AFTER WE broke - Grace C. Node - E-Book

AFTER WE broke E-Book

Grace C. Node

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Beschreibung

Eines schönen Morgens begegnet dir dein Schicksal, und es hat das Potential, deine Welt aus den Angeln zu heben … Ich habe es geschafft! Ich habe mich aus den Schatten ans Licht gekämpft. Doch es ist ein trügerischer Frieden, in dem ich lebe. Und ich will leben. Endlich frei von der Angst, den Selbstzweifeln und dem ständigen Gedanken, nicht genug zu sein. Und plötzlich treffe ich DICH. Mit dir fühle ich mich lebendig. Du gibst meiner Welt wieder Farbe, die ich so lange vermisst habe. Sie ist wie ein ungeschliffener Diamant und ich weiß, ich bin ihrer nicht würdig. Wie könnte ich auch? Ich bin ein Lügner und habe sie nicht verdient. Du solltest jemandem wie mir nicht vertrauen, meine Schöne. Denn ich biete dir nichts als Schmerz. Man nennt mich Principe oscouro - den Schattenprinzen - und das nicht ohne Grund. Du wirst mir nicht in die Quere kommen und meinen Plan, meine Familie zu rächen, torpedieren. Das lasse ich nicht zu! Bleib verdammt noch mal im Licht, denn du bist nicht für die Dunkelheit geschaffen. Also halte dich von den Schatten fern, denn sonst findest du nie den Weg zurück ins Licht. Was ist die Wahrheit, und wer spielt ein falsches Spiel? Wem soll man vertrauen, wenn alles eine große Lüge ist? Und jede Lüge birgt eine bittere Wahrheit ... Wir alle haben Geheimnisse. Manche sind nur schmutziger, als andere.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Wichtiger Hinweis!
Prolog
Vor einigen Jahren
Kapitel 1
Montag, 6:20 Uhr | U-Bahn
Dienstag, 6:17 Uhr | U-Bahn
Kapitel 2
Mittwoch, Uni-Campus
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
13:27 Uhr | Café Republique | einen Tag später
Kapitel 10
Zwei Wochen später
21:10 Uhr | der Clubabend
Samstag, 01:46 Uhr
Kapitel 11
Kapitel 12
13:40 Uhr | Clay’s Studio
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
14:54 Uhr | Clay’s
Die Party
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
14 Tage später
Kapitel 19
BREAKING NEWS
Zehn Wochen nach der Entführung
Heute | 17:30 Uhr Clay’s Studio
Kapitel 20
Kapitel 21
15 Wochen nach der Entführung
Heute | 18:48 Uhr | Peters Küche
Einige Wochen danach
Kapitel 22
Kapitel 23
BREAKING NEWS
Kapitel 24
Kapitel 25
Einen Monat danach
Kapitel 26
Später am Tag
Kapitel 27
BREAKING NEWS
Kapitel 28
BREAKING NEWS
Nachwort
Danksagung
Leseprobe
Prolog
Kapitel 1
Tash
Mehr über mich
Erschienene Werke

 

 

AFTER WE broke

 

Grace C. Node

 

 

 

Buchbeschreibung:

Die erste Liebe ist überwältigend - und schmerzvoll.

Das muss Maria Johnson auf brutale Weise feststellen, als sie sich auf den draufgängerischen, geheimnissvollen Neo einlässt, der in ihr ungeahnte Leidenschaften entfesselt.

Sie verstrickt sich in eine gefährliche Beziehung mit ihm und wird dadurch ungewollt zur Zielscheibe in einem Krieg, der im Schatten stattfindet.

Neos hütet ein bitters Geheimnis und überschreitet mit seiner Obession zu Maria eine Grenze, die eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, die außer Kontrolle geraten.

 

Als Maria die Wahrheit über Neo herausfindet, bricht damit ihre gesamte Welt zusammen, denn er hat sie die ganze Zeit über belogen.

 

Wem kannst du vertrauen?

Wenn du deinen eigenen Gefühlen nicht mehr trauen kannst, wird es gefährlich. Lebensgefährlich ...

 

 

 

 

 

 

 

Über den Autor:

Neugierige Wortaktrobatin, mutiger lebenshungriger Schöngeist, Film-Junky und Book-Nerd.

Eine explosive Mischung aus Thriller, Crime und Action gewürzt mit Romantik und einer kräftigen Note Leidenschaft zeichen ihre Werke aus.

Gefühlsfeuerwerk, Kopfkino und dramatische Spannungswechsel garantiert.

 

Für Suchtgefahr nach mehr Lesestoff übernimmt sie keine Haftung!

 

Willkommen in der Welt von Grace C. Node.

 

 

1. Auflage, 2024

© Grace C. Node – alle Rechte vorbehalten.

Grace C. Node

c/o Autorenservice Gorischek

Am Rinnergrund 14/5

8101 Gratkorn

Österreich

 

Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung von Grace C. Node.

Coverdesign: Grace C. Node

Bildquelle: (lizensiert) Adobe Stock 589310434

Korrektorat/Lektorat: Marina Ocean, Grace C. Node

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:

https://portal.dnb.de/opac.htm

 

Das Buch ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Sämtliche Inhalte dieses Werkes und seiner Teile sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentlichen Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

 

In diesem Werk befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich Grace C. Node die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

 

[email protected]

 

 

 

 

 

Wichtiger Hinweis!

 

Dies ist mein vollständig überarbeiteter Debütroman, welchen ich im Jahre 2017 auf Wattpad unter einem anderen Titel geschrieben habe. Vollkommen unbedarft gab ich ihn seinerzeit an einen DKV (Druckkostenzuschuss Verlag), der es – wie ich nun im Nachhinein weiß – ohne richtiges Lektorat veröffentlichte, nicht bewarb und es vollkommen in der Buchbubble unterging.

Mein Glück, wie ich heute zugeben muss.

 

Ende 2023 erhielt ich die Vermarktungsrechte an dem Werk zurück und habe es seitdem gänzlich umgeschrieben.

Es ist Erzählerperspektive (!) geschrieben worden, die ich, wie auch den Plot der Story beibehalten habe. Aber es hat sich in eine andere Richtung entwickelt, ist erwachsener und reifer geworden. Und düsterer.

 

Ich möchte dich, liebes Leseherz, bitten, das alles beim Lesen des Buches zu berücksichtigen, um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Nicht, weil ich nicht kritikfähig bin – im Gegenteil. Sondern weil ich zu dieser Zeit als ungeübte, nicht wissende Verfasserin einfach nur froh war, ein ganzes Buch fertiggestellt zu haben.

 

Solltest du bereits Bücher von mir gelesen haben – zum Beispiel die SHATTERED Reihe, die BEYOND Trilogie oder die FCKNG Reihe – wirst du beim Schreibstil merken, dass dieses Buch hier mein ERSTES Werk war/ist.

 

Im Text wirst du auf hervorgehobene Textstellen in kursiv und fett stoßen. Damit werden Marias (kursiv) und Neos (fett) Gedanken wiedergegeben. Einige Kapitel spielen gleichzeitig an unterschiedlichen Orten auf der Welt – diese sind mit einer entsprechenden Überschrift gekennzeichnet, um es dir einfacher zu machen, dem Verlauf der Story folgen zu können.

 

Zudem wird es innerhalb der Erzählperspektive eines Kapitels manchmal vorkommen, dass ich zwischen Marias und Neos Sicht wechsele. Das ist so gewollt!

Auch wenn ich weiß, dass es stilistisch nicht ganz korrekt ist, habe ich mich dazu entschieden, das Buch so zu schreiben, um dir als außenstehendem Leseherz die Gefühlswelten der beiden Protagonisten näherzubringen.

Themen wie Emotional Scars, Mobbing, Selbstverachtung, Entführung, Trauerbewältigung, Ritzen, Schmerzsucht und Verlustangst werden hier behandelt.

Sollten dich diese Thematiken in irgendeiner Form triggern, belasten oder verstören, bitte ich dich, dieses Buch NICHT (!) zu lesen.

 

Solltest du nach diesen Vorabinformationen Bedenken haben, dass dir das Buch womöglich NICHT gefallen wird, nimm bitte Abstand davon.

Du ersparst dir viel Zeit, Geld und ein frustrierendes Leseerlebnis, wenn du mit den oben genannten Punkten ein Problem hast.

 

Allen anderen wünsche ich viel Vergnügen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jeder von uns trägt Narben.

Ob sichtbar oder unsichtbar.

Versteck sie nicht, denn sie sind

ein Teil von dir.

Prolog

Vor einigen Jahren

Alle Augen waren auf sie gerichtet. Sie hörte geflüsterte Spekulationen, die dumpf zu ihr durchdrangen. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und ihr leerer Blick fokussierte sich auf die Schuldirektorin vor ihr, die auf sie einredete. Zwei Polizeibeamte standen neben ihr und sahen sie ernst an.

Es sollte ihr großer Tag werden.

Ihr Schulabschluss, den sie mit Auszeichnung gemeistert hatte.

Ein erster Meilenstein ihres Lebens.

Nun wurde dieser Tag zu ihrem schlimmsten Albtraum.

»Miss Johnson, haben Sie noch Verwandte, die wir informieren sollen?« Einer der Beamten sah sie mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen an.

Stumm schüttelte Maria den Kopf. Es gab außer ihren Eltern niemanden. Und jetzt gab es nur noch sie.

