1945 - Frankfurter Allgemeine Archiv - E-Book

Beschreibung

Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, endete in Europa der vom nationalsozialistischen Deutschland mutwillig begonnene Zweite Weltkrieg mit der totalen Niederlage des Aggressors. In den ersten Jahren nach dem Krieg war im Zusammenhang mit diesem Tag sehr oft vom "Zusammenbruch" die Rede. Das spiegelte das Empfinden derer wider, die die Niederlage ihres Landes – unabhängig von ihrer persönlichen Haltung zum NS-Regime – als Katastrophe empfanden. Diejenigen, die mehr nach vorne schauen wollten, sprachen gerne von der "Stunde Null". An diesen Begriff knüpfte sich dann im Laufe der Zeit die Geschichte vom märchenhaften wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland. Vierzig Jahre nach jenem 8. Mai 1945 war es Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der das Wort vom "Tag der Befreiung" (in der DDR schon lange üblich, wenn auch mit sehr eigenwilliger Perspektive) auch in den westdeutschen Sprachgebrauch einführte. Für seine entsprechende Rede erntete Weizsäcker Beifall, aber auch viel Kritik. Bis heute hat sich der Befreiungsbegriff weitgehend durchgesetzt. Die Monate vor dem 8. Mai 1945 gehörten für viele Deutsche zu den schlimmsten des ganzen Krieges. Die Kämpfe, die jahrelang in fernen Ländern getobt hatten, griffen nun auf die unmittelbare Heimat über. Die damit einhergehenden Zerstörungen überstiegen in vielen Fällen das bisher Vorstellbare. Während das nationalsozialistische Regime "sein" Volk zum aussichtslosen Kampf bis zum bitteren Ende aufrief, begann sich auf der politischen Weltbühne schon die Welt der Nachkriegszeit abzuzeichnen. Die Großmächte riefen zur Gründungsversammlung der Vereinten Nationen. Während die Verfechter der neuen Weltorganisation von einer besseren, friedlicheren Welt träumten, schuf Josef Stalin in der Region, die bald "Ostblock" genannt werden sollte, machtpolitische Fakten. Nach und nach wurden alle Regierungen mit sowjettreuen Personen besetzt. Im befreiten Westeuropa lastete neben der wirtschaftlichen Not das Problem der Kollaboration schwer auf den Gesellschaften. In vielen Ländern hatten sich Menschen zur Kooperation mit den deutschen Besatzern bereiterklärt und sich dabei nicht nur im moralischen, sondern auch im juristischen Sinne strafbar gemacht. Die Zeit vom 27. Januar 1945, als das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde, bis zum 8. Mai 1945 hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einer täglichen Chronik dokumentiert. Sämtliche Tagesmeldungen sind hier noch einmal zusammengefasst. Die Lektüre mag zuweilen bedrückend sein. Aber es bleibt auch nach 75 Jahren wichtig, sich der Vergangenheit zu erinnern.

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1945

Die letzten Kriegswochen

F.A.Z.-eBook 59

Frankfurter Allgemeine Archiv

Herausgeber: Frankfurter Allgemeine Archiv / Peter Sturm

Redaktion und Gestaltung: Hans Peter Trötscher

Projektleitung: Olivera Kipcic

eBook-Produktion: rombach digitale manufaktur, Freiburg

Alle Rechte vorbehalten.Rechteerwerb und Vermarktung: [email protected]© 2020 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main

Titelbild: Der Übergang der 9. US-Panzerdivision über den Rhein bei Remagen am 8.-10.3.1945. Bundesarchiv, Bild 173-0422 / CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_173-0422,_Remagen,_beschädigte_Brücke.jpg), „Bundesarchiv Bild 173-0422, Remagen, beschädigte Brücke“,https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

