111 Orte in der Provence, die man gesehen haben muss - Ralf Nestmeyer - E-Book

111 Orte in der Provence, die man gesehen haben muss E-Book

Ralf Nestmeyer

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Beschreibung

Jenseits von Lavendelklischees Die Provence wird gemeinhin mit Lavendelfeldern, Olivenöl und Bouleplätzen verbunden. Aber wer vermutet schon eine Stadt mit mexikanischen Villen, ein Internierungslager oder ein Museum für Algerienflüchtlinge? Und wo steht ein Monument, das die Geschichte der Typographie und der lateinischen Schrift eindrucksvoll erklärt? Wer weiß, wo es meterlange Salamis zu kaufen gibt und wo der tiefste Quelltopf der Welt zu finden ist? Dieses Buch weist den Weg.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Emons Verlag GmbH

Cäcilienstraße 48

50667 Köln

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

© der Fotografien: Ralf Nestmeyer

Covergestaltung: Karolin Meinert

Lektorat: Andreas Zinßer

Layout: Eva Kraskes, nach einem Konzept

von Lübbeke | Naumann | Thoben

Kartografie: altancicek.design, www.altancicek.de

Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap,

© OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL

E-Book-Erstellung: XXX

Erstausgabe 2013

ISBN 978-3-98707-286-4

Aktualisierte Neuauflage März 2025

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Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Vorwort

Allein der Name Provence weckt Assoziationen und Träume von platanenbeschatteten Dorfplätzen und mediterraner Lebensart sowie dem Duft von Lavendel, Thymian, Rosmarin und wildem Knoblauch. Doch jenseits der Lavendelfelder und Olivenhaine bietet die Provence eine ungeheure Landschaftsvielfalt, die in der einschlägigen Reiseliteratur nicht immer angemessen gewürdigt wird. Da existieren das Vogelparadies des Marais du Vigueirat und die paradiesischen Sandstrände der Camargue in unmittelbarer Nachbarschaft zum Industriegebiet von Fos-sur-Mer und dem Étang de Berre, einem Brackwassersee mit einem recht fragilen Ökosystem.

Und auch in kulturgeschichtlicher Hinsicht hat die Provence weit mehr als den Papstpalast und den Pont du Gard zu bieten. Wer kennt schon die historischen Werftanlagen von La Ciotat und das von einem eigenartigen Mauerring umschlossene Caderousse? Nur die wenigsten Reisenden wissen, dass in der Ziegelei von Les Milles einst Lion Feuchtwanger und andere bedeutende Exilkünstler interniert waren oder dass Le Corbusier in Marseille eine einem gestrandeten Ozeandampfer ähnelnde »Wohnmaschine« entworfen hat. Kaum bekannt ist auch, dass in einem abgelegenen Dorf in der Haute- Provence eine der größten und schönsten Buchhandlungen Frankreichs beheimatet ist, wo es in der Provence eine unterirdische Kathedrale gibt und dass hier der tiefste Quelltopf der Welt zu finden ist.

Dieses Buch (ver)führt zu 111 Orten in der Provence, die mit ihrem besonderen Charme oder ihrem ungewöhnlichen Charakter zu begeistern wissen. Von der unterirdischen Kathedrale bis zu natürlichen Eisschränken hält die Provence abseits der bekannten Reiserouten viele große und kleine Überraschungen bereit, die selbst Einheimischen nicht bekannt sind.

111 Orte

1__ Das Oppidum | Aix-en-ProvenceVon den Römern sturmreif geschossen

2__ Die Ziegelei von Les Milles | Aix-en-ProvenceEin nahezu vergessenes Internierungslager

3__ Die Alyscamps | ArlesDer vornehmste Begräbnisplatz der Welt

4__ Le Café la Nuit | ArlesEin Café wie gemalt

5__ Das Camp de Saliers | ArlesInternierungslager für Sinti und Roma

6__ Fondation Luma | ArlesSpektakuläres Kunstzentrum

7__ Das Grand Hôtel Nord Pinus | ArlesNackte Haut und viel Begierde

8__ Der Kryptoportikus | ArlesRätselhafte Unterwelt

9__ Der Obelisk | ArlesVon Wagenrennen und Sonnenuhren

10__ Die Stadtmauer | Avignon39 Türme und sieben Tore

11__ Der TGV-Bahnhof | AvignonIm Sauseschritt nach Süden

12__ Die Toiletten beim Papstpalast | AvignonAustreten mit Flair?

