Als das Lachen wiederkam - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als das Lachen wiederkam E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

August im Schloss von Sankt Augustine, das ist die Zeit der sommerlichen Feste. Doch mitten im fröhlichen Geschehen entdeckt die Journalistin Abigail Mühlberg ein Verbrechen. Der Kommissar Niklas Meyers bittet sie um Hilfe. Auf den Irrwegen der Liebe gibt es manche Verwicklungen, die nach einer Lösung rufen. Romantik pur vermischt mit einer Prise Crime.

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Inhaltsangabe

August im Schloss von Sankt Augustine, das ist die Zeit der sommerlichen Feste. Doch mitten im fröhlichen Geschehen entdeckt die Journalisten Abigail Mühlberg ein Verbrechen. Der Kommissar Niklas Meyers bittet sie um Hilfe. Auf den Irrwegen der Liebe gibt es manche Verwicklungen, die nach einer Lösung rufen. Romantik pur vermischt mit einer Prise Crime.

Die große Augusthitze hatte den Boden im ganzen Schlosspark ausgetrocknet. Bernhard, der Gärtner des Anwesens hatte jeden Tag den Rasen fleißig wässern und die Blumen reichlich gießen müssen. Auch an diesem Montag bemühte er sich, seine Schützlinge mit dem notwendigen Wasser zu versorgen.

Ein leichter Wind trug den Rosenduft zum Delphinbrunnen herüber, an dem ich mit Carla, meiner jungen Freundin, auf der weißen Gartenbank saß.

Carla blinzelte in die Sonne. „Das war ein gelungenes Fest gestern. So schön war es lange nicht mehr hier. Endlich mal eine Feier ohne Stress und ohne einen Kriminalfall. Es gab so viel Spaß, und getanzt haben wir auch bis nach Mitternacht, Bernhard und ich.“

„Dein Mann gehört zu den seltenen Exemplaren, die auch Spaß an diesem Vergnügen haben“, stellte ich fest. „Vielleicht liegt das auch daran, dass dein Mann so musikalisch ist. Damit hat er offensichtlich ein gutes Gefühl für Rhythmus.“

Sie sah mich vergnügt an. „Das passt. Aber ihr beide, du und Ermanno, ihr wart auch noch ganz gut dabei. Dafür, dass ihr schon über vierzig Jahre alt seid, wart ihr ganz schön flott auf den Beinen.“

Die Schlossherrin eilte zu uns, schon von weitem erkannten wir, dass sie sich in heller Aufregung befand. „Es ist doch nicht zu fassen“, teilte sie uns mit, als sie sich etwas von ihrer Atemlosigkeit erholt hatte. „Ihr glaubt nicht, was in der neuen Galerie passiert ist. Moro ist ganz durcheinander. Er hat sich gerade hingelegt, und ich habe etwas Entspannungsmusik eingeschaltet.“

Carla sah Adelaide mit großen Augen an. „Was ist passiert? Hat jemand eine Skulptur von deinem Mann fallen lassen?“

Die ältere Dame schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Die sind alle noch in Ordnung. Es handelt sich um das neue Gemälde, dass ich ihm bei einer Galeristin in Bonn gekauft habe.“

Ich erschrak. „Etwa das moderne Gemälde von der lächelnden „Mona Luisa“, das die berühmte Künstlerin Elvira von Datteln angefertigt hat?“

„Genau das ist es. Es hat jemand entwendet und sich einen ganz üblen Scherz erlaubt. Anstelle des Originals hängt dort jetzt eine Fälschung, auf der Mona überhaupt nicht lächelt, sondern ihre Mundwinkel nach unten gezogen sind.“

Carla starrte Adelaide entsetzt an. „Wie konnte denn das passieren? Es waren doch gestern nur nette Gäste anwesend. Und den Austausch der Bilder hätte man doch auch bemerken müssen. Haben denn die Videokameras nichts aufgezeichnet?“

Die Schlossherrin zog die Stirn in Falten. „Die Kameras wurden in diesem Raum kurz vorher außer Gefecht gesetzt, ganz professionell. Während des Austauschs wurden drei Minuten lang Laser ähnliche Strahlen auf die Objektive gehalten. Von allem, was im Raum geschah, ist nichts zu erkennen.“

„Wann ist das denn geschehen?“ erkundigte sich Carla interessiert.

