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Band 1, 2 und 3 können unabhängig voneinander gelesen werden! Ein Augenblick kann alles verändern ER will ihr angeschlagenes Unternehmen im Herzen Londons aufkaufen – SIE will es um jeden Preis retten. Beim ersten Meeting knistert es gewaltig zwischen den beiden, doch mit dem Feind anzubandeln, kommt nicht infrage, oder? Tash setzt alle schmutzigen Tricks ein, um zu bekommen, was er will. Allerdings geht ihm Elona unter die Haut und löst eine tiefe Sehnsucht in ihm aus, die er sich bislang nie zugestanden hat. Trotz allem stehen seine Freunde und ihre gemeinsame Firma an oberster Stelle, weshalb er Elona nach einer heißen Nacht von sich stößt – und sich selbst dafür hasst. Wie soll Elona dem Mann vertrauen, der ihr alles nehmen will, was ihr wichtig ist? Einem Mann, dessen Ruf als Weiberheld ihm vorauseilt und der ein düsteres Geheimnis hütet? Dennoch berührt er etwas in ihr, dem sie nicht widerstehen kann. Sie muss sich entscheiden: Hört sie auf die Vernunft oder das Herz …?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Leseprobe Band 2
Leseprobe Band 2
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Danksagung
Über Grace C. Node
© 2022 Alle Rechte vorbehalten, Heartcraft-Verlag
Landwiese 21, 35085 Ebsdorfergrund
Text: Grace C. Node
Lektorat und Gestaltung: Heartcraft Verlag
Bildlizenzen:
Natalie Hof – stock.adobe.com
For my Family
Für all diejenigen, die niemals aufgeben, nach der großen Liebe zu suchen!
Mir war speiübel und mein ganzer Körper zitterte wie Espenlaub. Der Anruf meiner Schwester riss mir das Herz heraus. Einen Augenblick sammelte ich mich, packte dann die Tasche und lief ins Büro meines Chefs, um mich für den Rest des Tages beurlauben zu lassen.
Die ganze Fahrt ins Krankenhaus verlief wie in Trance und ich musste mich zusammenreißen, um nicht noch einen Unfall zu bauen, so aufgewühlt, wie ich war. Begreifen konnte ich es nicht.
Erin lief vor dem Empfangstresen auf und ab, die Arme um den Körper geschlungen, das Gesicht bleich und die Schultern hochgezogen. Ich hasste Krankenhäuser. Durch die Glasscheibe der riesigen Notaufnahme starrte ich meine Schwester an, unfähig, mich zu bewegen. Ich wollte nicht dort rein. Wollte nicht sehen, was ich sehen musste. Als hätte sie mich gespürt, blickte sie auf und schaute mich direkt an.
Mist.
Mit einem tiefen Atemzug trat ich vor, die Türen schwangen auf und ich ging in den grell beleuchteten Eingangsbereich, in dem es nach Desinfektionsmittel und Krankheiten roch.
Ohne ein Wort zu sagen, fiel Erin mir um den Hals. Wir hielten uns einen Moment lang fest, dann löste sie sich von mir und räusperte sich.
»Bist du bereit?«
Wie könnte ich?
Stumm nickte ich und mir lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Nein, dafür war ich ganz und gar nicht bereit.
Erin griff meine Hand und gemeinsam gingen wir in den abgedunkelten Raum, aus dem leises Schluchzen drang, und mir brach es das Herz, als ich Dad neben dem Bett sah, der in sich zusammengefallen schien und die Hand meiner Mutter hielt.
Ich kann das nicht!
Meine Schwester spürte offenbar, dass ich am liebsten fliehen wollte, denn sie legte den Arm um mich und trat zu ihm.
»Sie ist hier, Paps. Elona ist hier.« Ihre Stimme hörte sich kratzig und fremd an.
Dad sah auf und ich fuhr erschrocken zusammen. Der stolze und aufrechte Mann, der immer einen Scherz auf den Lippen hatte und mein Fels in der Brandung war, schien verschwunden. Vor mir saß ein gebrochener Ehemann, der alles verloren hatte, was ihm je wichtig gewesen war.
»Sie … ist fort. Einfach so.« Unter den Schluchzern verstand ich ihn kaum und schlug die Hände vor den Mund. Was sollte ich sagen? Wie mich verhalten?
Ich brachte nicht den Mut auf, den Körper auf dem Bett anzusehen.
NEIN!
»Paps, ich …« Mir versagte die Stimme und hilflos schlang ich die Arme um seinen Hals. Erin hatte sich auf das Bett gesetzt und starrte fassungslos auf den leblosen Körper unserer Mutter. Unter Aufbietung all meiner Beherrschung folgte ich ihrem Blick und keuchte erschrocken auf. Das schöne Gesicht glich einer wächsernen Maske, die unwirklich plastisch aussah, nicht mehr menschlich.
Dann kamen die Tränen.
3 Jahre später
Voll bepackt stapfte ich zum Bäcker, um mir meinen morgendlichen Kaffee und ein Brötchen zu holen. Mein Stammplatz am Fenster in der Ecke war frei und ich ließ mich auf den Stuhl fallen, klappte den Laptop auf und checkte die E-Mails.
»Guten Morgen, Ms. Steel. Wie immer?«, begrüßte mich die Verkäuferin freundlich, die ich seit Kindertagen kannte, und ich lächelte sie an.
»Guten Morgen, Bess. Ja, wie immer.« Hier gab es einen guten Kaffee, frische Brötchen und himmlische Croissants, und da ich morgens jede Minute brauchte, um wach zu werden, schaffte ich es nie, mir zu Hause ein ordentliches Frühstück zuzubereiten. Also holte ich mir meinen Energieboost hier.
Das Projekt, an dem ich gerade arbeitete, lief gut und ich stellte zufrieden fest, dass wir voll im Zeitplan waren.
Großartig!
»Hier, Süße, frisch aus dem Ofen und noch warm.« Bess, die Kellnerin, stellte mir den dampfenden Milchkaffee sowie ein Buttercroissant mit Kirschmarmelade auf den Tisch und legte die Tüte mit dem Brötchen daneben. Dankbar grinste ich sie an, denn sie kannte meine Vorliebe für das buttrig nussige Aroma der sündigen Croissants, die sie hier machten.
»Hmm, es duftet himmlisch«, schwärmte ich, rupfte ein Stück ab und schob es genüsslich in den Mund.
»Es tut mir sehr leid. Das ist wirklich eine Schande«, vernahm ich Bess neben mir und irritiert blickte ich zu ihr hoch.
»Wie bitte? Was meinst du?«, fragte ich mit vollem Mund, bemüht, den Bissen hinunterzuschlucken.