13__ Die Librairie Le Bleuet | BanonEin wahrer Büchertempel

14__ Die mexikanische Villa | BarcelonnetteErfolgreiche Auswanderungsgeschichte

15__ Historische Fassadenwerbung | BrignolesAuf der Suche nach den verlorenen Marken

16__ Mur de la Peste | Cabrières-d’AvignonEine Mauer gegen die Pest

17__ Die Hochwassermauer | CaderousseSchlimmer als Hannibal

18__ Das Musée de la Mine | CapgaronneIm Reich der Mineralien

19__ Passage Boyer | CarpentrasFlanieren in einer ABM-Maßnahme

20__ Die Calanque d’En-Vau | CassisSmaragdgrüne Traumbucht

21__ Die Corniche des Crêtes | CassisSchwindelerregende Aussichten

22__ Notre-Dame-du-Roc | CastellaneDie Kapelle auf dem Zuckerhut

23__ Das Weindorf | Châteauneuf-du-PapeIm päpstlichen Weinberg

24__ Der Dorfweiher | CucuronIm Schatten der Platanen

25__ Die Klöppelspitzen | Dentelles de MontmirailWandern über ein markantes Bergmassiv

26__ Réserve Naturelle Géologique de Haute-Provence | Digne-les-BainsSpaziergang durch die Erdgeschichte

27__ Die Chapelle Saint-Michel-de-Cousson | EntragesEin Metéora-Kloster in der Provence

28__ Der Schlosspark | EntrecasteauxEin Kleinod der Gartenbaukunst

29__ Der Étang de Berre | Étang de BerreDer größte Salzsee der Provence

30__ Die Quelle der Sorgue | Fontaine-de-VaucluseTiefster Quelltopf der Welt

31__ Die Mühle von Daudet | FontvieilleEin fiktives Dichterstübchen

32__ Das Grab | ForcalquierEin mysteriöser Mordfall

33__ Der größte Zedernwald Europas | Forêt des CèdresVisionen eines Försters

34__ Die Industriestadt | Fos-sur-MerPipelines und Tanklager

35__ Le Cercle Républicain | GordesEine revolutionäre Kneipe

36__ Gorges de la Méouge | Georges de la MéougeMotorradfahrer und Wasserfälle

37__ Der Grand Canyon du Verdon | Gorges du Verdon252 Stufen zwischen Himmel und Hölle

38__ Café de la Poste | GoultEin mörderischer Sommer

39__ Der Lac de Sainte-Croix | Lac de Sainte-CroixEin Stausee mit Geschichte

40__ Boulodrome Jules Lenoir | La CiotatMit zusammenstehenden Füßen

41__ Calanque de Figuerolles | La CiotatUnabhängige Paradiesbucht

42__ Cinema Lumière de l’Eden | La CiotatDas provenzalische Hollywood

43__ Denkmal für Asbestopfer | La CiotatWo Ozeanriesen geschmiedet wurden

44__ Die Kirchturmspitze | LacosteEin Glockenkäfig für den Mistral

45__ Marquis-de-Sade-Denkmal | LacosteEin Denkmal für einen sadistischen Freigeist