„Gegen elf Uhr habe ich den Salon aufgeschlossen, das war kurz bevor die Reinigungsfrauen kamen. Als ich die Gäste am Schlosstor verabschiedete, muss der Dieb diesen kurzen Moment genutzt haben.“

„Es wird dich nicht trösten, dass die Versicherung dafür aufkommt, liebe Ada“, vermutete meine junge Freundin. „Es ist ja der ideelle Wert, den Moro zu beklagen hat. Du hast es ihm schließlich mit Liebe geschenkt.“

Die Augen der älteren Dame richteten sich traurig auf die junge Frau. „Der Tag unseres Kennenlernens war gestern genau sechsundfünfzig Jahre her, dazu passte dieses kostbare Geschenk so gut.“

„Und dabei seid ihr gerade jetzt erst neunzehn Jahre zusammen, die euch das Leben geschenkt hat“, bemerkte Carla. „Ist das denn eine Sache für den Kommissar? Oder wollt ihr wieder einmal den Detektiv Rüdiger von Ambergs einsetzen?“

„Wenn ich kann, helfe ich gern“, bot ich Adelaide an. „Das wird allerdings sehr schwer werden.“

Die Schlossherrin seufzte. „Ungeheuer schwer. Niklas hat eben mit Moro eine Liste angefertigt, auf der sie die Namen der Gäste vermerkt haben, die bis heute Mittag geblieben sind. Davon konnten wir schon ein paar Namen streichen, wie zum Beispiel den von Teresa, Moros Schwester und meinen Sohn mit seiner Frau. Aber es bleiben immerhin noch sechs Personen, die man genauer unter die Lupe nehmen muss.“

„Das Schlimme ist nur: inzwischen sind sie alle abgereist“, stellte Carla mit Bedauern fest. „Werden sie nun alle vom Kommissar vorgeladen?“

„Er nimmt an, dass uns das nicht weiter bringt. Der Dieb würde es sicherlich bei einer Befragung nicht einfach so zugeben. Er will erst einmal ein bisschen über diese Personen recherchieren, notfalls auch dort, wo sie leben. Glücklicherweise verteilen sie sich auf zwei Orte. Der eine ist Bonn am Rhein, das sind die Freunde der Galeristin Beate Meter, von der ich mir die Adresse eines Kunstcafés geben ließ. Der andere ist Venedig, dort wohnt die Familie Vincenti, das sind der Vater Ernesto mit seiner Frau Lucia und der Tochter Antonia. Sie besitzen dort eine Galerie, Lucia ist eine bekannte Opernsängerin, und die Tochter ist sich noch nicht schlüssig, in welche Richtung sie sich wenden soll.“

Carla freute sich. „Oh, Abigail! Wenn du dort überall die Recherchen übernimmst, dann muss ich unbedingt mitkommen. Ich kenne beide Städte noch nicht, weder Bonn noch Venedig und wollte immer schon einmal dorthin reisen. Nimmst du mich mit, ja?“

Ich lächelte sie an. „Natürlich mache ich das. Du warst mir immer schon bei meinen Recherchen eine große Hilfe. Aber wird dich dein Mann so lange entbehren können? Offensichtlich seid ihr noch ziemlich frisch verheiratet.“

Ihre Augen blinkten vergnügt. „Genau wie du. Es ist gut, wenn man sich manchmal ein bisschen vermisst. Aber Bonn und Venedig, das muss unbedingt sein.“

