieder aus drei Theilen besteht, an welche mittelst der Segelstangen und dem nöthigen Tauwerk die Segeltücher zum Auffangen des Windes befestigt sind. Um aber diesen Segeln nach jedem Erfordernisse des Windes eine andere Richtung zu geben, sind viele Leinen und Taue angebracht, deren Jedes seinen eigenen Namen hat, und welches die Matrosen selbst in der dunkelsten Nacht mit der größten Schnelligkeit zu finden wissen. Ferner ist, um den Lauf des Schiffes zu bestimmen und solches demnach zu regieren, am hintern Theile desselben ein im Verhältniß des ganzen Gebäudes kleines Steuerruder befestigt, dessen geringste Bewegung nach der einen oder andern Seite dem Schiffe eine andere Richtung giebt.

Taf. II. ist die Ansicht vom obern Verdeck. Bei a. ist das Steuerrad, mit welchem das Steuerruder regiert wird, und in dessen Nähe im Nachthause steht der Kompaß. Vor Letzterm ist das Schiff mit einem Ueberbau versehen, unter welchem bei nasser Witterung der Kapitän und die Kajüten-Passagiere sich Motion zu machen suchen. An beiden Seiten sind Vorrathskammern angebracht, auch befindet sich der Abtritt für die Ersteren daselbst. b. ist die Stelle des Fockmastes, c. des Mittelmastes, d. des Besanmastes, e. zeigt das Bugspritt, welches über das Vordertheil des Schiffes hinausreicht, f. ist der bedeckte Eingang zur Kajüte des Kapitäns, g.h. und i. sind Oeffnungen von 6 Fuß ins Gevierte, welche dazu dienen, die Ladung ins Innere des Schiffes hinabzulassen. Durch diese Luken steigen auch mittelst der angelehnten Treppenleiter die Deck-Passagiere aus und ein. k. ist der Ort der zwei Schiffspumpen, womit alle Morgen das eingedrungene Wasser wieder ausgepumpt wird. l. ist die Kapitäns- und Kajüten-Passagier-Küche. m. sind die beiden eingemauerten Kessel, mit viereckiger Breterbekleidung umgeben, in welchen für die Deck-Passagiere gekocht wird. Zwischen der Kapitäns-Küche und dem Mittelmast ist das große Boot, in welchem die nicht gebrauchten Segel und Taue liegen und deshalb mit einem Nothdache überbaut ist. Das kleine Boot n. wird außerhalb des Schiffes am hintern Theil desselben aufgehangen. o. sind die Abtritte für die Deck-Passagiere. Durch die Oeffnung p. steigen die Matrosen in ihre Kajüte hinab. Bei q. ist die Schiffswinde, womit die Anker in die Höhe gezogen werden. r. sind in die Bohlen eingesetzte geschliffene Gläser von 7 Zoll Länge und 4 Zoll Breite. Solche sind in der Mitte stärker als an den Seiten, wodurch dieselben, vermöge der Konzentrirung der Lichtstrahlen, viel mehr Helligkeit verbreiten als dieses der Fall bei gewöhnlichem Scheibenglas ist.

Taf. III.

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Taf. III., stellt den innern Raum des Schiffes in horizontaler Lage vor. In diesem Raume befindet sich bei A. die Kajüte mit einem in der Mitte befindlichen großen Zimmer, zum Aufenthaltsort der Kajüten-Passagiere. Auf beiden Seiten befinden sich die Schlafstellen, (Cojen genannt.) An dem Fockmast steht die Treppe und hinter derselben ist die Wohnstube des Kapitäns, neben welcher sich verschiedene Kammern befinden. Auf der andern Seite sind die Räume für den Ober- und Unter-Steuermann, dem Steeward (Kammerdiener) und Koch. B. Ist die Vorkajüte, wo auf unserm Schiff die Vorräthe von Lebensmitteln aufbewahrt wurden, welche nicht in den untern Raum des Schiffes gebracht waren. Hier hatte außerdem der Kapitän noch seine Getränke, so wie das Tisch- und Küchengeräthe aufgehoben. In dem großen Mittelraum C. befinden sich auf beiden Seiten gleichlaufend mit den Schiffswänden zwei Reihen Schlafstellen über einander, deren Jede 6 Fuß im Quadrat hält, und aus Stollen und Bretern so zusammengenagelt sind, daß der Boden derselben 12 Zoll von dem Fußboden absteht, damit bei offenen Luken die mitunter einschlagenden Wellen, nicht die Strohsäcke oder Betten durch das darunter laufende Wasser befeuchten. Drei Fuß höher ist der zweite oder Mittelboden angebracht, welcher, da das Zwischendeck 7 Fuß hoch ist, eben so weit vom obern Deck absteht. Durch diese Vertheilung der Böden erhält jede Schlafstelle 3 Fuß Höhe, wie dieses auf Taf. IV. ersichtlich ist.

