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Eduard Hernsheim, geboren am 22. Mai 1847 in Mainz, war nicht nur Kapitän der Weltmeere und Kaiserlicher Konsul für die Westliche Südsee, er war auch einer der wenigen deutschen Kaufleute, denen es in privater Initiative gelang, im Stillen Ozean ein Unternehmen zu gründen, das schwarze Zahlen schrieb. Im geistigen Hauptstrom seiner Zeit war Hernsheim ein Verfechter des Fortschritts und ein Befürworter von Technik. Als der Vater 1863 überraschend stirbt … Jakob Anderhandts frühester Essay über den gebürtigen Mainzer Eduard Hernsheim wirft ein Schlaglicht auf dessen Karriere als Südseekaufmann. Entlang der Linien von Hernsheims Entwicklung zum Großunternehmer zeichnet Anderhandt typische Auswirkungen europäischen Fortschrittsdenkens im West- und Südpazifik des 19. Jahrhunderts nach. Jakob Anderhandt wurde 1967 in Bonn geboren und lebt als freier Schriftsteller im Großraum Sydney (Australien). Während seiner ersten Weltreise als Überarbeiter auf einem Frachtschiff der Hamburg Südamerikanischen Dampfschiffahrts-Gesellschaft passierte er auch mehrere Südsee-Inseln. Anderhandts Biographie über den Südseekaufmann Eduard Hernsheim fand in allen einschlägigen Fachzeitschriften positive Resonanz und gilt als Standardwerk. Die Südsee-Bibliothek erzählt wissenschaftlich fundiert vom deutschen Einfluss in Ozeanien ab etwa 1850. Historisch interessierten Lesern bietet sie einen lebendigen Einstieg in das Thema, Akademikern eine solide Material- und Arbeitsgrundlage. Wichtigster Grundsatz der Schriftenreihe ist ihre Treue zu den Quellen.
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Seitenzahl: 30
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Abenteuer, Technik, Fortschritt
Endnoten
Urheberrechte
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Abenteuer, Technik, Fortschritt
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Jakob Anderhandt
Abenteuer, Technik, Fortschritt
Aus den Lebenserinnerungen von Eduard Hernsheim
Das städtische Gymnasium hat er nicht gemocht. Hessische Beamte unterrichten dort mit Degen an der Seite und lehren tote Sprachen, denen er keinerlei Reiz abgewinnen kann. Die Philosophie der Anstalt, daß es sich besser läuft, wenn einem früh das Rückgrat gebrochen wird, geht gegen sein Innerstes. Bald bleibt er zurück, doch erst, als er sitzenzubleiben droht, zeigt der Vater ein Einsehen. Ab 1862 darf er die Gewerbeschule in Darmstadt besuchen, wo er sich auf seine Lieblingsfächer Physik und Chemie konzentriert.
Eduard Hernsheim, geboren am 22. Mai 1847 in Mainz, war nicht nur Kapitän der Weltmeere und Kaiserlicher Konsul für die Westliche Südsee, er war auch einer der wenigen deutschen Kaufleute, denen es in privater Initiative gelang, im Stillen Ozean ein Unternehmen zu gründen, das schwarze Zahlen schrieb. Im geistigen Hauptstrom seiner Zeit war Hernsheim ein Verfechter des Fortschritts und ein Befürworter von Technik.
Als der Vater 1863 überraschend stirbt, versiegt die Haupteinnahmequelle der Familie. Für Eduard, das jüngste der vier Kinder, erlischt die Möglichkeit, das Studium in Darmstadt fortzusetzen. Hernsheim wechselt in den Spessart nach Wasserlos, dem Gut eines Grafen Bentheim-Tecklenburg, wo er für ein Kostgeld von 600 Gulden pro Jahr eine Ausbildung zum Landwirt beginnt. Die Trauer über den Verlust des Vaters verfliegt schnell, denn der Aufenthalt auf Wasserlos ist ein idealer. In der reichlich bemessenen Freizeit durchstreift Hernsheim die Wälder, in langen Nächten durchstöbert er die Bibliothek des Schlosses auf der Suche nach geistigen Vorbildern. Eine Tante rät ihm zu Voltaire, Diderot und Rousseau, in deren Folge sich der Sechzehnjährige mehr als »Weltenbürger« denn als »Patriot« zu verstehen lernt. Der deutsche Sieg im Krieg gegen Frankreich 1871 läßt Hernsheim denn auch kaum jubeln, sondern fordert noch im Rückblick seinen feinen Spott heraus:
Erst später ging mir das Verständnis dafür auf, was wir als Nation durch diesen Krieg und die ihm folgende Reichsgründung gewonnen hatten – und wie daraufhin jeder Deutsche gerade im Auslande das Recht und auch die Pflicht hatte, auf diese Errungenschaften stolz zu sein.
Anfang 1865 reist er zur Hochzeit einer Schwester nach Frankfurt, wo er mit einem Vetter aus Mexiko zusammentrifft, der in Südamerika reich geworden ist. Als dieser Vetter ihn auf die geringen Karriereaussichten im Spessart aufmerksam macht und zur Seefahrt rät, ist Hernsheim sofort zu einem neuerlichen Wechsel bereit. Schon während der Schulzeit hat er Edward Trelawnys Roman Abenteuer eines jüngeren Sohnes1 gelesen, der ihn so sehr begeistert hat, daß er sich das Leben zur See seitdem nur noch als das »höchste Ideal des Glückes« vorstellen kann. Hernsheims erste Fahrt auf der Hamburger Bark Ceres gerät darum zu einer unvermeidlichen Enttäuschung – über den Charakter und Umgang einer Schiffsmannschaft, die in einem Heldenroman schwerlich vorkommen kann:
Mit einziger Ausnahme des Kapitäns war es eine traurige Gesellschaft … . Da war nichts von dem groben, aber kernigen Wesen der Landbevölkerung, welches man selbst in den ärmsten Verhältnissen findet, so wie ich sie in Bayern gerade verlassen hatte. Das Volk auf der Ceres hatte nichts als eine ängstliche, servile Neigung, ohne Gefahr für den eigenen Leib zu laufen und diesem, wenn irgend möglich, einen Vorteil zu sichern.