»Sie steht unter Schock. Hat sie eine Freundin, zu der sie gehen kann?«

»Ich bin nicht sicher.«

»Sie sollte nicht alleine bleiben. Morgen muss sie die Leichen identifizieren. Das wird hässlich. Aber wir haben keine andere Wahl.«

Maria nahm am Rande ihres Sichtfeldes wahr, dass Menschen sie umringten. Erst als die Schuldirektorin sie bei der Hand fasste, fokussierte sich ihr Blick erneut. »Maria, hast du jemanden, bei dem du bleiben kannst?«

Sie schüttelte mechanisch den Kopf.

Sie war nicht wirklich beliebt und einen aktiven Freundeskreis konnte sie auch nicht vorweisen. Wer würde sich schon mit ihr abgeben wollen? Sie war der Freak unter den hübschen, schlanken Mädchen, die auf sie herabblickten und sich über sie lustig gemacht hatten. Bei keiner dieser Hexen würde sie bleiben. Auf keinen Fall.

»Ich kann nach Hause fahren«, hörte sie sich selbst sagen.

»Aber dann bist du ganz alleine und ...«

»Ist schon gut. Das schaffe ich schon.« Auch wenn das gelogen war, wollte sie keinesfalls, dass jemand anderes die Entscheidung für sie traf. Lieber war sie mit ihrem Schmerz und all der Verzweiflung alleine und hoffte, es irgendwie zu überstehen. Denn eine Alternative blieb ihr nicht.

»Ich kann sie mit zu mir nehmen«, bot die Schuldirektorin an. »Wir werden morgen bei Ihnen vorbeikommen.«

»Gut. Hier finden Sie uns«, erwiderte einer der Beamten und reichte der Direktorin eine Visitenkarte.

 

Tränen sind endlich, doch der eiskalte Verlustschmerz bleibt für immer im Herzen. Er hält es fest umklammert und betäubt jedes weitere Gefühl.

Maria lag mit offenen, verquollenen Augen auf dem Gästebett und starrte an die Decke. Geisterhaft hörte sie in Gedanken die Stimme ihrer Mutter, die sie zum Essen rief. Sah ihren Vater lächelnd in der Tür stehen. Spürte den liebevollen Kuss im Haar, den er ihr gab.

Ein heiseres Krächzen rang sich aus ihrer wunden Kehle.

Nie wieder würde sie diese Geborgenheit spüren. Auch wenn es nur die wenigen Augenblicke waren, in denen die Familie beisammen war.

Doch es waren eben jene Augenblicke, die ihr alles bedeutet hatten.

Jetzt waren sie nur noch eine schale, blasse Erinnerung.

 

Die Sonne schien von einem azurblauen Himmel auf die Trauergemeinschaft, die Maria ihr Beileid bekundete. Einige kannte sie flüchtig, den Rest gar nicht. Es waren Geschäftskunden und Arbeitskollegen ihrer Eltern und nun schüttelten sie ihr die Hand, als hätten sie sich schon immer gekannt. Eine geheuchelte Beileidsbekundung, um der Etikette genüge zu tun.

Seit Tagen hatte Maria kaum geschlafen, geschweige denn etwas Anständiges gegessen, doch das waren angesichts der allumfassenden Trauer Nebensächlichkeiten. Sie musste sich um die Organisation der Beerdigung und des Nachlasses ihrer Eltern kümmern, der beachtlich ist und ihr neben einer kleinen Eigentumswohnung das Studium finanzieren wird.

Aber wie sollte es mit ihrem Leben nun weitergehen? Eine Frage, die Zentner schwer auf ihren Schultern lastete.

Die Unabänderlichkeit des Verlustes ihrer Eltern nagte an ihr und mit jedem Stück wuchs ihre Verzweiflung.

Wie?

Wie sollte sie weitermachen?

Wie konnte sie weitermachen?

Schuldgefühle plagten sie Tag und Nacht. War sie eine gute Tochter gewesen? Trauerte sie ausreichend? War sie jemals genug?

Es hieß, der LKW-Fahrer hätte einen Augenblick nicht aufgepasst, während er auf sein Handy geschaut hatte. Er habe den Wagen ihrer Eltern erst im letzten Moment bemerkt, als er auf die Gegenfahrbahn der Landstraße geschlingert war. Doch da war es bereits zu spät gewesen.

Vollkommen egal, warum – sie waren fort.

Ihr Herz brach jeden Tag erneut beim Gedanken an all das, was sie ihren Eltern nun nie mehr sagen konnte.

Ich hab euch lieb.

Danke, dass es euch gibt.

Schön, dass ihr da seid.

Jeden Tag wurde die Leere in ihrem Herzen größer und der Schmerz fast unerträglich. Aber es gab keinen Ausweg. Kein Entkommen. Sie musste weiter machen.

Egal wie.

Denn sie hatte es versprochen.

 

 

Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, lehnte er in dieser regnerischen Nacht neben dem Eingang zum Club an der Wand, vor dem einige Leute darauf warteten, reingelassen zu werden. Es war einer dieser Schuppen, in denen es regelmäßig zu Schlägereien und Razzien kam. Ein Schmelztiegel aus Spaß und Gewalt.

Genau der richtige Ort, um einen Zugang zum Abschaum der Stadt zu bekommen.

Angespannt musterte er jeden, der hineinging, bis er in der Schlange denjenigen erkannte, den er die letzten Tage gesucht hatte. Der Kerl war nicht alleine, aber das hatte er auch nicht erwartet. Denn er war es schließlich auch nicht. Sein Beschützer war bereits vor Ort und sondierte die Lage. Grimmig lächelte er in sich hinein. Sie waren gut vorbereitet.

Seine blutig aufgeschlagenen Knöchel pochten noch immer, aber das störte ihn nicht. Immerhin konnte er bei der kleinen Auseinandersetzung vor drei Stunden etwas Dampf ablassen. Der Kerl hatte im Grunde gar nichts dafür gekonnt, außer zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein – für ihn ein Glücksfall.

Unter seiner Haut brodelte seit dem Tag, an dem er das Flugzeug bestiegen und hierher kam, eine ungesunde Wut, die seine Geduld auf eine harte Probe stellte. Um den Fokus zu behalten und nicht durchzudrehen, sammelte er seine angestaute Rage und richtete sie auf das Einzige, dass ihm half, nicht den Verstand zu verlieren: Schmerz.

Dieser Weg würde ihn an seine Grenzen bringen, aber es war alles, was er tun konnte. Er würde tief in die Dunkelheit eintauchen müssen, um zu etwas gänzlich anderem zu werden.

Ein Schatten, der mit der Finsternis tanzt.

Unsichtbar in den Reihen seiner Feinde.

Er hatte versprochen, alles zu tun, was nötig war, um dem Terror ein Ende zu setzen. Und nichts würde ihn davon abhalten.

Mit den Unterlagen, die er an eine vertrauenswürdige Quelle in Umlauf gebracht hatte, würde er sicherstellen, dass, falls die Polizei bereits korrumpiert war, die Wahrheit an die Öffentlichkeit kam. So oder so würde es einen riesigen Skandal und für jede Menge Wirbel sorgen, denn damit hebelte er einen der mächtigsten Strippenzieher der Waffenlobby aus. Aber um diesen zur Strecke zu bringen, bedurfte es mehr als nur dessen Untergang. Er brauchte Beweise.

Und die würde er bekommen.

Den Blick auf den Kerl, der gerade lachend den Club betrat, gerichtet, stieß er sich von der Wand ab und folgte ihm.

Es ging los!

 

 

 

Kapitel 1

Montag, 6:20 Uhr | U-Bahn

Es ist kalt und regnet in Strömen. Düstere Wolkenfetzen jagen über den Himmel und drücken auf ihr Gemüt. Fröstelnd zieht Maria ihren Mantel enger um sich, als sie die Treppe zur Haltestelle hinunter stapft. Der Wind pfeift hier unten durch, wirbelt die weggeworfenen Zeitungen und Papierschnipsel auf und heult durch die Tunnel. Wieder steht ein langweiliger Tag in der Kunsthochschule an. Obwohl sie ihre Routine liebt, ist sie heute nicht wirklich darauf erpicht, einer elendig langen Vortragsreihe zu Restaurationstechniken von Ölgemälden beizuwohnen. Aber was soll’s.

Der Bahnsteig ist mit übellaunigen Menschen überfüllt, die auf dem Weg zur Arbeit sind. Sie lässt den Blick über die Menschenmenge schweifen und sieht einige vertraute Gesichter, die, wie sie auch, jeden Morgen zur selben Zeit ungeduldig auf das Eintreffen der Bahn warten. Seufzend sieht sie auf die Anzeigetafel: Noch eine Minute.

Auf einmal beschleicht sie das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Es kriecht wie ein öliger Film über ihren Nacken und lässt sie erschaudern. Sie kennt dieses Gefühl nur zu gut.

Mit klopfendem Herzen blickt sie sich verstohlen um. Niemand scheint sie wahrzunehmen, und doch ist das unangenehme Gefühl weiterhin präsent.

Ihr Blick wandert in Richtung des Tunnels und ... erstarrt.

An eine Säule gelehnt steht ein breitschultriger Kerl, dessen Gesicht im Schatten einer Kapuze liegt und der die Hände in den Hosentaschen vergraben hat. Er überragt die Menge um einen Kopf und sieht in ihre Richtung. Rasch senkt Maria den Blick. Eine düstere Aura umgibt diesen Mann und ihr läuft ein eisiger Schauer über den Rücken.

Das ist unheimlich.

Wahrscheinlich hat er sie nicht einmal bemerkt und sie halluziniert bloß.

Verstohlen schaut sie wieder zu ihm herüber.