»Das mit der Firma. Ich will mir nicht ausmalen, wie es Mr. Steel jetzt gehen muss. So viele Menschen, die ihren Job verlieren werden. Eins der letzten familiengeführten Unternehmen in London – und dann das.« Perplex starrte ich Bess mit offenem Mund an.
Wovon zum Teufel redete sie da bloß?
»Ich verstehe nicht …«
Ein Schatten huschte über ihr rundes Gesicht und in ihre Augen trat blankes Entsetzen, als habe sie etwas Schreckliches gesehen.
»Ähm, oh … ich – also das … weißt du, es ist …«
Jetzt war meine Neugier geweckt und ich fixierte sie mit prüfendem Blick. »Bess, wovon zum Kuckuck redest du da?« Sie trat nervös von einem auf den andern Fuß und schaute hektisch zur Theke, an der ihre Chefin gerade eine Dame bediente.
»Nichts. Ich … entschuldige mich.« Hastig lief sie davon und ließ mich mit einem riesigen Fragezeichen allein.
Ich zückte mein Smartphone und wählte Dads Nummer, landete allerdings sofort auf seiner Mailbox. Dann rief ich im Büro an, doch bekam nur Mrs. Fuller, seine Sekretärin, ans Telefon.
»Guten Morgen, Elona. Es ist ewig her. Was verschafft mir die Ehre?«
»Guten Morgen, das stimmt. Sie wissen ja, viel zu tun – das Übliche. Sagen Sie, ist mein Vater da?«
Ihr Räuspern machte mich stutzig. »Nun, es ist … er ist noch nicht im Büro.« Erstaunt blickte ich auf die Uhr – 8:30.
Seltsam.
»Hat er einen Auswärtstermin?«
»Äh, nein«, antwortete sie leise und ihr Zögern machte mich nervös.
»Wo zum Henker ist er dann?«
»Ich – weiß es nicht.«
»WAS? Wieso …?« Panik stieg in mir auf.
Wenn ihm was passiert ist?
Nein, dann hätten sie mich längst informiert.
Was war hier los?
»Elona, ich wusste nicht … es wäre wohl an der Zeit, dass
Sie vorbeikommen.« Mrs. Fuller hörte sich mitgenommen und erschöpft an und das war so gar nicht ihre Art, denn sie sprühte sonst vor Enthusiasmus und Engagement.
In Windeseile packte ich alles zusammen, zahlte und rauschte aus der Bäckerei zum Auto.
Als ich wenig später auf dem Parkplatz der Steel Leather Manufacture stand, fiel mir sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Keiner der LKWs war beladen, es waren keine Paletten an den Rampen und der Hof wirkte wie ausgestorben.
Wo waren die alle?
Eigentlich hatte ich keine Zeit für diesen Mist, denn ich musste in zwei Stunden eine Präsentation für einen Kunden vorbereitet haben, doch mein Bauchgefühl sagte mir, das hier war wichtiger.
Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich aus und ging direkt zum Büro meines Vaters hoch, das in dem altehrwürdigen, rot verklinkerten Backsteingebäude mit den großen Sprossenfenstern das Herzstück und die Schaltzentrale des Familienunternehmens Steel Leather Manufacture war. Eine unheimliche Stille empfing mich und ich beeilte mich, den langen Flur zum Büro entlangzulaufen. Mrs. Fuller kam mir entgegen und bei ihrem Gesichtsausdruck blieb mir fast die Luft weg.
»Ich dachte, er hätte es Ihnen gesagt.«
»Was meinen Sie?«
»Die Firma – es ist eine Katastrophe. Er wollte keine Hilfe annehmen. Ich wusste nicht, dass er sich so verschlossen hat. Es tut mir unendlich leid.«
Auf seinem Schreibtisch türmten sich Akten und Papiere. Völlig untypisch, da hier immer Ordnung herrschte. Mrs. Fuller deutete auf einen wichtig aussehenden, mehrseitigen Brief. Der Inhalt zog mir den Boden unter den Füßen weg und ich sank entsetzt auf den Sessel.
Ich wählte Erins Nummer, die zum Glück sofort dranging.
»Mit dir hätte ich so früh nicht gerechnet«, gähnte sie und ich verdrehte die Augen.
»Komm sofort in die Firma zu Dad.«
»Wieso? Ich hab gleich einen Frisörtermin und bin mit Ashley zum Brunch verabredet. Kann das nicht warten?«
»Erin, schwing deinen Hintern hierher. Es ist wichtig«, zischte ich angespannt ins Telefon und hörte, wie sie fluchend aufstand.
»Was soll denn sein, verdammt?«
»Wir sind pleite!«
Der Rückflug nach London dauert gefühlt eine Ewigkeit, aber wir kommen mit einem fetten Deal in der Tasche zurück. Wie angekündigt. Wade wird eine Menge Papierkram erledigen müssen, doch der Irre wird fürstlich dafür entlohnt. Ryan gähnt neben mir und streckt die Beine aus. Es waren zähe Verhandlungstage, doch es brachte uns ein Sahnestück mitten in New York ein.
»Was machst du heute Abend?« Ryan fährt sich mit der Hand über das Gesicht.
»Außer Sport nichts mehr. Warum? Willst du um die Häuser ziehen?«, grinse ich ihn an und wackele mit den Augenbrauen. Er winkt wie zu erwarten ab.
»Du solltest wirklich mal wieder eine Frau flachlegen. Ehrlich.«
Ryan rollt mit den Augen und sieht mich wütend an. »Nur weil ihr beide euch durch die Betten halb Londons vögelt, muss ich das noch lange nicht, Alter.«
Ich zucke mit den Schultern, flippe durch meine E-Mails auf dem Smartphone und bleibe an einer Nachricht über ein interessantes Objekt mitten in London hängen.
»Hey, wusstest du, dass eines der alten Fabrikgelände als Option offen ist?«
Neugierig setzt sich Ryan auf. »Nein, das ist mir neu. Seit wann?«
»Kam gestern rein. Durch die Zeitverschiebung hab ich es erst jetzt gesehen.«
»Wo genau ist das?«
»Herzstück, mit Lagerhallen und Bürokomplex, einem riesigen Hinterhof, Laderampen und zur Straße hin gibt es Wohneinheiten. Zwei Zufahrten, sanierungsbedürftig. Wäre perfekt.« Verschlagen grinse ich ihn an, denn in der Mail steht, dass sie bereits einige Monate im Verzug sind, was bedeutet, dass Gehälter nicht mehr gezahlt werden und sich die Banken seit drei Monaten sicher schon querstellen. Perfekt für uns.