Adelaide sah mich dankbar an. „Ich sehe schon, du hast dich blitzschnell entschlossen, Moro zu helfen. Willst du das wirklich tun? Das bringt allerlei Umstände mit sich. Und deinem zuversichtlichen Blick nach hast du auch schon irgendeine Idee, wie du deine Recherchen bewerkstelligen willst.“

Ich nickte bedächtig. „Ja, mir ist gerade eine Idee gekommen. Natürlich muss ich das alles noch mit dem Kommissar und deinem Mann absprechen. Aber dieses wunderschöne Sommerfest war schließlich in aller Munde, da bietet es sich an, etwas darüber zu schreiben. Wenn ich also ganz offiziell als Journalistin diese sechs Tatverdächtigen aufsuche, kann ich sie näher kennen lernen und mir ein Bild über sie machen. Sobald es mir dann ratsam erscheint, ziehe ich mich wieder zurück und melde mich gegebenenfalls mit Nachfragen wieder erneut bei ihnen. Ich werde sie also ganz offiziell ausfragen, wie ihnen das Fest gefallen hat, wie sie darüber denken, und ob sie es für sinnvoll halten, Derartiges zu wiederholen.“

Die Schlossherrin atmete tief. „Das könnte gehen. Das ist nicht zu auffällig. Selbst dem Dieb muss nicht unbedingt gleich der Gedanke gekommen, dass du ihn ausspionieren möchtest. Und mittlerweile hast du auch ganz gut von deiner Schauspieler-Freundin Laura gelernt, wie man sich ein bisschen verstellt und harmlos gibt. Und du, Carla, willst du auch das behagliche Leben hier im Schloss aufgeben und stattdessen so strapaziöse Reisen auf dich nehmen und dich möglicherweise auch in etwas Gefahr bringen?“

Die Augen der jungen Frau leuchteten. „So traurig der Verlust jetzt auch für dich und deinen Mann ist. Aber das Abenteuer lockt mich und diese Reise ganz besonders. Vor allen Dingen aber freue ich mich, dass wir euch auf diese Weise vielleicht helfen können. Und ich kann mich ganz gut neben Abigail als Fotografin ausgeben, da habe ich ein bisschen Erfahrung. So sind wir gemeinsam ein gutes Reporter-Team.“

Ein Teil der Aufregung war nun von Adelaide gewichen. „Dann werde ich Moro sofort die gute Nachricht bringen, das wird in etwas aufmunternden. Wir sehen uns gleich für die weiteren Besprechungen.“

***

Als ich später mit dem Kommissar Niklas die Einzelheiten der Reise besprach, hatte ich Gelegenheit, ihn etwas auszufragen. „Hast du irgendwelche Anhaltspunkte an der Fälschung gefunden, die uns zum Täter führen könnten?“

„Das Bild von der Mona Luisa ist eine fantastische Fälschung. Das muss ein Fachmann gemalt haben. So hat es mir jedenfalls der Gutachter der Versicherung mitgeteilt.“

„Die Verdächtigen, die wir bis jetzt in den engeren Kreis gezogen haben, sind wohl alle Kunstexperten. Ist auch ein großes Mal-Genie dabei, Niklas?“

„Die Familie Vincenti hat einen starken Bezug zur Kunstszene. Sie müssen es nicht selbst gemalt haben. Vielleicht hat der Täter einen Künstler im Bekanntenkreis. Die drei Personen aus Bonn, das sind Oliver Debus, der Kunstlehrer eines Bonner Gymnasiums, Elli Werter, die ein Kunstcafé führt und Luise Kern, eine Rechtsanwältin, die Kunstschätze sammelt.“

Ich sah ihn überrascht an. „Oh, eine Rechtsanwältin! Das ist aber einmal etwas anderes. Warum hast du sie in den Kreis der Verdächtigen genommen?“

Niklas lächelte. „Warum nicht? Wie die anderen fünf Personen war sie zum Zeitpunkt in der Nähe des Tatorts und ist erst später abgereist. Und jede dieser Personen hatte einen schönen Trolley bei sich, indem man dieses Bild gut verstecken kann. Da kann ich sie nicht ausschließen. Aber du wirst schon herausfinden, ob ihre Sammelleidenschaft übertrieben ist oder sich in Grenzen hält.“