46__ Die Grottes de Calès | LamanonDas Wohnzimmer der provenzalischen Urahnen

47__ Château de La Tour d’Aigues | La Tour-d’AiguesDie Schlossruine

48__ La Treille | La TreilleAuf den Spuren von Marcel Pagnol

49__ Château La Coste | Le Puy-Sainte-RépardeEin Weingut als Gesamtkunstwerk

50__ Die Steinbrüche des Lichts | Les BauxInszenierte Traumwelten

51__ Die Abbaye du Thoronet | Le ThoronetSingende Steine

52__ Stele du Vol 4U9525 | Le VernetGedenken an ein tragisches Ereignis

53__ Die Schaufelräder | L’Isle-sur-la-SorgueKlein-Venedig der Provence

54__ Der Friedhof | LourmarinDie letzte Ruhestätte von Albert Camus

55__ Der Weg der Schriften | LursChemin des Écritures

56__ Das Mistral-Haus | MaillaneEin vergessener Literaturnobelpreisträger

57__ Notre-Dame-de-Salagon | ManeHeilpflanzen und Sarkophage

58__ Jean Gionos Wohnhaus | ManosqueAm Schreibtisch des provenzalischen Vergil

59__ Belle de Mai | MarseilleAlternatives Kulturzentrum

60__ Cabanons | MarseilleFischerhütten mit Flair

61__ Cimetière Saint-Pierre | MarseilleMonumentale Grabmäler

62__ Cité Radieuse | MarseilleLe Corbusiers Wohnmaschine

63__ Die Freitreppe | Marseille104 prunkvolle Stufen

64__ Monument aux morts de l’Armée d’Orient | MarseilleDenkmal für die Toten der Orientarmee

65__ Das Quartier du Panier | MarseilleHinter dem Hafen schlägt das Herz von Marseille

66__ Der Panzer | MarseilleEin Kriegsrelikt

67__ Vallon des Auffes | MarseilleEin Minihafen in der Millionenmetropole

68__ Massif de la Sainte-Baume | Massif de la Sainte-BaumeDie Grotte der Maria Magdalena

69__ Marais du Vigueirat | Mas-ThibertProvenzalisches Vogelparadies

70__ Die Glacières | MazauguesNatürliche Eisschränke

71__ Les Pénitents des Mées | MéesVersteinerte Büßer

72__ Maison Dora Maar | MénerbesEin Künstlerhaus

73__ Pont de Mirabeau | MirabeauSakrale Brückenkunst

74__ Cézannes Berg | Montagne Sainte-VictoireWer hier geboren wurde, ist verloren

75__ Der Berg der Radfahrer | Mont VentouxIn 55 Minuten zum Gipfel

76__ Der Goldene Stern | Moustiers-Sainte-MarieWer spannte die Kette über die Schlucht?

77__ Maison d’Histoire et de Mémoire | OnglesDas Flüchtlingsdorf

78__ Das Ruinendorf | Oppède-le-VieuxAbgründige Blicke

79__ Der Jardin de Val Joanis | PertuisWeinbau und Gartenkunst

80__ Der endlose Strand | Plage de PiémançonEin Paradies, nicht nur für Nudisten

81__ Musée de Préhistoire | QuinsonEin Spaziergang durch die Welt der Frühgeschichte

82__ Der römische Tempel | RiezVier Säulen mit großer Geschichte

83__ Die Ockerbrüche | RoussillonDa leuchtet doch alles so rot

84__ Pont Flavien | Saint-ChamasEine Brücke als Statussymbol

85__ Château de Thézan | Saint-DidierUngewöhnliche Thermalbäder

86__ Pierre Écrite | Saint-GeniezEine mysteriöse Inschrift

87__ Das Portal der Abteikirche | Saint-GillesEin mittelalterliches Bilderbuch

88__ Die unterirdische Kathedrale | Saint-Martin-de-PallièresKlassik unter der Erde

89__ Der Canal de Provence | Saint-Maximin-la-Sainte-BaumeDie Wasserader der Provence

90__ Das Observatorium | Saint-Michel-l’ObservatoireDem Himmel ganz nah

91__ Ein Mausoleum und ein Triumphbogen | Saint-Rémy-de-ProvenceGeheimnisvolle römische Hinterlassenschaften

92__ Saint-Paul-de-Mausole | Saint-Rémy-de-ProvenceVan Goghs »Irrenhaus«

93__ Die Viehtränken | Saint-Saturnin-lès-AptIn den Fels geschlagene Wasserspeicher

94__ Die Salinen | Salin-de-GiraudIm Land der weißen Berge

95__ Das Jean-Moulin-Denkmal | Salon-de-ProvenceFrankreichs größter Widerstandskämpfer

96__ Der Seher | Salon-de-ProvenceEin Mann, der für jedes Problem eine Lösung bietet