Der Kerl steht weiterhin an derselben Stelle und der Haltung seines Kopfes nach zu urteilen, sieht er immer noch zu ihr. Erneut dreht sie sich abrupt weg, unsicher, ob sie mehr Abstand zwischen sich und diesen ominösen Kerl bringen soll.

Seit ihrer Jugend hat sie einen untrüglichen Sinn für solche Situationen entwickelt, und dieser Typ verspricht Ärger.

Auch wenn es vollkommen bescheuert ist, weckt der sonderbare Kerl ihre Neugier. Adrenalin flutet ihr System und ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals. Verstohlen riskiert sie einen erneuten Blick, als er gerade einen Schritt in ihre Richtung macht.

Erschrocken schnappt sie nach Luft.

Bevor sich Maria weitere Gedanken zu dem Mann machen kann, fährt die Bahn in den Bahnhof und sie steigt hastig ein. Sobald der Wagen anfährt, sucht ihr Blick den Kerl, als zöge sie eine unsichtbare Kraft zu ihm. Doch nur die verschwommenen Gestalten der wartenden Fahrgäste rauschen an ihr vorbei.

In der Uni angekommen, wird sie von ihren Freundinnen im Hörsaal direkt in Beschlag genommen, die ihr von ihren jüngsten Dates und neuesten Bekanntschaften vorschwärmen. Maria versucht, sich auf den Lehrstoff zu konzentrieren, doch den ganzen Vormittag über beschäftigt sie dieser mysteriöse Kerl. Etwas an ihm hat ihr Angst gemacht. Sie kann es nicht richtig greifen, ist sich jedoch sicher, dass er nichts Gutes im Schilde führt. Vollkommen idiotisch, denn sie ist ihm wohl kaum aufgefallen. Das tut sie nie.

Der Restaurationskurs lenkt sie zum Glück von dem seltsamen Vorfall ab und mit Inbrunst widmet sie sich der Säuberung eines alten Barockgemäldes, dessen Ränder angeschlagen und verstaubt sind. Vorsichtig säubert sie mit den Pinseln die oberste Schicht und nimmt sich dann der Ausbesserung kleiner Farbabplatzer an. Das Mischen der richtigen Farbe ist eine besonders heikle Aufgabe, doch sie lässt sich Zeit und wird von ihrer Professorin mit einem zustimmenden Lächeln ermutigt.

Als der Kurs endet, driften ihre Gedanken erneut ab.

Abwesend nimmt sie in den Pausen an den Gesprächen ihrer Freundinnen teil und ist froh, als am Nachmittag die Vorlesungen enden, und sie nach Hause fahren kann. Auf dem Weg springt sie in den nahegelegenen Gemüseladen und besorgt sich ihr heutiges Abendessen.

Zu Hause angekommen, verstaut Maria ihre Einkäufe und erledigt die Vorbereitungen für die nächsten Seminare. Zu ihrem Leidwesen muss sie morgen ein Referat halten, und ihr graut bereits jetzt, vor der Gruppe sprechen zu müssen. Jedes Mal fängt ihr Gesicht an zu glühen und sie stammelt ihre vorbereiteten Sätze wie eine Idiotin herunter. Sie kann schon fast das Gekicher der Studenten hören, die sich über ihre unbeholfene Art lustig machen. Das war schon immer so.

Die damit einhergehende Unsicherheit hat sie in eine Maske aus Desinteresse verwandelt, was die meisten Jungs davon abhält, sie anzusprechen. Seufzend schreibt sie den letzten Teil ihres Referates zu Ende und legt den Stift weg.

Sie ruft sich in Erinnerung, dass sie ganz andere Dinge gemeistert hat, als ein dummes Referat und die vertraute Kälte der Trauer kriecht in ihr Herz.

Es gibt nur einen Ort, der ihr in solchen Momenten ein wenig Frieden schenkt, daher schnappt sie sich ihre Tasche und Jacke und stürmt zur Tür hinaus.

Der schwere Türflügel des Kirchenportals fällt krachend hinter ihr zu und die sakrale Stille empfängt sie wie ein alter Freund. Der hauchzarte Duft von Weihrauch liegt in der Luft und glitzernder Staub tanzt im durch die riesigen Buntglasfenster einfallenden Sonnenlicht des aufgeklarten Himmels. Der vertraute Schmerz breitet sich in ihrer Brust aus und mit Tränen verschwommenem Blick steht sie an einem der Seitenaltäre vor dem Meer aus unzähligen Kerzen.

»Ihr fehlt mir so sehr.«

Mit zittrigen Fingern wirft sie einige Münzen in den Behälter und nimmt zwei Kerzen, die sie an den anderen entzündet. Ihr Blick schweift in die Ferne und eine einzelne verirrte Träne rinnt ihre Wange herab.

WARUM?

Stumm bittet sie um Vergebung für all das, was sie nicht mehr sagen konnte, und spürt einen geisterhaften Hauch in ihrem Haar. Was gäbe sie dafür, noch einmal mit ihrer Mutter lachen, ihren Vater umarmen zu können.

Vor ihrem geistigen Auge sieht sie sich mit ihren Eltern auf der rotkarierten Decke im Park beim Picknick sitzen. Ein warmer Sommertag, der ihr so viel bedeutet hat. Sie durfte die Enten auf dem verwunschenen Weiher füttern, lernte, wie sie eine Blumenkette aus Gänseblümchen bindet, und hatte mit ihrem Vater auf der Wiese herumgetollt. Ihre Mutter hielt ihr lächelnd eine Pusteblume hin. »Lege alle deine Wünsche in den Gedanken, wenn du pustest. Sie werden in die Welt getragen und dich finden, wenn du bereit bist.«

Mit einem unterdrückten Schluchzer fällt sie auf eine der Bänke vor dem Altar und hebt den verschleierten Blick zu dem reich verzierten Madonnenbildnis. Die Mutter Gottes blickt lächelnd auf das Jesuskind herab, welches sie in den Armen hält. Die Liebe einer Mutter für ihr Kind. Einsamkeit kriecht in ihr Herz und Maria schließt mit bebenden Lippen die Augen.

»Mein Wunsch kann nicht mehr in Erfüllung gehen. Ihr seid fort«, wispert sie mit tränenerstickter Stimme.

In diesen Momenten fühlt sie sich unendlich alleine und hat das Gefühl, jeder weitere Schritt wird schwerer als der vorherige. Ihr fehlt die Kraft weiterzumachen, der Mut, das Schicksal zu besiegen und ihr Leben zu leben.

»Wie? Wie soll ich weitermachen?« Ihr Flüstern hallt unwirklich laut durch das Kirchenschiff und sie fragt sich, ob es tatsächlich so etwas wie Erlösung gibt.

Plötzlich ist da wieder dieses Gefühl, beobachtet zu werden und Maria erstarrt. Unbeweglich sitzt sie einfach nur da, doch ihr Blick huscht unruhig hin und her. Es ist niemand hier und es hat keiner die Kirche betreten, seit sie sie hereingekommen ist. Das hätte sie gehört. Sie spitzt die Ohren. Nervös knetet sie ihre Hände und fragt sich, woher dieses unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden, kommt. Ihr Herz pocht heftig gegen ihren Brustkorb und ihr Mund wird plötzlich ganz trocken.

Als sie es nicht mehr aushält, stillzusitzen, springt sie auf und eilt in den Mittelgang. Unablässig huscht ihr Blick umher, doch außer ihr scheint tatsächlich niemand hier zu sein.

Sie stürzt aus dem riesigen Portal und rempelt ein älteres Ehepaar an, dem sie eine hastige Entschuldigung zuruft und läuft die ausgetretenen Stufen herunter. Erst an der nächsten Ecke hält sie japsend an.

Was um Himmelswillen ist nur los mit mir?

 

 

 

Der Schattenprinz

 

Gelangweilt verfolgt er die hitzige Diskussion der beiden Typen, die ihm gegenüber sitzen. Sie werden dem Deal eh zustimmen, obwohl sie gerade so tun, als würde sie es womöglich nicht machen. Denn er ist ihre einzige Option. Aber im Vorfeld gilt es die Muskeln spielen zu lassen, um zu demonstrieren, wer hier das Sagen hat. Lächerlich.

Seine Aufmerksamkeit verfliegt, da sich das Bild dieses Mädchens in seinen Kopf schleicht. Schon wieder.

Von seinem Platz in dem Club, den er vor einigen Wochen besuchte, konnte er den Raum überblicken, ohne von den Gästen wahrgenommen zu werden. Vier Freundinnen, die lachend auf der Tanzfläche ihren Spaß hatten, zogen sein Interesse auf sich.

Eine stach ihm sofort ins Auge. Sie strahlte eine seltsame Aura der Unschuld und Selbstvergessenheit aus, die ihn neugierig werden ließ. Sonst waren die jungen Frauen eher schrill, aufgesetzt und um Aufmerksamkeit bemüht.

Sie hingegen machte den Eindruck, als wären ihr die Blicke der umstehenden Leute unangenehm.

Wenn sie lachte, strahlte sie förmlich von innen heraus. Ihre natürliche, unbeschwerte Art in Kombination mit einem Hauch Abneigung weckte sein Interesse.

Keine Ahnung, wie lange er sie beobachtet hat. War auch egal, denn in letzter Zeit konnte nichts sein Augenmerk für einen längeren Zeitraum fesseln ... außer sie.

»Wir sind jetzt so weit.« Die Stimme seines Beschützers reißt ihn aus seinen Gedanken und er nickt stumm.

