Zu viel riskiert - Irene Dorfner - E-Book

Zu viel riskiert E-Book

Irene Dorfner

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Beschreibung

Die Privatdetektivin Anita Seidl observiert ihre Zielperson in einem heruntergekommenen Haus in dem kleinen, oberbayerischen Gars am Inn. Ihr Auftrag gerät völlig durcheinander, als sie ihre Zielperson erkennt. Es fallen Schüsse und Anita wird entführt. Dann wird auch noch eine Leiche in der Tiefkühltruhe des schäbigen Hauses entdeckt. Wo ist Anita? Und wer hat das Opfer erschlagen? Die Ermittlungen führen die Mühldorfer Kriminalbeamten in einen Sumpf aus illegalen Kobalt-Geschäften. Als es auch noch ein Opfer in den eigenen Reihen der Polizei gibt, überschlagen sich die Ereignisse…

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Seitenzahl: 247

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Irene Dorfner

Zu viel riskiert

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

VORWORT

ANMERKUNG:

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

PERSONENLISTE „ZU VIEL RISKIERT“

Liebe Leser!

Von der Autorin sind bisher folgende Bücher erschienen:

Impressum neobooks

VORWORT

ZU VIEL RISKIERT

DER 34. FALL FÜR LEO SCHWARTZ

von

IRENE DORFNER

Copyright ©2020 Irene Dorfner

All rights reserved

Lektorat: FTD-Script, D-84503 Altötting,

K.-D. Heidmann, D-41812 Erkelenz

„Wer nicht zufrieden ist mit dem, was er hat, der wäre auch nicht zufrieden mit dem, was er haben möchte.“

Berthold Auerbach

ANMERKUNG:

Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden (bis auf diejenigen, die mir ihre Namen zur Verfügung gestellt haben – Einverständnisse liegen vor: Wolfgang Lastin, Martin Mitterhuber, Christl Friedl, Rita Köhl, Manuela Brandt, Maggi Schnell!! Die realen Persönlichkeiten haben mit den Charakteren des Buches nichts zu tun!!). Alle weiteren Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

Ich wünsche allen Lesern und Leo-Schwartz-Fans viel Spaß mit seinem neuesten Fall!!

Mit Leo Schwartz wird es auch in Zukunft weitergehen!!

Eure Irene Dorfner

…und jetzt geht es auch schon los:

1.