Ich seufzte. „Damit meinst du, dass es Menschen gibt, die alle Grenzen überschreiten wollen, wenn sie etwas unbedingt haben möchten.“

„Genau das meine ich. Und davon gibt es mehr, als man denkt. Und das Schlimme ist, dass es hier häufig nur um den materiellen Wert eines Gemäldes geht, gar nicht mal so um seine Originalität. Mir gefällt dieses Bild nicht besonders. Es hat gar nichts mit der echten Mona Lisa zu tun, sondern hat für mich etwas Komisches an sich.“

„Vielleicht sollte ich mich auch noch einmal an die Künstlerin selbst wenden, möglicherweise wollte sie mit ihrem Bild etwas Besonderes aussagen. Vielleicht wollte sie sogar die Betrachter des Bildes etwas auf den Arm nehmen.“

Er lächelte. „Das hatte der Dieb wohl auch vor, als er die Fälschung mit herabhängenden Mundwinkeln malte. Einen gewissen Humor kann man ihm nicht absprechen.“

Ich atmete auf. „Wenigstens habe ich es diesmal nicht mit einem Mörder zu tun. Aber ist ein solcher Betrüger deswegen gleich ein besserer Mensch?“

Er lachte. „Tut mir leid, Abigail. Ich würde jetzt gerne mit dir darüber philosophieren. Vielleicht kannst du das ja auf deiner Reise mit Carla tun. Moro hat übrigens für euch beide noch einen Briefumschlag bereit gelegt, damit ihr für die Spesen nichts vorlegen müsst. In seine Heimat würde er am liebsten selbst fahren, aber mit seinen Erkrankungen und in seinem Alter von zweiundachzig Jahren fühlt er sich leider nicht mehr fit genug dafür.“

„Ich werde alles mit Fotos dokumentieren“, versprach ich dem Kommissar. „Dann kann Moro unsere Reiseroute nachvollziehen.“

„Hast du dir überlegt, bei wem ihr anfangen möchtet?“

„Wir werden gleich morgen früh nach Bonn aufbrechen. Dort habe ich schon einen Termin mit der Galeristin vereinbart. Sie wird mir dann schon ein paar Dinge über die drei Bonner Verdächtigen berichten, damit ich schon mal einen ersten Eindruck habe und weiß, wie ich bei ihnen ansetzen muss.“

„Das ist vernünftig. Vielleicht kannst du dir dann die Reise nach Venedig sparen.“

Ich grinste. „Auf gar keinen Fall. Ich will nicht nach den ersten Indizien schon eine Prognose stellen. Ich möchte alle Verdächtigen genauestens unter die Lupe nehmen.“

Er lachte laut. „Da habe ich tatsächlich kein Gegenargument. Ich kenne doch deine sorgfältige Arbeit, deine genauen Recherchen. Auf diese Weise wirst du natürlich allen gerecht und ziehst jede Möglichkeit in Betracht. Dann viel Vergnügen bei der Italienreise!“

Nachdem wir uns mit einer freundschaftlichen Umarmung verabschiedet und getrennt hatten, suchte ich noch einmal Moro auf, der sich inzwischen von dem Schrecken etwas erholt hatte.

Ich sah in seine gütigen dunklen Augen. „Weißt du etwas über die Künstlerin, die das Bild der Mona Luisa gemalt hat? Ist es sinnvoll, dass ich sie vor meinen Recherchen einmal aufsuche?“

