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Altersempfehlung ab 18 Jahre!!! Die Triggerwarnung ist zu beachten!!!! Du bist so rein und unschuldig. Lass mich dir zeigen, wie der SCHMERZ schmeckt ... Das alles ist ein einziges beschissenes Spiel. Russisch Roulette mit dem höchsten Einsatz: Deinem Leben. Das Ziel: Einfach Alles! Als du dich unwissend an den Tisch gesetzt hast, konntest du nicht ahnen, was geschehen wird. Dir war nicht klar, wie dieses Spiel gespielt wird. Doch deine Neugier hat dich alle Vorsicht vergessen lassen und du bist sitzen geblieben. Schwerer Fehler, Kiddo. Du siehst mich mit deinen unschuldigen Augen an und glaubst, weil ich lächele, bin ich einer von den Guten. Weil ich dir mit dem Daumen über deine seidigen Lippen streiche, begehre ich dich. FALSCH! Ich werde dich brechen. Dich zerstören. Dich ausspucken und liegenlassen. Warum, fragst du? Weil ich es kann! Und weil ich es genieße, den gleißenden Schmerz in deinen Augen zu sehen, wenn deine Seele aufbricht und ich gewonnen habe. Denn ich bin der abgefuckte Highroller am Tisch dieses Spiels. Dein fleischgewordener Alptraum, der dir alles nehmen wird. Und Kiddo … bist du bereit, zu verlieren?
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Seitenzahl: 496
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Doomed Rich Bastards
Grace C. Node
GRACE C. NODE
DOOMED
RICH BASTARDS
Nathan
© Grace C. Node – alle Rechte vorbehalten.
Grace C. Node
c/o Autorenservice Gorischek
Am Rinnergrund 14/5
8101 Gratkorn
Österreich
Herausgeber:
Sternfeder Verlag
Bogenstr. 8
58802 Balve
Nachdruck - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung von Grace C. Node.
Coverdesign: Grace C. Node, Sternfeder Verlag
Bildquelle: (lizensiert) Adobe Stock
Korrektorat/Lektorat: Grace C. Node, Sternfeder Verlag
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:
https://portal.dnb.de/opac.htm
Das Buch ist rein fiktiv. Ähnlichkeiten zu lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Dieses Buch ist düster, bitterböse und abgefuckt. Die Handlung ist rein fi(c)ktiv und dient dazu, dich zu unterhalten. Allerdings wirst du auf Situationen stoßen, die äußerst unbequem, brutal und moralisch verwerflich sind.
Nathan Hall ist ein psychopathischer, menschenverachtender Narzisst, der Gewalt verherrlicht, ein überaus fragwürdiges Frauenbild hat und auf kranke Weise einen Weg der körperlichen und emotionalen Verwüstung beschreitet. Für ihn gelten keine Regeln ethischer, moralischer oder gesetzlicher Natur, die in der Realität Bestand haben.
Wenn du jemand bist, der durch folgende Themen in irgendeiner Form getriggert werden könnte, lies dieses Buch bitte keinesfalls!
Es kommen vor:
Blood-Play / Cutting
Missbrauch / psychische Tyrannei
Körperliche Gewalt, Folter & Mord
Selbstverletzendes Verhalten
Demütigungen psychisch & physisch
Übergriffige sexuelle Handlungen / Non-Con-Situationen
Derbe Sprache
Explizite Szenen
Tierquälerei
Misshandlung & Missbrauch Schutzbefohlener
Entweihung religiöser Orte, Artefakte und Symbole
Nur DU selbst kannst entscheiden, ob du mit diesen Themen umgehen kannst.
Überlege dir also sorgfältig, ob du bereit für diese Geschichte bist.
Solltest du auch nur einen leisen Zweifel haben, nimm bitte Abstand zu diesem Buch!
Ich vertraue dir, liebes Leseherz, dass du um deine Triggerpunkte weißt, und dementsprechend verantwortungsvoll für dich handelst!
Allen anderen düsteren Leseseelen wünsche ich viel Vergnügen in der abgedrehten Welt des Kreises.
Wir dienen mit scharfer Klinge
Familien-Motto der Halls
Bist du bereit,
deinem Schmerz zu begegnen?
Gut, hier bin ich!
Der Kodex
Der Schutz der freien Welt ist unser Ziel.
Diesem Ziel verpflichten wir uns mit Leib und Seele.
Wir bekämpfen jedwede Bedrohung mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, mit aller Härte und Entschlossenheit.
Endet das Gesetz, treten wir in Kraft.
Wir sind Bewahrer, Vollstrecker und Vermittler im Kampf gegen das Böse.
Dazu ermächtigt, die freie Welt vor Schaden zu bewahren, egal was es kostet.
Loyalität, Treue und Gehorsam – bis in den Tod.
Geschworen mit dem eigenen Blut, bindet uns unser Schwur für alle Zeit.
Wir verschreiben uns unserem Ziel vollständig, hüten die Geheimnisse der Bruderschaft und richten die Waffen auf deren Feinde.
Wir sind der Anfang und das Ende.
Wir sind der Kreis.
Die Gründung
Zum Schutz der Mitglieder und ihrer Familien werden die Identitäten für die Außenstehenden geheimgehalten. Ihre öffentlichen Ämter sind sowohl Notwendigkeit wie auch Fassade für ihre eigentliche Aufgabe innerhalb der Bruderschaft.
Die Bruderschaft des Kreises wurde a. D. 1863 von zwölf Familien gegründet, die sich der Sicherung von Recht und Ordnung verschrieben haben. Ihre Oberhäupter bilden den Rat der Ersten.
Den Vorsitz führt der Erste der Ersten – ein geheim gewähltes Mitglied aus den zwölf Gründungsfamilien, welches den Rat der Ersten leitet. Seine Stimme gilt bei Entscheidungen als maßgeblich. Er allein kennt alle Geheimnisse der Bruderschaft und gibt sie an seinen Nachfolger weiter. Allein der Tod – natürlich oder unnatürlich – entbinden ihn von seinem Amt.
Jedes Mitglied leistet den Blutschwur, um sein Leben an den Kreis zu binden. Die Verpflichtung endet ausschließlich mit dem Tod.
Diese Bruderschaft agiert im Schatten und ihr Schutz ist für den Erfolg ihres Handelns verantwortlich.
Um den Frieden und die Sicherheit der freien Welt zu gewährleisten und die Institutionen der zivilisierten Welt angemessen zu wahren, wird die Gewaltenteilung innerhalb der Bruderschaft immanenter Bestandteil der Funktionen des Kreises werden.
Diejenigen, die in den Schaltzentralen von Politik, Wirtschaft, Forschung und Regierung eingesetzt sind, stellen die nötigen Weichen für eine gerechte und demokratische Handhabung der Interessen des jeweiligen Landes und darüber hinaus innerhalb der Weltordnung. Wir nennen sie daher BEWAHRER. Drei dieser Bewahrer werden, über den Globus verteilt, ihre Rollen als Oberhaupt dieses Zweiges wahrnehmen. Ihnen obliegt es, die ihnen zugetragenen Informationen aus den oben genannten Ressorts auszuwerten.
Abweichungen werden durch die Bewahrer beobachtet, gegebenenfalls Beweise für Verfehlungen – egal, welcher Art – gesammelt und nach sorgsamer Prüfung dem Rat der Ersten vorgelegt. Basierend auf den gesammelten Beweisen wird ein Urteil gefällt.
Die Umsetzung dieses Urteils erfolgt umgehend.
Dazu werden die sogenannten VOLLSTRECKER entsandt, die die Botschaft in die Welt tragen. Eine Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden des jeweiligen Landes ist immer einzubeziehen, um der Bevölkerung das energische Eingreifen ihrer Schutztruppen zu signalisieren.
Wir hinterlassen keine Spuren, keine Zeugen und keinen Hinweis auf unsere Existenz.
Wir sind der Anfang und das Ende.
Wir sind der Kreis.
Stunde 0
Fuck! Es brennt wie die verdammte Hölle selbst. Das habe ich nicht kommen sehen. Während ich das gezackte Messer aus meiner Brust unterhalb des Schlüsselbeins ziehe, unterdrücke ich den Schmerzenslaut – das Scheißteil hat Widerhaken und reißt damit die Wunde Stück für Stück weiter auf.
Ich blute wie ein abgestochenes Schwein, meine DNA verteilt sich auf dem dunklen Laken des Bettes, in dem ich liege, und mein heutiges Spielzeug missbilligend anstarre.
Der Abend sollte die Langeweile töten. Ich wollte mich hier im Illusion Club mit dreckigen Sexspielen und Schmerz ablenken. Wollte in tränennasse Augen und auf spermabesudelte Körper blicken. Wollte die roten Striemen der Schläge und Griffe auf zarter Haut bewundern. Damit sollten die düsteren Stimmen in meinem Schädel zum Schweigen gebracht werden. Ich wollte ficken.
Wie ein Idiot liege ich jetzt auf dem verdammten Bett, mein heutiger gefallener Engel starrt mit verklärtem Blick auf mich herab, ich hingegen noch nicht mal eine Ahnung habe, was zum Teufel hier abgeht.
Scheint, als würde ich gerade gefickt werden.
»Schön liegenbleiben. Sonst blutest du noch aus, mein Hübscher«, säuselt die Kleine, die in ihrem heißen Ganzkörper-Lack-Outfit über mir hockt und sich an meinem steifen Schwanz reibt.
Ja, verflucht, der ganze abgefuckte Scheiß macht mich an.