97__ Die Gedenktafel | Sanary-sur-MerVergessene Literaturmetropole

98__ Das Insektenparadies | Sérignan-du-ComtatDer Harmas von Jean-Henri Fabre

99__ Der Wasserfall | Sillans-la-CascadeTropische Träume

100__ Die Rotunde | Simiane-la-RotondeDas von einem mysteriösen Bau gekrönte Dorf

101__ Der Durance-Durchbruch | SisteronDas Tor zur Provence

102__ Train fantôme | SorguesDer Geisterzug

103__ Das Ballspielhaus | Suze-la-RousseAdeliges Freizeitvergnügen

104__ Die Burg | TarasconZinnenbekrönte Grenzfestung

105__ Der Zöllnerpfad | ToulonAuf historischen Pfaden entlang der Küste

106__ Der Schmetterling | TourtourErinnerungen an Bernard Buffet

107__ Die dreieckige Apsis | Vaison-la-RomaineSaint-Quenin

108__ Die römische Brücke | Vaison-la-RomaineZweitausendjährige Ingenieurskunst

109__ Das Baptisterium | VenasqueDie Taufkapelle im Traumdorf

110__ Das verlassene Bergdorf | Vieil AiglunDer Traum vom Leben in der Provence

111__ Die Grotten | VillecrozeEine ungewöhnliche Felsenburg

1__ Das Oppidum

Von den Römern sturmreif geschossen

Den Hinweisschildern, die hinauf zum Oppidum d’Entremont führen, folgen nur die wenigsten Besucher von Aix-en-Provence. Während es auf dem Cours Mirabeau und vor dem Atelier von Cézanne so hektisch zugeht wie beim Sommerschlussverkauf, liegt über den mächtigen Wallanlagen des Oppidums eine geradezu klösterliche Ruhe. Einsam schlendert man durch die Grundmauern einer kelto-ligurischen Stadt, deren Schicksal eng mit der Provence verbunden ist.

Entremont – der keltische Name ist nicht überliefert – besaß nicht nur eine mit Türmen versehene Mauer, sondern ähnelte bereits in vielerlei Hinsicht einer planmäßig angelegten antiken Stadt, obwohl die Häuser noch mit Lehm verputzt waren. Auf dem hoch über der Stadt gelegenen Hügel lebten einst die Saluvier, ein recht kriegerisches Volk, das mit seinen Raubzügen immer wieder die griechischen Kolonien an der Küste zur Verzweiflung trieb. Irgendwann hatten die Kaufleute aus Marseille sprichwörtlich die Nase voll und riefen die Römer zu Hilfe, da sie selbst wenig Erfahrung im offenen Landkampf hatten.

Die Römer ließen sich nicht lange bitten und stellten ein Heer zusammen: Unter der Führung von Konsul Caius Sextinus Calvinus wurden die Saluvier im Jahre 123 vor unserer Zeitrechnung vernichtend geschlagen, Entremont zerstört. Ein Teil der Bevölkerung, darunter der König Teutomalius, konnte noch rechtzeitig flüchten; die übrigen Einwohner wurden versklavt. Doch anders als es die Griechen wahrscheinlich erwartet hatten, entschlossen sich die siegreichen Römer, zu Füßen des Oppidums die erste römische Stadt in Gallien zu gründen: »Aquae Sextiae Saluviorum«, das heutige Aix-en-Provence. Schon zwei Jahre später wurden große Teile Südfrankreichs zur römischen Provinz – daher auch der Name Provence – erklärt und zügig romanisiert, wenngleich der griechische Einfluss noch lange Zeit spürbar blieb.

Adresse 13100 Aix-en-Provence | Anfahrt Aix-en-Provence liegt an der Kreuzung der A 8 und der A 51. Das Oppidum d’Entremont befindet sich drei Kilometer nördlich von Aix an der D 14. | Öffnungszeiten täglich außer Di 9 – 12 und 14 – 18 Uhr, im Winter bis 17 Uhr | Tipp Im Musée Granet in Aix am Place Saint-Jean-de-Malte sind zahlreiche Grabungsfunde (Kriegerstatuen, Schädeltrophäen et cetera) ausgestellt, die man in Entremont entdeckt hat, www.museegranet-aixenprovence.fr.