Er strich sich durch das graue, schüttere Haar. „Auf jeden Fall wird es interessant für dich sein, sie kennenzulernen. Sie ist eine sehr humorvolle Frau und liebt es, ihre Fans ein bisschen auf den Arm zu nehmen. Aber das Bild ist wirklich keine Persiflage auf die echte Mona Lisa. Diese Frau gibt es wirklich und ist eine Freundin der Künstlerin. Sie heißt Monika Luisa Schmidt und wird von all ihren Freunden nur Mona Lisa oder Mona Luisa genannt. Und sie soll eine sehr fröhliche Frau sein. Deswegen malte sie ihr Modell auch mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Aber die Künstlerin ist im Moment im Ausland, da musst du mit einem Besuch noch warten. Wenn sie wieder zurück ist, werde ich dich sofort informieren.“

„Und wo wohnt sie, wenn sie hier im Land ist?“

„In einem kleinen Dorf in der Eifel, ich werde dir ihre Adresse geben. Aber ich fürchte, du hast erst einmal mit den anderen Personen genug zu tun, Abigail.“

„Ich habe schon einmal daran gedacht, dass das Ganze nur ein Scherz ist. Vielleicht wollte hier jemand nur einen Schabernack spielen und hat das Bild nur zum Spaß vertauscht. Vielleicht will er das Original bald wieder ersetzen. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich ein normaler Dieb so viele Mühe gibt, wenn er dieses Bild stehlen will. Er hätte es einfach wegnehmen und den Platz freilassen können.“

„Einen freien Platz an der Wand hätte man wohl eher entdeckt. Sicherlich hoffte der Täter, eine möglichst späte Entdeckung des Diebstahls. Aber es ist irgendwie schon originell, dass er eine so perfekte Fälschung anfertigte oder anfertigen ließ und sich den Spaß mit den herabgezogenen Mundwinkeln erlaubte. Ich denke, es war entweder ein Sammler oder jemand der wusste, dass das Bild einen Wert von etwa 100.000 Euro hat.“

Ich staunte. „Oh, das wusste ich nicht. Da hat dir Adelaide aber ein teures Geschenk gemacht. Dann ist es wirklich ein doppelter Verlust.“

Er lächelte sanft. „Nein, nicht, dass du jetzt denkst, meine Ada hätte jetzt so viel Geld dafür ausgegeben. Das musste sie zum Glück nicht. Elvira ist eine gute alte Freundin von ihr, und Adelaide hat ihr einmal das Leben gerettet. Da hat es ihr die Künstlerin natürlich für einen wesentlich niedrigeren Preis gelassen, fast einen Spottpreis möchte ich sagen. Aber der Verkehrswert dieses Bildes liegt tatsächlich bei 100.000 Euro.“

Seine Worte hatten mich neugierig gemacht. „Wie hat ihr denn Ada das Leben gerettet? Ging es vielleicht um ihren Beruf als Lebensberaterin?“

„Das war in den Alpen während eines Urlaubs. Die beiden haben eine Bergwanderung unternommen, und Elvira ist ausgerutscht und wäre beinahe einen Abhang hinuntergestürzt, wenn meine Frau sie nicht im letzten Moment hochgezogen hätte. Dieses Erlebnis vergessen die beiden natürlich nicht.“

Ich atmete tief. „Oh, das glaube ich. Das war sicher sehr dramatisch und hat die beiden noch enger zusammen geschweißt.“

In diesem Moment erschien Carla mit einem gepackten Trolley und einem kleinen Rucksack. „Ich habe schon mit Bernhard gesprochen. Er meint auch genau wie ich, wir sollten doch schon sofort fahren. In der Dunkelheit übernehme ich dann das Steuer. Ich bin eine richtige Nachteule und kann dann besonders gut sehen. Dann können wir gleich morgen früh mit unseren Recherchen anfangen. Hast du etwas dagegen?“

Ich überlegte einen kurzen Augenblick. „Eigentlich nicht. Ich muss nur kurz mit Ermanno telefonieren und ihn von allem informieren. Gepackt habe ich schnell.“ Ich wandte mich an Moro. „Und was hältst du davon, wenn wir alles sofort in Angriff nehmen?“

„Im Prinzip habe ich nichts dagegen. Ich dachte nur, vielleicht seid ihr heute noch zu müde, weil doch gestern das große Fest hier war. Und das Sonnenblumenfest heute Abend draußen im Garten mit den herrlichen Blumengirlanden, das würdet ihr doch dann auch verpassen.“

