Mord in der Neujahrsnacht - Volker Himmelseher - E-Book

Mord in der Neujahrsnacht E-Book

Volker Himmelseher

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Beschreibung

Dieser Köln-Krimi spielt in einer Neujahrsnacht. In einem Mehrfamilienhaus geschehen ein Einbruch und ein Mord. Eine kleine Mordkommission, deren Mitglieder sich nicht besonders grün sind, wird eingesetzt und folgt mit vielen Meinungsverschiedenheiten den verwickelten Spuren. Die Dialoge der handelnden Personen sind bunt und krass und machen den Krimi zu einer satirischen Sprüchesammlung. Am Ende des Spannungsbogens steht eine überraschende Lösung.

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Anmerkungen des Autors:

Dieser Krimi ist mein erster, der in Köln spielt. Personen und Handlung sind frei erfunden. Ich habe mir über die Jahre eine Sammlung von Sprüchen und Redensarten angelegt, die ich irgendwann mal hörte oder las. In diesem Krimi finden sich viele dieser Sprüche wieder. Der Text entwickelt mit ihnen ein gewisses Eigenleben. Die handelnden Personen äußern sich sehr bunt und krass. Ich hoffe, dass die Leserschaft diese satirische Sprüchesammlung in Krimiform mit Wohlwollen aufnimmt.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

1

Köln, Balthasarstraße, in der Silvesternacht.

In der miefigen Heizungsluft einer Altbauwohnung waberten zwei trostlose Leben vor sich hin. Dahinleben in Langeweile und Frust bis zum Tod.

Das mittelalte Ehepaar saß in Habtachtstellung in dicken Plüschsesseln. Aggression lag in der Luft.

Mann wie Frau waren voll Frust und auf Krawall gebürstet. Beide suchten erkennbar den Schlagabtausch.

Eva Müller hatte recht verhalten begonnen, aber durchaus erkennen lassen, dass sich zwischen ihnen kaum noch etwas zum Besseren wenden ließ.

»Früher war alles besser. Vor einigen Stunden habe ich noch selig und allein geschlafen«, meinte sie gerade.

Ihr Ehemann Jupp ging sie sofort frontal an: »Ja, allein geschlafen, und deine miese Laune hattest du dir schon zum Aufwachen rausgelegt. Wir sollten lieber ›Halt die Fresse‹ spielen, und du fängst an.« Er grinste in ihre Richtung.

»Das passt nicht zum Datum«, erwiderte sie schnippisch. »Zum Jahreswechsel macht man Kassensturz.«

Jupp wusste nichts Schöneres, als den auszumalen: »Da entdeckt man eine To-do-Liste aus 2013, und siehe da, sie ist auch 2014 noch brandaktuell. Meine Motivation, was abzuarbeiten, ist nur durch Leichenstarre zu toppen. Wenn für das neue Jahr die Arschkarten verteilt werden, rufe ich ganz laut: Ich spiele nicht mit!«

»Nimm doch ein Popokärtchen, die Arschkarte für Weicheier. Das nächste Jahr wird bei dir sowieso wieder so rund wie ein Dreieck verlaufen«, giftete seine Angetraute zurück. »Du solltest es lieber einmal mit guten Vorsätzen versuchen, aber die halten bei dir ja schlechter als Roman Weidenfeller.«

Jupp tat entrüstet: »Sei vorsichtig, ich werde zum Krieger!«

»Ja, ein Nichts-auf–die-Reihe-Krieger. Warum bist du denn schon im zweiten Jahr arbeitslos? Euros fallen nicht vom Himmel, die müssen verdient werden.«

»Ich bin nur arbeitslos, weil die Firma das Personal abgebaut hat.«

»Und du hattest natürlich auch dabei die Arschkarte.«

»Meine gesamte Gruppe war fällig. In meinem Alter will mich nun keiner mehr haben. Sei doch mal fair, meine Probleme siehst du mit Adleraugen, deine mit Maulwurfaugen. Dabei habt ihr Frauen in jedem Alter Probleme, Arbeit zu bekommen: Entweder seid ihr zu jung, seid schwanger oder zu alt.«

Eva lachte spöttisch und erwiderte: »Lass mich aus dem Spiel. Frau hin, Frau her, ich habe einen Job. Zeig dich zu deiner eigenen Rechtfertigung doch einmal klüger. Meine Intelligenz fühlt sich sonst verarscht. Otto sagte mir nämlich, die Geschäftsführung habe dich rausgeschmissen, weil in deiner Schicht immer zu viel Materialschwund vorkam. In der Haushaltskasse habe ich von mehr Geld nichts gemerkt. Du wirst es versoffen haben.«

»Otto, immer Otto! Der Kerl lügt wie gedruckt.«

»Lass es gut sein. Wie viele arbeiteten eigentlich in eurem Betrieb?«

»Ich schätze mal ein Drittel«, feixte ihr Mann. »Otto gehörte bestimmt nicht dazu.«

Er wollte mit dieser Blödelei von dem ihm äußerst unbequemen Thema ablenken.