Für diejenigen unter euch, die es nicht wissen: In dem Areal im Gehirn, in welchem Schmerz verarbeitet wird, verarbeiten wir auch Lust – eine abgefahren krasse Kombination, wenn man die Kunst des Lustschmerzes zu beherrschen weiß. Und darin bin ich der absolute Meister.
»Du hast nicht richtig getroffen, Schätzchen«, grinse ich und stutze über die Trägheit meiner Zunge.
Die Kleine beugt sich lächelnd zu mir und küsst mich. Es ist ein sinnlicher Kuss, der dir unter normalen Umständen den Verstand rauben könnte und Männer für gewöhnlich an den Rand der Beherrschung bringt. Allerdings bin ich kein gewöhnlicher Mann und das hier ist ganz offensichtlich keine gewöhnliche Situation.
»Oh, glaub’ mir, ich habe ganz genau getroffen«, flüstert sie an meinen Lippen. Ich greife nach ihr, doch sie hält mich lachend auf. Ungläubig blinzle ich. »Nur gucken, nicht anfassen, mein Hübscher.« Frech zwinkert sie mir zu.
Wie kann sie mich einfach so ... Verflucht, was ist das?
Mein Blickfeld verschwimmt an den Rändern und ich habe das Gefühl, die Zeit verlangsamt sich.
»Was zum ...« Konzentriert versuche ich, sie von mir zu schieben, doch mein Arm bewegt sich wie in Zeitlupe. »Scheiße, was ist das?«
Ihr Gesicht ist unter der weißen Schminke kaum konturiert und der dunkelrote Lippenstift wirkt zu plakativ für einen gefallenen Engel. Seltsame hellgraue Augen erscheinen vor mir. Diese Augen ... das kann doch ...? »Fühlst du dich nicht so gut, Schätzchen?«
Blinzelnd drücke ich mich von der Matratze, doch sie legt sich auf meine Brust und der beißende Schmerz der Wunde lässt mich stöhnend zurückfallen. Die Welt verschwimmt zu einer trägen Abfolge von Bildern. Die Zunge wird taub.
Gift!
Die Klinge war vergiftet.
Meine Gedanken werden schwer und ich versuche, krampfhaft aufzustehen, scheitere allerdings an dem sich schnell ausbreitenden lähmenden Toxin. »Wer ... bist ... du?«
Ein weiterer Kuss, und sie lächelt mich mit einer seltsam entrückten Miene auf dem bildhübschen Gesicht an. »Ich bin dein verfickter Albtraum.«
Ihre Faust schlägt in meiner Visage ein, reißt es herum und ich schmecke Blut. Dann bleibt alles stehen. Ein Rauschen setzt in den Ohren ein – nicht gut! –, und die Welt versinkt in Dunkelheit.
DRACHENATEM
Die Welt verdichtet sich zu einer grellbunten Zeitlupenanimation. In den umherfliegenden Glassplittern spiegeln sich rubinrote Blutstropfen wie ein funkelnder Sprühregen und schneiden die zarte Kinderhaut auf. Ein kakofones Geschrei umtost die Szene. Kreischendes Metall schabt über die Leitplanke, als die schwarze Limousine in diese kracht.
Die Fünfjährige wird beim Aufprall in den Sicherheitsgurt geschleudert, der sich in den grazilen Körper gräbt und ihr die Luft abschnürt.
Hilfe suchend krallt sie die Hände in die ihrer Mutter neben sich, die sich seltsam schlaff anfühlen.
»Holt sie da raus! Sofort!« Schüsse zerreißen die Stimme ihres Vaters, der vor dem Wagen steht und von seinen Männern abgeschirmt wird.
»Mama!« Die schrille Kinderstimme wirkt deplatziert in dem brutalen Chaos. »Mamaaa!«
»Hey, kleiner Lotus. Sieh mich an«, ertönt Quan Lo, ihr Beschützer, der ihr ein eisernes Lächeln zuwirft. Blinzelnd sieht das Mädchen ihn an. »Wir beide spielen jetzt ein Spiel, okay?«
»Aber Mama ...«
»Mama schläft. Wir beide müssen jetzt schnell hier weg. Lass uns ›Verstecken‹ spielen, okay?! Ich suche uns das beste Versteck vor den anderen Leuten da draußen, in Ordnung?!« Das Mädchen nickt und zieht die Nase hoch.
Es riecht nach Benzin und Feuer, eine beißende Mischung, die in den Geruchsnerven sticht.
»Wieso schläft Mama?«
»Sie muss sich nur ausruhen.« Quan hebt sie hoch. »Leg den Kopf an meine Brust.« Das Mädchen wirkt verstört, Tränen laufen ihr über die Wangen und ihre Ohren schmerzen fürchterlich. »Halt dich ganz doll fest.« Sie schlingt die Arme und Beine um den Mann und im nächsten Augenblick sprintet dieser mit ihr auf dem Arm vom Wagen weg.
Plötzlich ist die Welt in eine Feuerexplosion getaucht. Die Hitze versengt beiden die Lungen und das Mädchen schreit panisch auf – wie feuriger Drachenatem fühlt es sich an –, als die Wucht der Detonation Quan nach vorne schleudert und er sich im letzten Moment dreht, um den Sturz auf die Fahrbahn abzufangen. Dadurch schützt er das Kind mit seinem Körper vor der Hitze und den umherfliegenden Wrackteilen.
Das Mädchen hustet und würgt rußige Spucke hervor, bekommt kaum Luft und dann ... wird es dunkel um sie herum.
TEUFELSZUNGE
Der zwölfjährige blonde Junge liegt relaxt mit geschlossenen Augen in der alten Kupferwanne in einer der fünf Badekammern des Dormitoriums, welches in den Katakomben des historischen Castells in der Nähe Vancouvers liegt. Eine Festung aus Macht, Brutalität und Hingabe.
Nach dem harten Training schmerzen seine Muskeln und er genießt den Duft des ätherischen Badeöls, das ihn an einen Sommer in den Bergen erinnert.
Seit einem Jahr ist er nun als Novize im Castell untergebracht, in welchem er mit den anderen Jungen der zwölf Gründungsfamilien der Bruderschaft des Kreises zusammen ausgebildet und geformt wird. Intellekt und Wissen sind neben dem Kampf- und Waffentraining essenzielle Bestandteile der grausamen Ausbildung, die sie zu den Beschützern der freien Welt machen wird.
Er ist sich seiner Aufgabe bewusst, hat alle Vorbereitungskurse mit Bravour abgeschlossen und ist stolz darauf, bald seine Bestimmung zu finden.
Knarzend geht die Tür auf, doch er winkt dem Eintretenden nur lässig zu. »Ich brauche nichts, danke.«
Die Tür schließt sich mit einem leisen Quietschen und er seufzt wohlig auf, während er der zarten Musik im Hintergrund lauscht, die seine Gedanken ruhiger werden lässt.
Plötzlich spürt er einen Luftzug an der Wange und blinzelt erstaunt.
»Sei unbesorgt, Liebling. Ich bin nur gekommen, um nach dir zu sehen.«
Verwirrt runzelt er die Stirn. Hier haben die Ladys des Kreises keinen Zutritt.
Und doch ist SIE hier.
Sie kniet neben der Wanne, ein verträumtes Lächeln auf dem wunderschönen Gesicht und greift nach dem Schwamm, der am Wannenrand liegt. »Entspann dich, Liebling. Schließ die Augen und entspann dich einfach.«
Mit einem tiefen Atemzug legt er den Kopf zurück auf die Kopfstütze und atmet langsam aus. Plätschernd taucht sie den Schwamm ins heiße duftende Wasser und summt die Melodie eines alten französischen Kinderliedes.
Vor seinem inneren Auge schweben Sonnen beschienene Wiesen, ein Bach gurgelt in der Nähe und die Luft ist erfüllt vom würzigen Duft der Wildblumen auf dem Feld hinter dem Haus seiner Großeltern.
Der Schwamm streift mit seiner weichen Textur sanft seine Arme, seine Brust und wandert unter Wasser zu seinem Bauch. Und dann ... tiefer.
Alles in ihm erstarrt. Nur sein Herz rast.
Die sanfte Stimme neben ihm wirkt wie ein scharfkantiger Fehler in einem perfekten Bild und beschert ihm einen bitteren Geschmack im Mund.
»Mhmmm, du bist ein so hübscher Junge. Mein hübscher Junge.« Eine Hand greift nach seinem Penis. Er reißt die karamellfarbenen Augen auf, starrt in das umwerfende Antlitz, welches ihn versonnen anstrahlt.
Wie gerne er hineinschlagen würde.
Er will sie anspucken und beschimpfen.
Aber nichts davon ist erlaubt. Nichts davon darf er tun.
Und sie weiß es.
Sie ist eine Lady. Unantastbar. Und sein persönlicher Albtraum.
Ihre Hand umschließt seinen Penis, der schlaff im Wasser treibt.
Wie er es hasst.
Wie er es hasst, von IHR angefasst zu werden.
»Du wirst irgendwann einmal zu einem stattlichen Mann heranwachsen«, murmelt sie verträumt und in ihren wasserblauen Augen schimmert ein Funke Irrsinn. »Ich werde dich immer lieben. Keine Frau der Welt wird dich je so lieben, wie ich es tue.«
Zorngetrieben springt der Junge auf, Wasser schwappt über den Rand der Wanne und landet klatschend auf dem dunklen Steinboden. Ihr Kleid ist durchnässt.
»Sieh nur, was du angestellt hast.« Mit verärgerter Miene richtet sie sich ebenfalls auf. Ihr Blick fährt seinen nassen Körper entlang zu seiner Mitte und bleibt an seinem Penis hängen. Ihre Lippen sind leicht geöffnet und in ihren Augen glitzert pure sexuelle Gier.