Christl Friedl hielt die Kontoauszüge in ihren zitternden Händen. Auch wenn es schon über fünf Jahre her war, dass ihr Mann Werner nicht mehr lebte, wurde seine Rente immer noch pünktlich überwiesen. Trotzdem ging sie jeden Monat mit Magenschmerzen zur Bank. Wie lange würde das Spiel noch gutgehen? Den Nachbarn hatte sie erzählt, dass ihr Mann einfach auf und davon war und sie im Stich gelassen hätte. Alle hatten ihr geglaubt. Die mitleidigen Blicke waren kein Problem für sie, aber an das Getuschel hinter ihrem Rücken hatte sie sich erst gewöhnen müssen. Inzwischen machte ihr auch das fast nichts mehr aus. Die meisten schwiegen zu diesem Thema, aber die größte Dorfratschn Rita Köhl gab keine Ruhe. Bei jeder Gelegenheit passte sie die neugierige Frau ab und löcherte sie mit Fragen. Wenn sie zufrieden war, begann sie von ihrem ach so perfekten Leben zu erzählen. Christl hasste diese Frau, die auch nicht davor zurückschrecke, an ihrer Haustür zu klingeln, wenn sie sich lange nicht gesehen hatten. Christl hatte den Eindruck, als würde es Rita Spaß machen, ihre Finger nicht nur in die Wunde zu legen, sondern auch noch genüsslich darin zu bohren. Aber Christl hielt das aus, schließlich war sie unendlich froh darüber, dass sie ihren Mann vom Hals hatte und endlich tun und lassen konnte, was sie wollte – und nur das zählte. Christl hatte ihren Gatten keine Sekunde vermisst. Werner war ein Hallodri gewesen und hatte nichts anbrennen lassen. Das allein war schon schlimm genug, wäre er nicht auch noch ein fieser Choleriker gewesen. Am liebsten wäre sie gegangen, aber das konnte sie nicht. Seit ihrer Hochzeit war sie immer finanziell von ihm abhängig gewesen. Früher war sie eine selbständige Frau mit Träumen und Zielen gewesen, die Werner alle zunichte gemacht hatte. Vor der Hochzeit im Jahr 1975 war alles perfekt gewesen. Alle hatten sie um diesen hübschen, charmanten und wortgewandten Mann beneidet. Auch sie konnte ihr Glück kaum fassen, als er sich tatsächlich für sie interessierte und ihr schon nach kurzer Zeit tatsächlich einen Antrag machte. Dass es nur das Erbe ihrer Eltern war, an dem er interessiert war, bemerkte sie zu spät. Das Elektrogeschäft im Zentrum von Gars am Inn war zwar nicht groß, warf aber genug ab, um neben dem Auskommen ihrer Eltern sie und fünf Mitarbeiter zu ernähren. Das genügte Werner. Schon einen Tag nach der Hochzeit zeigte er sein wahres Gesicht. Die geplante Hochzeitsreise nach Borkum hatte er ohne ihr Wissen einfach abgesagt. Anderen gegenüber hatte er das mit dem Unwohlsein seiner Frau erklärt und tönte überall groß, dass die Flitterwochen nachgeholt werden würden – ihr gegenüber hatte er eine Erklärung nicht für nötig erachtet. Sie konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie sie auf gepackten Koffern saß und Werner das Haus verließ, nachdem er ihr im Vorbeigehen mitteilte, dass aus den Flitterwochen nichts werden würde. Erst viel später erfuhr sie, dass er zu seiner damaligen Freundin gegangen war, deren Namen sie längst vergessen hatte. Werner war von da an nur noch unfreundlich und gemein zu ihr. Er demütigte sie, wo er nur konnte. Auch mit Beleidigungen hielt er sich nicht zurück. Anfangs muckte sie noch auf, aber darauf reagierte er allergisch. Wenn er mit Worten nicht weiterkam, schlug er auch gerne zu. Natürlich war er nur so zu ihr, wenn sie allein waren, denn nach außen war sie gezwungen, sein Gesicht zu wahren. Ihren Eltern konnte sie sich nicht anvertrauen. Sie waren beide überglücklich, dass ihr Töchterchen endlich unter der Haube war. Wie hätte sie die lieben Eltern enttäuschen können? Freunde hatte sie keine, dafür hatte ihr Mann gesorgt. Werner war überall beliebt, auch durch ihre Unterstützung, für die sie sich schämte. Er spielte den Geschäftsmann perfekt und schleimte sich bei ihren Eltern ein, bis sie ihm schon kurze Zeit später die Geschäftsführung übertrugen. Christl war zwar offiziell die Eigentümerin, aber das war Werner egal. Er war jetzt der Chef und das ließ er sich nicht von ihr nehmen. Es war ihm immer wichtig gewesen, dass er von allen gemocht wurde, obwohl viele ahnten, wie er wirklich war. Trotzdem war er durch sein charmantes, wortgewandtes und humorvolles Auftreten sehr angesehen und nicht wenige suchten seine Nähe. Er war auch durch ihre Mithilfe ein angesehener Bürger der kleinen Gemeinde Gars geworden, auch wenn er im Elektrogeschäft nach der Übergabe nicht wirklich viel tat. Dafür gab es die Angestellten und natürlich Christl, die sich um den Schriftkram kümmerte, während Werner nur Sprüche klopfte und das Leben genoss. Das beinhaltete auch ständige Affären, die er aus Rücksicht aufs Geschäft nur außerhalb der kleinen Heimatgemeinde hatte. Christl wusste nicht nur davon, sondern ihr Mann prahlte sogar vor ihr damit. Er war stolz darauf, welche Chancen er bei Frauen hatte. Sie hoffte immer darauf, dass sich sein Verhalten irgendwann bessern würde wenn er älter wäre, aber das war nicht so. Als Werner sechzig wurde, verkauften sie das Geschäft. Dadurch wurde das Zusammenleben mit ihm nicht leichter, sondern noch schlimmer. Die Beschimpfungen und Demütigungen nahmen zu. Und eines Abends war es ihr zu viel. Er kam angetrunken nach Hause und beschimpfte sie wegen einer Kleinigkeit. Dann zwang er sie, ihm ein Schnitzel zu braten, auch wenn es schon weit nach Mitternacht war. Das war nicht ungewöhnlich und sie fügte sie sich wie immer. Wenn sie das nicht täte, wurde er wütend und auch handgreiflich, darin war ihr Mann nicht zimperlich. Er befand, dass es sein gutes Recht als Ehemann war, sie zu schlagen. Das hatte sein Vater so gehandhabt und niemand hatte sich daran gestört. Christl tat, was von ihr verlangt wurde und war bemüht, keinen Fehler zu machen und ihn nicht zu reizen. Aber Werner hatte schlechte Laune. Er war stinksauer, dass er beim Kartenspielen verloren hatte und diesen Ärger ließ er an seiner Frau aus. Er mäkelte an ihr herum und machte sich über sie lustig. Die Beleidigungen steigerten sich. Christl beeilte sich und wollte ihm alles recht machen. Wenn er zufrieden war, hörte er vielleicht endlich auf und ließ sie in Ruhe. Aber heute war Werner mit nichts zufrieden. Sie legte das Schnitzel auf den Teller, stellte es ihm vor und wollte dann die Pfanne abspülen. Werner kritisierte an dem Schnitzel herum und warf es auf den Boden. Er schimpfte und zeterte. Dann trat er mit seinen Schuhen auf das Schnitzel und schob ihr es wütend zu.