Carla sprach für uns beide. „Das ist wirklich nicht so schlimm. Diesen Sommer wird es noch eine ganze Menge Feste gegeben, und die warme Zeit dauert sicher noch an. Aber die Recherchen wegen des Bildes sind wichtig, damit sollten wir so früh wie möglich anfangen, bevor das Bild schon irgendwo in der Ferne verschwunden ist.“

***

Am anderen Morgen gönnten wir uns noch ein ausgiebiges Frühstück in einer kleinen Bäckerei hinter dem Bonner Bahnhof, bevor wir die Galerie in der Innenstadt aufsuchten, die erst gegen 10:00 Uhr öffnete.

Mit Beate Meter hatten wir uns schon während des Sommerfestes etwas länger unterhalten und waren mit ihr per Du.

Die schlanke, blonde Frau kam uns erfreut entgegen. „Adelaide hat euch schon bei mir angemeldet. Darf ich euch etwas anbieten?“

„Danke! Wir haben gerade gut gefrühstückt“, berichtete Carla. „Und was sagst du nun zu dieser ganzen Angelegenheit? Hältst du es für einen Scherz oder ist es wirklich ein ganz hinterlistiger Diebstahl?“

Beate bot uns Platz an und servierte uns ein Glas Wasser. „Das habe ich mir auch eine ganze Weile erst überlegen müssen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass es ein durchdachter Diebstahl war, der als Scherz getarnt werden soll, damit man jetzt nicht allzu schnell zu rigoros vorgeht. Vermutlich hat sich der Dieb gedacht, dass man so darauf hofft, das Bild würde wieder zurückgebracht werden und man würde keine großen Suche starten. Aber was mir natürlich auch Kopfzerbrechen macht, ist: Wer hat solch eine fantastisch Fälschung erschaffen?“

„Du kennst doch bestimmt einige aktuell berühmte Maler“, vermutete ich. „Kann man die Maler denn nicht an ihrem Pinselstrich erkennen?“

„Die berühmten von früher schon. Aber heutzutage gibt es weltweit viele gute Maler, da wüsste ich wirklich nicht, wo ich anfangen kann zu suchen.“

„Und Luise, die Rechtsanwältin, Elli vom Kunstcafé und Oliver, der Lehrer? Weißt du, ob sie alle sehr gut malen können?“

„Soviel ich weiß, ist Luise nur eine eifrige Sammlerin, aber privat in diesem Bereich ziemlich unbegabt. Elli malt selbst ein bisschen und Oliver auch, aber beide nur so zum Spaß und nicht professionell. Wenn ihr mich also danach fragt, traue ich keinem von den Dreien ein so gutes Werk zu.“

„Aber es könnte einer von ihnen in Auftrag gegeben haben, nicht wahr?“ erkundigte sich Carla.

Beate nickte. „Das ist natürlich möglich. Ich könnte mir vorstellen, dass man besonders im asiatischen Bereich preiswerte Maler finden kann. Luise ist jedoch fast täglich in ihrer Kanzlei, Elli betreut das Kunstcafé ziemlich durchgehend, nur der Lehrer hat momentan noch Ferien und hatte dadurch Gelegenheit, ins Ausland zu fahren.“

Carla verzog das Gesicht. „Aber solche Aufträge kann man doch heutzutage auch schon online aufgeben. Ich glaube nicht, dass man dafür extra ins Ausland reisen muss. Und alle drei Leute bewegen sich doch auch in einer gewissen Kunstszene, können also auch hier guten Kontakt zu guten Malern haben. Wir könnten einmal eine Anzeige aufgeben in einer Bonner Zeitung, in der wir einen Maler suchen, der Auftragsarbeit übernimmt.“