Ein Gefühl aus Ekel gemischt mit Hilflosigkeit brandet in dem Zwölfjährigen auf, unter dessen Last sein Körper erbebt. Die Fäuste an den Seiten geballt, presst er die Lippen fest aufeinander.
»Schau’ dich nur an. So perfekt.« Sie streckt die blasse elegante Hand nach ihm aus, doch er weicht zurück. Er steigt hastig aus der Wanne und bringt Abstand zwischen sich und die Lady. »Ich habe dich aus meinem Schoß gepresst. Ich habe ein Kunstwerk erschaffen«, säuselt sie mit einem entrückten Gesichtsausdruck auf dem von blonden seidigen Haaren umrahmten Gesicht. »Du bist meine Kreation. Mein Geschöpf.«
Der Zwölfjährige unterdrückt den Würgereiz, der ihn bei ihren Worten überkommt, und schnappt sich ein Handtuch, das er sich hastig um die schmalen Hüften schlingt. »Du solltest jetzt besser gehen.«
»Ich werde deinem Vater von deinem Missgeschick berichten müssen«, entgegnet sie kühl und deutet auf ihr nasses pastellrosafarbenes Kleid, auf dem nun dunkle Flecken unschöne Muster abzeichnen.
Der Junge erstarrt.
Die frisch verheilten Wunden auf seinem Rücken jucken unangenehm und in seinem Körper flammt Rebellion auf. Etwas, das er unterdrücken muss.
Sie lächelt ihn an – wie ein Engel, unter dessen aufpolierter Fassade der Teufel persönlich steckt. »Wenn du mich lässt, erspare ich dir die Strafe.« Ihr sehnsüchtiger Blick klebt an seiner nackten Haut und der Junge verzieht angewidert das Gesicht. Ein Fehler. Ihre Miene verwandelt sich in eine höhnisch grinsende Fratze aus Wahnsinn. »Wie vorhersehbar. Wir sehen uns zu Hause, Liebling.«
Mit einem eleganten Hüftschwung stolziert sie auf ihren nudefarbenen High Heels aus der Badekammer. Erst, als die schwere Eichentür hinter ihr ins Schloss fällt, atmet der blonde Junge erleichtert auf, im Mund den bitteren Geschmack von Galle.
Er wird die Strafe annehmen.
Wie er die Zeit danach überstehen soll, treibt ihn zur Verzweiflung. In Hilflosigkeit gefangen, brüllt er wutschäumend all seinen unterdrückten Hass hinaus, lässt ihn von den grob behauenen Steinwänden der uralten Badekammer widerhallen und fällt dann mit einem erstickten Laut auf die Knie.
Ein anderes Leben ...
Erste Lektion
Der Vierzehnjährige sitzt lässig in einem der opulenten Ohrensessel, die unter dem Buntglasfenster des Zimmers stehen und wartet. Regen peitscht gegen das Glas und spielt eine unstete düstere Melodie. Im Raum verteilt sind Kerzen, die alles in ein goldenes Licht tauchen und von dem bevorstehenden Akt der Grausamkeit ablenken. Denn grausam wird es werden.
Ein dünnes Lächeln umspielt die Mundwinkel des attraktiven blonden Jungen, der sich in den letzten Jahren der Ausbildung besonders durch seine Brutalität hervorgetan hat.
Schwungvoll öffnet sich die Tür und sein Ausbilder tritt herein – an der Hand ein in ein weißes bodenlanges Leinenkleid gewandetes Mädchen. Sie wirkt der Welt entrückt. Ihre fiebrig glänzenden Augen leuchten unwirklich im Kerzenschein auf, derweil sie in der Mitte des Raumes vor dem riesigen Bett stehenbleibt, dessen dunkelblaue Laken wie der unergründliche Abgrund am Rande des Marianengrabens wirken.
Der Vierzehnjährige neigt kaum merklich den Kopf, taxiert das Mädchen mit den rostroten Zöpfen und den rosigen Lippen wie ein Raubtier seine unachtsame Beute.
»Bist du bereit?«, fragt der Mann ihn und deutet dem gefallenen Engel an, sich auf das Bett zu setzen. Folgsam gleitet er hinauf, sieht erst den Ausbilder an, der auf den Jungen zeigt und sie starrt diesen an.
»Wollen wir ein Spiel spielen?«, fragt der blonde Jüngling mit einer lockenden, sanften Stimme, unter deren seidiger Textur ein scharfkantig verächtlicher Ton mitschwingt, der zu leicht überhört werden kann, denn das strahlende Lächeln des Jungen gräbt sich in jedes weiche Herz.
»Okay«, antwortet das Mädchen leise und erwidert scheu das Lächeln des Jungen.
Der Ausbilder nickt zustimmend und setzt sich in einen der Sessel, um nötigenfalls einschreiten zu können.
Die Novizen lernen, körperliche Bedürfnisse zu schüren, zu genießen und zu deuten. Eine der unzähligen Waffen im Arsenal eines Mitgliedes der Bruderschaft des Kreises. Und bisher hat der Vierzehnjährige aufmerksam zugesehen, zugehört und wissbegierig gelernt. Jetzt ist es Zeit, die theoretischen Kenntnisse in der Praxis zu erproben.
Der Junge geht mit einer katzenartigen Eleganz auf das Mädchen zu, seine karamellfarbenen Augen klar und fast bedrohlich intensiv auf den Mund des Mädchens gerichtet. Liebevoll streicht er ihr mit den Fingerspitzen über einen der schweren Zöpfe, die über ihre Schultern liegen. Dann beugt er sich zu ihr.
»Wenn du nicht mitspielst, egal, was ich mache, werde ich der Schwester Oberin erzählen, dass du deine Pflicht nicht erfüllen wolltest.« Das Mädchen erstarrt bei seinen geflüsterten Worten, die so leise sind, dass der Ausbilder sie nicht hören kann. »Alles, was ich mit dir mache, wirst du schön finden. Sonst lasse ich dich dafür büßen.«
Hastig nickt das Mädchen, denn die Strafen für ihr Versagen übersteigen bei Weitem alles, was man einem Kind zumuten würde. Es ist ein Vergehen an der Bruderschaft selbst. Und das wird nicht toleriert.
»Wenn es also wehtut, wirst du so tun, als ob du es wundervoll findest.« Er lächelt sie so offen an, dass dem Mädchen viel zu leicht ein gehauchtes »Ja« über die Lippen kommt und der innerliche Triumph des Jungen sich auf seinem Gesicht widerspiegelt.
In den Unterrichtsstunden lernen die Novizen alles über den menschlichen Körper, angefangen von seinen Funktionen, seinen Schwächen, seinen Grenzen und geistigen Mechanismen, die sie überwinden oder brechen können. Der Junge ist fasziniert von dem, was er nun in der Lage ist zu vollbringen, und kann es kaum erwarten, das Wissen an diesem zarten Geschöpf vor ihm anzuwenden.
»Leg dich hin, zarte Blume«, murmelt er und beobachtet gebannt jede ihrer Bewegungen mit Argusaugen.
»Ich gehe kurz pissen«, teilt der Ausbilder den beiden mit und stapft aus dem Raum.
Sie sind allein, er mit seinem Spielzeug, das so filigran und neu und hübsch ist. Er will es zerstören. Denn er ist kein guter Junge.
Es ist wie das Eintauchen eines Pinsels in einen Farbtopf. Die weiche Textur der Mädchenhaut unter seinen Fingern regt ihn zu Gewalt an. Ihr blumiger Duft macht ihn wild. Seine Nägel bohren sich fest in das unschuldige zarte Fleisch, hinterlassen rote Markierungen und die Tränen erstickten Laute sind wie eine zauberhafte Symphonie in seinen Ohren. Er leckt ihre salzigen Tränen von ihren Wangen, lächelt sie selig an, während auf ihrem Gesicht ein Chaos aus Schmerz und Verzweiflung tobt.
Sie ist seine Beute, seine Leinwand, die er mit Gewalt und Schmerz bemalen wird.
Wie es ihm gezeigt wurde, findet er ihren Eingang, hebt erstaunt die Augenbrauen, als er den neuen Duft wahrnimmt, und begierig die Nase zwischen ihren Schenkeln vergräbt. Er schnuppert. Das Mädchen hält den Atem an.
Der Junge öffnet den Mund, strahlend weiße Zähne blitzen hervor.
Spitz schreit das Mädchen auf, denn er schlägt sie in ihren unschuldigen Venushügel, beißt so fest zu, sodass er Blut schmeckt, und der atemberaubende Geschmack lässt ihn aufstöhnen.
»Du willst wirklich mit mir spielen, stimmt’s?«, raunt er und blickt in die verwässerten Augen seines schluchzenden Opfers.
»Ich ...«, schniefend zieht das Mädchen die Nase hoch. »Wenn du es zärtlich machst, ist es sicher ...«
Auf dem Gesicht des Jungen flammt eine scharfkantige, boshafte Regung auf. Sie fordert etwas von ihm.
Bestrafe sie!
Sie hat kein Recht dazu!
Du bist ein Monster – zeig ihr, was Monster tun, wenn man sie reizt.
Die grollende Stimme in seinem Kopf übernimmt die Kontrolle, weckt etwas tief in ihm und einen Herzschlag lang überlegt er, ob er es unterdrücken soll. Doch der Moment verfliegt und mit einem kalten Lächeln neigt er den Kopf zu ihr.