»Schick’s mir rüber, ich prüfe es.« Mit einem angefixten Funkeln in den Augen zwinkert er mir zu, ich leite ihm das neue Projekt weiter und Ryan versinkt sofort in den Details. Darin ist er brillant.
Als ich im Auto sitze, rufe ich Mum an, danach quatsche ich mit Wade, der bereits alles für die Übernahme in New York eingestielt hat. Das wird uns einen Haufen Kohle einbringen.
»Was ist mit dem London-Projekt?«, hakt Wade nach, denn er hat sich schon gedacht, dass ich mich nach New York direkt auf den nächsten Deal stürzen werde. Es ist nie genug. Und Wade ist ein erfolgsverwöhnter Bastard, dem Kohle und Macht über alles gehen.
»Ryan checkt die Details. Die Lage ist genial und die Größe – Mann, da können wir ein richtiges Prestigeding draus machen. Die Luxusappartements, die wir im Kopf hatten, weißt du noch? Mit eigenem Spa, einem Healthcenter, Ärzten, Fitness et cetera und jeder Menge Spielfläche für die Schönen und Reichen Londons.«
»Klingt toll. Habt ihr schon einen Zeitplan?« Er ist sofort dabei, denn wenn wir das umsetzen, was wir vor einem Jahr geplant hatten, ohne bisher ein passendes Grundstück gefunden zu haben, tja, dann wird das unsere Kasse ordentlich füllen. Es wäre DER Deal.
»Noch nicht. Hab es grade erst gesehen. Schaufel dir schon mal die nächsten Tage frei, damit wir uns die Zahlen mit Ryan ansehen können.«
»Geht klar, Mann. Hey, wollen wir heute ein paar Ladys klarmachen?« Ich sehe förmlich sein berüchtigtes Grinsen vor mir, vor dem kein Höschen sicher ist, und schnaube belustigt.
»Ist zwar schon ein paar Tage her, dass ich eine Frau zum Schreien gebracht habe, aber ich muss noch ins Büro und danach bei meiner Mum vorbei.«
»Tja, dein Pech, bleiben mehr Muschis für mich«, lacht er dreckig und wir verabreden uns für den nächsten Tag zum Lunch.
»Du siehst abgekämpft aus, Junge.« Besorgt legt mir Mum die Hand an die Wange und ich küsse sie auf die Stirn.
»Keine Sorge, ist nur die Zeitverschiebung. Der New-York-Deal war ein riesen Erfolg, und in London steht der nächste an.« Sie sieht mich liebevoll an und ich weiß, dass sie an Dad denkt.
Fuck!
Jedes Mal vergleicht sie mich in Gedanken mit ihm und jedes Mal zerreißt es mich fast, obwohl es schon zwölf Jahre her ist, dass Dad verunglückt ist.
»Dein Vater wäre so stolz auf dich, Tash.« Schweigend nicke ich und wir nehmen im Wintergarten Platz, der an den parkähnlichen Garten grenzt, den sie so sehr liebt.
»Wie lange bleibst du diesmal zu Hause? Ich habe das Gefühl, dich kaum noch zu sehen, so viel arbeitest du«, rügt sie mich mit einem milden Lächeln und ich bin mir sehr wohl bewusst, dass da etwas Wahres dran ist. In meinem Alter war mein Vater bereits verheiratet, hatte Nachwuchs und war Boss eines millionenschweren Großunternehmens, das er aus dem Nichts aufgebaut hatte. Seine Firma steuerte weltweit Sanierungsprojekte und kaufte marode Firmen auf, um sie nach Restrukturierung an den Meistbietenden zu verkaufen. Eine Goldgrube. Mein Verdienst reicht gerade dahingehend, dass ich aus den Millionen pro Jahr fast eine Milliarde gemacht habe – schöne Steigerungsrate. Meine Mutter kümmert sich um all die Wohltätigkeitsgalas, Spendenbälle und den ganzen Mist und liegt mir seit Jahren in den Ohren, wann ich sie endlich mit Enkelkindern beglücken würde. Das wird allerdings nicht passieren.
»Tash, du hörst ja gar nicht zu.« Ihre Stimme reißt mich aus den Gedanken meiner Vergangenheit.
»Entschuldige, Mum. Scheint, als wäre ich doch etwas platt.«
Mit einer hochgezogenen Augenbraue mustert sie mich mit kritischem Blick und schüttelt den Kopf. »Ich wollte dich nur an die Gala nächste Woche erinnern. Das wäre eine gute Gelegenheit, den Bürgermeister und die Funktionäre zu treffen. Ach, und die Bankvorstände und einige Parlamentarier werden auch kommen.«
»Mum, du weißt, wie sehr ich diese Veranstaltungen hasse.«
»Ja, doch du bist derjenige, der das Unternehmen leitet. Also tu deiner Mutter den Gefallen und komm dazu, rede mit den Leuten und amüsier dich zur Abwechslung mal bei der Arbeit«, erinnert sie mich an die lästige Verpflichtung, dort aufkreuzen zu müssen. Es sind weniger die Businessgespräche, die mich nerven, denn die versprechen lediglich, meine Geschäfte schnell und unkompliziert abwickeln zu können. Was mich kolossal nervt, sind die Verkupplungspläne meiner Mutter und ihrer reichen Freundinnen. Ein dutzend Mal fand ich mich unfreiwillig in Begleitung einer reichen Schnepfe wieder, die mir den Abend die Ohren vollgesäuselt hat, wie scharf sie auf mich ist, und das sicher nicht ausschließlich wegen meiner hübschen Augen, sondern mehr wegen meiner Kohle.
Aasgeier.
Einmal hat mir gereicht. Ich werde mich nie wieder von einer Tussi derart ficken lassen.
»Schon gut. Ich werde mit Ryan kommen. Wir müssen uns eh mit den Banken zusammensetzen und uns für das neue Projekt etwas überlegen.« Zufrieden ruht ihr Blick auf mir, denn sie hat sicherlich bereits im Hintergrund eine willige, heiratswütige Tussi im Kopf, die sie mir vorstellen wird. Bislang habe ich mich erfolgreich gegen all ihre Versuche gewehrt und das wird auch so bleiben. Wades Idee mit den Muschis kommt mir plötzlich sehr verlockend vor.
Lunch
»Wer hat dir eigentlich den Tipp gegeben?«, fragt Wade, der sich grinsend nach der rothaarigen Kellnerin umsieht, die uns gerade bedient hat. Immer auf der Jagd nach der nächsten Trophäe.