ISBN: 978-3-89843-407-2

Inhalt

Vorwort

1945 – Die letzten Kriegswochen

Januar

27. JANUAR

28. JANUAR

29. JANUAR

30. JANUAR

31. JANUAR

Februar

1./2. FEBRUAR

3. FEBRUAR

4. FEBRUAR

5. FEBRUAR

6. FEBRUAR

7. FEBRUAR

8. FEBRUAR

9./10. FEBRUAR

11. FEBRUAR

12. FEBRUAR

13. FEBRUAR

14. FEBRUAR

15. FEBRUAR

16./17. FEBRUAR

18. FEBRUAR

19. FEBRUAR

20. FEBRUAR

21. FEBRUAR

22. FEBRUAR

23./24. FEBRUAR

25. FEBRUAR

26. FEBRUAR

27. FEBRUAR

28. FEBRUAR

März

1. MÄRZ

2. MÄRZ

3. MÄRZ

4. MÄRZ

5. MÄRZ

6. MÄRZ

7. MÄRZ

8./9. MÄRZ

10. MÄRZ

11. MÄRZ

12. MÄRZ

13. MÄRZ

14. MÄRZ

15./16. MÄRZ

17. MÄRZ

18. MÄRZ

19. MÄRZ

20. MÄRZ

21. MÄRZ

22./23. MÄRZ

24. MÄRZ

25. MÄRZ

26. MÄRZ

27. MÄRZ

28. MÄRZ

29./30. MÄRZ

31. MÄRZ

April

1. APRIL

2. APRIL

3. APRIL

4. APRIL

5./6. APRIL

7. APRIL

8. APRIL

9. APRIL

10./11. APRIL

12.-14. APRIL

15. APRIL

16. APRIL

18. APRIL

20. APRIL

21. APRIL

22. APRIL

23. APRIL

24. APRIL

25. APRIL

26./27. APRIL

28. APRIL

29. APRIL

30. APRIL

Mai

1./2. MAI

3./4. MAI

5. MAI

6. MAI

7. MAI

8. MAI

Vorwort

1945 – Die letzten Kriegswochen

Von Peter Sturm

Vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945, endete in Europa der vom nationalsozialistischen Deutschland mutwillig begonnene Zweite Weltkrieg mit der totalen Niederlage des Aggressors. In den ersten Jahren nach dem Krieg war im Zusammenhang mit diesem Tag sehr oft vom „Zusammenbruch“ die Rede. Das spiegelte das Empfinden derer wider, die die Niederlage ihres Landes – unabhängig von ihrer persönlichen Haltung zum NS-Regime – als Katastrophe empfanden. Diejenigen, die mehr nach vorne schauen wollten, sprachen gerne von der „Stunde Null“. An diesen Begriff knüpfte sich dann im Laufe der Zeit die Geschichte vom märchenhaften wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland.

Vierzig Jahre nach jenem 8. Mai 1945 war es Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der das Wort vom „Tag der Befreiung“ (in der DDR schon lange üblich, wenn auch mit sehr eigenwilliger Perspektive) auch in den westdeutschen Sprachgebrauch einführte. Für seine entsprechende Rede erntete Weizsäcker Beifall, aber auch viel Kritik. Bis heute hat sich der Befreiungsbegriff weitgehend durchgesetzt.

Die Monate vor dem 8. Mai 1945 gehörten für viele Deutsche zu den schlimmsten des ganzen Krieges. Die Kämpfe, die jahrelang in fernen Ländern getobt hatten, griffen nun auf die unmittelbare Heimat über. Die damit einhergehenden Zerstörungen überstiegen in vielen Fällen das bisher Vorstellbare.

Während das nationalsozialistische Regime „sein“ Volk zum aussichtslosen Kampf bis zum bitteren Ende aufrief, begann sich auf der politischen Weltbühne schon die Welt der Nachkriegszeit abzuzeichnen. Die Großmächte riefen zur Gründungsversammlung der Vereinten Nationen. Während die Verfechter der neuen Weltorganisation von einer besseren, friedlicheren Welt träumten, schuf Josef Stalin in der Region, die bald „Ostblock“ genannt werden sollte, machtpolitische Fakten. Nach und nach wurden alle Regierungen mit sowjettreuen Personen besetzt.

Im befreiten Westeuropa lastete neben der wirtschaftlichen Not das Problem der Kollaboration schwer auf den Gesellschaften. In vielen Ländern hatten sich Menschen zur Kooperation mit den deutschen Besatzern bereiterklärt und sich dabei nicht nur im moralischen, sondern auch im juristischen Sinne strafbar gemacht.