„Heb das auf!“ Mit lautem Lachen sah er zu, wie Christl sich bückte und das Schnitzel aufhob.

„Iss es!“, befahl er ihr.

„Ich möchte nicht.“

„Du sollst es essen!“, wiederholte er, wobei seine Stimme sehr bedrohlich klang. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als in das Schnitzel zu beißen. Werner beobachtete sie. „Reste gab man früher auch den Schweinen und du bist unser Schwein. Los, runterschlucken! – So ist es brav. Und jetzt noch einen Bissen. Gut so!“ Werner lachte. Christl wurde schlecht, aber sie wollte das vor ihrem Mann nicht zeigen, also riss sie sich zusammen.

„Bring mir ein Bier!“, schrie er, nachdem er sich an den Qualen seiner Frau sattgesehen hatte. Christl war kotzübel und die Bissen des Fleischstückes wanderten bedrohlich nach oben. Aber sie wollte sich nicht übergeben und riss sich zusammen. Sie stellte die Bierflasche auf den Tisch und öffnete den Kronkorken mit zitternden Händen. Wie lange sie den Inhalt ihres Magens noch zurückhalten konnte?

„Du bist ein Schwein und zu nichts zu gebrauchen!“, schrie er und setzte die Flasche an. „Sieh dich doch an, du hässliche Krähe! Wenn ich dich nicht genommen hätte, wärst du jetzt eine alte Jungfer. Ich weiß nicht, warum ich mir das angetan habe! Du ekelst mich an! Ich muss deinen Anblick zum Glück nicht mehr lange ertragen, ich habe eigene Pläne, in die du nicht passt.“

Christl hörte nicht zu. Sie nahm die Pfanne und wollte nach dem Schwamm greifen, zögerte aber. Werner trank und fand weitere Beleidigungen, die alle sehr fies waren. Vor allem hatte er sich an dem Schimpfwort Schwein festgefressen und wiederholte es wieder und wieder. Sie umklammerte die Pfanne, drehte sich um schlug mit voller Kraft zu. Werner sah sie mit weit aufgerissenen Augen an, dann schlug sie wieder und wieder zu. Die Demütigungen der vielen Jahre schienen sich in diesen Schlägen zu entladen. Werner knallte mit dem Kopf auf den Tisch. Die Augen waren weit aufgerissen. Vorsichtig prüfte Christl seinen Puls – Werner war tot. Es war endlich still. Christl rannte zur Toilette und übergab sich. Dann ging sie zurück in die Küche, spülte die Pfanne ab, räumte den Tisch ab und ging ins Bett. Was mit Werner passieren sollte? Sie wusste es nicht, morgen war auch noch ein Tag.

Mit einem Kaffee in der Hand starrte sie am nächsten Morgen ihren Mann an, der noch genau so dalag, wie sie ihn heute Nacht verlassen hatte. Jetzt musste sie überlegen, was sie mit ihm machen wollte. Einfach die Polizei rufen und alles zugeben? Nein, das wäre zu einfach. Werner war schließlich selbst schuld daran und sie wollte nicht für ihn ins Gefängnis gehen. Aber was sollte sie dann mit dem Leichnam machen? Zunächst musste er raus aus der Küche, denn sie wollte sich seinem Anblick nicht länger aussetzen als nötig. Also brachte sie ihn in sein Büro, das der Großkotz brauchte, obwohl die Firma schon vor fast einem Jahr verkauft war und er sowieso kaum dafür gearbeitet hatte. Sie verschloss die Tür und war vorerst zufrieden. Sie hatte ihre Ruhe und musste dieses Ekel nicht mehr ansehen. Dass das nicht lange gutging, war ihr klar, aber noch drängte die Zeit nicht. Sie genoss die Ruhe und den Frieden, fühlte sich gelöst und frei. Erst Tage später hatte sie eine Lösung für ihr Problem gefunden: Das Schuster-Haus! Die alte Reserl war seit zwei Jahren tot und Erben gab es keine. Das Haus stand schon lange leer. Bis es irgendjemanden gab, der das Haus übernahm, hatte sie sicher eine andere Lösung für ihren Werner gefunden.