»Und du kannst garantieren, dass die Ware in drei Wochen hier eintrifft?« Der Kerl vor ihm taxiert ihn aus dunklen, bösartigen Augen, und er starrt ungerührt zurück. Er wird sich von ihm nicht einschüchtern lassen, auch wenn er weiß, dass mit den Leuten des Solano-Clans nicht zu spaßen ist.

Der Krieg zwischen den verfeindeten Clans ist in vollem Gange und die Beteiligten haben alle einen nervösen Abzugsfinger. Den Adrenalin-Kick ignoriert er und auch die aufkeimende Panik, mit dem größten Abschaum in einem Raum zu hocken. Er wird es durchziehen, denn er ist für die Katastrophe verantwortlich, die auf ihn zurollt.

Er hebt den Kopf gerade so weit, dass unter dem Schatten der tiefsitzenden Kapuze die untere Gesichtspartie zu sehen ist. »Hältst du mich für einen Lügner?«

Der Kerl verzieht spöttisch den Mund zu einem angedeuteten Grinsen. »Wenn dem so wäre, hätte ich dir längst die Zunge rausgerissen und in deinen Hals gespuckt, cabrito.« Einer seiner Begleiter lacht kehlig und ein Zweiter rotzt auf den Boden.

Er fixiert sein Gegenüber und lächelt grimmig. »Natürlich hättest du das.«

»Also, garantierst du uns die Lieferung oder müssen wir uns einen anderen weißen Affenarsch suchen, der die Eier hat, mit uns Geschäfte zu machen?«

Die Provokation schluckt er herunter, denn jetzt ist nicht der Moment für ein Kräftemessen. Im Gegenteil. Er muss zusehen, den Fuß in die Tür zu bekommen.

»Wir liefern. Sobald der Flieger in der Luft ist, melde ich mich. Dann sagst du mir Ort und Uhrzeit, wo der Scheiß hingebracht werden soll.«

Einen elendig langen Moment herrscht eisiges Schweigen.

Dann streckt ihm der Kerl die Hand entgegen. »Deal!«

Er steht auf, nimmt die dargebotene Hand und drückt kräftig zu. »Deal!«

Sein Gegenüber nickt mit einem verschlagenen Gesichtsausdruck und er weiß, er hat gerade einen Pakt mit dem Teufel persönlich geschlossen.

Sobald die Gruppe abgezogen ist, stößt er erleichtert die Luft aus. Diese Typen sind nicht dafür bekannt, Fehler zu verzeihen und bei dem Geschäft kann so einiges schiefgehen.

Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr.

»Ich werde alles nötige in die Wege leiten«, ertönt die Stimme seines Beschützers hinter ihm und er nickt gedankenverloren.

Wenn er scheitert, verliert seine Familie alles.

 

Dienstag, 6:17 Uhr | U-Bahn

Die knarzende Ansage aus den Lautsprechern informiert Maria über die Verspätung ihrer Bahn.

»Na toll.« Wütend sucht sie den Fahrplan, um eine alternative Linie zu finden, und drängelt sich durch die murmelnde Menschenmenge.

Sie kann es sich nicht leisten, ausgerechnet heute zu spät zu kommen, denn das Referat ist für ihren Kurs sehr wichtig. Unruhig tritt sie von einem auf das andere Bein und starrt in den dunklen, gähnenden Tunnel.

Ein sonderbares Kribbeln im Nacken lässt sie erschaudern und suchend dreht sie sich zu den Menschen auf dem Bahnsteig um. Doch sie findet nur namenlose Gesichter, die sie nicht beachten. Kopfschüttelnd seufzt sie und sieht zu der Anzeigetafel.

Bevor sie registrieren kann, was dort steht, ist da wieder dieses merkwürdige Prickeln, als würde jemand sie beobachten. Vollkommen absurd, aber ihr Blick huscht wie von selbst über die Menge.

Seit sie in der Schule gemobbt wurde, hat sie eine feine Antenne für solche Situationen entwickelt, wenn sich die Mädchen mit gehässigen Kommentaren auf sie fixierten und deren verächtlichen Blicke sie über den Schulhof verfolgten. Ihre Gedanken schweifen zu den grausigen Erlebnissen, die ihr den Schulalltag zur Hölle gemacht haben und bleiben an den lachenden Gesichtern der Mädchen hängen, die sie wieder und wieder drangsaliert haben.

Als sie ihr Hundescheiße in die Turnschuhe gesteckt hatten ... Oder als sie nach dem Sportunterricht ihre Klamotten in die Dusche geworfen und vollkommen durchnässt hatten und Maria mit klatschnassen Sachen wie ein begossener Pudel zum Gejohle der gesamten Schule über den Hof laufen musste. Und das waren noch nicht einmal die fiesesten Dinge, die man ihr angetan hatte.

Schmerz war ihr Betäubungsmittel.

Die feinen, verblassten Linien auf ihren Unterarmen legen Zeugnis darüber ab und sie schämt sich ihrer. Ein Makel und gleichzeitig eine Befreiung.

Die eisige Leere verwandelte sich durch die Rasierklinge in brennende Empfindung und gab ihr in der Dunkelheit auf kranke Weise Halt. Stoppte ihren Sturz in die Einsamkeit und die Trauer. Katapultierte sie zurück in die Realität, wenn sie selbstvergessen die bleichen, wächsernen Gesichter ihrer Eltern bei der Identifizierung vor Augen hatte, die ihr wieder einmal aus einem Albtraum erschienen.

Das laute Quietschen der Bahn schreckt sie aus der dunklen Fantasie auf und sie steigt hastig ein. Einige Stationen weiter bemerkt sie, dass sie in die falsche Richtung fährt, steigt wutschnaubend aus und wartet auf die richtige Linie. Ärgerlich über sich selbst schließt sie kurz die Augen und holt tief Luft. Aber beim Gedanken an die vielen Tränen, die sie auf der Schultoilette vergossen hat, wallt der alte Zorn in ihr auf.

Sie ist nicht mehr die verachtenswerte Schülerin. Sie ist Kunststudentin und hat endlich Anschluss gefunden. Hat Freundinnen, die ihr zur Seite stehen und hat sich durch ihre Trauer durchgekämpft. Nie wieder wird sie sich von anderen auf der Nase herumtanzen lassen. Das ist vorbei. Entschlossen, es auch mit dem monströsen Referat aufzunehmen, fährt sie in die Uni.

 

Es lief besser, als sie erwartet hat. Zwar war ihre Stimme zu leise und ihre Gesichtsfarbe glich wahrscheinlich der einer überreifen Tomate, doch sie hat ein Lob ihres Professors bekommen und keiner im Saal hat sie mit fiesen Kommentaren aus dem Konzept gebracht.

Mit einem positiven Gefühl zieht sie sich zu Hause für eine Jogging-Runde um. Dabei bekommt sie den Kopf frei und es ist fester Bestandteil ihres Wohlfühlprogramms.

Neben dem neuen Freundeskreis hat sie sich vor einiger Zeit ein Fitnessstudio gesucht, um ihre angestaute Wut und Trauer abzubauen. Es war ein hartes Stück Arbeit und der innere Schweinehund ein ständiger Begleiter, als sie nach den ersten beiden Tagen mit brennenden Muskeln im Bett lag und sich schwor, nie wieder einen Fuß in den Fitnesstempel zu setzen. Aber sie hat sich dieser Herausforderung gestellt, die Zähne zusammen gebissen und stand am folgenden Tag erneut auf dem Laufband.

Zum energiegeladenen Beat ihrer Sport-Playlist lenkt sie nun ihre Schritte zum nahegelegenen Park. Heute scheint wieder die Sonne und Maria genießt die frische klare Luft. Ihre Schritte hämmern im Takt zur Musik auf den Parkweg und die Strecke ist ihr einziger Gedanke.

Als sie schwungvoll um eine Kurve biegt, kracht sie mit einem Fahrradfahrer zusammen und stürzt. Fluchend rappelt sie sich auf, nimmt die Kopfhörer herunter, um den Radfahrer anzuschnauzen, was ihm eigentlich einfällt, sie umzufahren.

Der richtet sich auf und ... ihr bleibt fast die Luft weg.

»Heilige Scheiße! Ist alles okay bei dir? Bist du verletzt?« Mit weit aufgerissenen Augen starrt dieser sie fassungslos an.

Sprachlos blickt sie den Kerl vor ihr an. Ihm fallen die blonden Haare ins gebräunte Gesicht und goldfarbene Augen mustern sie besorgt. Er ist groß, überragt sie um einen Kopf und sieht verdammt gut aus. Mit offenen Mund steht Maria da und bekommt keinen Ton heraus.

Der Blonde fuchtelt vor ihren Augen herum und blinzelnd zuckt sie zurück. »Ist dir schlecht oder bist du benommen?«

»Ich bin nicht sicher.«

»Das war ein echt heftiger Sturz. Bist du okay?« Er hat einen charmanten Akzent, den sie nicht zuordnen kann.

»Nein, geht schon.« Ihre Stimme klingt kratzig und gar nicht nach ihr selbst. Plötzlich merkt sie, wie ihre rechte Seite schmerzlich pocht, und blickt an sich herunter. »Ach du meine Güte.« Ihre Tight ist aufgerissen und sie blutet ein wenig.

»Verdammt, das sieht heftig aus. Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?«

»Nein, geht schon«, erwidert sie erneut, diesmal mit schmerzverzerrtem Gesicht. Er mustert kritisch ihr Bein. Ihr ist es unangenehm, doch er scheint kein Problem mit der Situation zu haben.