Er fühlte sich recht wohl in seinem »Vorruhestand« und suchte eigentlich gar keine Arbeit. Ihr Geld reichte vollkommen aus.

Der einzige Nachteil am Nichtstun ist, dass man nicht weiß, wann man fertig ist, dachte er und griente still vor sich hin.

Dann reizte er Eva weiter: »Ich habe eine Lösung gefunden, die dich finanziell zufriedenstellen wird: Ich werde Mücken züchten, fettsaugende Mücken, und werde damit stinkreich.«

Eva wischte den Unsinn vom Tisch: »Sehr realistisch, ich erwarte ein Wunder. Probiere es doch erst mal mit einem Selbstversuch. Bei dir haben die Festtage ganz schön Gewichtsprobleme hinterlassen. Größe 47 hast du zurzeit nur bei den Schuhen.«

»Das hat nichts mit meinem Plan zu tun.«

»Plan hin oder her, du solltest eher Klomann werden. Als ich im Restaurant zur Toilette ging, beobachtete ich eine wahrlich bessere Geschäftsidee: Die Klofrau hatte vor dem Männerklo ein Schild aufgestellt: Kleiner Penis 10 Cent, großer Penis 1 Euro. So viele Euros habe ich noch nie auf dem Teller gesehen. Du würdest natürlich eher eine Bäckerei, einen Lottoladen und eine Galerie eröffnen. Ich sag dir auch den Namen: Brot Lose Kunst!«

»Du wirst schon sehen, wie das Geld im Kasten klingt«, verteidigte Jupp seine Mückenzucht.

Eva Müller war nicht zu überzeugen: »Dein Talent zeigte sich bisher nur darin, Bargeld in Kassenbons zu verwandeln. Unsere Tochter hatte das früh erkannt und als kleines Mädchen schon gesagt: ›Papa kann alles, Mama macht alles.‹ Daran wird sich wohl auch künftig nichts ändern. Wenn du dich in drei Worten beschreiben müsstest, dann würdest du faul sagen.«

»Unverschämt, ich helfe, wo ich kann.«

»Danke, dass du im Haushalt wenigstens so viel hilfst, dass die Fernbedienung vom Fernseher nicht verstaubt.«

»So ist halt das Leben, einer ist der Baum und einer der Hund.« Jupp wollte das leidige Thema mit Brachialgewalt plattmachen.

Eva kam dadurch in Rage, ihre Augen blitzten vor Zorn. »Du wäschst nicht mal unser Auto. Man macht sich schmutzig, wenn man nur drankommt.«

»Unser Auto ist nicht schmutzig. Das nennt man ›Used Look‹.«

»Jetzt reicht’s. Das ist zu viel des Guten!«

»Zu viel des Guten kann doch nur wundervoll sein«, brachte Jupp mit maliziösem Lächeln hervor.

»Vorsicht, jetzt bin ich bald auf 180!« Evas Gesicht hatte Farbe angenommen.

Jupp machte ihre Drohung nichts aus: »Gib Gas, du wärst ein tolles Auto, in ein paar Millisekunden von 0 auf 180.«

Eva konterte: »Du kannst mich. Du bist die Stradivari unter den Arschgeigen.«

»Es tut mir leid, wenn ich deiner Vorstellung so wenig entspreche, aber meine ist mir wichtiger. Außerdem solltest du dich etwas gewählter ausdrücken. Sag doch lieber: Du kannst mich mal an der Stelle, wo mein schöner Rücken endet.«

Jupp sah sie neugierig an. Wie würde sie darauf reagieren?

Eva antwortete überraschend ruhig: »Ich erwarte in meiner Lage mehr Mitgefühl.«

Deeskalation war trotzdem nicht angesagt. »Brauchst du Mitleid? Ich könnte welches vortäuschen. Wenn Gott allerdings gewollt hätte, dass ich dir in den Arsch krieche, wäre ich als Zäpfchen geboren geworden.«

»Ich bedaure, dass ich nur zwei Zeigefinger habe!«, schrie ihn Eva nun an.

»Etwas mehr Respekt, meine Liebe! Schließlich bin ich dein Gatte.«

»Erspar mir dieses Wort aus der Zoologie. Nur dort wird begattet, bei uns zuhause schon lange nicht mehr. In deinen Augen sehe ich höchstens ab und zu Polygamie.«

»Das ist besser als Monotonie. Wer sich treu bleiben will, kann nicht immer treu bleiben. Hast du etwa ausnahmsweise Bock auf Sex?«

»Das lässt mein Alkoholpegel nicht zu.«

»Du bist doch ganz nüchtern.«

»Ja, eben. Eine Erektion zählt übrigens nicht als Wachstum der Persönlichkeit. Und dann auch noch, wo du vorzugsweise alten Wein in junge Schläuche ejakulierst.«

Jupp war betroffen, wie drastisch Eva ihm heimzahlte, er verfiel in Schweigen.