Das alles schoss Christl durch den Kopf, als sie den Kontoauszug studierte. Seit Werner nicht mehr am Leben war, verwaltete sie das Geld und konnte damit tun und lassen was sie wollte. Da sie selbst keine eigene Rente hatte, war sie auf dieses Geld angewiesen, mit dem sie keine riesigen Sprünge machen konnte. Den Erlös aus dem Verkauf ihres Erbes hatte Werner fast durchgebracht, was sie anfangs sehr wütend gemacht hatte. Sicher war er gegenüber seinen Flitscherln sehr großzügig gewesen und hatte mit seinem Geld geprahlt, das eigentlich ihres war. Jetzt gab es nur noch den letzten Rest des Erbes ihrer Eltern, den Schmuck ihrer Mutter und Werners Rente. Der feine Herr hatte in all den Jahren fleißig in die Rentenkasse eingezahlt, an sie hatte er nicht gedacht. Ob er überhaupt vorhatte, seinen Lebensabend mit ihr zu verbringen? Sie bezweifelte es. Werner lag in der Gefriertruhe des Schneider-Hauses und dort lag er gut. Er hatte kein eigenes Grab verdient!

Werners Rente reichte aus, um zu überleben, etwas Geld zu sparen und sich dabei trotzdem den einen oder anderen Luxus gönnen zu können, wenn sie sorgfältig mit dem Geld umging. Und das machte sie. In den letzten Jahren hatte sie ein hübsches Sümmchen gespart und heute gönnte sie sich eine kleine Freude. Warum auch nicht? Sie hatte in all den Jahren nicht viel Freude erfahren und wollte jetzt mit ihren vierundsechzig Jahren endlich etwas vom Leben haben. War das zu viel verlangt? Heute wollte sie mit dem Zug nach München. Das Wetter war gut und sie freute sich auf einen Kaffee, den sie gedachte, auf dem Viktualienmarkt zu sich zu nehmen. Das wäre in diesem Jahr der erste Kaffee draußen, womit sie den Frühling einläuten wollte, auch wenn es dafür Ende Februar noch fast zu frisch war. Das war ihr egal. Sie zog ihren Mantel und das Tuch enger, nachdem sie die Kontoauszüge eingesteckt und etwas Geld abgehoben hatte.

Sie ahnte nicht, was in der Zwischenzeit im Schuster-Haus am Dorfplatz in Gars vor sich ging und dass das Schicksal seinen Lauf nahm.

2.

„Die Liefermengen reichen nicht aus“, wiederholte Martin Mitterhuber. Der Vierundvierzigjährige war nur ein Mittler für seinen Chef, dessen Namen er nicht preisgeben wollte. „Lithium haben wir genug, aber uns fehlt Kobalt! Du musst mehr liefern!“

„Ich habe dich verstanden, kann aber trotzdem nicht mehr liefern. Ich würde gerne, kann aber nicht“, sagte Wolfgang Lastin genervt. Das Gespräch mit Mitterhuber zog sich mehr und mehr in die Länge. Der Mann drängelte, aber das änderte auch nichts daran, dass er nicht mehr liefern konnte, auch wenn sich der Geschäftspartner das noch so sehr wünschte. Verstanden die denn nicht, in welcher Lage er sich befand? „Hör zu, Martin: Kobalt wächst nicht auf Bäumen. Ich mache wirklich, was ich kann. Mehr geht nicht!“

„Dann lass dir etwas einfallen, um das zu ändern. Du musst mehr liefern! Zwei Hersteller haben den Kobaltbedarf für Batterien bereits auf fünfzehn Prozent reduziert.“