2__ Die Ziegelei von Les Milles

Ein nahezu vergessenes Internierungslager

Wer an die Provence denkt, denkt an Lavendelfelder und Zikaden, an Savoir-vivre, gepaart mit mediterraner Heiterkeit, nicht aber an das Leid und die Schrecken des Nationalsozialismus. Dabei sind es nur ein paar Kilometer von dem heiteren Aix-en-Provence bis zur Ziegelei von Les Milles, wo von 1939 bis 1943 zeitweise bis zu 3.000 Menschen hinter Stacheldrahtzäunen interniert waren.

Am Rande von Les Milles steht noch immer ein großräumiger Komplex mit mehreren Lagerhallen, der in der deutsch- französischen Geschichte eine unrühmliche Rolle gespielt hat. Zu den Schriftstellern, Journalisten, Wissenschaftlern, Malern, Musikern, Politikern und Theaterleuten, die damals hier interniert waren, gehörten so berühmte Künstler wie Lion Feuchtwanger, Max Ernst, Franz Hessel, Alfred Kantorowicz, Golo Mann und Walter Hasenclever. Während Letzterer seinem Leben am 21. Juni 1940 aus Angst vor der drohenden Deportation mit einer Überdosis Veronal selbst ein Ende setzte, haben Feuchtwanger und Kantorowicz ihre Erlebnisse literarisch verarbeitet. Lion Feuchtwanger rechnete mit der Verwaltung des Vichy-Regimes in »Der Teufel in Frankreich« ab, Kantorowicz bezog in »Exil in Frankreich« deutlich Stellung, wobei beide die menschenunwürdigen hygienischen und psychischen Verhältnisse im Lager anprangerten.

Erst langsam setzte eine Aufarbeitung der Vergangenheit ein, die durch das im Sommer 2012 eröffnete Mémorial National des Milles einen adäquaten Rahmen gefunden hat.

Im Zentrum der Erinnerungsstätte steht der einstige Speisesaal der Wachmannschaften, in dem in den 1970er Jahren ein wertvoller Bilderzyklus entdeckt wurde, der fraglos ein Werk der in Les Milles inhaftierten deutschen Künstler ist. Die anonymen, direkt auf die Betonwände gemalten Bilder »Schlaraffenland«, »Weinlese« und »Ernte« erzählen von den Entbehrungen der Haftzeit, den Träumen von Frieden und Freiheit.

Adresse 40, Chemin de la Badesse, 13547 Aix-en-Provence, www.campdesmilles.org| Anfahrt Les Milles liegt an der D 9, fünf Kilometer südöstlich von Aix-en-Provence. Die Ziegelei liegt im Westen des Ortes unweit des Friedhofs. | Öffnungszeiten täglich 10 – 19 Uhr | Tipp Gegenüber der Ziegelei befindet sich ein historischer Eisenbahnwaggon, mit dem die Juden, die in Les Milles interniert waren, nach Auschwitz deportiert wurden. Von mehr als 2.000 Deportierten überlebten gerade einmal 172!

3__ Die Alyscamps

Der vornehmste Begräbnisplatz der Welt

Die Sitte der Römer, ihre Toten an den Ausfallstraßen der Städte zu bestatten, wurde nicht nur in Italien praktiziert, auch die Alyscamps von Arles gehen auf diese Tradition zurück.

Doch erst nachdem man die ersten Bischöfe von Arles, die für ihren Glauben in den Tod gegangen waren, entlang der Via Aurelia beigesetzt hatte, gewannen die Alyscamps – der Name leitet sich von den Elysischen Feldern (Allisii Camps) ab, in die der antiken Mythologie zufolge die Seligen Einzug halten – in der Spätantike erheblich an Attraktivität.

Die Anziehungskraft der Alyscamps war enorm. Das größte Gräberfeld Galliens war in ganz Europa bekannt. Trauernde Erben schickten die Leichen Verstorbener in Fässern und Särgen die Rhône hinab, damit sie dort ihre letzte Ruhestätte fänden. Ein zwischen die Zähne des Toten geklemmtes Goldstück diente als Lohn für die Bergung des Fasses und für die Bestattung. Wer es sich leisten konnte, ließ seine sterblichen Überreste (oder die der Verwandten) auf dem Landweg nach Arles befördern und in einem Steinsarkophag beisetzen.