»Wer glaubt, dass Schweigen Probleme löst, hält sich auch die Augen zu, um unsichtbar zu werden.« Eva ließ nicht locker. »Trotzdem bewundere ich dich. Männer können so gut schweigen, ohne dabei zu denken.«

»Na siehst du, mit leerem Hirn spricht man eben nicht. Mein Schweigen ist Gold, wenn du Blech redest. Ich kann in sieben Sprachen schweigen.«

»Viele Menschen sind gerade mal genug erzogen, um nicht mit vollem Mund zu sprechen, aber sie haben keine Bedenken, es mit leerem Kopf zu tun. Quallen leben bereits seit 500 Millionen Jahren ohne Gehirn. Das dürfte für dich eine gute Nachricht sein, mein Lieber. Aber gib zu, dir fehlen eigentlich nur die richtigen Worte.«

Jupp ließ das nicht stehen: »Das stimmt nicht. Wie gut, dass du mich nicht denken hören kannst!«

»Gott sei Dank, ich würde mich sonst nur noch mehr ärgern«, behielt Eva fürs Erste das letzte Wort.

Als Jupp sie jetzt von oben bis unten musterte, musste er sich eingestehen, dass sie eigentlich ganz gut in Schuss war. Gute Figur, ein ebenmäßiges Gesicht mit wenig Falten. Der glänzende dunkle Haarschopf und ihre großen tiefbraunen Augen wirkten anziehend. Nur der schmale Mund mit den tiefen Magenfalten links und rechts deutete darauf hin, dass bei der früher fröhlichen Frau eine Wesensveränderung eingetreten war. Die hatte mit der Diagnose wegen ihres schweren Nierenleidens begonnen.

Eva musste sich erst wöchentlich, dann alle zwei Wochen einer Dialyse unterziehen. Seitdem war aus dem Bindestrich in ihrer Ehe mehr und mehr ein Trennungsstrich geworden.

Eva meldete sich erneut zu Wort, als hätte sie in ihn hineingehört: »Liebe war einmal ein Verhältniswort, wurde aber bei uns längst zum Zahlwort. Du lebst auf meine Kosten.«

Jupp hörte darüber hinweg. Er taxierte sich stattdessen still selbst. Konnte er mit Eva mithalten? Er war früh ergraut und fast so kahl wie Jul Brynner. Seine handwerkliche Tätigkeit ließ ihn zwar immer noch einen Apfel zu Saft quetschen, aber seit Längerem galt für ihn aus reiner Bequemlichkeit: No Sport!

Seine Fitness hatte inzwischen schwer abgenommen. Massive Gewichtsprobleme bestraften seine Trägheit. Er hatte sich im letzten Jahr vorgenommen, wieder 10 Kilo abzunehmen, nun, am Ende des Jahres, fehlten noch 12 davon!

Ich habe eben Gewicht, tröstete er sich, als Eva ihn in den Streit zurückholte: »Du könntest wenigstens deine Weibergeschichten lassen.«

Jupp sah eine Möglichkeit zu punkten: »Mein Vater riet mir: Leg nicht alle Eier in ein Nest. Andre Mütter haben auch schöne Töchter.«

»Du hast nicht auf deinen Vater gehört, als du mich heiratetest. Warum jetzt?«

»Heute sehe ich das eben anders. Ich habe mir unser Hochzeitsvideo mal rückwärts angesehen. Toll, wie ich dir dann den Ring abnehme, die Kirche verlasse und mit Freunden zum Saufen gehe. Ich tröste mich nur noch damit, dass andere Paare auch nicht besser dran sind. Nach so vielen Ehejahren, wie wir auf dem Buckel haben, praktizieren weit über 90 Prozent aller Paare nur noch ausgefallenen Sex:

Montag ausgefallen,

Dienstag ausgefallen,

Mittwoch ausgefallen ...

Deine Dauermigräne nicht zu vergessen.«

»Die ist nur auf dein Verhalten zurückzuführen. Dein Verhalten und deine Worte wirst du noch bereuen.«

»Ich bereue keine Worte, die ich gesagt habe, höchstens welche, die ich bisher runtergeschluckt habe.«

Eva wechselte das Thema: »Dein Alkoholkonsum ist genauso schlimm wie dein Fremdgehen. Alkohol macht dumm und gleichgültig.«

»Kapier ich nicht und ist mir auch egal.« Jupp grinste sie hämisch an.