Der hübsche Junge ist verschwunden und erschienen ist eine dunkle Kreatur, die wie ein schattenhafter Albtraum dem Mädchen den Atem raubt. Die Gesichtszüge entstellt von Verachtung und Jähzorn, blickt er auf sie hinunter.
»Kleine süße Blume.« Die samtige Stimme will überhaupt nicht zu der sardonischen Maske über ihr passen und das blutige Lächeln ist grauenerregend. »Das hättest du nicht tun dürfen.«
Als der Ausbilder nach einer Viertelstunde zurück ins Zimmer kommt, bleibt ihm fast das Herz stehen. Das Bild wird er sein Lebtag nie vergessen.
Zitternd und von kaltem Schweiß feuchtglänzend liegt der gefallene Engel nackt auf dem zerwühlten Bett. Auf ihrem Bauch und ihren Schenkeln zeichnen sich blutige Schnitte ab, die auf bizarre Weise eine Art Muster ergeben. Die Augen fest zusammengekniffen wimmert das Mädchen in die Stille des Raumes hinein.
Der Vierzehnjährige sitzt auf der Bettkante, den Mund blutverschmiert, die karamellfarbenen Augen vor Aufregung leuchtend, und tupft den Zeigefinger immer wieder in ein Rinnsal aus rubinrotem Blut, welches aus einer Wunde am Bauch des Mädchens an ihrer Seite herabläuft. In der Hand hält er ein blutbeflecktes Skalpell.
»Was zum Teufel ...« Dem Ausbilder stockt der Atem, denn ein derartiges Horrorszenario hat er nie zuvor gesehen.
»Sieht sie jetzt nicht wunderschön aus?«, fragt der Novize mit verträumtem Blick auf sein grausames Werk und schaut dann zu seinem Ausbilder. »Sie wollte spielen. Also habe ich mit ihr gespielt.«
Im nächsten Atemzug brüllt der Mann um Hilfe, stürzt zu dem entstellten Mädchenkörper und stößt den Jungen grob beiseite. Aufgeregte Stimmen rufen im Flur durcheinander, eine Schwester kommt mit verstörtem Gesichtsausdruck herein und schreit entsetzt auf, als es ihren Schützling auf dem Bett sieht.
Eine andere Schwester mit einem Medizinkoffer rennt auf das Mädchen zu, gibt mit schriller Stimme Befehle und der Junge starrt fasziniert auf das um ihn herum entbrennende Szenario.
Das ist dein Werk.
Du bist das geborene Chaos.
Die Stimme in seinem Kopf klingt satt und zufrieden.
»Schafft den Bastard hier raus! Bringt ihn in die Zelle.« Wütend starrt ihn sein Ausbilder an, und im nächsten Moment verpasst er dem Jungen eine brutale Ohrfeige. »Du mieser kleine Wichser. Hast du den Verstand verloren?« Eine weitere Ohrfeige trifft die andere Wange des Jungen, doch dieser lächelt nur, denn den brennenden Schmerz spürt er gar nicht.
»Geh mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse«, keucht der Ausbilder mit vor Wut zitternder Stimme. Zwei in schwarz gekleidete Männer packen den Vierzehnjährigen an den Oberarmen und zerren ihn fort. Sie schleppen ihn in die Katakomben, dort, wo es nach staubigem Stein riecht und wo das Dormitorium der Novizen ist. Während sie den uralten Flur entlang zu der mit Eisen beschlagenen Tür an dessen Ende marschieren, werden sie von neugierigen Augenpaaren der Jungen verfolgt, die sich an den Wänden versammelt haben.
»In eure Zimmer. Sofort!«, bellt einer der Männer und einige der Novizen folgen dem Befehl, während ein paar andere mutig die Hälse recken.
Es steigt die ausgetretenen Steinstufen hinab in eine weitere Ebene der Katakomben, in die man nicht freiwillig geht. Und doch war der Vierzehnjährige bereits öfter hier. Er ist anders als die Jungen in seinem Jahrgang. Und das macht ihn gefährlich.
Monster werden in der Dunkelheit geboren.
Einer der Männer stößt eine Stahltür auf, die in eine kleine Zelle führt, wobei der Junge ihn frech angrinst und ihm zuzwinkert. Für diese Unverschämtheit erhält er eine erneute Ohrfeige, die ihn in die Zelle stolpern lässt. Er genießt den Schmerz, denn dadurch fühlt er sich ... lebendig.
»Der kleine Scheißer ist wirklich gestört«, kläfft der zweite Mann, wirft die Tür mit einem donnernden Grollen zu und die schweren Metallschlösser rasten ein, welche von einem Zahlenschloss neben der Tür gesteuert werden.
Durch den schmalen Schlitz in der Tür fällt das Licht der flackernden Deckenbeleuchtung aus dem Flur herein und wirft einen hellen Streifen auf den Boden, als einer der Männer zu dem blonden Jungen in die Zelle blickt.
»Wenn der Heiler mit dir fertig ist, wirst du nicht mehr so aufmüpfig sein.« Mit einem dreckigen Lachen schiebt er den Schlitz zu und die Männer entfernen sich.
Der Junge bleibt allein in der Dunkelheit zurück.
Sie denken, er bekäme Angst.
Doch die Dunkelheit ist sein Freund. In ihr fühlt er sich wohl, braucht keine Maske, um sein grässliches Wesen zu verstecken.
Lässig rutscht er an der rauen, grob behauenen Steinwand herunter und setzt sich auf den unebenen Boden. In seinem Kopf kreisen die Bilder des Mädchens herum und das Gefühl, wie die Spitze des Skalpells die ersten Hautschichten aufbrach, erfüllt ihn mit Stolz.
Seine Lektion war erfolgreich.
Jetzt muss er seine Fähigkeiten nur noch verfeinern.
Zweite Lektion
Angst tötet den Verstand. Das hat er schnell gelernt. Noch vor fünf Jahren hat er nachts wach gelegen, auf die Geräusche im Haus gelauscht, die ihn erschreckten. Wie jämmerlich er doch gewesen ist.
Heute hat er seine Angst abgetötet. Hat sich entschieden, das gefährlichste Monster in diesem Spiel zu werden, mental stärker als alle anderen. Jetzt ist er sechzehn Jahre alt, bereit, jede Herausforderung kalt lächelnd anzunehmen und zu triumphieren.
Sie haben versucht, ihn zu bändigen. Haben ihn hungern lassen, ihn ausgepeitscht, ihn gedemütigt und ihn psychologisch durch die Mangel gedreht. Dabei hat er eine neue Seite an sich entdeckt. Den Ausbildern ist es noch nicht aufgefallen und er hütet es wie einen Schatz.
Als er in einer Kampfübung mit einem anderen Novizen war, verfiel der blonde Sechzehnjährige in einen tranceartigen Zustand. Sein Sichtfeld färbte sich an den Rändern rot, in seinem Kopf herrschte eine betörende Stille und sein Körper arbeitete auf entsetzliche Weise fast autark, so als wüsste er instinktiv, wie er den Gegner ausschalten muss, um zu gewinnen.
Zwei Männer mussten ihn von dem blutüberströmten Jungen zerren, auf den er mit bloßen Fäusten einprügelte, ihm die Nase und das Jochbein brach und dabei einen sonderbar entrückten Gesichtsausdruck hatte.
Jetzt liegt er, an eine Liege festgeschnallt, im Behandlungszimmer des Heilers, der mit nachdenklicher Miene auf ihn herabblickt, während er ihm eine Beißschiene zwischen die Zähne schiebt und den Kopf des Jungen fixiert. Der Raum ist vollständig weiß gekachelt und in der Mitte ist ein Abfluss eingebaut. An einer Wand stehen weiße Metallschränke, in denen die Zaubermittel und Werkzeuge aufbewahrt werden. Der rote Wasserschlauch an der Kopfseite des Zimmers wirkt wie eine stumme Warnung, sich zu fügen. Auf dem Rollcontainer neben der Liege summt ein Gerät.
»Von all meinen Patienten bist du mir der Liebste«, murmelt der Heiler mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen. Er ist einer von drei Ärzten, die sich der geistigen Gesundheit der Novizen innerhalb der Ausbildung widmen und sie mental stärken, indem sie deren Verstand brechen und neu aufbauen. Hier werden Jungen zu Monstern gemacht.
Die Regeln sind unumstößlich.
Einem Befehl ist Folge zu leisten.
Wiedersetzung wird mit eiserner Härte bestraft.
Obwohl er den Kopf nicht bewegen kann, weiß der Sechzehnjährige, dass hinter der verspiegelten Scheibe zu seiner Linken die Ältesten stehen und seine Behandlung beobachten – ihn beurteilen. Sie suchen nach einer Schwäche, nach einem Wimmern – er wird ihnen nichts davon liefern.
»Wir sehen alles. Wir hören alles. Sei dir dessen stets bewusst«, ertönt die Stimme des Heilers und ein elektrisierender Schmerz peitscht durch des Jungen Schläfen, während der Heiler das Gerät justiert. Sein gesamter Körper spannt sich an, kämpft gegen das Zittern an, obwohl es unmöglich ist.
Wenn er hier versagt, wird er den fauchenden Dämonen zum Fraß vorgeworfen, verschlungen und halb verdaut wieder ausgespuckt. Entsorgt. Er hätte sein Leben verwirkt. Für Schwäche ist kein Platz in der Bruderschaft. Und Monster werden von gefährlicheren Monstern gejagt.
Also wird er nicht versagen. Niemals!
Schmerz war schon immer ein Heilmittel gegen Aufsässigkeit. Er bricht nicht nur den Körper, sondern auch den Verstand, macht die Menschen gefügig und ist in letzter Konsequenz ihr Untergang.