Die Zeit vom 27. Januar 1945, als das Vernichtungslager Auschwitz befreit wurde, bis zum 8. Mai 1945 hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung in einer täglichen Chronik dokumentiert. Sämtliche Tagesmeldungen sind hier noch einmal zusammengefasst. Die Lektüre mag zuweilen bedrückend sein. Aber es bleibt auch nach 75 Jahren wichtig, sich der Vergangenheit zu erinnern.

Gefangene im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau während der Befreiung durch die Rote Armee. Quelle: Unknown, assumed to be the work of the Red Army (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Auschwitz_Liberated_January_1945.jpg), „Au­schwitz Liberated January 1945“, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons: https://commons.wikimedia.org/wiki/Template:PD-1996

Januar

27. JANUAR

Rote Armee befreit Auschwitz

In der zeitgenössischen Berichterstattung geht das Ereignis, das heute international begangen wird, fast völlig unter. Die sowjetischen Einheiten finden in dem Vernichtungslager nur noch wenige tausend Häftlinge lebend vor. Die zentrale Bedeutung dieses Ortes für die planmäßige Vernichtung der Juden Europas erschließt sich erst nach und nach. In Deutschland rückt der Begriff „Auschwitz“ in den sechziger Jahren durch den großen Prozess in Frankfurt ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Dort werden Angehörige der Wachmannschaften zum Teil zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht bemüht sich um die möglichst akribische Rekon­struktion der schrecklichen Geschehnisse. In der Zeit unmittelbar vor der Befreiung des Lagers hatten die SS-Wachmannschaften versucht, möglichst viele Spuren der Morde zu beseitigen. Viele der noch Lebenden wurden in sogenannten Todesmärschen in andere Lager verlegt. Dabei kamen viele ums Leben.

Auschwitz-Birkenau war das größte deutsche Vernichtungslager. Allein hier wurden mehr als eine Million Menschen ermordet, etwa 900000 von ihnen direkt nach der Ankunft in Gaskammern. Mehr als 200000 kamen durch Krankheiten, Unterernährung oder grausame medizinische Versuche ums Leben. Die Opfer kamen aus allen von Deutschland im Lauf des Krieges besetzten Ländern.

Ostpreußen abgeschnitten

Der schnelle Vorstoß der sowjetischen Streitkräfte, die ihre Winteroffensive am 12. Januar begonnen hatten, hat dazu geführt, dass Ostpreußen vom Rest des Reiches weitgehend abgeschnitten ist. Am 27. Januar meldet die Rote Armee unter anderem die Einnahme des Ortes Rastenburg. In der Nähe von Rastenburg befand sich das Hauptquartier Hitlers, in dem Stauffenberg am 20. Juli 1944 versucht hatte, den Diktator durch eine Bombe zu töten.

Während die deutschen Truppen in Ostpreußen, aber auch in Pommern und Schlesien auf dem Rückzug sind, meldet der Wehrmachtbericht einige Erfolge in Ungarn. Der Roten Armee gelingt die Einnahme Budapests zunächst nicht. Dass sich die Situation allerdings zuspitzt, können aufmerksame Leser des Wehrmachtberichts an Formulierungen wie diesen ablesen: Der Bericht spricht unter anderem von „heroischen Kämpfen gegen zahlenmäßig weit überlegene feindliche Kräfte“. Die Oder, an der der sowjetische Vormarsch im weiteren Verlauf des Krieges für einige Zeit zum Stillstand kommen wird, taucht in den täglichen Meldungen immer wieder auf.

Abkommen in Ungarn

Kommunisten und Sozialdemokraten schließen ein Kooperationsabkommen. Ziel der Vereinbarung sei, so teilen beide Seiten mit, der gemeinsame Kampf gegen die „Reaktion“ und „für die demokratische Umbildung“ des Landes. Zur Abstimmung der politischen Aktivitäten und Standpunkte beider Parteien wird eine paritätisch besetzte Kommission eingerichtet. Beide Parteien legen großen Wert auf die Feststellung, dass die organisatorische Selbständigkeit beider bestehen bleiben soll.