»Das ist das Seltsame. Terry hat mir eine Mail mit den Infos geschickt und gesagt, sie hätten einen anonymen Brief in der Post mit all den Details und einem Terminvorschlag gefunden. Weiß der Henker, woher, aber soll uns nicht stören. Wichtig ist, wir haben die Kontaktperson und wir werden den anberaumten Termin direkt bestätigen. Ich will so schnell wie möglich einen Ansatzpunkt bei dem Inhaber finden.«
»Geht klar. Wenn die wirklich schon mit dem Rücken zur Wand stehen, sollte es ein Klacks sein. Ich checke mal die Besitzverhältnisse und versuche, über meinen Kontakt was von dem Eigentümer rauszubekommen.«
Zufrieden nicke ich ihm zu und erzähle ihm von der Gala.
Müde winkt er ab.
»Viel Spaß beim Spießrutenlauf, Alter.«
»Keine Sorge, Ryan wird mitkommen. Er weiß nur noch nichts von seinem Glück.«
Schnaubend lehnt er sich zurück. »Wie geht es deiner
Mum?«
»Abgesehen über die Sorge des Fortbestandes der Montgomerys, wie üblich«, knurre ich genervt und weiche seinem amüsierten Blick aus.
»Du hast mein tiefstes Mitgefühl.«
»Hey, Leute.« Ryan schneit zu uns an den Tisch und anhand seines Gesichtsausdrucks kann ich ablesen, dass er gute Neuigkeiten mitbringt.
»Hey, Mann, wie sieht’s aus?«
Wade macht ihm etwas Platz und mein Cousin holt sein Tablet hervor.
»Scheint ein wirkliches Schnäppchen zu sein. Und wenn sich die Zahlen bestätigen, wird es uns auf dem Silbertablett serviert«, eröffnet er uns und ich reibe mir innerlich die Hände, da wir mit unserem Konzept ein Vermögen machen werden.
»Gibt es schon einen Termin?«, fragt Ryan und winkt der Kellnerin, um seine Bestellung aufgeben zu können.
»Terry meinte, diese Woche Donnerstag. Dann lasst uns essen. Ich hab einen Bärenhunger.«
Erin starrt fassungslos auf die Mahnungen der Banken, die sich in einem Schuhkarton auf dem Schreibtisch gesammelt vor der Wahrheit verstecken wollen. Mrs. Fuller schnieft in ein Taschentuch, denn sie ist von dem Ausmaß des Desasters, das wir vorgefunden haben, erschüttert.
»Und er hat nichts gesagt?«, frage ich zum gefühlt hundertsten Mal, obwohl ich die Antwort bereits kenne.
»Nein, nichts«, beteuert sie leise und holt zittrig Luft. »Einige der Mitarbeiter waren zwar in den letzten Wochen öfter hier oben, aber Sie kennen ja Ihren Vater. Er schaffte es, alle zu beruhigen … und na ja, keiner traute sich wirklich, auf den Tisch zu hauen – wegen Mrs. Margret.«
Meine schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich damit. Dad hat Mums Tod nie wirklich überwunden. Und das Ergebnis ist der Bankrott der Firma. Der sture Esel ließ sich nie helfen oder hat Erin oder mich an sich herangelassen. Mürrisch und eigenbrötlerisch wurde er und hat sich von uns nur zu den zwingend erforderlichen Geburtstagen oder Feiertagen besuchen lassen. Ich gebe zu, auch ich war froh, mit mir und der Trauer allein fertig werden zu können, doch dass es so dramatisch um ihn steht, haut mich um.
»Wie um alles in der Welt kann das so lange nicht auffallen?«, fragt sich Erin angespannt und lässt den Blick durch das Büro schweifen. »Mum würde ihm den Kopf abreißen. Sieh dir nur das ganze Chaos hier an. Sie hatte immer eine strikte Ordnung gehalten und jetzt herrscht hier nichts als ein riesiger Saustall.«
Sie trifft damit einen entscheidenden Punkt. Mum hat die Bücher geführt, die Aufträge an Land gezogen und sich um die ganze Organisation gekümmert. Dad war für die Produktion verantwortlich und hat wenig Talent für Kundengespräche oder die penible Planung der Budgets. Dafür hatte er einen Blick für die richtig gute Ware und war Experte in Sachen Leder und dessen Verarbeitung. Ob handschuhweich, naturgewachsen, unbehandelt oder veredelt – es gab nichts, was er nicht hinbekam. Zusammen waren sie ein absolutes Dreamteam.
»Wir müssen rauskriegen, wie schlimm es wirklich ist. Ohne einen konkreten Überblick haben wir keine Chance, einen vernünftigen Plan aufzustellen«, werfe ich ein und Mrs. Fuller nickt zustimmend, während sich meine Schwester bereits einen der Ordner schnappt und sich in die Sitzecke verzieht.
»Können Sie nochmal versuchen, Dad zu erreichen?«, frage ich Mrs. Fuller, die dankbar über eine Aufgabe sofort an ihren Platz rauscht.
»Hör zu, ich mache eine Aufstellung mit allen Punkten, die wir benötigen, und eine Liste mit den Banken, Gläubigern und so weiter. Dann lassen wir uns die Unterlagen geben – falls das überhaupt möglich ist – und machen diese Woche die wichtigsten Termine«, schlage ich Erin vor, die mich ansieht und stumm nickt.
Den Rest der Woche habe ich mir freigenommen, was meinem Chef gar nicht passte – aber was soll ich machen? Die Existenz von Steel Leather Manufacture steht auf Messers Schneide und damit der ganze Stolz der Familie. Mein Großvater hat die Firma aufgebaut, mit Aufträgen der Flug-, Möbel- und Automobilindustrie, und Mum hat mit ihrer Hingabe für feinstes Leder und ein gutes Gespür fürs Geschäft das Ganze richtig groß gemacht. Wir sind sogar international bekannt – zumindest waren wir das mal.
Wie konnte Dad das nur zulassen?
»Ach, Ms. Elona, da war eine Firma am Telefon, die den Termin wegen des ausgeschriebenen Angebots bestätigt hat.«
Wie von der Tarantel gestochen springt Erin auf und gemeinsam stürmen wir zu Mrs. Fuller.
»Was denn für ein Angebot?«, hake ich nach.
»Es scheint, als habe Ihr Vater vor, die Firma zu veräußern.«
»Das kann er nicht machen! Mum würde ausrasten. Es ist unsere Firma. Ich glaub das alles nicht!« Erin ist stocksauer und stapft wütend vor dem Schreibtisch auf und ab, hinter dem Mum immer gesessen hatte und zuletzt unser Vater.
»Und wenn es so schlimm ist, dass es eine Überlegung wert ist?«, gebe ich zu bedenken, obwohl mir bei dem Gedanken daran ganz schummerig wird.