Diese Lektion ist die Wichtigste in seiner Ausbildung. Sein Wille entscheidet über Sieg oder Niederlage. Denn wenn er seinen Geist im Griff hat, wird ihn nichts je in die Knie zwingen können.
»Dann empfange nun deine Strafe für deine Verfehlung«, eröffnet der Heiler dem Jungen und nimmt die beiden Ioden in die Hände.
Angst tötet den Verstand.
Angst tötet den Verstand.
Angst tötet den Verstand.
Der Verstand des Jungen lodert klar und hell, als ein erneuter, elektrisierender Schmerz durch seinen Kopf jagt. Sie werden ihn nicht brechen. Das wird ihnen nicht gelingen.
Und trotz der Beißschiene lächelt er.
Dann setzt das Flimmern im Kopf ein.
Dritte Lektion
»Hast du sein Gesicht gesehen, als er abgedrückt hat?«, raunt der Ausbilder dem anderen Mann zu, der den Wagen gefahren hat.
»Ja, so als ...«
»Als hätte er Spaß dabei gehabt«, ergänzt der Ausbilder mit misstrauischer Miene auf seinen Schützling, der mit einem sonderbar interessierten Blick auf die leblose Gestalt mit dem schwarzen Sack über dem Kopf am Boden vor ihm hinabblickt. Die er erschossen hat. Ohne mit der Wimper zu zucken. Zwei präzise Schüsse: Einer ins Herz, einer zwischen die Augen.
»Sie sind Killer. Dazu haben wir sie ausgebildet«, murmelt der Fahrer und winkt dem Team zu, welches die Leiche entsorgen wird.
»Das hier war etwas anderes.« Verstohlen huscht sein Blick zu dem blonden, gut aussehenden Siebzehnjährigen, der mit den Händen in den Hosentaschen auf sie zuschlendert, als würde er durch einen Park und nicht vom Ort seines ersten Mordes spazieren.
Die neutrale Miene des Jugendlichen verrät keine Gefühlsregung und auf erschreckende Weise macht ihn das zu einem nicht einzuschätzenden Problem.
»Das war irgendwie viel zu schnell vorbei«, gibt er schulterzuckend zu, was den Fahrer die Augen aufreißen und den Ausbilder wütend die Lippen zusammenpressen lässt.
»In den Wagen. Auf der Stelle!«, bellt er den Siebzehnjährigen daher an, der sich grinsend auf die Rücksitzbank fläzt und dem entgeistert dreinblickenden Fahrer zuzwinkert. Als hätte er nicht vor wenigen Augenblicken einem Menschen kaltblütig das Leben genommen.
Der Ausbilder wirft die Wagentür zu und reibt sich mit der Hand über das angespannte Gesicht. »Dieser Junge ist der Sohn Satans persönlich.«
»Sollen wir das melden?«
»Natürlich melden wir das.« Mit einem verächtlichen Blick starrt der Ausbilder in den Wagen. »Nur wird den Rat der Ersten seine Kaltblütigkeit eher amüsieren, als beängstigen.«
»Was schreiben wir denn in den Bericht?«
»Das es eine neue Spezies unter den Monstern gibt.«
Das Ritual
Endlich! Der Tag der Wiedergeburt ist gekommen und der blonde Achtzehnjährige blickt zufrieden sein Spiegelbild an, als er an diesem Morgen im Bad steht, nackt und vor Kraft strotzend. Er ist die Perfektion, nach der sie jahrelang gesucht haben.
Er wird den Schwur ablegen, sein Blut den Mitgliedern spenden und sie teilhaben lassen, an seiner Auferstehung. Seinem wahren Selbst.
Der Tag verfliegt mit den der Tradition geschuldeten Meditationen und der inneren Einkehr in der abgelegenen Kapelle auf dem riesigen Areal der Bruderschaft, in der alle Novizen je eine Stunde lang allein ihre innere Ruhe finden, um sich auf das bevorstehende Ritual vorbereiten können. Im Anschluss begegnen sie ihren Eltern das erste Mal seit ihrer Ausbildung wieder und werden von ihnen zur rituellen Waschung begleitet.
Ein Blutschwur gilt ewig. Bis zum Tod. Eine heilige Verpflichtung, die ihn zum Vollstrecker des Kreises erheben wird.
Seine Erzeuger warten vor dem Portal auf ihn. Seine Mutter starrt ihn mit einem entgeisterten Ausdruck an, während sein Vater missbilligend den Mund verzieht.
»Du siehst wunderschön aus«, haucht seine Mutter ihm ehrfurchtsvoll ins Ohr, als er brav den Kopf neigt, damit sie ihm einen Kuss auf die Stirn drücken kann. Eine lächerliche Geste im Angesicht dessen, was diese giftige Schlange, die ihn großgezogen hat, mit ihm gemacht hat.
Er blickt ihr in die hellblauen Augen, die ihn begierig angaffen. Lächelnd richtet er sich auf, wobei er sie um einen ganzen Kopf überragt und sie unbewusst die Lippen öffnet. Mit seinem Äußeren stellt er jedes männlichen Supermodels in den Schatten und er weiß, dass die Schlange ihn zu gerne anfassen würde. Er kann es förmlich an ihr riechen.
»Mutter, es ist viel zu lange her«, raunt er mit einer Stimme, die jeder Frau einen unwillkürlichen Schauer über den Rücken jagt, sobald sie sie vernimmt. Ja, er hat viel gelernt in den letzten Jahren. Ihr Blick gleitet über sein atemberaubend schönes Gesicht zu seiner gestählten Brust, hält jedoch im letzten Moment inne, da sein verächtliches Schnaufen sie irritiert.
»Sohn, ich habe einige sonderbare Berichte gehört, die mir Anlass zur Sorge geben«, mischt sich sein Vater ein, dessen gut aussehendes Gesicht seinem so ähnlich sieht, nur um Jahre älter.
»Man sollte Gerüchten nicht zu viel Beachtung schenken.« Der Achtzehnjährige schmunzelt süffisant. »Im Übrigen lebt dieser ganze Zirkus doch von Mythen und Legenden.« Er nimmt die Hand seines Vaters und erwidert dessen Druck, sodass die Knochen leise knacken und sein Erzeuger die Zähne zusammenbeißt. »Aber glaub mir, die Gerüchte über mich kommen nicht mal ansatzweise an die Realität heran.«
Damit gibt er die Hand seines Vaters frei, der seinen Sohn fassungslos anstarrt. Das Monster schreitet mit selbstsicheren Schritten den Kiesweg durch das Wäldchen auf dem riesigen Anwesen der Bruderschaft des Kreises entlang, während seine Eltern ihm irritiert hinterhersehen.
Er ist ihrem Einfluss entwachsen, hat seinen inneren Dämon entfaltet und es bleibt nur ein Letztes zu tun, um die Fesseln der Bestie endgültig abzustreifen.
Im Rausch des Augenblicks, als er den Blutschwur dem Ersten der Ersten geleistet, ihm zwanzig Tropfen seines Blutes geschenkt hat, entfesselt sich der schreckliche Dämon mit dem wunderschönen Gesicht vor aller Augen.
Ihr neuer Vollstrecker erblickt das Licht der Welt.
Seine Arroganz wird nur durch seine bedingungslose Hingabe seiner Aufgabe gegenüber übertroffen und jeder hält respektvollen Abstand zur neuen Waffe im Arsenal des Kreises. Einer von dreien, die sie auserkoren haben, die Unschuldigen der zivilisierten Welt vor den Monstern und Dämonen zu schützen, die aus jedem Winkel der Welt gekrochen kommen.
Monster bekämpft man mit schlimmeren Monstern.
Und er ist ihr unangefochtener König!
AusSCHMERZ geboren,
mit Blut gesalbt
und mit GEWALT gesegnet.
Ouvertüre
Schon seltsam, wie verdreht die Wirklichkeit ist, bedenkt man, dass im Grunde alles nur der eigenen Vorstellungskraft entspringt. Materie ist nichts weiter als die zusammengeklumpte Masse winzigster Teilchen, zwischen denen absolut nichts existiert. Vielleicht fällt es mir deshalb so leicht, diese Teilchen aufzubrechen, ihren Zusammenhalt aufzusprengen und in das erbärmliche Leere zu blicken, was zurückbleibt, wenn das Augenlicht eines Menschen erlischt.
Nichts als klumpige, verwesende Materie.
Ein solch bemitleidenswerter Trottel hat gerade den Lauf meiner Pistole im Mund und pisst sich winselnd ein. Ekelhaft.
»Na schön, Arschloch. Ich frage das nur ein Mal. In deinem Interesse und dem meiner empfindlichen Geruchszellen rate ich dir, mir die richtige Antwort zu liefern: Wo ist eure Zentrale?«
Ich habe ihn in diesem Rattenloch in Downtown Vancouver aufgespürt, wo ich der asiatischen Gang, den Red Zeros, die wir seit einiger Zeit im Visier haben, in just diesem Augenblick eine Botschaft übermittele.
Vor ein paar Monaten wurde der Kreis auf eine undichte Stelle innerhalb unseres Netzwerkes aufmerksam. Einer unserer Bewahrer, Cedric Bertrand, bekam die Aufgabe, diesem Fall nachzugehen.
Gemeinsam mit Michael, Parker und Cedric stieß ich auf eine Verschwörung zwischen einem ehemaligen Anwärter unserer Bruderschaft, der unsere Geheimnisse meistbietend an den größten Abschaum der Welt verhökern wollte: dem Dragon-Clan. Die Dragons versprachen ihm Schutz, wenn er ihnen die Namen unserer ehemaligen und des aktuellen Ersten der Ersten liefern würde, die unzählige Urteile gegen die chinesischen Triaden und sämtliche andere kriminelle Untergrundorganisationen verhängt hatten. Mit dieser Liste könnten sie alle einen Rachefeldzug biblischen Ausmaßes gegen die Bruderschaft des Kreises veranstalten.