»Dann begleite ich dich aber auf jeden Fall nach Hause.«

Erschrocken reißt sie die Augen auf. »WAS? Nein. Es geht schon.«

Der Blonde schüttelt energisch den Kopf. »Das sollte auf alle Fälle versorgt werden. Ich bringe dich wenigstens heim und helfe dir. Schließlich bin ich daran schuld.« Maria will gerade ansetzen, doch er fällt ihr ins Wort. »Und sag nicht nochmal ›Nein, geht schon‹.« Obwohl er es mit einem Schmunzeln sagt, liegt eine unterschwellige Warnung in seiner Stimme, die keinen Widerspruch duldet.

Er hebt sein Fahrrad auf, bevor er es an einer Parkbank festkettet und Maria dann die Hand reicht, damit sie sich auf ihn stützen kann.

Innerlich fluchend humpelt sie neben ihm her. Jetzt wird sie von einem Wildfremden nach Hause begleitet, noch dazu ein überaus attraktiver Fremder, obwohl es wahrscheinlich sinnvoller gewesen wäre, wenn sie sein Angebot, ins Krankenhaus zu fahren, angenommen hätte.

»Ich bin übrigens Neo«, stellt er sich vor, sieht sie neugierig und gleichzeitig besorgt an.

»Oh… äh Ma- Maria.«

Neo lächelt auf sie herunter. Ein Lächeln, das verboten werden sollte. »Hübscher Name.«

»Danke«, murmelt sie und hält den Blick stur auf den Gehweg, den sie entlang tappt.

Der Schock darüber, dass er direkt vor ihr auftauchte, war zu groß und in ihrer naiven, unbeholfenen Art hat sie sein Angebot ohne zu zögern angenommen. Aber einen Kerl, den sie überhaupt nicht kennt, einfach so zu sich nach Hause mitzunehmen, fühlt sich schräg an. Was, wenn er etwas im Schilde führt oder noch schlimmer, ihre Situation ausnutzt und sie überfällt?

Verstohlen blickt sie zu ihm. Seine Sachen sehen gepflegt aus. Er wirkt nicht wie der klassische Kriminelle, wobei Maria noch nie einem begegnet ist, und innerlich verdreht sie über ihr idiotisches Kopfkino die Augen. Vielleicht ist das eine Tarnung. Vielleicht ist er ja ein Psychopath und wird ihr die Bude ausräumen oder Schlimmeres. Doch da sind diese Augen, die sie besorgt und gleichzeitig durchdringend ansehen.

Über die wirren Ideen sind sie bei ihrer Wohnung angekommen und ihr Bein puckert höllisch. Als sie die Tür aufschließt, fragt sich Maria, was zum Teufel sie hier eigentlich vorhat. Eilig schiebt sie die morbiden Gedanken beiseite, denn sie wird sich Neos Präsenz in ihrer Wohnung nur allzu bewusst.

»Zieh die Hose aus, damit wir die Wunde reinigen können.« Neos ruhige, dunkle Stimme hinter ihr lässt sie erschrocken zusammenfahren. Bei ihm klingt es, als sei es das Normalste auf der Welt, dass sie sich vor ihm auszieht und mit aufgerissenen Augen dreht sie sich zu ihm um.

»Ähh, ich ... werde mal ins Bad gehen«, weicht sie seiner Aufforderung nervös aus. Neo dreht sie zu sich um und sie senkt verlegen den Blick.

»Hey, ich hab schon mal Mädels in Unterwäsche gesehen.«

Klar, darauf wäre ich nie gekommen.

»Ja, also ich werde dann mal ...«, stammelt sie unbeholfen und drängt sich mit glühenden Wangen an ihm vorbei ins Bad. Dabei entgeht ihr sein amüsierter Gesichtsausdruck nicht und sie ärgert sich darüber, dass er sie womöglich für prüde hält.

Aus den Tiefen ihres Badezimmerschrankes kramt sie Jod, Mullbinden und eine Wundsalbe heraus. Als sie sich vorsichtig die zerrissene Hose über ihre Hüfte schiebt, durchzuckt sie ein beißender Schmerz.

»Verdammt nochmal.« Mit zusammengebissenen Zähnen betrachtet sie ihr Bein. Es sieht hässlich aus: Eine lange Schürfwunde, die sich blutig und mit Dreck verklebt zeigt, will gereinigt werden. Maria greift nach einem Handtuch und hält es unter heißes Wasser. Dieser Schmerz ist anders. Nicht beruhigend. Sondern einfach nur bitter.

»Heilige Scheiße, brennt das« ruft sie keuchend aus, als der Stoff auf die offene Wunde trifft.

Die Tür fliegt auf und Neo kniet im nächsten Augenblick vor ihr, nimmt ihr das Handtuch ab und reinigt vorsichtig die Verletzung von Staub und Dreck. Dabei fallen ihr seine großen, eleganten Hände auf, die geschickt an ihrem Bein herumdoktern. Fasziniert beobachtet sie ihn und fragt sich, warum er sich solche Mühe mit ihr macht. Dann träufelt er Jodlösung auf die Mullbinde und sieht zu ihr auf.

»Ich entschuldige mich jetzt schon für das, was gleich kommt. Halt bitte still, es wird brennen, doch danach kann ich dich verbinden.« Sie nickt schnaufend, denn die Wunde pocht und schmerzt. Sanft, aber bestimmt, mit konzentriert gerunzelter Stirn, widmet er sich seiner Aufgabe.

»Es tut auch so schon w...ahhhh.« Maria heult auf, als er die Mullbinde auf die Wunde tupft.

»Ist gleich vorbei. Hier, draufdrücken. Gut so. Jetzt noch etwas Salbe drauf und ich kann den Verband anlegen.«

Maria beißt die Zähne erneut zusammen, als seine Finger mit der Salbe auf die nun saubere Wunde treffen. Vorsichtig tupft er sie mit den Fingerspitzen auf und versucht, so wenig Druck wie möglich auf das offene Fleisch auszuüben, aber sie zischt immer wieder auf, denn es brennt fürchterlich.

»So, ich werde den Verband straff ziehen, damit er nicht verrutscht«, erklärt Neo ihr, während er geschickt die Mullbinden um ihr Bein schlingt. Ihr entgeht nicht, dass er, obwohl sein Gesicht vor ihrer Mitte ist, keinen Blick auf ihre Unterwäsche wirft oder eine scherzhafte Bemerkung macht. Irritierend!

»Danke«, flüstert sie erleichtert, als sie merkt, wie die kühlende Salbe den vordergründigen Schmerz lindert. Seine Hände berühren ihren Oberschenkel, während er den Verband befestigt, was sie erschauern lässt. Die Situation ist ihr unangenehm und gleichzeitig wirkt nichts daran verdorben, im Gegenteil.

Er schaut wieder zu ihr hoch und sein Blick scheint plötzlich dunkler geworden zu sein, sodass sie unsicher wegschaut.

»Alles okay?«, fragt er leise.

»Ähhh, ja, ... geht schon. Willst du einen Kaffee oder sowas?« Ratlos, wie sie mit ihm umgehen soll, räumt sie hastig Salbe und Utensilien in den Schrank zurück, denn sie hat keine Ahnung, was sie mit ihm anstellen soll. Neo steht auf und nun muss sie zu ihm aufblicken.

Oh Mann, wir stehen hier in meinem Bad, ich halbnackt und er viel zu dicht vor mir.

»Nein, danke.« Ohne Anstalten zu machen, das Bad zu verlassen, blickt er sie weiter unverwandt an.

»Ich, also ... Äh, ich ziehe mir schnell was an.« Keuchend quetscht sich Maria ungelenk an ihm vorbei ins Schlafzimmer und schließt mit einem erleichterten Seufzer die Tür hinter sich. Ihr Herz pocht wie wild in ihrer Brust.

Nicht genug damit, dass sie in einem ausgeblichenen Schlüpfer vor ihm stand. Er hat vollkommen cool gewirkt. Hat keine blöden Witze gerissen oder ist sonst irgendwie unverschämt geworden. Das ist ... sonderbar. Und macht sie auf unanständige Weise neugierig. Schnell verdrängt sie jeden weiteren Gedanken daran und zieht sich um.

Mit Jogginghose, einem übergroßen Langarmshirt und dicken Socken ausgestattet betritt sie ihr Wohnzimmer. Neo steht entspannt am Fenster und wirkt seltsam deplatziert.

»Danke nochmal für deine Hilfe«, bringt sie schließlich heraus. Ein breites Lächeln erhellt sein Gesicht.

Herrje, und was für ein Lächeln.

»Gern geschehen. Immerhin habe ich dich umgefahren.« Er deutet auf ihr verbundenes Bein.

»Ja, wohl wahr.« Schief lächelt sie zurück.

»Hm, war das Mindeste, was ich tun konnte.« Dabei betrachtet er sie mit einem intensiven Blick, der sie verlegen macht. Unschlüssig nestelt Maria am Zugband ihrer Jogginghose und versucht krampfhaft, nicht aus dem Zimmer zu stürmen. »Ich werde dann mal wieder gehen. Es hat mich sehr gefreut, Maria«, sagt Neo, wobei er ihren Namen mit Bedacht ausspricht, und macht einen Schritt auf sie zu.

Schüchtern sieht sie ihn an. Auf einmal stehen sie viel zu nah voreinander und eine erwartungsvolle Spannung baut sich zwischen ihnen auf. Unsicher huscht ihr Blick über Neos Gesicht. Die scharfen Linien seiner Gesichtszüge verleihen ihm neben den intensiv dreinblickenden Augen mit der seltenen goldbraunen Farbe unter dem blonden wilden Schopf einen verruchten Touch. Und sein Mund, dessen Unterlippe ein klein wenig voller als die Oberlippe ist, verspricht neben dem mokanten Lächeln jede Menge sündiger, unanständiger Verheißungen.