Ähnliche Versprechungen wird man in den folgenden Jahren aus allen Staaten des nachmaligen Ostblocks hören. Mit Ausnahme der Tschechoslowakei sind die jeweiligen kommunistischen Parteien überall der kleinere Partner. Mit Hilfe der sowjetischen Sicherheitsorgane werden sie aber über kurz oder lang überall zur bestimmenden politischen Kraft.

28. JANUAR

Quisling in Berlin

Vidkun Quisling, dessen Name für die Nachwelt zum Synonym für Kollaboration mit den Nationalsozialisten wurde, wird in Berlin von Hitler empfangen. Norwegen ist zu diesem Zeitpunkt noch von Deutschen besetzt. Quisling, Führer der norwegischen Nationalsozialisten, hatte sich nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht den Besatzern zur Verfügung gestellt. Er führte von 1942 bis 1945 eine Regierung von Deutschlands Gnaden. Hitler verspricht seinem Gast für die Zeit „nach dem siegreichen Ende des europäischen Schicksalskampfes“ die volle Wiederherstellung der Souveränität Norwegens, freilich mit der Maßgabe, dass sich das Land in ein von Deutschland beherrschtes Europa eingliedern müsse. Es ist nicht überliefert, inwieweit beide das glauben, was sie verlauten lassen.

Vidkun Quisling landet im Januar 1945 in Berlin. Riksarkivet (National Archives of Norway)

Franco schreibt Churchill

Ein Briefwechsel zwischen dem spanischen Diktator und dem britischen Premierminister wird bekannt. Franco soll auf die „Verdienste“ seines Landes für die Sache der Alliierten hingewiesen haben und indirekt eine Einbeziehung Spaniens in einen gegen die Sowjetunion gerichteten Westblock angeboten haben. Winston Churchill lehnt das Angebot dankend ab.

Francisco Franco war wenige Jahre zuvor als Ergebnis eines dreijährigen Bürgerkrieges an die Macht gekommen. In diesen waren alle führenden europäischen Mächte mehr oder weniger intensiv verwickelt gewesen. Francos Falangisten waren von Deutschland und Italien unterstützt worden, einerseits mit Waffenlieferungen, andererseits auch direkt militärisch. Entsprechend eng blieben auch die Beziehungen zu Hitler und Mussolini in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges. Nach der Niederlage Frankreichs 1940 trafen sich Hitler und Franco. Deutschland hoffte auf die Erlaubnis Spaniens zum Durchmarsch eigener Truppen, um die britische Flottenbasis in Gibraltar leichter erobern zu können. Franco hingegen zögerte diese Erlaubnis immer wieder hinaus. Zwar entsandte er spanische Truppen zur Unterstützung der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion. Er vermied es allerdings sorgfältig, sich zu eng an Deutschland zu binden. Das kam ihm letztlich zugute. Er und sein System hielten sich auch in der Nachkriegszeit. Im Verlauf der Verschärfung des Kalten Krieges wurde die Kritik an den Verhältnissen in Spanien immer leiser. Erst nach Francos Tod im Jahre 1975 wurde Spanien zur Demokratie.

Vormarsch der Roten Armee. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R0130-329 / Melnik / CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-R0130-329,_Vormarsch_der_Roten_Armee.jpg), „Bundesarchiv Bild 183- R0130-329, Vormarsch der Roten Armee“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Vormarsch Richtung Oder

Im Osten setzt sich der Vormarsch der Roten Armee in Richtung Oder fort. In Schlesien fallen Kattowitz und andere Städte in die Hand der sowjetischen Truppen. Die ostpreußische Hauptstadt Königsberg wird zur „Festung“ erklärt.

Diese zweifelhafte Ehre wird in der Endphase vielen Städten zuteil. Das zugrundeliegende Konzept sieht vor, dass sich die jeweiligen Garnisonen in den Städten verschanzen und möglichst lange Widerstand gegen die angreifenden Truppen leisten. Damit, so hofft Hitler, könnten größere Einheiten für lange Zeit gebunden bleiben. Diese würden dann anderswo fehlen. Auf diese Weise könne die Geschwindigkeit des Vormarsches der sowjetischen Truppen zumindest verlangsamt werden.