»Hast du den Verstand verloren, Elona Steel? Es ist das Vermächtnis der Steels. Grandpa hat sich den Arsch aufgerissen und Mum hat das Unmögliche geschafft. Und jetzt soll das alles Geschichte sein? Nein! Auf keinen Fall können wir das zulassen.« Ihre Augen sprühen Funken und ihre Wangen sind gerötet, so sehr echauffiert sie sich über das Desaster.
»Du warst doch noch nie darüber begeistert, dich um die
Firma kümmern zu müssen.«
Verflixt!
Kein guter Zeitpunkt, um in alten Wunden zu stochern, doch auch meine Nerven liegen blank. Mit einem hasserfüllten Blick fährt sie zu mir herum und deutet mit dem Zeigefinger auf mich.
»War ja klar, dass du ausgerechnet jetzt mit dem alten Scheiß um die Ecke kommen musst. Wir stecken bis zum Hals in der Krise und du kommst mir jetzt damit?«
Es steht schon immer zwischen uns, dass Erin, meine ältere, bildhübsche Schwester, das Rampenlicht in vollen Zügen genießt und durch ihr atemberaubendes Äußeres eine Karriere als Leinwanddiva erträumt hat, anstatt sich für unser Unternehmen zu begeistern. Nach der Schule hatte sie einige lukrative Werbeshootings, drehte mehrere TV-Werbespots und wurde als das neue Gesicht für diverse Kosmetikprodukt gehandelt. Ihr damaliger Manager versprach ihr die große Karriere als Filmstar und sie glaubte ihm nur zu gerne. Sie war wirklich gut, doch ihr Manager und späterer Verlobter war ein Abzocker und Schürzenjäger der übelsten Sorte. Trotz aller Warnungen verlobte sie sich mit ihm. Er verstrickte sich immer mehr in widersprüchlichen Aussagen zu den anstehenden Filmprojekten, für die sie vorsprach, Deals platzten und einen Tag vor der Hochzeit ließ er Erin mit gebrochenem Herzen, einem leergeräumten Bankkonto und einem nicht erfüllten Hollywoodtraum sitzen.
Seitdem verachtet sie die Männer und hat sich völlig zurückgezogen, aus Angst vor Häme und Spott über die verpatzte Karriere als Model und Superstar. Zu der damaligen Zeit hat sie sich nie um das Familienunternehmen geschert, sondern nahm nur den monatlichen Scheck gerne an. Ich habe mich dafür sehr für unsere Sattlerei interessiert, wie alles von Grandpa aus dem Nichts aufgezogen wurde und wie nach und nach die Aufträge größer wurden. Zu verstehen, wie der ganze Prozess funktioniert, hat mich sehr fasziniert, und Mum und Dad waren stolz, dass wenigstens eine Tochter in ihre Fußstapfen treten wollte. Mit Mum sprach ich über die Firmenzukunft, doch wir waren uns einig, dass ich erst mein Studium beenden und Erfahrungen in anderen Unternehmen sammeln sollte, bevor ich mich dem Familienbusiness widmen würde. Nach ihrem Tod lief alles aus dem Ruder, Dad hat sich zurückgezogen, ich war dankbar, am anderen Ende der Stadt einen gutbezahlten Job zu haben und meine eigenen Wunden zu lecken. Ein riesiger Fehler, wie sich nun rausstellt.
»Wenn du weniger damit beschäftigt gewesen wärst, dich zu verkriechen, anstatt mal nach Dad zu sehen, würden wir uns jetzt nicht in dieser Situation befinden«, schieße ich zurück.
»Ach ja? Nur weil du ein Studium und alles gemacht hast, was Mum von dir verlangt hat, ohne eine eigene Idee vom Leben zu haben, bin ich nun schuld an dem Drama hier? Typisch Elona – immer die Vorzeigetochter raushängen lassen. Zum Kotzen«, giftet sie mich an, rauscht aus dem Büro und knallt die schwere Tür hinter sich zu, dass die Wände wackeln.
Resigniert lasse ich den Kopf hängen und versuche, nicht auszuflippen. Dramatische Auftritte sind ganz nach Erins Geschmack und im Laufe der Jahre hat sie sie perfektioniert. Mrs. Fuller steckt vorsichtig den Kopf zur Tür herein und ich winke sie zu mir. »Ist alles in Ordnung?«, fragt sie zaghaft.
»Kommen Sie rein. Ja, es ist nur … wir sind nur beide geschockt. Und Erin ist …«
»Ich versteh schon. Soll ich Ihnen einen Tee machen?«
Dankbar nicke ich und mache mich an die Liste der Unterlagen, sortiere die offenen Posten und lasse mir die Namen und Telefonnummern der Banker geben, mit denen wir seit jeher zusammen arbeiten.
»Geben Sie mir bitte die Nummer von Sir Malcom Cliffort«, rufe ich und eine Minute später steht Mrs. Fuller vor mir und hält mir die elfenbeinweiße Visitenkarte des Juristen und langjährigen Freundes meines Vaters unter die Nase.
»Er hat immer versucht, an Ihren Vater heranzukommen. Es tut mir wirklich leid. Hätte ich geahnt, wie schlimm es tatsächlich ist, hätte ich …«
»Machen Sie sich keinen Vorwurf. Es scheint, als hätten wir alle kläglich versagt«, winke ich ab und sie sieht mich mitleidig an. »Ich werde nicht zulassen, dass es so endet.« Damit wähle ich die Nummer von Sir Malcom, in der Hoffnung, er könne etwas Licht ins Dunkel bezüglich des ominösen Termins bringen, der für Donnerstagvormittag bei uns im Büro anberaumt wurde.
»Ms. Elona, unter diesen besonderen Umständen würde ich gerne morgen früh direkt zu Ihnen kommen. Wissen Sie, wo Howard ist?« Sir Malcom klingt angespannt, so als würden sich seine schlimmsten Befürchtungen mit meinem Anruf für ihn bestätigen und das wiederum versetzt mich in helle Aufregung.
»Ehrlich gesagt: Er ist verschwunden. Keiner hat ihn seit gestern gesehen. Und ans Telefon geht er auch nicht«, seufze ich und kneife mir in die Nasenwurzel, um den Anflug der Kopfschmerzen zu unterdrücken.