Die heutigen Alyscamps erstrecken sich nur noch über einen kleinen Teil ihrer einstigen Fläche. Zu beiden Seiten einer von Pappeln und Zypressen beschatteten Allee reihen sich Sarkophage aus verschiedenen Epochen wie Perlen an einer Schnur. Ursprünglich befand sich auf einem Areal von eineinhalb Kilometer Länge Grab neben Grab, teilweise waren die Sarkophage übereinandergestapelt. Doch sind die Alyscamps noch immer ein magischer Ort, der schon viele Dichter und Künstler angezogen hat, so auch Vincent van Gogh, der die Gräberallee auf vier Gemälden verewigt hat. Hugo von Hofmannsthal sprach vom »vornehmsten Begräbnisplatz der Erde«, und Rainer Maria Rilke war ergriffen von den »seelengewohnten Schatten der Alyscamps« mit »Gräbern, die offen sind wie die Gräber Auferstandener«.

Adresse Avenue des Alyscamps, 13200 Arles | Anfahrt A 54, Ausfahrt Arles. Die Avenue des Alyscamps liegt 500 Meter südöstlich der Altstadt. | Öffnungszeiten Mai – Sept. 9 – 19 Uhr, Okt., März und April 9 – 18 Uhr, Nov. – Feb. 10 – 16.30 Uhr | Tipp Die wertvollsten Sarkophage der Alyscamps sind im Musée départemental Arles antique, Presqu’Île du Cirque Romain, ausgestellt, manche wurden allerdings schon zuvor als Altar oder Viehtränke zweckentfremdet.

4__ Le Café la Nuit

Ein Café wie gemalt

Sobald man die Namen van Gogh und Arles in einem Atemzug nennt, entsteht ein ganzes Bildpanorama im Kopf. So wie Monet und Giverny, so stehen auch van Gogh und Arles für einen einschneidenden »Moment« der modernen Kunstgeschichte. Als Vincent van Gogh am 20. Februar 1888 in Arles aus dem Zug stieg, war er sofort fasziniert von den kräftigen Farben und dem Licht des Südens. Schon bald hat ihn die Sonne von Arles, wie der Kunsthistoriker René Huyghe schrieb, »ins Gehirn gebissen und er ist nie mehr davon genesen«. In den exakt 444 Tagen, die van Gogh in der Stadt verbracht hat, entwickelte er einen neuen Stil, der gemeinhin als typisch für sein Werk gilt. Die Kunstwelt verdankt diesem Aufenthalt nicht nur seine zahllosen Sonnenblumenbilder und das Selbstporträt mit verbundenem Ohr und Pfeife, sondern auch das Bild »Terrasse du café le soir«.

Dieses im September 1888 gemalte Bild einer »Caféterrasse am Abend« beeindruckt durch seine intensiven Farben und ungewöhnlichen Perspektiven sowie durch das Motiv eines Sternenhimmels. Es entstand am Place du Forum, wo man das Café la Nuit auch heute noch sofort ausmachen kann. Allerdings handelt es sich nicht um das Original, sondern um eine Rekonstruktion aus den frühen 1990er Jahren, die genau van Goghs Bild entspricht. Das Ambiente besitzt zwar Stil und Flair, doch leider ist das Café heute nicht mehr als eine Touristenfalle mit mäßigem kulinarischen Angebot. Mit anderen Worten: Mehr als einen Kaffee im Gedenken an van Gogh sollte man sich hier nicht gönnen.

Zu Lebzeiten wenig gelitten, gehört van Gogh heute zu den bekanntesten Werbeträgern der Stadt. Daher verwundert es nicht, dass nicht nur beim Café la Nuit gemogelt wurde: Auch die von van Gogh gemalte Zugbrücke von Langlois (Pont de Langlois) ist zwar erhalten, doch wurde sie im Zuge von zwingend notwendigen Baumaßnahmen um einen knappen Kilometer versetzt.

Adresse 11, Place du Forum, 13200 Arles, Tel. 0033/0490498330 | Anfahrt A 54, Ausfahrt Arles. Das Café la Nuit liegt mitten in der Altstadt. | Tipp Wesentlich besser als im Café la Nuit ist man 50 Meter entfernt im Restaurant Oriel (6, Rue du Forum) aufgehoben, dessen Schwerpunkt auf einer regionalen Küche liegt.