An der Vorderseite der Schlafstellen ist ein Bret angenagelt, damit bei Sturm die Strohsäcke mit den darauf Liegenden nicht herausgeworfen werden. Eben nicht höher sind auch die Schiedbleichen, wodurch dem Auge die freie Durchsicht offen steht[20]. Jede Coje nimmt 8 Mann auf, wovon 4 unten und 4 oben liegen, und so in den 26 kleinen Räumen 208 Menschen untergebracht sind. Das Lager der Passagiere beim Schlafen ist verschieden, wie solches auf der Zeichnung zu sehen ist und richtet sich nach dem Stande des Schiffes, damit immer der Kopf hoch ist, auch nicht bei schräger Lage des Fahrzeuges ein Passagier auf den andern fällt. In der Mitte stehen die Kisten der Reisenden, wo solche die Extraprovisionen oder die Bedürfnisse mancherlei Art, welche auf einer Seereise nöthig sind, aufbewahren. Diese Sachen werden mit Stricken und Tauen aneinander befestigt, um sie beim Sturm vor Umwerfen und Zerschlagen zu schützen. D. ist die Matrosen-Kajüte.

Taf. IV. ist ein Durchschnitt des Schiffes, wo man ebenfalls die Passagiere in ihren Cojen liegen sieht. E. ist der Raum, worin der Balast, die Proviant-, Fleisch- und Wasserfässer, das Gepäck der Passagiere sowie die Kaufmannsgüter untergebracht werden. Dieser Theil des Schiffes beträgt die Hälfte seiner Höhe, und ist, so tief es unter Wasser geht, mit Kupfer beschlagen.

Taf. IV.

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Siebenter Brief.

Bremerhaven im Juni 1839.

Fortsetzung.

Da bei unserer am 26. d. Mittags erfolgten Ankunft im Hafen sich weder der Steuermann, noch der Kapitän sehen ließen, mußte heute ebenfalls auf die Beköstigung verzichtet werden, was bei sämmtlichen Passagieren die größte Unzufriedenheit erregte und zu lauten Klagen Veranlassung gab.

Die Schlafstellen im Zwischendeck waren numerirt, und die zunächst am Mittelmast gelegene, wo die Bewegung des Schiffes am wenigsten fühlbar ist, hatten schon einige Judenfamilien in Beschlag genommen, mußten jedoch ihre Effekten wieder wegräumen, da bestimmt war, daß das Loos entscheiden solle. Mir, dem Sohne meines Bruders, dem Glaser R. und dem Metzger R. fiel der untere Platz No. 18 zu, welcher ziemlich in der Mitte des Schiffes sich befand. Ueber uns logierten drei Bauern nebst einem Frauenzimmer, welche des Einen Braut sein sollte.

Um einen richtigen Begriff vom Schiffsleben zu erhalten, braucht man nur eine Nacht in dem Zwischendeck, wo 208 Menschen schlafen, zuzubringen, wo ohne Unterschied des Geschlechts und des Alters, säugende Kinder, Greise und hochschwangere Frauen unter einander liegen. Das Heulen der Kleinen, das Nachspotten unverständiger Laffen, das Schimpfen und Zanken roher Bauern, das Lachen und Schreien Solcher, die Nichts auf der Welt zu verlieren haben und einer schönen Zukunft entgegen zu gehen glauben, das nachgeahmte Heulen der Katzen und Bellen der Hunde; alles Dieses unterbricht die Ruhe der Nacht, und früh am Morgen trieb mich ein Knoblauchgeruch und die mephitischen Ausdünstungen, welche das faule Wasser im Kiel des Schiffs verbreitet, vom Lager.