»Der verrückte alte Mistkerl. Oh – entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Ms. Elona. Aber ich habe ihm damals schon geraten, jemanden in die Geschäftsleitung zu holen, der ihm den ganzen Bürokratiemist abnimmt, den er so hasst. Aber stur wie er ist, wiegelte er all meine Empfehlungen ab.«
»Verstehe.« Einzig meine Mum konnte ihn einfangen. Eine Katastrophe. »Sagen Sie, was genau ist das für ein Termin, den wir am Donnerstag mit … wie heißt die Firma gleich?«
»M & B Trading – Ein Konzern, der spezialisiert ist auf den Kauf von Firmen jeglicher Art, die in Schieflage geraten sind. Neben Sanierungen und Restrukturierungsprojekten, bei denen sie eine Menge Geld machen, sind sie auf den Grundstückskauf in Metropolen konzentriert, da dort das Bauland knapp und teuer ist.«
»Das heißt, sie kaufen etwas für einen Dumpingpreis, um es dann für teures Geld an den Meistbietenden zu veräußern?« Bei der Vorstellung wird mir schlecht.
»Sehr präzise auf den Punkt gebracht. Die Strategie ist bemerkenswert und sie haben einen wahren Spezialisten im Bereich der Steuerschlupflöcher und sind extrem gut vernetzt.«
Mir schnürt es die Kehle zu.
Mit diesen Aasfressern soll ich mich an einen Tisch setzen?
»Können wir den Termin nicht verschieben? Ich brauche mehr Zeit für die Vorbereitung. Wenn wir …«
Sein Seufzen deutet nichts Gutes an. »Strategisch wäre das kein gutes Signal.« Wie erstarrt kralle ich den Telefonhörer fest und schließe die Augen. »Solche Verhandlungen dauern in der Regel mehrere Wochen, teils Monate. Ich bin mir sicher, mir fällt einiges ein, um das Ganze in die Länge zu ziehen, wenn es so weit ist. Lassen Sie uns den Termin abwarten und dann können wir uns um die bestmögliche Strategie kümmern.«
»Aber das Geld. Wir … es ist nichts mehr da, oder?« Fast versagt mir die Stimme, als ich die Frage stelle, vor der mir am meisten graut.
Einen Moment herrscht am andern Ende der Leitung Stille. »Ich habe nicht alle Zahlen vorliegen, aber … ja, die Banken haben alles eingefroren, da die Kredite seit einiger Zeit nicht mehr bedient werden. Und die Aufträge, nun, die sind ausgeblieben.«
»Aber wir hatten doch die …«
»Ich weiß. Offenbar hat Ihr Vater alles schleifen lassen. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, doch seit der Tragödie mit Ihrer Mutter hat er sich und alles andere aufgegeben.«
»Warum hab ich das nicht gesehen? Wieso hat er nichts gesagt?«
»Nun, Howard ist ein verrückter, alter Bastard und hat schon immer nichts auf die Meinung anderer gegeben. Nur Margret, Ihre Mutter, hatte die Gabe, ihn in die richtige Richtung zu schupsen. Selbst mir hat er sich nicht anvertraut.«
»Gibt es eine Chance? Egal wie klein – aber ist es möglich, die Firma zu retten?« Mit angehaltenem Atem starre ich auf das Bild meiner Mutter, das auf dem Schreibtisch steht.
»Ehrlich gesagt, nein.« Sir Malcom holt tief Luft und ich schließe gequält die brennenden Augen. »Das Einzige, was wir tun können, ist Schadensbegrenzung. So hart es klingt, aber mehr sehe ich im Augenblick nicht. Tut mir leid.«
Ich bedanke mich bei ihm und beende das Telefonat, lege den Kopf auf den Tisch und versuche, nicht hysterisch zu werden.
So geht es also zu Ende.
Schweißgebadet wache ich stöhnend mitten in der Nacht auf. Wieder einmal dieser verfickte Alptraum. Mein T-Shirt klebt an der Haut und das Bett sieht aus wie nach einer heftigen Schlacht. Gut, die hab ich im Traum auch geschlagen – wieder und wieder. Mein Gegner: ich selbst. Es ist so viele Jahre her, und doch lässt es mich nicht los. Schuld ist eine gehässige Bürde, die dir das Leben zur Hölle macht, sobald du denkst, du hast damit abgeschlossen. Dann schleicht sie sich klammheimlich von hinten an dich heran und träufelt dir ihr Gift in die Seele, damit du auch nie vergisst, was du getan hast. Mit der Zeit habe ich allerdings gelernt, mich selbst auszutricksen. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Groggy tappe ich runter in die Küche, werfe auf dem Weg dahin das nasse T-Shirt in die Wäschekammer und hole mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. Ich verdränge das dumpfe Gefühl, das mir im Nacken sitzt und mich in die Knie zwingen will. Das lasse ich nicht zu!
Die Dunkelheit ist mein Freund und legt ihre schützenden Arme um mich, versteckt mich vor der Welt und flüstert mir zu, dass mit dem nächsten Deal alles wieder gut wird – Lüge!
Es ist nie genug. Aber es fühlt sich ein klein wenig besser an, wenn durch Zerstörung etwas Neues entsteht. Mit dem London-Deal werde ich unser Prestige-Projekt verwirklichen, einen Meilenstein schaffen, an dem so schnell keiner vorbei kommt, und ich werde mir dann endlich meinen Traum erfüllen. Geld – damit habe ich bislang all meine Probleme lösen können. Aber die Albträume meiner fortwährenden Sünde und des Scheiterns konnte ich damit nicht ausmerzen. Mehr Geld, mehr Macht – um jedem Wichser da draußen zu zeigen, dass ich die Regeln im Business mache und niemand sonst.
Und doch hat SIE mich damals gefickt, öffentlich bloßgestellt und mich wie einen dummen Schuljungen an der Nase herumgeführt.
Reiß dich am Riemen, Arschloch. Du verhältst dich wie eine weinerliche Pussy.
Seufzend fahre ich mir durchs Haar und starre auf das nächtliche London, das mir zu Füßen liegt. Ja, das ist meine Stadt und ich werde das Sahnestück bekommen. Koste es, was es wolle.
Später als geplant komme ich ins Büro. Die Nacht war zu kurz und ich fühle mich ausgebrannt. Keine gute Voraussetzung für die Strategieplanung.
»Morgen, Terry.«
»Guten Morgen, Mr. Montgomery. Das Meeting ist im großen Konferenzraum«, lächelt sie mich fröhlich an und reicht mir eine Mappe.
»Klar. Irgendwelche Anrufe?«
»Nur die Bank und der Schweizer Makler«, teilt sie mir mit und ich stapfe durch mein Büro, um durch die Verbindungstür in den Konferenzraum zu gelangen. Ryan und Wade hocken über Bauplänen, Grundstücksskizzen und einer Unmenge an Fotos und Papieren.