„Wenn die Regierung weiter an Elektroautos festhält und alle Bundesbürger darauf einschwört, werden beide Rohstoffe noch sehr lange gebraucht und hoch gehandelt werden.“ Wolfgang Lastin lehnte sich entspannt zurück. Dieser Trottel von Mitterhuber machte sich doch nur wichtig. Die illegalen Firmen im Kongo, die er vor drei Jahren gegründet hatte, liefen sehr gut. Er bezahlte Schmiergelder an den richtigen Stellen und war mit der Ausbeute sehr zufrieden. Offiziell handelte er mit Weihrauch und auch hier hatte er die entsprechenden Stellen geschmiert. Eigentlich lief alles super, aber das war Mitterhuber und seinem Geschäftspartner, der ihm immer noch unbekannt war, jetzt auf einmal nicht mehr genug. Wolfgang Lastin hatte alles versucht, die Mengen raufzuschrauben, aber das war ihm nicht gelungen. Wie sollte er das bewerkstelligen? Mehr Personal im Kongo brachte nicht wesentlich mehr Kobalt. Dafür brauchte es neue Stellen, an denen der seltene Rohstoff gewonnen werden konnte. Das, was Mitterhuber forderte, nahm Ausmaße an, vor denen er echt Respekt hatte. Drei Firmen waren genug für ihn, die mussten ausreichen. Wofür brauchten seine Geschäftspartner die höheren Abnahmemengen, die bis jetzt gereicht hatten?

„Mach gefälligst deine Hausaufgaben, Wolfgang! Du machst jede Menge Kohle mit dem Kobalt und solltest wissen, was auf dem Markt los ist. Es wird wegen der geplanten Elektroautos mit Hochdruck an Feststoffzellen gearbeitet, für die bei Weitem nicht mehr diese Mengen an Kobalt und Lithium gebraucht werden. Und wenn die Wasserstoffzelle soweit ist, wird beides nicht mehr gebraucht. Jetzt ist das große Geld mit beidem zu machen, das müssen wir ausnützen.“

„Ich weiß sehr gut, was auf dem Markt los ist, das kannst du mir glauben! Die Feststoffzellen sind noch nicht so weit. Und wenn, dann wird auch hierfür Kobalt und Lithium benötigt. Zwar nicht mehr in so großen Mengen, aber dafür werden wir von den Stückzahlen der Elektroautos profitieren. Und glaub mir, die Wasserstoffzelle ist noch lange nicht serienreif. Und wenn, dann werde ich die Freigabe zu verhindern wissen.“

„Du sprichst von dem kleinen Politiker im Bundesumweltamt, der auf deiner Gehaltsliste steht? Vergiss es! Einer allein kann die Zulassung nicht stoppen! JETZT ist der Markt für Kobalt und Lithium, nicht irgendwann.“

„Meine Kapazitäten sind voll ausgeschöpft“, versuchte sich Wolfgang Lastin zu rechtfertigen. Er hatte langsam genug und keine Lust mehr, sich von dem Typen weiter unter Druck setzen zu lassen.

„Kümmere dich darum, dass du die Liefermenge verdoppelst.“

„Verdoppeln? Davon war nie die Rede! Das schaffe ich nicht! So leicht, wie du dir das vorstellst, ist das nicht. Die kongolesischen Behörden achten mit Argusaugen auf den Kobaltabbau. Bis jetzt haben sie mich in Ruhe gelassen, was mich nicht wenig Geld gekostet hat. Ich befürchte, dass ich mir alle Sympathien verspiele, wenn ich jetzt verdopple. Die Behörden werden eh schon unruhig. Erst letzte Woche...“

„Bitte verschone mich mit deinem Gequatsche. Wie du das mit der Ware machst, ist mir völlig egal. Die Mengen, die du lieferst, sind zu wenig! Wir wollen mehr, und zwar so schnell wie möglich. Wenn du das nicht hinbekommst, müssen wir uns einen anderen Lieferanten suchen. Ich gebe dir Zeit, darüber nachzudenken. Es stimmt, dass du sehr gute Preise für sehr gute Ware anbietest, aber das machen andere auch. Überlege dir gut, ob du auf unsere Forderungen eingehen möchtest. Ich möchte spätestens in einer Stunde eine Antwort haben.“ Martin Mitterhuber stand auf. „Ein ziemlich versifftes Haus, dass du für unsere Geschäftsbesprechung ausgesucht hast. Warum Gars? Warum diese Bruchbude?“

„Das ist sicherer als in der Großstadt, wo uns jeder sehen kann.“ Wolfgang Lastin hatte das Kaufinteresse nur vorgeschoben. Er gab dem frustrierten Makler an, heute mit einem Architekten eine Runde durchs Haus drehen zu wollen. Dass Wolfgang nicht vorhatte, diese Bruchbude in dem verschlafenen Ort zu kaufen, ahnte der Makler nicht. Er wollte sich mit Mitterhuber auf neutralem Boden treffen und sich in Ruhe mit ihm unterhalten, was hier geradezu ideal war. Er traute Mitterhuber nicht. Spätestens seit ihrem vorletzten Treffen, als er dessen Waffe bemerkt hatte, war er sehr vorsichtig geworden. Nein, Mitterhuber war ein windiger Typ, dem er nicht über den Weg traute. Dass Wolfgang selbst eine Waffe trug, war für ihn völlig normal. Warum auch nicht? Er war ein erfolgreicher Geschäftsmann und allein das brachte viele Neider auf den Plan. Aber Mitterhuber war kein Geschäftsmann, sondern nur ein popliger Mittler zwischen ihm und dem Abnehmer des Kobalts. Warum brauchte der eine Waffe?