In der Restauration, während des Frühstücks, erhielt ich die Kunde, daß auf dem Schiffe die größte Aufregung herrscht, da der Obersteuermann während der Abwesenheit des Kapitäns, der in Bremen war, keine Provision vom Schiffe aus verabreichen wollte, welches mehre Passagiere beunruhigen mußte, da solche keine Lebensmittel mehr besaßen, aber auch kein Geld zu deren Anschaffung hatten. Die Erbitterung wurde um so größer, als der später ankommende Kapitän erklärte, daß der für die Reise bestimmte Proviant, solange das Schiff noch nicht in See gegangen, nicht angegriffen werden dürfe, sondern der Mundbedarf von dem dazu beauftragten Agenten Herrn U. hier abgegeben werden müsse und wir uns lediglich an diesen zu halten hätten.

Dazu aufgefordert, und um Unordnung zu verhüten, stellte ich mich an die Spitze der Unzufriedenen und begab mich mit noch sechs Andern auf das Komptoir des Agenten, wo wir leider vernehmen mußten, daß wir nicht die Ersten seien, welche dergleichen Beschwerde führten und von den Schiffsmäklern in Bremen um mehre Tage Beköstigung geprellt würden, indem von Jenem kein Befehl an ihn zur Abgabe von Lebensmitteln an uns ergangen sey.

Auf meine Drohung, dieses widerrechtliche Verfahren zur Warnung Anderer öffentlich bekannt zu machen, erwiderte Herr U.[21] frech genug, daß uns dieses freistände und daß wir ja auch bei der Behörde in Bremen gegen Herrn W. auftreten könnten; wohl wissend, daß bei dem segelfertigen Schiff, welches stündlich zum Abgang bereit war, keiner von uns von diesem Vorschlag Gebrauch machen könne.

Meine Begleiter, welche ihren Unmuth über dieses sonderbare Benehmen des Herrn Ulrich nicht langer verbergen konnten, überhäuften ihn mit den gemeinsten Reden, die der saubere Herr gelassen einsteckte, da er vermuthlich an dergleichen Auftritte schon gewöhnt war. Es blieb uns jetzt nichts weiter übrig, als bei der Polizei-Behörde in Bremerhaven Schutz zu suchen, welche auch sofort durch einen Gensdarmen den Befehl absandte, daß die Agentur unverzüglich die nöthigen Lebensmittel auf das Schiff liefern solle, um sich nicht bei wiederholter Klage strengen Ahndungen auszusetzen. Geschah nun auch das Erstere, so erfolgte doch keine Entschädigung wegen der rückständigen Lieferungen und das Kostgeld vom 20. bis 28. Juni kam dem saubern Herrn zu Gute.

Eine neue Verlegenheit trat für uns ein, als der Schiffskoch, ein Neger, für die Deck-Passagiere nicht kochen wollte und vorgab, nur für die Kajüte und Matrosen engagirt zu seyn. Es wurde deshalb von uns die Einrichtung getroffen, daß das Geschäft des Kochens der Reihe nach, immer von acht Personen, besorgt werden sollte, welches aber das Unangenehme für sich hatte, daß bei stürmischer Witterung Niemand auf das schaukelnde Schiff sich getraute, wodurch mancher Fasttag entstand.

Die Zeit, welche der Auswanderer in Bremerhaven zubringen muß, langweilt sehr, da das ewige Einerlei durch Nichts unterbrochen wird, zumal wenn man die Gasthäuser meidet, wo öfters die Matrosen mit Erstern karambuliren; ich hielt mich daher gewöhnlich in einem Schiffswerft auf, wo mir durch Zuneigung der Arbeiter Gelegenheit ward, Manches, was Bezug auf Schiffsbau und Seereise hatte, kennen zu lernen. Um so öfterer wurde aber die Nachtruhe gestört, wie ich solches schon erwähnt und folgender purlesker Auftritt bezeugen wird: Durch Beihilfe des Untersteuermanns hatten sich zwei Juden als blinde Passagiere mit auf das Schiff begeben, ohne daß dieses irgend einem der übrigen Reisenden aufgefallen war. Da dieselben sich aber unpolitisch genug des Nachts zu weiblichen Personen gesellten, so wurde die Eifersucht rege, die Liebhaber der Schönen wurden erwischt und aus dem Versteck geworfen.