Im Westen verläuft der alliierte Vormarsch zäh. Dies gilt vor allem für die Kriegsschauplätze im Elsass und in Luxemburg. Bei Luftangriffen auf Köln werden Dom und Hauptbahnhof beschädigt.

29. JANUAR

„Reaktionäre“ in Rumänien

Die von der Kommunistischen Partei dominierte „Nationaldemokratische Front“ Rumäniens veröffentlicht einen Aufruf. Sie kritisiert darin, dass es in der königlichen Regierung immer noch „reaktionäre Tendenzen“ gebe, die das Misstrauen der Sowjetunion erregten. Die Front propagiert eine enge Zusammenarbeit mit der Roten Armee sowie eine intensive wirtschaftliche Verbindung Rumäniens mit der Sowjetunion. Gefordert werden außerdem eine allgemeine Bodenreform sowie die „Eliminierung“ aller faschistischen Elemente in Rumänien.

Rumänien gehörte zu den Verbündeten Deutschlands und stellte auch größere Kontingente während des Krieges gegen die Sowjetunion. Im September 1944, als sich sowjetische Truppen den Grenzen des Landes näherten, schloss die Regierung in Bukarest einen Waffenstillstand mit Moskau. Im März 1945 wird dann der König gezwungen, eine neue Regierung einzusetzen, in der Kommunisten führende Positionen einnehmen. Die Sowjetisierung Rumäniens nimmt ihren Lauf.

Aufruf Guderians

Generaloberst Heinz Guderian, der spätestens seit dem Feldzug gegen Frankreich im Jahre 1940 zu den Helden der nationalsozialistischen Propaganda gehört, veröffentlicht einen Aufruf „An die Soldaten des Ostheeres“. Darin gibt er zwar zu, dass es bedeutende Geländeverluste im Kampf gegen die Rote Armee gebe. Er benutzt in diesem Zusammenhang aber den Begriff „Preisgabe“, um zu verdeutlichen, dass das alles eigentlich kein wirkliches Problem sei. Die Führung verfolge vielmehr einen „klaren Plan“. Von allen Seiten, so Guderian, würden gerade Verstärkungen herangeführt. Und die feindlichen Kräfte würden angegriffen, sobald dieser Aufmarsch abgeschlossen sei. „Den Zeitpunkt bestimmt die Führung“, kündigt er an.

Im wirklichen Leben erobert die Rote Armee unterdessen Memel und setzt ihren Vormarsch in Richtung Oder fort. Im Westen hingegen herrscht wenig Bewegung, was das alliierte Hauptquartier unter anderem auf schlechtes Wetter (schwere Schneefälle) zurückführt.

Der jugoslawische König dankt ab

Der jugoslawische König Peter II. dankt – theoretisch vorübergehend – ab. Über die endgültige Staatsform Jugoslawiens solle das Parlament des Landes entscheiden, verlautet zur Begründung. Die Mitteilung stammt von der jugoslawischen Exilregierung in London, die im Land selbst allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht mehr viel zu sagen hat. Dort dominiert die kommunistische Partisanenbewegung, die von Josip Broz Tito angeführt wird und bald die Regierung übernehmen wird.

Jugoslawien hatte sich nach dem Überfall Deutschlands im Jahre 1941 aufgespalten. In Kroatien entstand ein faschistisch geprägtes Staatswesen, das mit Deutschland verbündet war. Die serbisch geprägte königliche Regierung floh nach London. Ihre Untergrundkämpfer lieferten sich in den folgenden Jahren mehr Kämpfe mit den kommunistischen Partisanen als mit den Besatzungstruppen. Ihr militärischer Wert sank, nicht zuletzt auch in den Augen der westlichen Alliierten. Schließlich lieferte sogar die britische Schutzmacht der königlichen Regierung den Kommunisten Waffen und unterstützte sie auch anderweitig.