„Wir hatten schon mal einen Gemäldedieb im Schloss“, wusste ich. „Der wollte allerdings von seinem Diebesgut ganze Mengen an Vervielfältigungen produzieren und hat sich dann auch an den asiatischen Raum gewandt. Glücklicherweise konnten wir ihn vorher dingfest machen. Der wollte schnell zum ganz großen Geld kommen. Aber dieser Fall hier scheint mir irgendwie anders zu liegen.“

Beate nickte. „Ich habe mir auch schon die ganze Zeit darüber Gedanken gemacht, was diese heruntergezogenen Mundwinkel bedeuten können. Ein Scherz, ja. Alle kennen die lächelnde Mona Lisa, und wohl auch das Bild der lächelnden Mona Luisa. Aber dieser trübe Gesichtsausdruck des Ersatzbildes lässt mir keine Ruhe. Vielleicht sollten wir einmal alle Menschen im verdächtigen Kreis näher anschauen, die momentan keinen Grund zum Lachen haben.“

„Das ist wirklich ein ganz neuer Aspekt“, fand ich. „Du meinst, da hat dann das Unterbewusstsein dem Täter einen Streich gespielt. Wer von diesen drei Personen hier in Bonn hat denn momentan keinen Grund zum Lachen? Beim Fest wirkten sie alle so fröhlich.“

Beate nickte. „Das war aber auch wirklich ein sehr schönes Sommerfest. Adelaide und Moro haben sich wieder einmal selbst übertroffen. Das herrliche Konzert für die Senioren und die geniale Tanzkapelle für die jüngeren Gäste! Ich habe diesen Tag auch sehr genossen. Die drei Verdächtigen sind keine Freunde von mir, nur gute Bekannte und haben alle momentan eine etwas dunkle Phase.“

„Ah! Dann bist du wohl deswegen auf diese Idee gekommen“, vermutete Carla. „Man merkt, dass du auch eine Künstlerin bist. Diese Sensibilität findet man da oft. Ich habe so gar nichts von dieser Art, aber wenn mein Mann Bernhard abends Klarinette spielt, dann kann er mich damit auch in eine ganz andere Welt versetzen.“

Beate seufzte. „Ja, ja, sensibel sind sie, oder eben wahnsinnig labil. Das macht das Leben nicht einfacher. Oliver, der Kunstlehrer leidet noch sehr darunter, dass seine Schwester an Krebs gestorben ist. Bisher hat er sich seitdem sehr zurückgezogen, gestern habe ich ihn das erste Mal wieder lachen sehen.“

„Das ist wirklich nur sehr schwer zu verkraften“, bemerkte ich. „Der Tod an sich ist schon schwer zu verstehen, aber im Familienbereich kann es einen schon aus der Bahn werfen.“

Beate nahm einen großen Schluck Wasser. „Den Eindruck hatte ich auch bei Oliver. Er hat sich sehr zurückgezogen und ich dachte schon, er wollte sich frühpensionieren lassen. Aber seit letzter Woche ist er etwas aufgeschlossener und besuchte mich ein paar Mal hier in der Galerie. Deswegen kam ich auch auf die Idee, ihn zu dem Sommerfest nach Sankt Augustine mitzunehmen.“

„Da sah es tatsächlich so aus, als habe ihm dieses Fest gefallen“, fand Carla. „Und was hat Luise für einen Grund, traurig zu sein? Sie hat mir einen heiteren Eindruck gemacht. Bestimmt war das unsere gute Musik und die ganze Atmosphäre im Schloss.“

„In ihrem Kunstcafé hat sie wohl momentan keine Sorgen, seit einige Künstler bei ihr regelmäßig auftreten. Da gibt es eine kleine Kapelle, die ab und zu Livemusik macht, Maler, die ihre Bilder ausstellen und einige Autoren, die dort mit Vorliebe Lesungen halten. Sie hat sich auch sonst für die Kunst interessierten Menschen eine ganze Menge ausgedacht. Sie steckt voller Ideen und wagt sich auch mutig an alle Themen heran, auch an die, bei denen alle Leute wegsehen. Sie hat wohl bisher immer Pech in ihrer Partnerschaft gehabt. Das scheint bei ihr der wunde Punkt zu sein.“

Carla riss die Augen auf. „Oh! Dann hat sie Liebeskummer. Das kann natürlich auch sehr tief gehen. Ich kenne das noch aus meiner Zeit, bevor ich Bernhard fand. Aber auch am Anfang hatte ich große Probleme und glücklicherweise Abigail an meiner Seite, die uns ein bisschen auf die Sprünge geholfen hat.“ Sie schenkte mir einen dankbaren Blick.