»Da siehst du’s, diese Antwort ist doch der Beweis. Ich hab einen guten Spruch für dich: Der Edle stellt nur Forderungen an sich selbst. Der Primitive stellt sie an andere. Du kannst dich hoffentlich einordnen.«

»Wenn du vergöttert werden willst, flieg nach Indien und mach Muh! Kennst du den Witz zu Fremdgehen? Moses kommt vom Berg herunter und sagt zu seinen Leuten: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Zunächst die gute: Ich konnte Gott auf zehn Gebote runterhandeln. Nun die schlechte: ›Du darfst nicht ehebrechen‹ ist immer noch dabei.«

Jupp Müller lachte nur so lange bis Eva konterte: »Wenn eine Frau zu dir sagt, du seist eine Kanone im Bett, meint sie vielleicht nur: Lunte und Entladung schon nach drei Sekunden! Bei dir schreibt man Penis ja wirklich eher klein.«

»Also bitte! Ich bin immerhin ein Sperma, das beim Menschwerden gegen alle anderen Spermien gewonnen hat.«

»Ja, aber nur, weil dein Erzeuger die Pillenausgabe geschwänzt hat.«

In Evas Augen stand mittlerweile blanke Mordlust: »Meine Hochachtung vor Frisören wächst zusehends. Sie hören sich so etwas wie dich täglich an, mit Schere in der Hand und ganz ohne Blutbad.«

Jupp gab unverdrossen Kontra: »Es muss doch mal ausgesprochen werden: Unsere Beziehung war von Anfang an ein Irrtum. Eigentlich hatte ich damals nur nach einem Taxi gepfiffen. Das Wort Ehe erwies sich als Abkürzung für die lateinische Redewendung: Errare humanum est.«

»Da bleibt mir die Luft weg.«

»Atmen ist in Deutschland bis auf Weiteres erlaubt, und zwar gratis. Höre lieber mit dem Gemeckere auf. Dann hast du auch Luft genug.«

»Ich meckere nicht. Ich sag dir lediglich die Wahrheit.«

Jupp lachte höhnisch: »Ehemänner, deren Frauen nicht meckern, sind schon im Himmel.«

»Du willst mich nicht verstehen.«

Eva beschloss, eine Kampfpause einzulegen, sie argumentierte einen Tick weicher. »Hör lieber auf mich!«

Jupp überhörte die neue Stimmlage völlig: »Ich habe kein Problem mit den Ohren, auch liegt mein Problem nicht dazwischen. Aber du hast ein Bahlsen-Syndrom, hast einen an der Waffel und gehst mir auf den Keks.«

»Hast du wirklich alles vergessen, was mal war?«

Eva blieb auf der sanften Tour. Sie hatte jedoch noch etwas in petto, was später richtig wehtun sollte.

Jupp ahnte das nicht und blieb hart: »Ich bin auch nicht vergesslich, ich filtere nur Unwichtiges heraus.«

»Werde doch endlich vernünftig!«

»Nein, werde ich nicht. Vernünftig ist wie tot sein, nur vorher. Hör du lieber mit dem Streiten auf, sonst esse ich Kekse. Die schmecken gut, und ich kann dich beim Knabbern nicht mehr hören. Du gebärdest dich den ganzen Abend schon wie jemand mit Frustrationshintergrund.«

»Das hättest du nicht sagen sollen. Nimm das zurück! Ich würde dir am liebsten den Hals umdrehen.«

Jupp lachte: »Du führst ein Leben mit viel Würde, Wäre und Hätte.«

»Hätte, wenn und aber, alles nur Gelaber! Das ist schiere Boshaftigkeit, die du da von dir gibst. Was willst du eigentlich wirklich? Was hast du gegen mich?«

»Scheinbar nichts Wirksames, muss ich zugeben. Aber Leben heißt ja auch rückwärtsgelesen Nebel, auch das Leben mit dir. Kein Wunder, dass ich nicht durchblicke.«

Eva hatte nun genug, sie beschloss mit ihrer stärksten Waffe anzugreifen: »Schluss mit lustig! Meine kaputte Niere macht mir zunehmend Angst. Die Wartezeit, die ich bei Ärzten verbringen muss, reicht aus, um selbst ein Medizinstudium abzuschließen. Ich will leben und nicht nur überleben. Der Tod geht zwei Schritte hinter mir. Ich will den Vorsprung nutzen und noch was vom Leben haben. Nötigenfalls auch ohne dich. Für verlorene Zeit gibt es kein Fundbüro.«

Jupp wurde unruhig: »Was soll das? Du verträgst die Dialyse und stehst auf der Transplantationsliste ganz weit oben. Du kannst sogar noch arbeiten.«

»Wenn du dich nur ein wenig für meinen Schriftverkehr mit der Spenderzentrale interessiert hättest, wüsstest du, welche Sorgen mich quälen: Daten werden manipuliert, Blutwerte werden geändert und Dialyseprotokolle gefälscht, nur um die Reihenfolge der Organempfänger zu ändern.