Das werden wir verhindern.
ICH werde es verhindern!
Den Drahtzieher, Dennis Randall, haben wir bereits aus dem Verkehr gezogen, und ich selbst hatte meinen Spaß mit dieser Ratte. Seine verstümmelten Überreste wurden in einer unserer Verbrennungsanlagen in einer ehemaligen Fabrik entsorgt.
Vor ein paar Tagen fand ich anhand unseres brillanten Überwachungssystems einen Hinweis auf eine Gruppe chinesische Drogendealer – den Red Zeros –, die eine versteckte Untergruppe des Dragon-Clans sind. Die Mistkerle haben still und leise über die letzten Jahre den hiesigen Markt infiltriert. Und da der Kreis seinen Fokus viel zu sehr auf andere Länder gerichtet hatte, als vor seiner eigenen Haustür nach dem Rechten zu sehen, wird es höchste Zeit, dem ein Ende zu setzen. Sie wissen bereits zu viel über uns. Dem muss Einhalt geboten werden.
Der Erste der Ersten hat mich beauftragt, den Kopf der Organisation ausfindig zu machen und zu liquidieren. Dazu soll ich mich allerdings äußerst bedeckt halten, da ein solches Leck innerhalb unserer Bruderschaft seinen Führungsanspruch zu Nichte machen würde. Wenn herauskäme, dass ihm entgangen ist, dass ein Verbrechersyndikat wie der Dragon-Clan sich ausgerechnet in unserer Stadt ausbreitet, wären seine Tage gezählt.
Zwar hasse ich Schwäche und Inkompetenz, aber weit mehr hänge ich an meiner Narrenfreiheit, die mir aktuell durch den amtierenden Ersten der Ersten aus mir unbekannten Gründen zugestanden wird. Daher halte ich mich an die Anweisung.
Damit mir mein derzeitiges Spielzeug antworten kann, ziehe ich die Pistole zurück und keuchend sackt er nach vorne. Ungeduldig runzele ich die Stirn.
Pistolen sind nicht mein bevorzugtes Werkzeug, das ist Michaels Territorium. Ich bin mehr an einer handwerklichen Art der Arbeit interessiert. Messer zum Beispiel. Doch für derartig sündige Spielchen habe ich leider keine Zeit.
Ein Schwall chinesisches Kauderwelsch kommt aus seinem Mund, was ich äußerst unhöflich finde und ihn das mit einem Faustschlag gegen den Kiefer spüren lasse. »In meiner Sprache, du Idiot.«
Natürlich will er Zeit schinden. Sicherlich hofft er, dass seine Leute auftauchen und ihn retten werden. Leider sind die schon mausetot, da ich dieses kleine Rattennest ausgeräuchert habe, bevor ich in das versiffte Büro kam und ihn hinter seinem Schreibtisch hervorgezerrt habe.
»Wir haben Lizenz«, brabbelt er und sieht mich flehend an.
»Wo. Ist. Die. Zentrale?« Angepisst hebe ich erneut die Knarre und halte sie ihm an die Brust – direkt über dem Herzen. Wenn er mir weiter auf die Eier geht, werde ich abdrücken, denn der Kerl ist keine wirkliche Herausforderung. Nur wäre dann meine Quelle an Informationen versiegt und ich müsste eine Neue auftun. Unnötiger Aufwand und ich hasse unnötige Dinge.
»Bitte, ich ... habe Familie.«
Echt jetzt?!
Wäre ich ein x-beliebiger Polizeibeamter, würde ich der Aussage mehr Gewicht beimessen, würde mich auf die Rechte eines Verdächtigen berufen, ihn in einen Verhörraum schleppen, ihm nach den Vorschriften seine Rechte vorlesen, ihm ... ach, Scheiß drauf.
Der Schuss hallt dumpf in dem vollgestellten Zimmer wider, und der metallische Geruch frischen Blutes vermischt sich mit dem Schmauchgeruch der abgefeuerten Waffe. Bevor der Kerl zusammensacken kann, trifft meine zweite Kugel seine Stirn – streng nach Vorschrift – und er kippt seitlich nach hinten.
Ohne ihn eines Blickes zu würdigen gehe ich um den Leichnam herum, darauf bedacht, nicht in die sich langsam ausbreitende Blutlache unter ihm zu treten, und durchforste systematisch die Schreibtischschubladen und Schränke.
Neben einigen Geldbündeln bestehend aus Fünfzig- und Hundert-Dollarnoten entdecke ich zwei Plastikbeutel mit einzeln abgepackten Pillen sowie einigen Pulvertütchen.
Fentanyl in diversen Variationen.
Dass dieses Dreckszeug auf unseren Straßen grassiert, ist mir bekannt, und die Behörden sind im Kampf gegen die Drogenmafia fast bemitleidenswert im Hintertreffen, aber sie haben ihre Einheiten auf den Straßen. Dass die Chinesen allerdings eine offenbar große Rolle im hiesigen Drogengeschäft klammheimlich eingenommen haben, war uns bis dato neu.
Die beiden Plastikbeutel lege ich gut sichtbar auf den Schreibtisch.
Alles Material, welches die Vancouver Polizei und die DEA sicher sehr interessieren wird.
Kein Hinweis auf die verdammte Zentrale.
Doch dann fällt mir das Telefon des Idioten auf, welches auf dem Schreibtisch liegt. Ich entsperre es mit seinem Fingerabdruck, den ich von der Leiche abnehme. Im Kontaktverzeichnis sind jede Menge Nummern mit chinesischen Schriftzeichen gespeichert. Toll, also muss unsere Tech-Abteilung da ran.
Damit die Jungs später das Smartphone entsperren können, zücke ich mein Messer und schneide der Leiche kurzerhand den Finger ab. Den braucht sie eh nicht mehr.
Um das blutige Teil transportieren zu können, kippe ich die einzeln verpackten Pillen auf den Schreibtisch und stecke den abgetrennten Finger in eine leere Plastiktüte. Im Kühlschrank neben einem der Regale finde ich ein Eisfach. Mein Glückstag.
Über unser nach Militärstandard verschlüsseltes Smartphone melde ich mich bei unserem Kontaktmann bei der Royal Canadian Mounted Police, der als Mitglied des Kreises dort eingesetzt wurde, um solche Aktionen wie meine in die richtige Richtung zu dirigieren.
Er wird sich um die Berichte, Einsatzplanung und meine verschossene Munition kümmern, die nirgendwo in den Akten auftauchen wird. Offiziell wird die RCMP eine Drogenküche der chinesischen Triaden hochgenommen haben. Fall erledigt.
Zurück im Castell melde ich mich bei den Techies und zeige ihnen das erbeutete Smartphone. Als ich jedoch den Finger aus der Plastiktüte hole, um das Ding zu entsperren, wird der bemitleidenswerte Kerl ganz grün um die Nase und würgt hörbar, während ich den Finger auf das Touchfeld lege und draufdrücke.
»Ging das nicht irgendwie ... anders?«, keucht er und sein Kollege neben ihm stößt angewidert die Luft aus, da etwas Blut das Display verschmiert.
»Sorry, ich wollte euch nicht die ganze Leiche mitbringen«, erwidere ich grinsend und reiche ihm das Telefon.
Sofort ändert er die Einstellungen, damit er nicht ein weiteres Mal den abgetrennten Finger zu Gesicht bekommen muss.
»Soll ich einen Fingerabdruck ...«
»Ja, unbedingt.«
Schmunzelnd gehe ich in einen der Waschräume auf dem Flur dieses Gebäudeflügels und wasche den Finger ab. Dann stapfe ich zurück zu den Techies und schnappe mir ein Blatt Papier sowie ein Stempelkissen und nehme den Fingerabdruck von meinem Mitbringsel. Diesen scanne ich ein und reiche das Blatt dem Techie, der bereits das Smartphone an den Computer angeschlossen hat.
»Damit ihr das hier nicht behalten müsst«, frotzle ich und ernte daraufhin pikierte Blicke sowie leise Flüche. »Schön, dass ich helfen konnte.« Ich schnappe mir den Finger und gehe zu unseren DNA-Spezialisten, die in einem anderen Gebäude auf dem weitläufigen Grundstück des Kreises stationiert sind.
Hinter den historischen altehrwürdigen Fassaden des imposanten Herrenhauses aus dem 19. Jahrhundert verbirgt sich ein Hightech-Labor der Extraklasse. Neben Bio-Chemie, Gen-Forschung und medizinischer Diagnostik beherbergt es auch unsere weltweite DNA-Datenbank.
»Hallo Sweetheart, ist Evelyn da?«, begrüße ich die hübsche Lady am Empfang, die mich anstrahlt, als sei ich der liebe Gott persönlich. Sie ist eines dieser Mädchen, die man erst zum Essen ausführt, mit ihr einen netten Abend im Kino verbringt, bevor man sie mit dreckigen Worten dazu bringt, vor dir auf die Knie zu gehen und deinen Schwanz auf die beste Art und Weise zu schlucken.
»Oh, hallo Mr. Hall. Sie ... äh sie ist in ihrem Büro«, zwitschert das kleine Vögelchen und wirft mir unter ihren langen Wimpern einen verträumten Blick zu.
Ich kann deine zuckende nasse Fotze riechen, kleines Miststück.