Beate lächelte mich an. „Ich habe schon davon gehört. Adelaide hat mir verraten, dass du gern den Amor spielst oder in eine vermittelnde Rolle springst, wenn es um Partnerschaften geht, Abigail. Da habe ich momentan keine Probleme. Jetzt bin ich mit meinem Alexander glücklich verheiratet. Aber ich kann mich noch gut an frühere Jahre und an meine erste Ehe erinnern. Da hätte ich dich so manches Mal gebraucht.“

Ich lachte. „Wenn das so ist, und ich jetzt mittlerweile dafür bekannt bin, dass ich mich gern einmische, dann weißt du ja Bescheid, wenn wieder einmal Not am Mann ist.“

Beate stimmte in mein Lachen mit ein. „Not am Mann, ja! Du hast die treffenden Worte gewählt. Bei Problemen komme ich auf dich zurück. Aber jetzt müssen wir erst einmal Adelaide und Moro wieder glücklich machen. Wie wollt ihr jetzt vorgehen? Soll ich die Termine für euch vereinbaren? Adelaide hat mir schon verraten, dass ihr euch mit einem Termin als Reporter vorstellen wollt. Ist das so richtig?“

Carla nickte. „Ja. So haben wir uns das gedacht. Abigail stellt die Fragen als Journalistin und ich schieße ein paar gute Fotos. Dabei hoffen wir auf interessante Interviews.“

„Wer von den drei Personen könnte denn so viel Geld am besten gebrauchen“, wandte ich mich an Beate.

Sie überlegte einen kurzen Moment lang. „Oliver ist sicher ein Durchschnittsverdiener mit seinem Gehalt als Lehrer. Aber da er allein lebt, wird er wohl mit dem Geld auskommen. Bei Luise geht es momentan im Kunstcafé aufwärts, ich denke, für die Zukunft macht sie sich weniger Sorgen, und Luise verdient mit der Kanzlei ihres Vaters sicher gutes Geld. Sie kann sich wohl den meisten Luxus leisten. Ich wüsste nicht, dass einer von ihnen so große Wünsche hat, um sich so viel Geld verschaffen zu müssen, wie die Mona Luisa wert ist.“

„Dann können wir sie eher unter die Sammlertypen einstufen?“

Beate nickte. „Ja, so würde ich sie einstufen. Bei Luise ist mir diese große Sammelleidenschaft schon aufgefallen. Ab und zu kommt sie mir vor, als versuche sie, sich mit ihren Einkäufen und Ersteigerungen das Glück zu erkaufen. Immer, wenn sie sich unbeobachtet glaubt, blickt sie sehr traurig in die Welt. Das ist mir hier bei meinem letzten Besuch in der Kanzlei besonders aufgefallen. Vielleicht könnt ihr das später herausfinden.“

„Wann sollen wir unser Glück versuchen?“ wandte sich Carla an die Gastgeberin.

„Ich werde gleich die Termine für euch ausmachen und euch später benachrichtigen. Der Lehrer hat noch Urlaub, bei ihm werde ich euch zuerst anmelden. Dann schaue ich, wann die beiden anderen Zeit haben. Inzwischen könnt ihr euch ein bisschen in Bonns Innenstadt umschauen. Das wird sich lohnen.“

Der Vorschlag gefiel uns, und so verabschiedeten wir uns von ihr und erkundeten die nähere Umgebung.

***