Wo kommen denn diese Gedankengänge plötzlich her?

Ihre Wangen glühen auf einmal und sie fühlt sich schrecklich verunsichert – was mache ich mit meinen Händen und wieso habe ich das Gefühl, das Zimmer schrumpft in sich zusammen?

Plötzlich beugt er sich zu ihr herunter, hebt ihr Kinn an und seine Lippen – DIESE Lippen – legen sich scheu auf ihre Wange.

Maria erstarrt. Als sie nicht protestiert, wandern sie zu ihrem Mundwinkel, wo sie einen quälend langen Moment verharren. Ihr Herz setzt einen Takt aus. Sein warmer Atem vermischt sich mit ihrem. Mit einem Seufzer schließt sie die Augenlider, denn wenn sie ihn weiter ansieht, werden womöglich ihre Knie nachgeben. In Gedanken stellt sie sich vor, wie sich seine Lippen auf ihren anfühlen würden.

Wie es wäre, ihn zu küssen?

Ob er es gleich tun wird?

Der Gedanke ist so absurd, dass sie kopfschüttelnd die Augen aufreißt. Neo starrt ihren Mund an, wirkt fast wie hypnotisiert und als er den Blick hebt, liegt plötzlich sein Daumen auf ihren Lippen. Hauchzart streicht er mit ihm über ihre Unterlippe. Wie von selbst öffnet sie den Mund und seine Pupillen weiten sich. Ein unanständig prickelndes Gefühl breitet sich in ihrem Bauch aus, während sein Daumen weiterhin auf ihrer Unterlippe liegt.

Was passiert hier gerade?

Sie fühlt seine Körperwärme durch das dünne Shirt und lehnt sich instinktiv an ihn. Es scheint, als wüsste ihr Körper automatisch, was er zu tun hat, denn ihr Verstand ist in den letzten Sekunden verloren gegangen.

Neo beugt sich vor und verharrt nur eine Handbreit an ihrem Hals und ihr bleibt dabei fast die Luft weg. Ihre Hände legen sich wie selbstverständlich auf seine Brust und sie spürt sein Herz unter ihren Fingern hämmern. Aufregend!

»Was ich alles mit dir machen will ...« Seine Stimme ist eine Nuance dunkler geworden und schickt ihr ein Kribbeln durch den Magen.

Du liebe Güte!

Langsam gleitet seine freie Hand an ihrem Körper herunter und fährt am Bund ihrer Jogginghose entlang.

»Bitte«, fleht sie, ohne richtig darüber nachzudenken, was sie da gesagt hat, denn ihr Gehirn ist wie leergefegt. Eine solche Situation gab es bisher noch nie in ihrem Leben und es scheint ebenso faszinierend wie erschreckend, wie unvorsichtig sie gerade ist.

»So neugierig«, murmelt er leise an ihrem Ohr.

Maria legt den Kopf zurück, unentschlossen, ob es richtig oder vollkommen absurd ist. Aber eine Reaktion von Neo bleibt aus.

Irritiert schaut sie ihn an. In seinen Augen funkelt etwas Dunkles auf, was den wilden Ausdruck auf seinem Gesicht verrucht erscheinen lässt. Er zieht scharf die Luft ein, als ihre Hände unsicher zu seinem Bauch wandern. Sie fühlt kräftige Muskeln, die sich unter ihrer Berührung anspannen und ihr gefällt diese Reaktion. Auf einmal packt er grob ihre Handgelenke und Maria reißt geschockt die Augen auf.

Von einem auf den anderen Moment hat sich die Stimmung in eine eisige Distanz verwandelt.

Neo wendet sich ab, sieht sich wild um und erschrocken über den plötzlichen Verlust seiner Nähe, weicht Maria einen Schritt zurück.

»Ich sollte jetzt gehen«, presst Neo hervor, dreht sich hastig um, rauscht aus dem Zimmer und schlägt die Tür hinter sich zu.

Mit hämmerndem Herzen und offenem Mund steht sie da und starrt ins Leere.

 

 

Kapitel 2

Noch immer sitzt Maria mit tausend Gedanken im Kopf auf ihrem Sofa. Seit vier Stunden ist Neo ohne ein Wort verschwunden. Nicht genug damit, dass sie sich vollkommen lächerlich verhalten hat. Sie hat sich einem wildfremd praktisch an den Hals geworfen, als wenn es nichts weiter wäre. Wie um Himmelswillen konnte sie so etwas machen?

Ihr Bein schmerzt und pocht, aber viel schmerzhafter ist die Zurückweisung, nachdem Neo ihr so nah war und sie dann ohne ersichtlichen Grund einfach stehen gelassen hat. Eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf mahnt sie, dass er die Situation auch hätte ausnutzen können, was wesentlich schlimmer als ihr offensichtlich verletzter Stolz gewesen wäre.

Maria hat nicht viel Erfahrung mit Jungs, doch ist sie sich sehr wohl bewusst, dass das nicht nur einseitiges Interesse war. Einmal mehr wird ihr leidvoll klar, wie naiv sie im Grunde ist und das ärgert sie.

Grübelnd tappt sie ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Nachdem sie im Bett liegt und die Dunkelheit sie einhüllt, schleicht sich Neos Gesicht in ihre Gedanken.

»Was ich alles mit dir machen will ...«

Aus einem ihr unerfindlichen Grund hat sie sein Verhalten aufgewühlt, kann jedoch nicht benennen, warum. Vielleicht war es die wiederaufkeimende Trauer, die sie so aus der Bahn geworfen und verletzlich gemacht hat. Aber eine leise Stimme in ihrem Inneren flüstert ihr zu, dass es nichts mit ihrem Verlustschmerz zu tun hat.

Sie konnte ihre Reaktion auf ihn nicht verhindern, was das Ganze noch unangenehmer macht. Und es hat ihm offenbar auch gefallen. Denn warum sollte er ihre Lippen berühren, sie auf die Wange küssen und derart nahekommen, wenn es nicht so wäre?

Seine Augen sind bernsteinfarben, doch sie verdunkeln sich, sobald er ihr nahekommt. Oder sie anfasst. Es war aufregend und gleichzeitig alarmierend.

Grübelnd über die sonderbare Situation übermannt sie irgendwann der Schlaf, allerdings wacht sie mitten in der Nacht auf. Ihr Bein tut weh, und sie heißt den Schmerz wie einen alten Freund willkommen. Er vertreibt die düstere Leere und ersetzt sie mit einem beißenden Empfinden. Es fühlt sich besser an, als gar nichts mehr zu fühlen.

Die Uhr des Radioweckers zeigt 1:53 Uhr an. Viel zu früh, um schon aufzustehen. Seufzend kuschelt sie sich in die Kissen.

»Du bist wirklich bescheuert. Hast du ernsthaft geglaubt, der Typ findet dich toll und will was von dir?«, schimpft sie mit sich selbst.

Sie wurde immer von den Jungs gehänselt. Da sie nicht so dünn und zierlich war wie die anderen Mädchen in ihrem Umfeld, wurde sie ständig damit aufgezogen, dass ihr Hintern zu breit sei, und ihre Beine zu fleischig wären.

Der erste Kuss in der 9. Klasse war auf dem Schulhof und eine einzige Katastrophe. Josh, einer ihrer Mitschüler, hat sich ziemlich dämlich angestellt und es hatte nichts von dem mitreißenden Ereignis, wie es alle immer beschrieben haben. Er hatte versucht, sie zu befummeln, und scheiterte an ihrer Ohrfeige. Trotzdem prahlte er hinterher vor seiner Clique damit, dass er ihr unter die Bluse gefasst hätte und wie wabbelig sie sich angefühlt hätte. Der Auftakt zu jeder Menge weiterer Gemeinheiten.

Danach war sie das Gespött der ganzen Schule. Seit diesem Tag hatte Maria beschlossen, dass Jungs nichts für sie sind. Sie wurde auf keine Party eingeladen und auch sonst interessierte sich niemand ernsthaft für sie. Nicht, dass sie es vermisst hätte. Doch als sie nach der Trauerphase über den Tod ihrer Eltern mit Sport angefangen hat und seither ihren Körper fünf Mal in der Woche mit Lauf- und Krafttraining stählt, entwickelte sie ein anderes Verhältnis zu sich selbst. Wenn ihre Muskeln und Lungen brannten, fühlte sie sich lebendig. Ein neuer Schmerz, der sie daran erinnerte, dass sie nicht nur aus Trauer und Leere bestand.

Als sie ihre Freundinnen vor zwei Jahren an der Uni kennen gelernt hatte, blühte sie langsam auf. Die vier gaben ihr die moralische Unterstützung, die ihr so lange gefehlt hatte. Doch sie war immer noch zu schüchtern und hielt sich meist im Hintergrund, wenn sie alle zusammen ausgingen.

Natürlich wäre es gelogen, dass sie nicht neugierig zugehört hätte, wenn die Mädels von ihren neuesten Liebesabenteuern oder den aufregenden One-Night-Stands berichteten. Na ja und es gibt ja Bücher, Filme sowie das Internet.

Und dann steht da heute auf einmal dieser Typ vor ihr und bringt alles durcheinander. Aber sie hat nicht vor, sich davon unter kriegen zu lassen.

Mit diesem resoluten Gedanken versucht sie, erneut einzuschlafen.