Das Schönste ist, dass der Professor zwei, die er mir so bevorzugt, gut kennt. Ich bin nur gesetzlich versichert. Deutschland hat auch bei Kranken und nicht nur in der Schule eine Klassengesellschaft. Ich muss vor das Verwaltungsgericht gehen, um meine Rechte einzuklagen.«

Jupp versuchte mit einem schalen Witz abzuwiegeln: »Bestimmt ist alles nur ein Irrtum. Ein altes Weib sagte mal: Auch Ärzte machen Fehler. Einer forderte mich sogar auf, mich auszuziehen. Dein Professor wird bestimmt bald erkennen, was richtig ist.«

»Wird er kaum. Mir ist auch nicht nach deinen dummen Sprüchen zumute. Dazu ist die Angelegenheit viel zu ernst, todernst!«

»Überlege dir gut, was du tun willst, Eva. In der Empfängerliste werden Fälle nach Dringlichkeit behandelt und nicht nach Aufdringlichkeit.«

»Wenn es nur so wäre!«

»Hast du Schmerzen?«

Nein, ein Halleluja auf die Schmerzmittel!«

»Das ist ja furchtbar! Das wusste ich ja alles nicht. Lass uns Frieden schließen, vergeben, vergessen. Ich glaubte doch, alles würde richtig laufen.«

»Glaube, seit wann hast du eine Religionszugehörigkeit? Nichts wird vergeben oder vergessen, ich bin weder Jesus, noch habe ich Alzheimer.«

»Sei nicht so stur!«

»Ich bin nicht stur, nur meinungsstabil.«

»Wir haben doch in vielem immer übereingestimmt.«

»Ja, leider. Ich dachte schon oft, dass auch das ein Fehler war.«

»Ich werde dich künftig wie ein rohes Ei behandeln, versprochen.«

»Jemanden wie ein rohes Ei behandeln bedeutet im Klartext, ihn in die Pfanne hauen.«

»Komm, hör doch auf, so zu reden. Die Klügere gibt nach.«

»Wenn die Klügere immer nachgäbe, geschähe nur das, was der Dumme will.«

»Warum kannst du nicht einmal so denken wie ich?«

»Wenn zwei dasselbe denken, wird einer von ihnen überflüssig. Willst du der sein?«

»Natürlich nicht.«

»Ich auch nicht. Ich beende, was ich begonnen habe. Ich werde nicht für den Rest meiner Tage nur noch für eine gute Grabinschrift leben. Ich will noch mehr und werde keine Möglichkeit auslassen, das zu erreichen.«

»Welche Möglichkeit siehst du denn außer einer Klage?«

»Ich suche eine Niere im Organhandel.«

»Das ist in Deutschland verboten.«

»Aber nicht in der Türkei.«

»Dort hast du keine Sicherheit. Die verkaufen dir vielleicht ein krankes Organ. Du wirst auf die Schnauze fallen. Willst du es wirklich mit einer Niere von einem Proll-Junkie riskieren? So kannst du das Problem nicht lösen, einfach mit dem Kopf durch die Wand. Bevor du das tust, überleg dir lieber, was dich im Nebenzimmer erwartet.«

»Besser mit dem Kopf durch die Wand, als mit dem Kopf im Sand verrecken. Der einzige Weg, nie auf die Schnauze zu fallen, ist der, ständig auf dem Bauch zu kriechen. Was habe ich zu verlieren?«

»Ich habe dich für intelligenter gehalten. Die Intelligenz verfolgt dich wohl nur, aber du bist eindeutig schneller.«

»Danke für die Blumen!«

»Dein Vorhaben wird schweineteuer werden.«

»Das weiß ich, 160.000 Euro! Niere und Wohlbefinden gegen Geld.«

»Wie willst du das bezahlen?«

»Ich werde die Wohnung verkaufen. Die gehört nur mir, wie du weißt.«

»Das kann nicht dein Ernst sein und wäre mehr als dumm.«

»Wenn du meinst. Das Recht auf Dummheit gehört zur Garantie der freien Meinungsäußerung.«

»Ich habe auch ein Recht, hier zu wohnen. Ohne meinen Anwalt geht nichts.«

»Lass den Unsinn. ›Sie hören von meinem Anwalt‹ ist doch nur die Erwachsenenversion von: Das sag ich meiner Mami!«

»Nimm wenigstens stattdessen ein Darlehen auf.«

»Funktioniert nicht. Um ein Darlehen zu bekommen, muss man erst beweisen, dass man keines braucht.«

»Wenn du es wirklich wolltest, fändest du einen Weg. Da du es nicht willst, findest du nur Gründe dagegen. Du denkst wirklich nur an dich.«

»Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht.«

»Wie willst du später wohnen?«

»Leute mit wenig Gepäck kommen am besten durchs Leben.«

»Ich brauche keinen Reiseführer, um zu sehen, wo der Weg hinführt. In den Abgrund, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«

Eva lächelte süffisant. »Finde lieber einen neuen Weg für dich. Ich wünsche dir jedenfalls ein langes Leben in Gesundheit. Du darfst aber dabei nicht zu viel von mir erwarten. Du musst dir schon selbst Konfetti in dein Leben pusten.«

»Ich weiß nicht, ob die Erfüllung deiner Wünsche für mich erstrebenswert ist, wo ich dank dir in Altersarmut enden werde. Wenn das die Lösung meiner Probleme sein soll, will ich meine Probleme zurück.