„Diesen Treffpunkt hier in diesem Kaff finde ich total bescheuert. Wo ist die Toilette?“

„Direkt neben der Eingangstür.“

Wolfgang Lastin war sauer. Mitterhuber setzte ihn unter Druck. Wenn er dessen Drohung ernst nahm, stand er ohne seinen Abnehmer da und musste sich für das Kobalt einen neuen Kunden suchen. Wie sollte er das anstellen? Er konnte doch nicht einfach zu den Firmen gehen und seine illegale Ware anpreisen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Zeit zu gewinnen. Sobald er den Typen loshatte, musste er in den Kongo reisen und versuchen, neue Abbaumöglichkeiten zu suchen und weitere Firmen zu kaufen. Lastin war sauer, denn das wollte er eigentlich nicht. Mit seinen bisherigen Firmen hatte er bisher Glück gehabt. Alle ließen ihn in Ruhe, was er vor allem den Schmiergeldzahlungen zu verdanken hatte. Was würde passieren, wenn er das Geschäft jetzt verdoppeln musste? Das kostete ihn erneut eine Stange Geld, das er eigentlich nicht investieren wollte. Aber welche Wahl hatte er denn? Wenn er nicht auf Mitterhubers Forderungen einging, verlor er seinen einzigen Abnehmer und er stand mit Ware da, für die er keinen Kunden hatte. Je länger er darüber nachdachte, desto größer wurden seine Magenschmerzen. Er war durcheinander und musste in Ruhe überlegen, was er Mitterhuber antworten sollte.

Lastin trank sein Glas leer, stand auf und sah aus dem Fenster. Dann entdeckte er einen Wagen mit Münchner Kennzeichen, das hier nicht hingehörte. War das eine Frau hinter dem Steuer? Er zog die Gardinen zur Seite. Ja, das war sie! Diese lästige Person verfolgte ihn seit geraumer Zeit. Als würde der Druck von Seiten Mitterhubers nicht schon reichen, bekam er den auch noch von seinem Schatten, von dem er nicht wusste, um wen es sich dabei handelte. Es war Zeit, wenigstens eines seiner Probleme aus der Welt zu schaffen!

3.

„Hör endlich auf mit deinem Gejammer! Du wolltest mich begleiten, ich habe dich nicht darum gebeten. Also halt jetzt endlich den Mund!“ Anita Seidl war sauer auf ihren Mann Hans Hiebler. Seit er wegen eines Beinbruchs krankgeschrieben war, langweilte sich der neunundfünfzigjährige und ging ihr mächtig auf die Nerven. Da er sein Leben lang immer gearbeitet hatte und jetzt körperlich eingeschränkt war, wusste er nichts mit sich anzufangen. Heute Morgen hatte er so lange gebettelt, dass sie ihn doch mitnehmen möge, bis sie schließlich nachgab. Die achtundvierzigjährige Detektivin hatte heute eine Observierung, die sich in die Länge zog. Sie war der Person, über die sie Informationen sammeln sollte, von München in dieses verschlafene Nest gefolgt. Was er hier vorhatte, war ihr schleierhaft. Der Mann war in die Garage eines alten Hauses gefahren. Kurz danach kam noch ein Wagen, der ebenfalls direkt in die Garage fuhr. Sie hatte jede Menge Fotos gemacht, aber seit Stunden rührte sich nichts mehr. Die beiden Männer waren immer noch in dem Haus, das offenbar schon länger leer stand, denn es machte insgesamt einen sehr heruntergekommenen Eindruck. Was sollte das? Warum trafen sie sich in Gars, das von München eine gute Autostunde entfernt war? Das galt es herauszufinden, was sie fest vorhatte. Sie beobachtete das Haus mit Argusaugen, denn ihre Jobs erledigte sie immer sehr gewissenhaft. Heute galt es wie so oft, einfach abzuwarten. Ihr machte das nichts aus, schließlich gehörte auch diese Arbeit zu ihrem Job - aber Hans langweilte sich. Außerdem fühlte er sich nicht gut, sein Magen rebellierte. Vermutlich hatte er etwas Schlechtes gegessen oder einfach zu viel von allem, was leicht sein konnte, denn seit er einen Gips hatte und sich selbst bemitleidete, futterte er alles in sich hinein, was er kriegen konnte.