»Danke, Süße.« Mit einem dieser antrainierten Gesichtsausdrücke, mit denen ich regelmäßig die feuchten Träume der Damenwelt befeuere, lasse ich sie stehen und marschiere zu den Aufzügen, die in die unteren Ebenen führen, in denen sich die Laboratorien befinden.
Hier ist es kühl und alles wirkt steril. Es riecht nach Bohnerwachs und Aceton. Die Labore sind vollständig verglast, sodass man die Wissenschaftler jederzeit beobachten kann, bei dem, was sie tun. Neben dem Überwachungssystem aus Kameras und Daten-Logs eine weitere Vorsichtsmaßnahme. Vor den einzelnen Sektionen stehen bewaffnete Security und jeder, der das Gebäude verlässt, wird überprüft, ob er etwas mit sich führt, das er besser hier lassen sollte.
Zu viele Geheimnisse werden in diesen Räumlichkeiten bewahrt oder entschlüsselt und es wäre eine Katastrophe, wenn davon etwas an die Öffentlichkeit oder in falsche Hände gelangen würde.
Ich grüße die Jungs vor dem Labor, in dem Evelyn Mcintyre über ein Mikroskop gebeugt steht und bei meinem Klopfen an der Glastür aufblickt. Sie ist die älteste und intelligenteste von drei Töchtern aus einer Ratsfamilie, die sich durch ihre Brillanz in Sachen Biochemie, Genetik und Analytik hervorgetan hat. So etwas ist in den Kreisen der Ladyschaft eher ungewöhnlich.
Doch Evelyn ist zu wertvoll für den Kreis, als dass man auf ihre Arbeit durch eine schnöde Heirat verzichten könnte. Jetzt bekleidet sie einen hoch dotierten Posten in unserem Hightech-Labor. Obwohl ihre jüngeren Schwestern auf sie herabblicken, macht Evelyn nie den Eindruck, ihr würde das sonderlich viel ausmachen. Was ich nur zu gut nachvollziehen kann.
»Hallo, Mr. Hall, was verschafft mir die Ehre des Besuches eines Vollstreckers?« Grinsend deutet sie mit einer Geste ihrer in feinen Gummihandschuhen steckenden Hände an, dass ich eintreten soll.
»Ich hab dir etwas zum Spielen mitgebracht.« Grinsend reiche ich ihr den abgetrennten Finger.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, scherzt sie und nimmt mir die Plastiktüte ab, während ich mich auf einen der drei Rollhocker niederlasse und interessiert umschaue.
»Woran arbeitest du gerade?«
Sie blickt kurz zu mir, widmet sich dann jedoch dem Finger, den sie auf eine sterile Metallplatte legt und den Schnitt begutachtet. »Stammbaumforschung für den Ersten der Ersten.« Dabei verdreht sie die Augen.
»Könntest du das dazwischen schieben?« In meiner Stimme lasse ich das dunkle Timbre mitschwingen, bei dem die Weiber jedes Mal den Verstand verlieren und ich nur amüsiert darüber schmunzeln kann. Evelyn ist allerdings weitestgehend immun gegen meinen Charme. »Ich muss wissen, ob wir über diesen Kerl etwas in der Datenbank haben, was mich zu seinem Boss oder dem Dragon-Clan führt.«
»Hmm, das wäre ein wirklich großer Gefallen.«
Mit einem anzüglichen Lächeln sehe ich sie an, lasse den Blick über ihr Gesicht zu ihrem Hals und weiter zu ihrem unter einer feinen Seidenbluse versteckten und durch den weißen Laborkittel kaschierten Dekolleté gleiten. »Was könnte ich dir denn bieten, um dir die Entscheidung zu versüßen?«
Ihr Blick wandert ungeniert zu meinem Schritt, und ich öffne die Beine ein wenig, nur für den Fall, dass sie sich entschließen sollte, das Ganze zu forcieren. »Tja, in dieser Hinsicht kannst du mir nichts bieten«, schlägt sie meinen unausgesprochenen Vorschlag in den Wind.
»Aber ...«
»Aber ... da ist dieser Kerl ...« Auf ihrem Gesicht flackert etwas wie Wut auf. »Er ist ziemlich lästig und versteht offensichtlich die Bedeutung des Wortes ›Nein‹ nicht richtig.« Evelyn ist von der Verpflichtung entbunden, innerhalb des Kreises einen Mann zu heiraten – zumindest sagt sie das jedes Mal, wenn es zur Sprache kommt. Dates hat sie nur außerhalb der Bruderschaft, was sich nun offenbar zu einem kleinen Hindernis entwickelt hat.
Ich hebe die Augenbraue, um den Anschein von Missfallen zu signalisieren. Menschen reagieren sensibel, wenn jemand kein Mitleid oder Empathie bekundet. Es macht sie nervös. Nur sind solche Empfindungen bei mir schlichtweg nicht vorhanden.
Warum soll ich etwas vortäuschen, wenn es mir am Arsch vorbeigeht, ob jemand anderes ein Problem hat, es ihm schlecht geht oder er gar stirbt? So ist nun einmal der Lauf der Dinge. Tatsachen kann man nicht mehr rückgängig machen. Man kann nur mit deren Konsequenzen umgehen oder daran krepieren.
Allerdings habe ich gelernt, dass Empathie der Schlüssel zu vielen Türen der menschlichen Seele ist. Nutzt man diese Hebel richtig, hat man praktisch den Generalschlüssel für einfach jeden in der Tasche. Und ich habe es in all den Jahren in dieser Disziplin – wie in allen anderen auch – zur Perfektion gebracht.
»Das tut mir wirklich leid«, heuchle ich und setze eine mitfühlende Maske auf. »Was kann ich tun?«
Evelyn strafft die Schultern und sieht mir fest in die Augen. »Ich will, dass du ihm verdeutlichst, dass ich mit ihm fertig bin.«
»Verstehe.«
»Allerdings ... soll er nur ... es reicht völlig, wenn du ihm Angst einjagst«, wirft sie schnell hinterher, denn ich bin nicht dafür bekannt, zimperlich mit meinen Opfern umzugehen.
»Natürlich.« Eine künstlerische Pause lang sehe ich sie an, stelle mir vor, wie ich dem Kerl die Finger einzeln breche, sodass die zarten Knochen durch die Haut stechen und er eines seiner Ohren verlieren wird, da er Evelyn nicht zugehört hat. »Ich werde ihm einen Besuch abstatten. Danach wird er dich nie wieder belästigen.«
Ihre zarte Kehle bewegt sich beim Schlucken, doch sie nickt nur und wendet sich dann dem Finger zu. »Also schön.« Sie nimmt mit einem Wattestäbchen ein wenig Blut auf, um dieses in eine Kanüle mit einer durchsichtigen Flüssigkeit zu stecken. Dann verschließt sie das Röhrchen und steckt es in eine Halterung. »Wo hast du den denn her?«
»Ich habe ihn einem Chinesen abgenommen, der mit seiner Gang eine Drogenküche für Fentanyl betrieben hat.«
»Argh, widerlich.« Sie verzieht das Gesicht. »Ich werde die DNA mit unserer Datenbank abgleichen. Mal sehen, woher unser Freund hier stammt.«
»Wie lange wird das dauern?« Sie wirft mir einen warnenden Blick zu und ich hebe beschwichtigen die Hände. »Schon verstanden. Ich werde mich bei dir melden, sobald ich dein Problem aus der Welt geschafft habe.«
Schnell kritzelt sie etwas auf einen Zettel, den sie mir dann hinhält. Der Name und die Adresse des Kerls stehen darauf. »Nur einschüchtern. Nicht töten!« In ihrem besorgten Blick kann ich sehen, dass sie meinen Worten nicht traut – gutes Kind –, doch ich schaue sie mit einem perfekten vertrauenserweckenden Lächeln an.
»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Ich deute eine Verbeugung an, bei der sie amüsiert schnaubt und mich mit einer Geste aus dem Labor scheucht.
Mit den Händen in den Hosentaschen marschiere ich zurück zu den Aufzügen, vor denen ich von zwei Kerlen der Security angehalten werde.
»Sir, nehmen Sie die Hände aus den Hosentaschen und breiten Sie die Arme aus«, weist mich einer der beiden an, derweil sein Kollege mich misstrauisch beäugt.
Weil die armen Schweine nur ihren Job machen, komme ich der Aufforderung nach. Der Typ, der mich angesprochen hat, tritt an mich heran und tastet mich ab. In dem Moment, in dem er vor mir in die Hocke geht, grinse ich ihn arrogant an, während er meine Beine, meinen Arsch und Schritt abtastet.
»Nicht erschrecken, Kleiner, das ist keine Waffe.«
Der Kerl wirft mir einen bitteren Blick zu und ich verkneife mir eine weitere blöde Bemerkung, da ich keinen Bock darauf habe, dass die Jungs mich länger als nötig aufhalten.
»Er ist sauber.« Damit tritt der Kerl beiseite und ich zwinkere dem anderen, der das Ganze beobachtet hat zu, bevor ich in den Aufzug steige und nach oben fahre.
Kaum trete ich aus dem Gebäude, frischt der Wind auf und dunkle Wolkenfetzen ziehen rasch über den Himmel. Ein Gewitter zieht auf. Der Juni in Vancouver City zeigt sich von seiner schroffen Seite.
Dann steige ich in meinen Jeep Wrangler Rubicon und gebe die Adresse ins Navi ein. »Na, dann werden wir mal einen Hausbesuch machen.«
Wer sagt denn,
dass alles immer GUT werden wird?
Nur IDIOTEN glauben an ein Happy End.