Ich glaube, ich muss hier raus. Ich halte es nicht mehr aus. Willst du was gelten, dann mach dich selten!«

»Geh nicht!«

»Du willst, dass ich bleibe? Bei einer Frau muss man wirklich auf alles gefasst sein, außer auf das Wahrscheinlichste.«

»Nein, renn! Wenn du weg bist, hinterlässt du lediglich eine Lücke, die dich voll ersetzt.«

»Fahr doch zur Hölle!«

»Wer mich in meiner Stimmung zur Hölle schickt, sollte den Teufel wenigstens warnen, dass ich komme.«

»Jetzt gehe ich wirklich und verwandle meinen Schock in leere Weinflaschen. Ich brauche Trost.«

»Wie du denkst. Sauf dich tot, aber vergiss nicht, wenn du es dir doch noch anders überlegen solltest, beim Zurückkommen die Brötchen und die Milch mit reinzunehmen.«

»Hoffentlich versaufe ich genau die Gehirnzelle, unter der ich unsere Adresse versteckt habe. Dann kann das wenigstens nicht passieren.«

Als Eva allein war, konnte sie nicht mehr sitzen bleiben, so aufgewühlt war sie.

Sie bemitleidete sich sehr: »Mir Pechvogel regnet es, selbst wenn ich sitze, auf den Arsch.«

Dann ging sie zum Fenster und sah hinaus. Unzählige Klischeekadaver zogen an ihrem inneren Auge vorbei. Sie sah Bilder eines geglückten Neubeginns, verspürte Glücksgefühle, in denen sie endlich zu sich selbst fand. Dann kam tiefe Angst über sie. Sie begann zu ahnen, dass ihr wahrscheinlich doch nichts so recht gelingen würde. Arschkarte! Ihr Blick ging durch die blind geregnete Scheibe ins Schwarze hinaus. Sie wusste nicht, was auf sie zukam. Glaube ich wirklich an Glück? Wie alt bin ich denn, erst sechs?, fragte sie sich. Ihr kamen erhebliche Zweifel.

»Planung, Geduld, Entschlossenheit. Der Zweck heiligt die Mittel«, ermahnte sie sich.

2

Auf Parterre wohnte ein altes Ehepaar.

Elfriede und Walter Hofmann waren Anfang 70 und die Senioren im Haus. Sie waren rüstig und gut situiert. Ihre Vierzimmerwohnung strahlte Gediegenheit aus. Die Einrichtung war altersgemäß: Nippsachen aus Meißner Porzellan, viele Gegenstände aus massivem Silber, Ikonen und Ölbilder mit romantischen Stillleben, Eichenmöbel in Lütticher Barock und diverse Perserteppiche zierten ihr Heim, und darauf waren sie stolz.

Sie fühlten sich ein wenig als Wächter des Hauses. Die strategisch günstige Lage ihrer Wohnung – jeder der Bewohner musste im Treppenhaus und auch auf der Straße an ihnen vorbei – machte es ihnen leicht, auf alles ein Auge zu halten.

Sie lebten in größerer Harmonie als Eva und Jupp Müller. Ihr Alter hatte sie milde gemacht.

Bei Hofmanns liefen die Vorbereitungen für den Silvesterabend auf vollen Touren. Elfriede werkelte in der Küche, und Walter probierte im Wohnzimmer schon mal den Wein.

Ein verzweifelter Ausruf seiner Frau schreckte ihn auf: »Jetzt kann ich nur noch Schnittchen machen, Schatz, ich habe gerade das Fleisch verkokelt. Sorry, ab morgen bessere Fehler!«

Walter roch es im gleichen Moment, doch die zwei Gläser Rotwein, die er schon intus hatte, stimmten ihn versöhnlich, und so war ihm danach, Elfriede zu trösten: »Mach dir nichts draus, Spatz, du hast ja nicht den Wein verbrannt. Mit zunehmendem Alter soll man sowieso mehr trinken als essen. Dabei ist Rotwein für alte Knaben eine von den besten Gaben.«

Ein Kichern aus der Küche zeigte ihm, dass er mit seinem Trostversuch Erfolg gehabt hatte.