„Dir ist klar, dass wir hier in diesem Kaff seit über drei Stunden stehen?“, maulte Hans zurück. „Denkst du, dass das für mich bequem ist? Langsam weiß ich nicht mehr, wie ich mein Bein lagern soll! Was machen wir hier eigentlich?“

„Du weißt, dass ich nicht über meine Aufträge spreche. Diskretion...“

„Jaja, ich weiß. Ist es das überhaupt wert? Wirst du für diesen langweiligen Job wenigstens gut bezahlt?“

Anita stöhnte. Ja, sie verstand ihren Mann. Er langweilte sich und hatte keine Ahnung von dem Fall – und das sollte auch so bleiben. Hans forderte eine Rundumpflege, die sie ihm nicht geben konnte und auch nicht wollte. Er war nicht bettlägerig, sondern hatte lediglich ein gebrochenes Bein, mit dem er sich eigentlich sehr gut selbst versorgen könnte. Anstatt sie zu unterstützen, jammerte er nur herum und beschwerte sich, wo er nur konnte. Sie verlor mehr und mehr die Geduld mit ihm. Sie hatte schließlich einen Job, dem sie nachgehen musste. Verstand Hans das nicht? Er war schließlich Kriminalbeamter und damit waren ihm lange Observierungen nicht fremd. Warum war er nicht einfach still, stärkte ihr den Rücken und ließ sie in Ruhe arbeiten? Ja, sie hätte den Fall auch abgeben können, aber das kam für sie nicht in Frage. Vor allem dieser Fall hatte es ihr angetan, denn der Name des Mannes, hinter dem sie her war, war ihr nicht unbekannt. Ob sie Hans dieses Detail anvertrauen sollte? Nein, das war nicht ihr Stil. Verschwiegenheit stand bei ihr ganz oben auf der Liste und darauf konnten sich ihre Klienten verlassen. Mühldorf und Altötting waren nicht weit von hier entfernt. Ob sie Hans nicht einfach bei seiner Tante Gerda abliefern sollte? Die alte Dame hätte vielleicht Geduld und Muße, sich um einen kranken Mann zu kümmern. Anita verwarf diesen Gedanken rasch. Nein, das konnte sie der lieben Gerda nicht antun, Hans würde ihr das Leben zur Hölle machen.

„Ruf dir ein Taxi und fahr nach Hause, das habe ich dir schon mehrfach geraten. In einer Stunde würdest du auf der Couch liegen und könntest dir einen Film nach dem anderen ansehen. Oder lies ein Buch, lesen hat noch nie geschadet.“

„Du willst mich doch nur abschieben“, maulte Hans, der bereits viele Filme gesehen und noch mehr Bücher gelesen hatte. Er hatte keine Lust mehr, krank und gebrechlich unnütz auf der Couch zu verbringen, während draußen das Leben ohne ihn weiterging.

„Du könntest dich auch auf die Rückbank legen, aber auch das ist dem gnädigen Herrn vermutlich nicht zumutbar. Als Hauptkommissar hätte ich dir echt mehr Sitzfleisch zugetraut.“

Hans dachte nicht daran, sich ein Taxi zu rufen. Was sollte er zuhause in München, das eigentlich nicht seines war? Er selbst lebte auch nach der Hochzeit mit Anita in Mühldorf am Inn, denn er arbeitete bei der dortigen Kriminalpolizei. Anita lebte und arbeitete in München. Sie führten eine Wochenendehe, was bisher für beide kein Problem gewesen war. Aber er war seit Wochen in München, da er mit dieser vorübergehenden Behinderung nicht alleinbleiben konnte. War es nicht Anita, die darauf bestanden hatte, dass er zu ihr nach München käme, damit sie sich besser um ihn kümmern konnte? Er war sauer, denn von einer Pflege war nicht viel zu spüren. Stattdessen überhäufte ihn seine Frau mit Gegenständen, die ihm das Leben erleichtern sollten. Erst gestern hatte sie ihm eine Greifzange an einer langen Teleskopstange gegeben, damit er Gegenstände leichter vom Boden aufheben konnte. War er ein alter Mann? Konnte sie das nicht für ihn übernehmen? Hans hatte sich das alles ganz anders vorgestellt. Mühsam quälte er sich aus dem Wagen.