 

~*°*~

 

Das Fahrrad landet krachend zwischen den Tonnen in der Ecke des Hinterhofes und Neo verflucht sich für sein idiotisches Verhalten. Er wollte es nicht so weit kommen lassen. Aber als er ihr so nah war, ihren Duft aus einem Hauch Zimt, Bergamotte und frisch gewaschener Wäsche wahrgenommen hatte, konnte er nicht anders.

»Hey, was soll denn der Krach?« Die ältere Dame, die missbilligend aus dem Fenster über ihm herunterruft, funkelt ihn wütend an, als er im Hinterhof seinen Frust an seinem Rad auslässt. »Ach, du bist es, Neo. Was ist dir denn über die Leber gelaufen?«

»Nichts. Tut mir leid wegen des Krachs.« Entschuldigend zuckt er mit den Schultern.

»Egal, was es ist, es ist es nicht wert, ein gutes Rad kaputtzumachen.« Dabei deutet sie auf die umgefallenen Tonnen.

»Da haben Sie vermutlich recht«, knurrt er und räumt das Chaos notdürftig auf. Bevor die Dame noch etwas erwidern kann, stapft er die Treppe in den Hausflur hoch und schlägt seine Wohnungstür hinter sich zu.

Angefressen wirft er sich auf das Bett.

Maria! Sie hält ihn vermutlich für einen Freak, der sie nur betatschen wollte, und das macht ihn nur noch wütender. So oft hatte er sich vorbenommen, sie anzusprechen. Geschafft hat er es allerdings nie. Dass sie heute im Park um die Ecke geschossen kam, war reiner Zufall, doch er ist auf perfide Weise dankbar dafür. Auch wenn sie sich verletzt hat.

Denkst du gerade auch an mich?

Was für ein bescheuerter Gedanke.

Wenn sie an ihn denken sollte, ist das mit dem Sturz und seinem wenig rühmlichen Versuch, sich ihr zu nähern, gekoppelt. Sicher will sie nichts mit einem Kerl zu tun haben, der aus heiterem Himmel in ihrer Wohnung steht und dann auch noch zudringlich wird.

Dafür ist sie viel zu anständig. Und unschuldig. Und verlockend ...

Ach verdammt, das ist doch alles Blödsinn.

Auf dem Campus hat er sie bereits länger beobachtet. Wie hätte sie ihm auch nicht auffallen können? Sie ist das genaue Gegenteil der jungen Frauen, die sich in den Mittelpunkt spielen und mit allen Mitteln Aufmerksamkeit erhaschen wollen.

Sie wirkt auf faszinierende Weise wie eine Besonderheit inmitten der grellen Leuchtreklame des weiblichen Geschlechts. Fast so, als wolle sie nicht entdeckt werden.

Er hatte sie jedoch gesehen.

Und er hat nicht vor, sie aus den Augen zu verlieren.

Mittwoch, Uni-Campus

Marias Laune ist im Keller, denn die Nacht war viel zu kurz. Darüber hinaus erinnert sie ihr Bein jede Minute an den Zusammenstoß mit Neo und damit an die peinliche Situation, als er ihr zu nahegekommen ist. Na ja, eigentlich hat sie das weniger gestört, als sie zugeben würde.

»Hey, warum humpelst du denn so?« Ellen umarmt sie auf dem Weg zu dem Gebäude, in dem die heutige Vorlesung stattfindet.

»Ach, ich bin gestern beim Joggen gestürzt und habe mir das Bein verletzt.«

»Du lieber Himmel! Wie ist das passiert?«

Mit einem tiefen Seufzer berichtet Maria von ihrem Zusammenstoß mit Neo und dem anschließenden Desaster, wobei Ellen der Mund offen stehenbleibt.

»Und dann ist er einfach abgehauen und jetzt komme ich mir wie eine totale Idiotin vor«, schließt Maria ihren Bericht ab.

»Immerhin hat er dein Bein verarztet. Das ist doch ein Anfang.« Ein amüsierter Zug huscht über Ellens Gesicht.

»Mag sein. Ist mir aber egal, denn ich werde den Kerl eh nicht wiedersehen.«

»Ich will ja nicht den Klugscheißer raushängen lassen, aber für mich hörte es sich gerade so an, als ob du den Kerl ziemlich heiß fandest.«

Maria verdreht die Augen und funkelt ihre Freundin erbost an. Beim Gedanken an Neo und die intime Situation wird ihr allerdings ganz mulmig, während sich ihre Wangen röten. »Na, hör mal. Er hat mich angefahren und dann versucht ...«

»Da seid ihr ja. Warum trödelt ihr denn hier herum?«, wird sie von Iris unterbrochen, die mit Sally im Schlepptau auf sie zukommt.

»Maria hatte einen heißen Typ zuhause«, platzt Ellen heraus und Iris fährt mit erstauntem Gesichtsausdruck zu ihr herum.

»Das wurde auch langsam mal Zeit.« Schnaubend drängelt Sally sich zu Maria durch und hakt sich bei ihr unter. »Und wann stellst du uns den Hottie vor?«

»Gar nicht. Er ist weder ›hot‹ noch wert, dass ihr ihn kennenlernt. Also können wir jetzt bitte zur Vorlesung?« Humpelnd setzt sich Maria in Bewegung, während ihre Freundinnen in wilde Spekulationen verfallen.

Als das Grüppchen in das riesige Atrium mit den sternförmig abgehenden Treppenaufgängen tritt, beschleicht Maria erneut das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. Suchend wandert ihr Blick über die unzähligen Studenten, die sich an ihnen vorbeischieben, in der Hoffnung, die Ursache für das Störgefühl zu finden. Fehlanzeige.

»Wir sehen uns zum Mittagessen«, verabschiedet sich Iris, die einen anderen Kurs belegt hat und eine der Treppen hinaufstürmt, denn es ertönt bereits der zweite Gong, der den Unterricht ankündigt.

 

Egal, wohin sie in den folgenden Tagen geht, immerzu kriecht ihr ein Schauer über den Nacken und sie fühlt sich beobachtet. In jedem Schatten vermutet sie eine Gestalt, die sie anstarrt, als würde jemand sie verfolgen. Aber wer sollte eine einfache Kunststudentin beschatten?

Vor drei Tagen fand sie zu allem Überfluss an dem Schloss ihres Spindes eine weiße Gerbera. Verdutzt nahm sie die Blume mit nach Hause. Seit ihrer Kindheit liebt sie alle Arten von Blühpflanzen und stellte sie daheim in eine schmale Vase.

Wer würde ihr Blumen schenken?

Als sie an diesem Abend die Treppe zu ihrer Wohnung hochkommt, fällt ihr die pinke Rose sofort ins Auge, die auf der Fußmatte liegt. Unsicher bückt sie sich und hebt sie auf. Am Stiel hängt ein Zettel.

 

You Are Beautiful

 

Ihr Herzschlag beschleunigt sich und sie sieht sich hastig im Hausflur um. Niemand ist zu sehen. Beklommenheit breitet sich in ihrer Brust aus. Nachdenklich betrachtet sie die akkurate Handschrift auf dem Zettel und fragt sich, ob Neo ihr die Rose als Entschuldigung dagelassen hat.

Ein anderer kommt ihr nicht in den Sinn. Wer sonst sollte ihr Blumen schenken?

Aber merkwürdig ist das alles schon, denn wenn sie von Neo ist, könnte er sie ihr auch persönlich überreichen, oder? Immerhin hat er ihr Bein verarztet und war in ihrer Wohnung. Warum also die Geheimniskrämerei?

Obwohl ihr Verstand sagt, sie solle die Rose wegwerfen, kann sie es nicht. Auf bizarre Weise fühlt sie sich geschmeichelt und auch, wenn es höchst alarmierend ist, dass ihr offensichtlich jemand nachstellt, landet die Rose bei der Gerbera in der Vase.

Kopfschüttelnd geht sie in die Küche und setzt Wasser für die Nudeln auf, die sie heute zum Abendessen kochen will.

Wer ist der mysteriöse Verehrer?

 

Der Schattenprinz

 

Grübelnd starrt er aus dem Fenster seines Wagens, der an der Ecke zu ihrer Straße parkt. Es war ein Fehler.

Ein idiotischer, dämlicher Fehler. Und der kann ihn alles kosten.

Sie hat seine kleinen Präsente nicht ignoriert und das verschafft ihm eine ungeahnte Befriedigung. Trotzdem war es leichtsinnig. Er hätte entdeckt werden können.

Seine Finger trommeln ungeduldig auf dem Lenkrad herum, während er seine Optionen abwägt, die allesamt wenig vorteilhaft ausfallen. Denn egal wie oft er sich einredet, die bezaubernde Brünette mit den moosgrünen Augen zu vergessen, schießen ihm genau diese Augen und ihr schüchternes Lächeln in den Kopf.

Sie ist eine zu große Ablenkung.

Eine Schwachstelle.

Eine Schwachstelle, die ihn angreifbar macht.

Und doch schleicht sie sich Nacht für Nacht in seine düsteren Träume, in denen er sie auf jede erdenkliche Weise benutzt. Ja, er will ihre reine Natur beschmutzen, sie auseinanderreißen und neu zusammensetzen. Sie soll ihm gehören.

Wenn sie erfährt, wer er ist, wird sie ihn hassen.

Sie wird ihn mit jeder Faser ihres Wesens verabscheuen und er kann sie sogar verstehen. Und trotzdem wird sie nicht vor ihm fliehen können. Er wird sie sich nehmen und sie brechen, um ihre Bruchstücke neu zu ordnen. Das ist er ihr schuldig.

Sein Telefon piepst und auf dem Display erscheint eine Nachricht. Ein Treffpunkt und eine Aufforderung.