»Sieh an, du lässt dich auch mal blicken. Welche heiße Braut hat dich im Bett festgehalten?«, grinst mich Wade verschlagen an und ich schüttele missbilligend den Kopf. »Denkst du auch mal an was anderes als an Muschis?« Schmollend zuckt er mit den breiten Schultern.
»Gibt Schlimmeres als das.«
»Morgen, Tash. Sieh dir das an.« Ryan deutet auf einen der Baupläne der Firma, die wir uns morgen ansehen werden und ich erkenne sofort, was er meint. »Wir werden eine Unmenge an Kohle damit machen.«
»Worauf du wetten kannst. Das wird ein guter Tag morgen«, gebe ich zu und klopfe ihm auf die Schulter.
»Wen werden wir morgen eigentlich treffen?«, frage ich jetzt motiviert und nehme mir einen Kaffee.
»Also der Anwalt der Gegenseite ist Sir Malcom Cliffort, einer vom alten Schlag und ein echt gerissener Hund«, setzt uns Wade ins Bild und ich lege die Hände zusammen, um seinen Ausführungen zu lauschen. »Er hat einige heikle Deals in den vergangenen Jahrzehnten zu seinen Gunsten gewonnen und ist sowas wie eine Legende.«
»Wow, ich hab ihn noch nie beeindruckt gesehen«, stellt Ryan mit hochgezogenen Augenbrauen fest und ich mustere Wade ebenfalls nachdenklich, denn sonst strotzt er nur so vor Selbstbewusstsein und nimmt es, ohne mit der Wimper zu zucken, mit jedem auf. Nun liegt ein angespannter Zug um seinen Mund, was so gar nicht zu ihm passt.
»Ach, hört schon auf. Ich will nur kein unnötiges Risiko wegen einer schlampigen Vorbereitung eingehen.«
Das klingt so gar nicht nach dem draufgängerischen und risikoaffinen Macho, der in Verhandlungen mit Provokation und Brillanz jeden in seine juristischen Schranken verweist.
»Willst du uns vielleicht irgendwas mitteilen, Wade?«, hakt Ryan nach und erntet einen bitterbösen Blick von ihm.
»Nein, ich will nur keine bösen Überraschungen erleben und ihr sicher auch nicht«, grollt er beleidigt. Um es nicht auf die Spitze zu treiben, denn dazu habe ich heute keinen Nerv, winke ich ab und Ryan entspannt sich, während Wade fortfährt. »Schön. Cliffort wird es uns nicht leichtmachen, zumal er ein enger Freund des Firmenchefs ist. In dem Brief wurde die desolate Situation der Firma beschrieben, und dass man froh sei, die Verbindlichkeiten durch den Verkauf schnellstmöglich mit einem blauen Auge loszuwerden. Sicher ist der Inhaber zu stolz, um sein Versagen zuzugeben und hat diesen Brief vorgeschoben, um nicht wie ein Idiot dazustehen. Alte Männer und ihr Ego halt. Das heißt, wir werden es mit zwei alten Herren zu tun bekommen, die froh sein werden, wenn der Spuk vorbei ist. Neben den Grundstücken und den großzügigen Immobilien stehen noch ein Maschinen- und Fuhrpark auf der Liste, beides erst sechs Jahre alt. Sollte kein Problem sein.«
»Klingt doch gut. Wir werden morgen vorfühlen, wie tief er in der Kreide steht und wie schnell sie die Bude veräußern wollen. Dann wissen wir, mit welchen Banken sie arbeiten, und sicher sind die dran interessiert, die Verbindlichkeiten so schnell wie möglich auszugleichen«, werfe ich ein und ernte zustimmendes Nicken.
»Die hatten echt eine wahnsinnig gute Kundenstruktur. British Airways, Gulfstream, Luxus-Hotelketten, Rolls Royce, Mercedes Benz, Porsche, Minotti und einige andere Luxuslabels, die sie beliefert haben. Keine Ahnung, was da passiert ist, dass es derart den Bach runterging«, überlegt Ryan laut und auch ich finde es bei der Kundenliste und den bisherigen Zahlen, die er aus den letzten fünfzehn Jahren ermitteln konnte, erstaunlich, dass dieses florierende Unternehmen jetzt vor dem Bankrott steht. Aber was soll’s? Wir werden die Überreste günstig abgreifen und dann den verwöhnten Londoner Reichen und Schönen ordentlich Geld für unsere Luxusappartements aus der Tasche ziehen.
Bis zum frühen Nachmittag diskutieren Ryan und ich über die Luxusanlage, die wir dort aufziehen wollen, während Wade die juristischen Möglichkeiten evaluiert und sich in sein Büro verzogen hat.
Als ich wieder am Schreibtisch hocke, steckt Terry den Kopf ins Büro und erinnert mich an den Rückruf des Schweizer Maklers und schlagartig hellt sich meine Stimmung auf. Ein neues Ziel, ein neues Domizil fernab von der Welt.
Es wird nicht gerade günstig, doch das ist es mir absolut wert. Noch weiß niemand von meinen Plänen, und ich gedenke, es bis auf weiteres dabei zu belassen. Nach dem London-Deal werde ich mir eine Auszeit gönnen. Die Jungs werden ausrasten, aber das ist mir egal. Die letzten Jahre hatten wir einen guten Lauf – nein wir hatten einen gigantischen Lauf. Zeit, die Früchte der Arbeit zu ernten und zu genießen – auf meine ganz eigene Art und Weise.
»Kommst du mit?«, reißt mich Ryan aus meinen Gedanken. Es ist bereits dunkel draußen und mein Magen meldet dringenden Bedarf an.
»Guter Plan. Wo wollt ihr hin?«, frage ich, fahre den Laptop runter und schnappe mir meine Sachen. Terry ist bereits gegangen und ich schließe hinter uns ab.
»Nur um die Ecke was essen. Nichts Wildes. Obwohl ich mir bei Wade nie so sicher bin, ob es nicht in irgendeinem Höschen enden wird«, schmunzelt er und ich verdrehe die Augen über die präzise Einschätzung unseres Freundes.
Wir treffen ihn in unserem Stammrestaurant, wo er wieder mal mit der Kellnerin schäkert.
»Was ist das mit dir und den Kellnerinnen, Wade?«, fragt Ryan lachend und zwinkert mir verschwörerisch zu.
»Tja, warum soll man in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt?«, grinst er und wackelt mit den Augenbrauen.
»Alter, ich werde um jede Kellnerin in ganz London einen riesen Bogen machen, egal wie heiß ihr Body ist, denn unter Garantie lag sie schon unter dir«, schüttele ich den Kopf und er schenkt mir einen seiner berühmt-berüchtigten Blicke, bei denen die Ladys reihenweise schwach werden.