30. JANUAR

Hitlers letzte Rundfunkansprache

Anlass ist der Jahrestag der Machtübernahme 1933. Hitler hebt auf die Leistungen seiner Regierung im Frieden und im Krieg ab und kommt dann schnell auf „das grauenhafte Schicksal“ derer zu sprechen, die jetzt von der Front im Osten erreicht und überrollt worden sind. Er fordert von allen Pflichterfüllung „bis zum Äußersten“ und stellt weiter den Endsieg in Aussicht. Die Geschehnisse am 20. Juli 1944, als ein Attentat auf ihn fehlgeschlagen war, fasst er als Bestätigung dafür auf, dass „der Allmächtige“ seine, Hitlers, Mission noch nicht als erfüllt ansehe. Überhaupt ist viel vom Allmächtigen die Rede. In den Jahren zuvor hatte Hitler die höchste Instanz gerne als „die Vorsehung“ bezeichnet. Wenn das Volk nur eine verschworene Gemeinschaft bilde, könne es mit Recht vor den Allmächtigen treten und um dessen Gnade und Segen bitten. Deutschland, sein Deutschland, sei das alleinige Bollwerk gegen die „Kreml-Juden“, so Hitler.

Flüchtlingsschiff „Wilhelm Gustloff“ torpediert

Die sowjetische Winteroffensive hatte Ostpreußen vom Rest des Reiches abgeschnitten. Dadurch war den vielen Zivilisten, die vor der nahenden Front flohen, der Landweg in den Westen versperrt. Einheiten der Marine sowie zivile Schiffe werden eingesetzt, um die Geflohenen aufzunehmen. In Gdynia, das damals Gotenhafen hieß, besteigen Tausende Flüchtlinge das Schiff, das einmal als Urlaubsschiff gefahren war. Sie sollten über die Ostsee nach Westen in Sicherheit gebracht werden. Nach dem Auslaufen fiel die „Gustloff“ dem Torpedoangriff eines sowjetischen U-Bootes zum Opfer. Tausende ertranken in der eiskalten Ostsee. Etwa 1200 Menschen konnten gerettet werden. Die Versenkung des Schiffes wurde, unter anderem durch eine Verfilmung aus der Nachkriegszeit, zu einem Schlüsselereignis zur Illustration der Gräuel in der Endphase des Krieges.

„Russische Befreiungsarmee“

In der Anfangszeit des Krieges gegen die Sowjetunion traf die Wehrmacht immer wieder auf Soldaten der Roten Armee, die zu einer Kooperation mit den Deutschen bereit waren, weil sie das Stalin-Regime hassten. Zu den ranghöchsten Überläufern gehörte General Andrej Wlassow. Der wechselte 1942 die Seiten und bot an, an der Seite der Deutschen gegen Stalin zu kämpfen. Diese wollten allerdings, zum Teil aus ideologischen Gründen („slawische Untermenschen“), zum Teil aus Überheblichkeit angesichts des eigenen vermeintlich durch nichts aufzuhaltenden Siegeszugs, den Überläufern keinen gleichberechtigten Status zubilligen. Verbände mit „Hilfswilligen“, letztlich immer unter deutschem Kommando, gab es während des ganzen Krieges. Diese waren auch nicht nur an der Ostfront eingesetzt. An der Invasionsfront in Frankreich kämpfte zum Beispiel eine Einheit aus Kosaken. Nun, Anfang 1945, also quasi in letzter Stunde, ernennt Hitler General Wlassow zum Oberbefehlshaber einer „Russischen Befreiungsarmee“. Deren Einheiten kämpfen in hoffnungsloser Lage bis zum Kriegsende. Selbst in der allerletzten Kriegsphase, nach Überschreiten der Oder durch die Rote Armee, gehen noch Rotarmisten in deutsche Gefangenschaft. Wlassow wird, wie viele seiner Offiziere, nach Kriegsende hingerichtet. Tausende seiner Untergebenen wandern in die Straflager der sowjetischen Geheimpolizei.