Bist DU einIdiot?
»Er braucht eine Aufgabe. Ein Ziel.« Der Oberarzt reibt sich nachdenklich über das Kinn.
»Wenn wir mit ihm fertig sind, wird er jede Menge Aufträge haben.« Der Kollege sieht mit gerunzelter Stirn den sechzehnjährigen blonden Teenager an, dessen Blick starr auf einen imaginären Punkt an der Decke gerichtet ist, während er festgeschnallt auf einer Behandlungsliege eine Spritze in den rechten Arm gejagt bekommt.
»Das mag sein, doch bis dahin ist er ... er wirkt gelangweilt.« Der Oberarzt gibt der Krankenschwester mit einem Nicken zu verstehen, dass sie den Beutel mit dem Chemie-Cocktail an die Kanüle anschließen kann. Der Teenager liegt weiterhin reglos da. Nur ein kaum merkliches Lächeln zupft an seinen Mundwinkeln. Fast unheimlich.
»Wie kann er bei der Tortur, die die Jungs durchmachen müssen, gelangweilt sein?« Skeptisch verzieht der Kollege den Mund. »Sie lernen auf bestialische Weise, wie man foltert und mordet, und das auf höchst effiziente, grausame Weise. Da ist kein Spielraum für Langeweile.«
Der Blick des Oberarztes wandert zu seinem Kollegen. »Er hat einem der Ärzte mit einem Cuttermesser seine Initialen in die Brust geschnitten. Weil ihm die letzte Befragung zu lange gedauert hat.«
Entsetzen macht sich auf des Kollegen Gesicht breit. »Aber ...«
Mit einer Geste deutet der Chefarzt auf den jungen Patienten, der nun eine ausdruckslose Miene hat. »Dieser hier ist anders. Seine Fähigkeiten sind ... außergewöhnlich. Kognitiv wie physisch.« Erst, als die Krankenschwester den Raum verlassen hat, fährt er fort. »Ein hocheffizienter Geist in einem hochgezüchteten Körper. Seine Werte sind ... so etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Ist das ein Problem?«
»Nein. Außer, er steht nicht mehr auf unserer Seite.«
Durch die Wasseroberfläche verwischt die Außenwelt zu unruhig wabernden Schemen und ich genieße das dumpfe stete Pochen meines Herzschlags unter Wasser. Ich sitze auf dem Grund des Eiswasserbeckens in unserem Wellnessbereich und das seit gut einer Minute.
Meine Gliedmaßen sind nach dem ersten Kälteschock warm und prickeln in den sich zusammenziehenden Blutgefäßen. Hier ist mein Kopf angenehm leer – still.
Ich will nicht wieder an die Oberfläche.
Ich will die Stille genießen.
Die Ruhe in meinen Gedanken auskosten.
Plötzlich schiebt sich ein dunkler Schatten an den Beckenrand. Ich ignoriere ihn. Will mich nicht der Realität stellen.
Dumpfes Gemurmel ertönt über mir. Ein weiterer Schatten erscheint. Damit ist es vorbei mit meiner Ruhe.
Ich stoße mich vom Beckenboden ab und tauche in einer Fontäne eiskalten Wassers auf, nehme die Nasenklemme ab und starre die beiden Männer wütend an, die mir meine Tauchzeit gründlich versaut haben.
Missmutig steige ich die Natursteintreppe empor und schnappe mir ein Handtuch. Die beiden Männer – Bodyguards des großen Drachen –, verbeugen sich, während ich mich abtrockne.
»Nüshi Modesty, der große Drache wünscht, Sie zu sehen«, eröffnet mir einer der Bodyguards, was mich eine Grimasse schneiden lässt.
»Ich bin beschäftigt!«
»Der ehrenwerte Herr King war eindeutig in seiner Aussage, dass Ihr sofort ...«
Mit einer zackigen Handbewegung bringe ich den Idioten zum Schweigen. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass er sich tiefer verbeugt.
Ein gehässiges Lächeln flammt auf meinen Lippen auf.
»Lass uns mit dem Trottel spielen. Wir haben lange nicht mehr gespielt.«
»Das würde ER nicht wollen.«
»Was soll er schon machen? Mir ist langweilig.
Ich will endlich wieder etwas fühlen.«
»Halt die Klappe!«
»Hast du vergessen, wie es sich anfühlt,
wenn die Wärme den Körper verlässt und er langsam erkaltet?«
»Wie könnte ich das jemals vergessen?«
»Worauf warten wir denn dann?«
»Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für dieses Spiel.«
»Das ist voll öde!«
»Er wartet!« Quan steht mit einem Mal vor mir, hat sich lautlos angeschlichen wie eine Raubkatze und sieht mich streng an. Mit einer Kopfbewegung schickt er die beiden Trottel weg, wobei er mich keine Sekunde aus den Augen lässt. »Steck das Messer weg.« Seine Stimme ist ruhig, fast desinteressiert, doch ich weiß, dass er jede meiner Bewegungen genau beobachtet. Denn auch ich bin ein Raubtier.
Weil ich jetzt richtig angepisst bin, werfe ich das Handtuch auf eine der Luxusliegen, die im Wintergarten stehen, in dem das Tauchbecken im Boden eingelassen ist. Mit einem überheblichen Grinsen streife ich den knappen Bikini ab und werfe die beiden klatschnassen Teile auf den mit Schieferplatten ausgelegten Boden. Spielerisch lasse ich das Springmesser, das ich dabei in der Hand gehalten habe, auf und zuschnappen.
Quan verzieht keine Miene, nur die Ader an seiner linken Schläfe pocht sichtbar – schön, dass er jetzt auch angepisst ist!
Nackt und noch etwas feucht zwischen den Beinen stolziere ich an ihm vorbei in Richtung meines Wohntraktes des Anwesens, vorbei an sich rasch verbeugenden Wachleuten, die verzweifelt um Fassung ringen. Alles Pussys!
Sollen sie mir doch auf den Arsch gaffen oder meine Titten anstarren. Es ist nur Fleisch und Haut. Etwas, das man schneller zerstören kann, als neu erschaffen.
In meinen Räumlichkeiten angekommen, werfe ich die massive dunkle Holztür zu, vor der zwei weitere Wachposten demütig das Haupt gesenkt haben, sobald ich an ihnen vorbeigerauscht bin.
Die Nachmittagssonne fällt durch die Fensterfront, von der aus man einen fantastischen Blick über das riesige Grundstück hat. Der liebevoll angelegte Garten steht in voller Blüte, die Blumenbeete schillern in den schönsten Farben und die Zierbäume wiegen sich in der sanften Brise, die von dem Berghang ins Tal von Hongkong weht.
»Er will nur demonstrieren, dass er den Längeren hat.«
Genervt verdrehe ich die Augen und wünsche mich sehnlichst zurück in das Eiswasserbecken.
»Und wenn schon. Wozu sollen wir ihn erzürnen?«
»Aus Spaß. Weshalb sonst?«
»Vielleicht hat er eine Aufgabe für uns.«
»Meinst du?«
»Ja und jetzt halt endlich die Klappe.«
Grimmig schlüpfe ich in eine hautenge Lackhose, streife ein ›Hello Kitty‹-T-Shirt mit zerrissenen Bündchen über, wobei das Kätzchen eine abgefuckte Version des possierlichen Markenzeichens ist, das statt der hübschen Schleife eine glitzernde Totenkopfspange im Haar hat, den Mittelfinger mit Schwarz lackierten Krallen hochhält und dem Betrachter die rosa gepiercte Zunge herausstreckt.
Dann trete ich in die schweren Militärboots und stapfe zurück auf den Flur und zum Arbeitstrakt, in dem der große Drache sein Büro hat.
Die Wächter vor seiner Tür senken respektvoll das Haupt, als ich an ihnen vorbei marschiere und das riesige, in weichen Sandtönen eingerichtete Arbeitszimmer betrete.
»Du wolltest mich sprechen?«, will ich in einem ätzenden Tonfall wissen, der den durchtrainierten Mittfünfziger von dem Dokument, welches er gerade studiert, aufblicken lässt.
Zwischen seinen schwarzen Augenbrauen bildet sich eine Zornesfalte über mein ungebührliches Benehmen. Ich schulde ihm, Baihu King, dem Kopf der größten chinesischen Triade der Welt und damit dem Begründer des gigantischsten Konglomerates krimineller Organisationen, Respekt und Ehrerbietung.
Sein Blick wandert über meine Klamotten und ein missbilligender Ton entweicht ihm. Als ich einen Meter vor seinem Schreibtisch angekommen bin, der schräg im hinteren Teil des Raumes freisteht, damit er den Blick in den Garten richten kann, wann immer er möchte, nehme ich Haltung an. Die Füße schulterbreit auseinander gestellt, der Rücken kerzengerade. Die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt, den Blick leicht gesenkt auf den Boden gerichtet. Ein Entgegenkommen meinerseits.
Es ist still, bis auf die hauchzarte Musik einer chinesischen Oper, die leise im Hintergrund schwebt. Er lässt mich warten. Eine Machtdemonstration.
Ich bin sein giftiger Dolch, der seine Probleme löst.
Ich bin sein erster Offizier.
Ich bin seine Henkerin.
»Du siehst fürchterlich aus.« In seiner Stimme liegt ein unmissverständlicher Tadel.
»Vergib mir.«
»Spar dir das!« Anhand seines verkniffenen Gesichtsausdrucks ist klar, dass er ziemlich wütend ist.
Ergeben senke ich das Haupt. Keine gute Idee, den Boss mit Nichtigkeiten wie meinem unpassenden Outfit zu reizen.