»Nur fürs Protokoll: nicht nur unter, sondern auf mir, vor mir …«
»Oh, bitte, verschon mich mit den dreckigen Bildern deines versauten Sexlebens, okay?«, stöhnt Ryan gequält auf und ich muss ihm beipflichten. Wade treibt es wild, hemmungslos und bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Das belanglose Gequatsche über Wade und seine Weibergeschichten lenkt mich ein wenig ab, denn auch wenn ich es nicht gerne zugebe, hat mich Wades Verhalten heute angehalten, nicht zu euphorisch an die Sache heranzugehen. Besonnenheit ist gefragt, wenn der Anwalt der Gegenseite tatsächlich so gewieft ist, wie er uns erklärt hat. Nicht, dass ich einen Rückzieher machen würde – auf keinen Fall. Aber es hat noch nie geschadet, mit einer guten Strategie und einem Plan B in der Tasche in eine Verhandlung zu gehen.
Bei strahlendem Sonnenschein treffen wir uns eine halbe Stunde vor dem Termin eine Straße weiter in einem Parkhaus, um uns zu Fuß die Gegend ansehen zu können. Das hektische Treiben hindert uns nicht daran, auf die angrenzenden Gebäude, inklusive der darin befindlichen Shops, Firmen und Lokalitäten, zu achten. Hochwertige Luxusboutiquen, eine Vielzahl von exklusiven Ladenketten und jede Menge gutbetuchte Kunden bestätigen meine Vermutung, dass wir auf eine Goldader gestoßen sind. Hier werden die Käufer oder Mieter – je nachdem, wie sich die Finanzen darstellen – eine utopisch hohe Summe für den Quadratmeter zahlen, denn hier stimmt wirklich alles.
»Seht ihr, was ich sehe?«, frage ich in die Runde, da ich an Ryans Gesichtsausdruck bereits erkannt habe, dass er exakt das Gleiche denkt wie ich.
»Money, Money, Money!«, intoniert Wade siegessicher und Ryan nickt zustimmend.
»Das könnte wirklich das Ding werden.« Ich kann förmlich sehen, wie hinter Ryans Stirn die Zahlen durcheinanderwirbeln und ein dickes fettes Plus unterm Strich hängen bleibt.
O ja!
Hinter dem Komplex ist die Zufahrt zur Schnellstraße direkt in den angrenzenden Tunnel und um die Ecke ist die U-Bahn. Tiefgaragen sind dabei und ich habe vorhin mindestens zwei Parkhäuser gesehen und das Viertel grenzt an drei Parks.
»Dann mal los, Jungs. Lasst uns die Show starten«, holt mich Wade aus meinen Überlegungen und wir betreten das von roten Backsteingebäuden gesäumte Betriebsgelände, das sich vor uns erstreckt. Die Hallen in altem Industriedesign haben ihre besten Tage hinter sich, aber man kann sie sicher sanieren und dann sind sie ein genialer Ort für einen Wellnesstempel, ein Fitnessstudio und jede Menge Appartements im Loftstil. Es sind einige Arbeiter auf dem Hof unterwegs, doch man spürt, dass hier eine düstere Stimmung herrscht, so als wüssten alle insgeheim bereits Bescheid. Der pompöse Rolls Royce gehört sicher dem Anwalt, denke ich mir meinen Teil. Hinter einem mit feinstem Leder bezogenen Tresen in der riesigen Empfangshalle, an deren Stirnseite auf einem großen Bildschirm ein Imagevideo läuft, lächelt uns eine junge Frau entgegen. Sie begleitet uns, nachdem wir uns vorgestellt haben, eine Etage höher in einen mit alten englischen Clubgarnituren bestückten Besprechungsraum, der an einen gediegenen Gentlemen’s Club erinnert. Ryan deutet mit einer Geste seinen Respekt an.
»Bitte nehmen Sie Platz, die Herrschaften werden in Kürze bei Ihnen sein«, bietet die Empfangsdame uns an und Wade lässt sich seufzend in das teure, mit Patina überzogenen Sofa fallen, während sich Ryan neben ihm niederlässt.
»Geschmack haben sie, das muss man sagen«, grinst er und ich spaziere mit den Händen in der Tasche zu einem der Gemälde, die die beiden gegenüberliegenden Wände zieren. Gerade überlege ich, dass ich mich um mehr Kultur in meinem jämmerlich konsumgesteuerten Leben kümmern sollte, da geht die Tür auf und ich hole tief Luft.
»Guten Tag, meine Herren, herzlich willkommen bei Steel Leather Manufacture. Um keine falschen Erwartungen zu wecken: Wir werden nicht verkaufen.«
Wieder und wieder habe ich gestern Abend den Text vor dem Spiegel geübt. Er soll klar und unmissverständlich, aber höflich klingen. Sir Malcom wollte es mir ausreden, doch nachdem ich ihm zu verstehen gegeben habe, dass ich erstmal eine harte Linie fahren will, um zu sehen, mit wem wir es zu tun haben, stimmte er milde lächelnd zu und gab mir einen Crashkurs in Sachen bluffen.
Erin hatte sich am gestrigen Vormittag zu mir ins Büro gesellt und mir spitz erklärt, dass es ihre Pflicht als Älteste wäre, die Verhandlungen zu führen. Wir hatten eine kurze, aber heftige Auseinandersetzung, wie so häufig, doch im Hinblick auf die desaströse Situation rissen wir uns beide zusammen, erlebten einen kurzen Moment der Reue und begruben das Kriegsbeil fürs Erste. Gemeinsam sind wir stärker und ich musste neidlos anerkennen, dass Erin die eindeutig bessere Schauspielerin von uns beiden ist. Ihr sicheres, elitäres Auftreten hat schon so manchen hartgesottenen Kerl in die Flucht geschlagen und sie kann überaus überzeugend sein, wenn sie will.
Obwohl wir uns zwei Tage zuvor an die Gurgel gegangen sind, stehen wir heute zusammen, um das Familienschicksal zu unseren Gunsten zu wenden.
Erin holte mich zu Hause ab und ich war wie immer überwältigt, wie umwerfend gut sie aussah. Ihr haselnussbraunes Haar hat sie zu einem Knoten im Nacken zusammengesteckt und ihre dunklen Rehaugen sind perfekt geschminkt – etwas, das mir nur mit viel Zeit und Mühe gelingen würde. Die vollen Lippen sind mit einem Hauch roséfarbenem Lipgloss betont und sie sieht wie eine wahre Leinwandschönheit aus, ohne aufgedonnert zu wirken.