»Zum Glück habe ich dabei viele Kalorien verbrannt!«, schallte es schon wieder fröhlicher aus der Küche ins Wohnzimmer.

»Dummheit frisst, Intelligenz säuft!«, rief Walter zurück.

Er war nicht unzufrieden, schließlich hatte er durch das kleine Malheur Zeit gewonnen, sich einen Vorsprung anzutrinken. Elfriede konnte ihn nicht mal vermahnen.

Aber sie kannte ihn auch ohne Blickkontakt: »Trink nicht so viel, das ist nicht gut für dich! Leg dir eine gute CD auf. Gute Musik lässt alles Schlechte vergessen oder alles Gute erinnern. Sei vernünftig!«

»Ich bin vernünftig. Ich trinke nie, außer wenn ich allein oder in Gesellschaft bin. Das weißt du doch.«

»Ja, Männer und vernünftig! Schon Adam hat Eva sofort gehorcht und den Apfel gegessen, ohne groß nachzudenken«, erwiderte seine Frau mit einem neuerlichen Lachen.

Nach einer weiteren halben Stunde erschien Elfriede mit einer großen Platte in Delfter Blau-Weiß, auf der ein Berg belegter Schnittchen lag. »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, sagte sie stolz über ihr Machwerk.

»Und ein Gebüsch, meine Liebe«, meinte ihr Ehemann frech.

Als Elfriede die Platte abgesetzt hatte, prüfte Walter sie mit wohlwollendem Blick. Er mochte alles darauf: die mit Mayonnaise und Schnittlauch garnierten Eier, die Roastbeef-Schnitten mit Remoulade, die Lachs- und Tatarbrötchen und die kleinen Gürkchen und Maiskölbchen.

»Brote schmieren ist auch kochen«, lobte er sie.

»Den Käse bringe ich später«, sagte Elfriede beim Hinsetzen.

Walter schob ihr ein Glas Wein mit den Worten hin: »Nur keine diebische Hast!«

»Ist es nicht schön, dass wir heute etwas zusammen machen und du nicht wieder im Internet surfst? Das ist wirklich eine Sucht von dir«, gurrte Elfriede. »Hier sitzen wir, du und ich, und haben’s schön«, bekräftigte sie.

»Sucht würde ich es nicht nennen. Das Internet braucht mich halt«, wiegelte Walter schmunzelnd ab. Dann animierte er seine Frau zum Trinken: »Nicht lang schnacken, Kopf in den Nacken! Das Leben ist kurz, trink schnell!«

Elfriede lachte hell auf und sagte: »Ich bin doch kein Corpsstudent, immer langsam mit den alten Pferden. Lass den Wein doch ein bisschen atmen.« Trotzdem ging sie auf seine Einladung ein.

»Ich hörte, lass den Wein atmen, ich will ihn aber trinken und nicht wiederbeleben«, maulte ihr Mann nach einem tiefen Schluck.

Elfriede lachte erneut und forderte ihn auf: »Lass uns lustig sein! Was würdest du tun, wenn mich ein Bär angreift, Schatz?«

»Nichts, er griff dich doch an, dann soll er sich auch verteidigen.«

Elfriede zog eine Schnute.

Walter lenkte ein: »Nun gut, machen wir ein Ratespiel. Ich gebe dir eine Frage vor: Du kannst mir bestimmt keinen Satz sagen, der mich zugleich glücklich und traurig macht.«

Nach kurzer Überlegung antwortete Elfriede mit einem maliziösen Lächeln: »Doch, ich kann mit einer Antwort dienen, hör zu: Du hast immer noch den Längsten in der gesamten Nachbarschaft.«

Walter war sprachlos, dann reichte es wenigstens zu einem kläglichen: »Jetzt bin ich verwirrter als ein Chamäleon in einer Packung Smarties. Das war aber eine Antwort!«

»Du hättest eben keine dumme Frage stellen sollen.«

»Wir können nachher das Fernsehen anmachen, Fernsehen ist ja wie Kaugummi für deine Augen«, kam Elfriede schnell vom Ratespiel weg und seiner Vorliebe für die »Glotze« entgegen. Sie verband damit einen Beweis ihrer Zuneigung und tätschelte zärtlich seine Hand.

»Na prima, zumindest das Mitternachtläuten will ich am Bildschirm sehen und das Feuerwerk über der Stadt.«

Er wollte seine Elfriede aber auch bei Laune halten und packte einen Kalauer aus: »Die hatten eigentlich vor, die bayrische Version von ›Cats‹ zu bringen. Der Intendant hatte aber zu viel Angst, der Titel ›Kotzen‹ würde zu viele Leute abschrecken.«

Sein Scherz sorgte bei Elfriede für einen aufgesetzten Heiterkeitsausbruch: »Aua, das erzählst du alle Jahre wieder.«

»Warum aua?«

»Von einem gewissen Alter an tut auch Lachen weh.«

»Wir sind doch nicht alt.«

»Wie alt ein Mann ist, erkennt man daran, ob er zwei Stufen oder zwei Tabletten auf einmal nimmt«, meinte Elfriede und drohte mit dem Finger.