Flüchtlingsschiff im Hafen von Königsberg. Quelle: Bundesarchiv, Bild 146-1972-093-65 / CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_146-1972-093-65,_Flüchtlinge_auf_Schiff.jpg), „Bundesarchiv Bild 146-1972-093-65, Flüchtlinge auf Schiff“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

31. JANUAR

Ende der „Ardennenoffensive“

Der Vormarsch der Wehrmacht, den sie Mitte Dezember 1944, für die Alliierten überraschend, begonnen hatte, ist zwar schon lange vorbei. Aber dieser letzte Januartag 1945 markiert das definitive Ende des letzten militärischen Aufbäumens. Die Einheiten oder das, was von ihnen übrig ist, werden auf ihre Ausgangsstellungen zurückgeworfen. Im Wehrmachtsbericht liest sich das so: „Die Kämpfe in der Mitte der Westfront haben auf den Abschnitt von Monschau übergegriffen.“ Gewissermaßen als Trost fügt die tägliche amtliche deutsche Mitteilung über den Kriegsverlauf so gut wie jeden Tag als letzten Satz hinzu, das deutsche „Vergeltungsfeuer“ auf London daure an. Damit sind V2-Raketen gemeint, die vom weiterhin besetzten niederländischen Territorium starten und den Großraum London erreichen. Dem Beschuss fallen weiterhin Menschen zum Opfer, aber militärisch bewirkt er nichts Entscheidendes mehr.

Anerkennung für Polens Kommunisten

Die tschechoslowakische Exilregierung in London nimmt offizielle Beziehungen zur provisorischen Regierung Polens auf. Diese auch „Lubliner Komitee“ genannte Regierung war bis dahin nur von der Sowjetunion anerkannt worden. Die Tschecho­slowaken hatten am Tag zuvor der polnischen Exilregierung in London die Anerkennung entzogen.

Dieser Schritt markiert einen symbolisch wichtigen Abschnitt in der Leidensgeschichte Polens während des Zweiten Weltkrieges. 1939 war das Land zwischen den Vertragspartnern Hitler und Stalin aufgeteilt worden. Die Exilregierung in London war zu diesem Zeitpunkt noch die allgemein anerkannte Vertretung des Landes. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjet­union verkehrten sich allmählich die Fronten – nicht zuletzt zu Lasten Polens. Innerhalb der Sowjetunion bildete sich das „Lubliner Komitee“, das von Moskau bald als legitime Regierung Polens bezeichnet wurde. Die Londoner Polen gerieten in die Mühlen der großen Politik. Nachdem die Deutschen 1943 die Massengräber polnischer Offiziere in Katyn entdeckt hatten und (mit Recht, wie man heute weiß und damals wissen konnte) die UdSSR dieser Morde bezichtigten, weigerte sich die Londoner Exilregierung, den Deutschen die Schuld für die Morde in die Schuhe zu schieben. Die westlichen Verbündeten Polens wiederum wollten Stalin nicht verärgern, so dass sie sich am Ende auf einen Kompromiss einließen, der Polen schließlich ins kommunistische Lager führte.

Finnischer Balanceakt

Finnland hatte bis 1944 am Krieg gegen die Sowjetunion teilgenommen, sich allerdings nie als Untertan Deutschlands verstanden. In Finnland wird diese Zeit denn auch bis heute „Fortsetzungskrieg“ genannt. Das heißt, für die Finnen ging es darum, die Ergebnisse des sowjetischen Überfalls von 1939 („Winterkrieg“) nach Möglichkeit zu korrigieren. Nach dem Ausscheiden aus dem „Fortsetzungskrieg“ begibt sich Helsinki auf einen delikaten Balanceakt, um so unabhängig wie möglich von Moskau zu bleiben. Am 31. Januar 1945 wird ein Handelsabkommen geschlossen, das die Lieferung landwirtschaftlicher Produkte aus der UdSSR im Gegenzug für kriegswichtige Metalle aus Finnland vorsieht. Ministerpräsident Paasikivi verlangt von Mitgliedern der Kriegsregierungen, bei den Wahlen im März 1945 nicht anzutreten. Eine gerichtliche Verfolgung dieser Politiker, wie von der Linken gefordert, lehnt er aber ab.