„Was hast du vor?“

„Ich muss zur Toilette.“

„Dort hinten ist ein Café, die haben sicher eine Toilette. Es wäre super, wenn du Kaffee mitbringen könntest.“

Hans nahm die Krücken von der Rückbank und humpelte davon. Er war echt sauer. Seine Frau zu begleiten war eine Schnapsidee gewesen.

Anita sah ihrem Mann hinterher. Er gab ein jämmerliches Bild ab, was aber auch amüsant war. Sie wusste, dass es Hans mit der Gebrechlichkeit übertrieb, denn eigentlich ging es ihm nicht wirklich schlecht. Sie musste lächeln, da sein Versuch, ihr mit seinem theatralischen Gang ein schlechtes Gewissen zu bereiten, völlig in die Hosen ging. Sie lehnte sich entspannt zurück. Jetzt hatte sie wenigstens ein paar Minuten ihre Ruhe.

Hans bestellte bei der freundlichen Verkäuferin zwei Kaffee zum Mitnehmen und griff nach einer kleinen Flasche Jägermeister, die er in einem Zug austrank. Eine weitere stellte er auf den Tresen. Vielleicht brachte das seinen Magen wieder auf Vordermann. Er hatte ein schlechtes Gewissen Anita gegenüber, die ihm nur einen Gefallen tun wollte und ihn nur auf sein Drängen hin mitgenommen hatte. Er war undankbar gewesen und hatte seine Wut an ihr ausgelassen. Er kaufte eines der köstlich aussehenden Schokoladenherzen und wollte sich damit bei seiner Frau entschuldigen. Vor der Tür des Cafés trank er auch den zweiten Jägermeister und warf die Flasche in den Müll. Langsam fühlte er sich besser. Auf die guten, alten Hausmittel war eben immer Verlass. Was schlug ihm nur so sehr auf den Magen? Als er zum Wagen ging, dachte er darüber nach, ob er vielleicht nicht doch viel besser in Mühldorf oder sogar bei seiner Tante Gerda aufgehoben wäre. Dann blieb er erschrocken stehen. Hans musste mit ansehen, wie ein Mann aus dem Haus stürmte, das sie zu überwachen hatten.

„Das ist er!“, murmelte Anita ruhig und setzte sich auf. Wo war Hans? Sie sah ihn aus dem Augenwinkel und hoffte, dass er sich beeilen würden. Dann war sie starr vor Schreck und starrte den Mann an, der direkt auf sie zuging und dabei seine Waffe auf sie richtete.

Hans musste erschrocken fassungslos mit ansehen, wie der Mann mit einer Waffe in der Hand plötzlich stehenblieb und Anita anstarrte. Was war da los?

4.

Leo Schwartz hatte schlechte Laune. Seine Verlobte Sabine Kofler war in England und arbeitete an einem Artikel über die Auswirkungen des Brexits, der inzwischen zwar abgeschlossen, aber immer noch fast täglich in den Medien präsent war. Das Thema ging ihm langsam echt auf die Nerven. Gestern Abend zappte er durch die Programme. Entweder gab es Berichte über diesen Brexit, Harry und Meghan, oder irgendwelche Proll-Sendungen. Was war an diesem Brexit, der doch jetzt endlich durch war, so wahnsinnig wichtig? Leo verstand nicht viel von Politik und sah viele Themen sehr einfach. Die Briten wollten nicht mehr Teil der EU sein und hatten abgestimmt. Jetzt waren sie raus und zwar mit allen Konsequenzen. Was gab es denn da noch lange zu diskutieren? Sollten es sich die Briten irgendwann wieder anders überlegen, könnten sie ja wieder in die EU eintreten. Wo war das Problem? Dasselbe galt dem Paar Harry und Meghan, über die er auch nichts mehr sehen oder lesen wollte. Wenn die beiden keine Lust mehr auf das Königshaus und den damit verbundenen Pflichten hatten – dann Bitteschön! Es wird seine Gründe haben, warum sie England den Rücken gekehrt haben. Das war deren Entscheidung und ging niemanden etwas an. Konnte man die kleine Familie nicht einfach in Ruhe lassen? Gab es nicht wichtigere Nachrichten? Der gebürtige Schwabe eckte bei manchen Diskussionen mit seinen Ansichten an, was ihm herzlich egal war. Das war nun mal seine Meinung, an der es seiner Ansicht nach nichts zu kritisieren gab.