5__ Das Camp de Saliers

Internierungslager für Sinti und Roma

Die Wallfahrt der Sinti und Roma in Les Saintes-Maries-de-la-Mer gehört zu den bekanntesten Festen der Provence. Jedes Jahr pilgern am 24. und 25. Mai Tausende Menschen in das malerische Fischerdorf in der Camargue, um diesem farbenfrohen und spirituellen Ereignis beizuwohnen. Weniger bekannt ist jedoch das tragische Schicksal der Sinti und Roma während des Zweiten Weltkriegs – ein dunkles Kapitel, das viel zu oft in Vergessenheit gerät.

Bereits im April 1940 verbot ein Dekret den Sinti und Roma das »Umherziehen« in Frankreich. Ein halbes Jahr später wurden alle Sinti und Roma in Sammellager überführt. Die menschenunwürdigen Zustände in diesen Lagern sorgten selbst in internationalen Zeitungen – etwa in den USA und der Schweiz – für Kritik, sodass die Vichy-Regierung beschloss, ein »Modelllager« zu errichten. Die Standortwahl fiel auf das kleine Dorf Saliers, da die Camargue als Heimat der französischen Sinti und Roma galt.

Ab Juli 1942 wurden bis zu 700 Sinti und Roma im »Camp de gitans de Saliers« interniert. Dreißig Hütten mit weiß gekalkten Mauern und Schilfdächern wurden im landestypischen Stil gebaut, um dem von Stacheldraht umgebenen Lager einen humanen Touch zu geben. Die Lebensbedingungen waren dennoch katastrophal, bis zu 15 Personen mussten sich eine 30 Quadratmeter große Hütte teilen. Die Internierten, darunter viele Kinder, hatten kein sauberes Trinkwasser, hinzu kamen Krankheiten und Unterernährung. Mindestens 25 Menschen starben im Lager von Saliers, ein weiteres Dutzend kam in deutschen Konzentrationslagern ums Leben.

Offiziell wurde das Internierungslager am 15. Oktober 1944 geschlossen, doch waren die meisten Bewohner bereits im August 1944 geflohen. Die Überreste des »Camp de gitans de Saliers« wurden 1953 zerstört. Erst seit 2016 erinnert eine Skulptur von Jean-Claude Guerri, einem Bildhauer aus Arles, an das ehemalige Lager.

Adresse Saliers, 13123 Arles, Das ehemalige Camp befand sich vier Kilometer südlich von Saliers an der D 37. | Anfahrt Saliers liegt zehn Kilometer westlich von Arles. | Tipp Am 23. Mai findet alljährlich eine Gedenkzeremonie am ehemaligen Lagergelände statt.

6__ Fondation Luma

Spektakuläres Kunstzentrum

Arles gilt seit Jahrzehnten als heimliche Hauptstadt der Fotografie. Die Tradition begann 1970, als der in Arles geborene Fotograf Lucien Clergue, bekannt durch seine eindrucksvollen Porträts von Picasso und seine ästhetischen Aktfotografien, gemeinsam mit dem Schriftsteller Michel Tournier das »Festival Rencontres Internationales de la Photographie« ins Leben rief. Seitdem verwandelt sich die charmante Kleinstadt in Südfrankreich jeden Sommer in ein Zentrum der Kunst und Fotografie, das Künstler, Sammler und Fotografieliebhaber aus aller Welt anlockt. Folgerichtig wurde in Arles auch die renommierte Ecole Nationale Supérieure de la Photographie gegründet, die angehenden Fotografen eine fundierte Ausbildung auf internationalem Niveau bietet.

Seit Juni 2021 hat diese nationale Hochschule für Fotografie ihr neues Zuhause in der Fondation Luma gefunden. Das spektakuläre Kunstzentrum steht auf einer Industriebrache in unmittelbarer Nähe zur Altstadt. Die Baukosten, die auf rund 150 Millionen Euro geschätzt werden, wurden größtenteils von der Schweizer Mäzenin Maja Hoffmann finanziert, die selbst in Arles aufgewachsen ist und eine starke Verbundenheit zur Stadt hat.