Februar

1./2. FEBRUAR

Bewegungskrieg in Ost und West

In Ostpreußen meldet die Rote Armee die Eroberung von mehr als 50 Orten. Der Wehrmachtbericht verweist auf die hohen Verluste, die die Angreifer erlitten hätten, bleibt bei den geographischen Angaben über die Kämpfe aber vage. In zunehmendem Umfang werden die „Heldentaten“ einzelner Soldaten erwähnt. Am 2. Februar fällt die „Festung“ Thorn im heutigen Polen. Dazu heißt es von deutscher Seite, die in der Stadt stationierte Besatzung habe sich zu den eigenen Linien weiter westlich durchgekämpft. Im Westen, vor allem im Elsass, erzielen die alliierten Truppen weiter Geländegewinne.

Sparappelle in Amerika

Die Vereinigten Staaten gelten allgemein als ein Land, das von unmittelbaren Einwirkungen des Krieges verschont geblieben sei. Als Ausnahme geht allenfalls Hawaii durch, das durch den japanischen Überfall auf die Flottenbasis Pearl Harbor im Jahre 1941 Ziel von Luftangriffen war. Am 1. Februar 1945 wird nun aber eine umfangreiche Sparkampagne eingeleitet, um den nationalen Kohleverbrauch um 25 Millionen Tonnen pro Jahr zu verringern. Begründet wird der Appell so: Die Vorräte im Land seien unter die sogenannte Sicherheitsgrenze gefallen. Die Förderung des kriegswichtigen Rohstoffs hatte 1944 im Vergleich zum Vorjahr zwar zugenommen. Der Verbrauch war hingegen noch stärker gestiegen.

Massenexekutionen in Bulgarien

Der Generalstaatsanwalt gibt am 2. Februar die Vollstreckung von insgesamt 101 Todesurteilen bekannt. Es trifft unter anderen Minister aus zwei Kabinetten, die während der Kriegsjahre amtiert hatten. Bulgarien war 1941 dem Dreimächtepakt von Deutschland, Italien und Japan beigetreten, weil Hitler den Bulgaren Gebietsgewinne auf dem Balkan versprochen hatte. Die Regierung hoffte, auf diesem Weg Territorien unter ihre Herrschaft zu bringen, deren Eroberung Bulgarien schon im späten 19. Jahrhundert angestrebt hatte.

Sofia hatte sich zwar im Kriegszustand mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten befunden. Im Gegensatz zu Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Kroatien beteiligte sich Bulgarien aber nicht aktiv am Krieg gegen die Sowjetunion. Als sich die Rote Armee der bulgarischen Grenze näherte, schied das Land aus dem Bündnis mit Deutschland aus. Einer der Regierungschefs aus der Kriegszeit wurde zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weil er, so die Urteilsbegründung, die Kriegserklärung an Deutschland verzögert habe. Dadurch sei die Sowjetunion zur Intervention in Bulgarien gezwungen worden.

3. FEBRUAR

Roland Freisler getötet

Im Wehrmachtbericht heißen sie zumeist „Terrorflieger“. An diesem Tag treffen die alliierten Bomber bei einem Angriff auf Berlin jemanden, dem außerhalb der nationalsozialistischen Führungselite kaum jemand eine Träne nachweint. Der Präsident des „Volksgerichtshofs“, Roland Freisler, kommt unter den Trümmern seines Gerichtsgebäudes ums Leben. Freisler war schon in den zwanziger Jahren der NSDAP beigetreten und hatte kurz nach der Machtübernahme einen karrieretechnischen Höhenflug begonnen, die ihn schließlich zu dem machte, den die Nachwelt „Hitlers Blutrichter“ nannte. Zahllose Todesurteile gehen auf Freislers Konto, wobei die Verfahren mit regulären Prozessen wenig zu tun hatten. Zu seinen bekanntesten Opfern gehören die Geschwister Scholl sowie viele der „Verschwörer“ des 20. Juli 1944. Von den Prozessen gegen die am Attentat gegen Hitler Beteiligten gibt es gespenstische Filmaufnahmen. Freisler beschimpft die Angeklagten wüst und versucht sie zu demütigen. Das gelingt ihm nicht immer. Viele Angeklagte, den sicheren Tod vor Augen, widersetzen sich bis zuletzt tapfer.

Belgien befreit