Seine Hände packen das Lenkrad fest, sodass seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Die Dunkelheit wütet in ihm und drängt ihn, ihre Wohnungstür einzutreten und sie sich endlich zu nehmen, aber er gibt nicht nach.

Noch nicht.

Mit einem letzten Blick zu ihrem erleuchteten Küchenfenster startet er den Wagen.

Kapitel 3

Auch, wenn sie alles daran gesetzt hat, nicht an Neo zu denken, hatte sie bislang keinen Erfolg damit. Ein frustrierender Umstand, denn jedes Mal, wenn sie den bunten Bildern im Kopf freien Lauf lässt, spukt er den ganzen Tag lang mit verschmitztem Lächeln in ihrem Verstand herum.

Zum Kuckuck ist das furchtbar.

Die Wunde verheilt langsam und Maria braucht nur noch ein Pflaster, um die abheilende Haut zu schützen. Das bedeutet, dass sie bald wieder zum Sport gehen kann. Mit ihren Freundinnen besucht sie regelmäßig Kurse und zwischen den Mädchen und einigen der dort angestellten Trainer hat sich über die Zeit ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt.

Warum auch nicht, denn gerade ihr Tae-Bo-Coach Peter Sanders ist nicht nur äußerst zuvorkommend, sondern zudem ein wirklicher Augenschmaus.

Beim Gedanken an ihn schmunzelt Maria, während sie vom Campus in Richtung U-Bahn schlendert. Jede Menge Studenten stehen in kleinen Grüppchen beieinander, lachen und unterhalten sich lautstark, als sie sich etwas an den Rand des Bahnsteiges stellt, um auf ihre Bahn zu warten.

»Hey!« Erschrocken fährt sie zusammen. Sie dreht sich um und starrt erstaunt zu Neo hoch, der sie verlegen anlächelt. »Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.«

»Hast du aber«, brummt sie ihn an, doch bei seinem Anblick wird ihr ganz warm ums Herz.

»Wie geht es deinem Bein?«

Misstrauisch runzelt sie die Stirn. »Soweit ganz gut.«

Einen beklemmenden Moment herrscht Schweigen zwischen ihnen, bevor Neo sich räuspert. »Also wegen der Sache ... Ich wollte nur sagen, dass das blöd war.«

»Ach, wirklich?«

»Ja. Ich hätte mich nicht so verhalten dürfen.« Er verzieht zerknirscht den Mund. »Ich war nur ...«

Neugierig runzelt Maria die Stirn. »Du warst nur was?«

Neo neigt den Kopf ein wenig zur Seite und sieht sie mit einer Mischung aus Reue und Unverschämtheit an. »Fasziniert.«

Verwirrt starrt Maria ihn an. »Du warst fasziniert?«

»Ja. Von dir.« Dabei bohrt sich sein goldfarbener Blick in ihren und sie schluckt schwer. Er sieht wirklich gut aus, mit den scharfgeschnittenen Gesichtszügen, dem verwegenen Lächeln und der natürlichen Selbstsicherheit, die er ausstrahlt. Sie hat keine Ahnung, wie sie auf seine Aussage reagieren soll, daher tritt sie unsicher von einem Fuß auf den anderen. Bislang hat ihr noch niemand gesagt, er sei ›fasziniert‹ von ihr.

»Um dir zu zeigen, dass ich mich ernsthaft bei dir entschuldigen möchte, wollte ich fragen, ob du mit mir einen Kaffee trinken gehst?«

Maria öffnet den Mund, klappt ihn allerdings gleich wieder zu und starrt ihn kritisch an, bevor sie antwortet. »Kaffee trinken?«

»Nur Kaffee trinken.« Mit einem schiefen Grinsen stopft er die Hände in die Hosentaschen.

Einen Augenblick zögert sie. Innerlich jubiliert sie jedoch, obwohl sie eigentlich nicht vor hatte, so schnell nachzugeben. Aber seine Entschuldigung wirkt ehrlich und er erweckt nicht den Eindruck, dass er hier irgendeine blöde Show abzieht. Sie strafft die Schultern und sieht ihm fest in die Augen. »Na schön. Wir gehen Kaffee trinken.«

Zu ihrer Verwunderung huscht ein erleichterter Ausdruck über Neos Gesicht und sie fragt sich, ob er ernsthaft gedacht hat, sie würde ›Nein‹ sagen.

»Cool. Wie wäre es mit morgen Nachmittag? Ich kann dich abholen.«

»Klingt gut.« Jetzt stiehlt sich ein scheues Lächeln auf ihre Lippen, an dem sein Blick hängen bleibt.

»Okay, dann bin ich morgen um 16 Uhr bei dir.«

»In Ordnung.« Ihre Stimme klingt mit einem Mal belegt und ihre Wangen glühen. Hat sie gerade einem Date zugestimmt?

Ist doch ein Date, wenn man von einem Kerl zum Kaffee eingeladen wird, oder?

Ihre Bahn fährt in diesem Augenblick ein. Sie hebt die Hand zum Gruß, bevor sie einsteigt und Neo beobachtet, der weiterhin auf dem Bahnsteig steht und sie anstarrt. Ihre Blicke bleiben aneinanderkleben, bis die Bahn losfährt und mit einem Seufzer lässt sich Maria auf einen der freien Plätze sinken. In ihrer Brust rumort ein irrwitzig lebhaftes Gefühl, das sie beflügelt. So, als hätte sie im Bauch einen Schwarm bunter, tobender Schmetterlinge.

 

Das erste Date

Nervös starrt Maria zum wiederholten Male auf die Uhr. Quälend langsam vergeht die Zeit, in der sie auf ihn wartet. Im Geiste geht sie all die guten Ratschläge ihrer Freundinnen durch, die aufgeregt wie ein Haufen quiekender Meerschweinchen um sie herum gewirbelt waren, als sie ihnen von der Einladung zum Kaffee trinken berichtete.

Die Schatten der Vergangenheit lugen zwischen dem pinken Zuckerwattegefühl hindurch und warnen sie vor einer herben Enttäuschung, nur scheint die Aufregung größer zu sein und sie kann die Schatten verdrängen.

Als endlich die Klingel erlösend schellt, muss sie sich das euphorische Grinsen verkneifen, das sie heimsucht, während sie die Wohnungstür öffnet, um auf ihn zu warten.

Ihr erstes echtes Date. All die Tipps ihrer Freundinnen rotieren in ihrem Hirn herum, und einen Augenblick lang breitet sich Panik in ihr aus.

Was, wenn sie es nicht hinbekommt?

Was, wenn sie etwas Dummes sagt?

Was wenn ...

Neo steht mit einem Mal vor ihr und sie starrt ihn unverhohlen an. Seine blonden Haare sehen aus, als wäre er gerade erst aufgestanden, fallen ihm wirr in die Stirn und geben ihm einen verruchten Touch. Auf anziehende Weise wirkt er irgendwie mysteriös – fast gefährlich.

»Schön dich zu sehen.« Beim Klang seiner vollen, warmen Stimme muss sie schlucken.

»Hi«, bringt Maria mühsam zu Stande. Sein Outfit wirkt lässig, genau wie seine Haltung, was sie etwas einschüchtert. In ihrer Jeans mit der blau-weiß gestreiften Bluse kommt sie sich neben ihm bieder und altbacken vor, doch sie kann sich jetzt nicht erneut umziehen – das wäre peinlich. Also lächelt sie ihn schüchtern an, nimmt ihre Tasche und Jacke, um ihm die Treppe herunter zu folgen.

»Wie war dein Tag bisher?«, fragt er im Plauderton.

»Gut. Ich ...«

»Du musst nicht nervös sein.«

Sie runzelt die Stirn. »Ist das so offensichtlich?«

Sein freches Grinsen ist Antwort genug. »Ein wenig. Aber ich finde es ...«

»Peinlich?«

»Hinreißend.«

Erstaunt reißt Maria die Augen auf und merkt, wie ihre Wangen glühen. »Ich bin nicht sicher, was schlimmer ist.«

Neos Lachen klingt sexy, ein gelöster, dunkler Ton, der ihr etwas von der Anspannung nimmt. »Ich meine es ehrlich. Und falls es dir hilft: Ich bin auch nervös.«

»Ja, klar.« Ungläubig runzelt sie die Stirn. »Als wenn jemand wie du nervös wäre.«

Er hält ihr die Tür seines Wagens auf und Maria staunt nicht schlecht, als sie den schwarzen, tiefliegenden Sportwagen begutachtet, der einen großen Heckflügel hat und damit sehr stylisch wirkt. »Es kommt nicht oft vor, dass ich ein Mädchen zum Kaffeetrinken einlade.«

»Aha.« Weiter traut sie sich nicht zu fragen, und steigt schnell ein.

Als beide im Auto sitzen, bemerkt sie den angenehmen Geruch im Wagen: Ein holzig warmer Duft, gemischt mit einer Zitrusnote, der sich mit dem Ledergeruch vermischt. Neo fährt los und Maria betrachtet ihn verstohlen von der Seite.

Alte Zweifel flackern auf, doch sie verdrängt sie, so gut es geht.

»Wenn du mich weiterhin so anstarrst, werde ich noch rot.«

Ertappt reißt sie den Blick von ihm los und verflucht sich innerlich, ihn so offenkundig angestarrt zu haben. »Tut mir leid.«

»Muss es nicht.« In seiner Stimme liegt ein warmer Unterton. »Ist ja nicht so, als wenn es mir nicht schmeicheln würde, wenn ein bildhübsches Mädchen Interesse an mir zeigt.«