Als Architekt wurde der weltberühmte Frank O. Gehry beauftragt, der durch seine ikonischen Entwürfe, wie das Guggenheim-Museum in Bilbao, zu Ruhm gelangte. Auf dem ehemaligen Eisenbahngelände haben in den einstigen Werkshallen neben Ausstellungsräumen auch Ateliers und Künstlerwohnungen Platz gefunden. Ein weitläufiger, ansprechend gestalteter Park mit einem idyllischen See lädt Besucher zum Verweilen ein. Im Mittelpunkt des Areals steht Gehrys markanter Turm, der mit 56 Meter Höhe und einer Fassade aus über 11.000 Aluminiumkästen ein visuelles Highlight darstellt. Das Gebäude wirkt wie eine monumentale Skulptur und bietet von seiner Dachterrasse aus einen atemberaubenden Panoramablick über die Altstadt.

Adresse 45, Chemin des Minimes. 13200 Arles, www.luma-arles.org| Öffnungszeiten täglich 10 – 19.30 Uhr. Der Garten ist täglich 7 – 20.30 Uhr geöffnet. | Tipp Die Fondation Vincent van Gogh ist ein Muss für Van-Gogh-Fans: 35, Rue du Docteur Fanton, www.fondation-vincentvangogh-arles.org.

7__ Das Grand Hôtel Nord Pinus

Nackte Haut und viel Begierde

Noch immer umweht das Grand Hôtel Nord Pinus eine besondere Aura. Seit 1865 ist es das erste Haus am Platz, ein wahrlich geschichtsträchtiges Hotel: Integriert in die Fassade sind zwei korinthische Säulen. Wuchtige Möbel, goldverzierte Spiegel und anderer Pomp lassen seine Bedeutung erahnen. Die Hotellounge sonnt sich im Art-déco-Charme vergangener Tage, eine gewundene Treppe mit schmiedeeisernem Geländer führt zu den Zimmern, die Wände sind mit alten Stierkampfplakaten dekoriert.

Von Ernest Hemingway, Maria Callas, Curd Jürgens, Picasso über Jean Cocteau bis hin zu Jean-Paul Sartre reicht die illustre Liste der Hotelgäste. Hinzu kommen zahllose spanische Namen, die nur Insidern bekannt sind – das direkt über dem Eingang gelegene Zimmer Nummer 10 ist nämlich während der Féria, dem Treffen Zigtausender Stierkampfbegeisterter im April und September, traditionell für den berühmtesten Torero reserviert. Am Abend nach dem Kampf nimmt dieser, wie einst Luis Miguel Dominguín, auf dem ausladenden Balkon die Ovationen der auf der Place du Forum stehenden Zuschauer entgegen. Luis Miguel Dominguín war in den 1940er und 1950er Jahren der ungekrönte König der Toreros. Jean Cocteau verzehrte sich in schlaflosen Nächten nach seinen dunklen Augen, ein Bild an den Wänden des Zimmers zeigt ihn zusammen mit dem Torero auf dem Bett sitzend. Doch Dominguín verbrachte seine Nächte lieber mit der Hollywood-Schauspielerin Ava Gardner …

Der Starfotograf Helmut Newton wählte 1973 dieses Zimmer, um Charlotte Rampling vor einem Spiegel mit üppigen Goldrahmen auf einen dunklen Holztisch zu setzen. Die Schauspielerin ist auf seinem Bild vollkommen nackt, hält ein Glas Wein in der Hand und hat die Füße auf einen Sessel gestellt; ihr kühler, über die Schulter geworfener Blick scheint für die Ewigkeit bestimmt.

Adresse 14, Place du Forum, 13200 Arles, Tel. 0033/0490934444, www.nord-pinus.com; in den Wintermonaten Betriebsferien | Anfahrt A 54, Ausfahrt Arles. Das Hotel liegt mitten in der Altstadt. | Tipp Stimmungsvoll und lohnend ist auch ein Besuch der zugehörigen Bar und des Restaurants, an dessen Wänden ebenfalls zahlreiche historische Fotos hängen. Sonntag und Montag ist Ruhetag.