»Ich tue immerhin beides, das musst du zugeben.«

»Jetzt musst du nur noch fragen: Wird man eigentlich von Hoffmannstropfen schwanger?«, stachelte Elfriede ihn weiter an.

»Ja, hinter jedem lustigen Mann steht eine Frau, die über seine Witze mit den Augen rollt. Trotzdem, du bist die Frau fürs Leben.«

»Aber nicht das Mädchen für alles. Ich bin keine GmbH: Geh mal, mach mal, bring mal, hol mal! Bei der Hausarbeit könntest du mir als Rentner ruhig mehr helfen. Wären nur wir Frauen für sie geboren, dann hätte der liebe Gott den Staub nämlich rosa gemacht.«

»Du und beschränkt wie eine GmbH, das würde ich nie zu sagen wagen«, antwortete Walter und sah sie mit Dackelaugen an. »Lass uns auf das alte Jahr trinken!«

Elfriede hob bereitwillig ihr Glas.

»Im letzten Jahr standen wir am Abgrund …«

»Ja, ja, ich weiß! – Und jetzt sind wir einen Schritt weiter.«

Sie kannte fast alle seine Witze.

»Brave Leute sind jetzt in der Kirche«, meinte Walter.

Elfriede wiegelte ab: »Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in die Garage geht.«

Walter nickte nachdenklich.

Seine wortlose Zustimmung spornte Elfriede an, weiterzuphilosophieren: »Nach Angela Merkel verdient jeder Mensch in Deutschland durchschnittlich 3000 Euro im Monat. Da frag ich mich: Bin ich kein Mensch, oder bin ich nicht in Deutschland?«

Walter ließ ihren Hinweis auf die Kanzlerin unkommentiert. Auf seine »Angie« durfte nichts kommen. Im Gegensatz zu seiner Frau hielt er es mit den Konservativen. Er blieb allgemeiner: »Was hältst du davon, jeder Politiker bekäme 100 Euro Betreuungsgeld, wenn er zuhause bliebe? Er könnte wenigstens nichts Dummes anstellen.«

Elfriede lachte.

Ihr Ehemann verwies noch auf weitere Übel: »Auch mit der Gesundheitsreform läuft alles gegen uns. Prostataprobleme werden bei älteren Männern erst gar nicht mehr behandelt. Rentner haben doch genug Zeit zum Pinkeln, heißt es.«

»Ja, die Zeit ist der beste Arzt«, wusste Elfriede.

»Lass uns nicht unzufrieden sein, Elfriede, uns geht es doch gut. Ich fände es trotzdem besser, wenn man alle vier Jahre ein neues Auto wählen könnte und die Politiker zum TÜV brächte.«

Elfriede gab sich parteilich: »Das sollte nicht für alle gelten. Du weißt, ich bin für die SPD, sie ist die Partei der einfachen Leute, und das ist gut so.«

»Gott liebt die einfachen Menschen offenbar, denn er hat so viele von ihnen gemacht«, erwiderte Walter grinsend und teilte noch ein zweites Mal gegen die Sozis aus: »Dieser berühmte Herr Hartz, also einer von euch, behauptet, dass jeder Arbeitslose nächste Woche Selbstständiger sein kann. Jeder andere, der das behaupten würde, käme garantiert in die geschlossene Psychiatrie.«

Elfriede war trotz Themenwechsel nicht ganz um Harmonie bemüht: »Was hast du für gute Vorsätze im neuen Jahr? Du könntest mal an meinen Geburtstag denken«, meinte sie.

»Du verlangst wirklich Unmögliches von mir. Ich soll dein Alter vergessen, aber mich an deinen Geburtstag erinnern.

Ich habe mir aber was anderes vorgenommen, das dich freuen wird: Den ganzen Januar kommt bei uns kein Tropfen Alkohol auf den Tisch.«

Elfriede guckte ihn ungläubig an. »Willst du so vorsichtig beim Einschenken sein?« Sie beendete das Gefrotzel mit einem langgezogenen Gekicher.

»Auch Spötterinnen müssen sterben«, gab Walter den Ball in ihr Feld zurück.

»Möchtest du in der Zeit wenigstens alkoholfreies Bier?«, setzte Elfriede nach.

»Du suchst Streit, oder?«

»Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Das ist doch ganz unterhaltsam.«

»Für dich, auf meinem Rücken vielleicht. Such dir doch dazu einen anderen aus.«

Elfriede horchte auf: »Hörst du die laute Musik? Das sind bestimmt wieder die Kotzbrocken aus dem zweiten Stock.«