Als der Liebestraum erklang - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als der Liebestraum erklang E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Als der Liebestraum erklang ist der 21. Band der Romanreihe LIEBE UND MEHR. Im Schloss des Malers Moro Rossini von Sankt Augustine findet ein musikalischer Wettbewerb statt, es geht um neue Kompositionen und Vorträge alter Meister. Die Konkurrenz macht aus Freunden Feinde, und plötzlich sieht sich die Journalisten Abigail Mühlberg in einen Kriminalfall verwickelt. Gewitter und Hagelschlag unterbrechen den heißen Sommer, und bei den Gästen und Bewohnern des Schlosses erlebt man einen Sturm der Gefühle.

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Inhaltsangabe:

Als der Liebestraum erklang ist der 21. Band der Romanreihe Liebe und mehr.

Im Schloss des Malers Moro Rossini von Sankt Augustine findet ein musikalischer Wettbewerb statt, es geht um neue Kompositionen und Vorträge alter Meister.

Die Konkurrenz macht aus Freunden Feinde, und plötzlich sieht sich die Journalisten Abigail Mühlberg in einen Kriminalfall verwickelt. Gewitter und Hagelschlag unterbrechen den heißen Sommer, und bei den Gästen und Bewohnern des Schlosses erlebt man einen Sturm der Gefühle.

Carla stellte sich neben mich an den Delphin-Brunnen. „Ah! Wie interessant! Du hast dich auch schon hierhin verdrückt! Ich muss mal ein paar Minuten zu dir in den Park kommen. Da drinnen ist es ja nicht mehr zum Aushalten.“

Ich beschloss, sie ein wenig zu necken. „Ich weiß gar nicht, was du meinst. Bei dieser Sommerhitze ist es doch drinnen wunderschön kühl im Schloss. Hier draußen wird es zunehmend schwüler, vermutlich überrascht uns nachher wieder ein kräftiges Donnerwetter.“

Sie gab mir einen leichten Klaps. „Du weißt ganz genau, was ich meine. Tu nicht so unschuldig! Da drinnen kommt von allen Seiten Musik. Das hört sich ja schrecklich an in diesem Durcheinander. Astor spielt auf dem Klavier im kleinen gelben Salon, Lars auf dem Flügel im großen Konzertsaal, und Boris klimpert auf dem Spinett herum.“

„Sie sollten sich abstimmen“, scherzte ich. „Und wie üben die Studentinnen für den Wettbewerb? Singen sie auch schon den ganzen Vormittag?“

„Von den vier weiblichen Wettbewerbsteilnehmerrinnen habe ich bis jetzt nur Vera trällern gehört mit der Serenade von Sigmund Romberg aus dem Musical „The Student Prince“. Wer ist eigentlich auf diese wahnwitzige Idee gekommen?“

„Ich finde die Idee eigentlich ganz hübsch“, widersprach ich ihr. „ Sie ist eigentlich von unserer Schlossherrin. Vielleicht sind die ausgewählten Stücke nicht jedermanns Geschmack, aber da darf man nicht vergessen, dass Moro Rossini und seine Adelaide doch noch mal mehr als eine Generation älter sind als wir.

Rossini selbst ist über achtzig, mit ein bisschen Glück könnte er fast mein Großvater und dein Urgroßvater sein, und die liebe Ada ist auch schon ein Stück über siebzig. Das sollte ursprünglich eine Überraschung für seinen Geburtstag im August sein.“

„Und warum ist es nicht dabei geblieben?“

„Lauras Tante hat davon erfahren, und du kennst sie ja! Wenn irgendjemand eine winzige Idee hat, die ihr gefällt, dann greift sie die sofort auf und macht ein Riesenspektakel daraus. Zum Glück hat sie auch das Geld dafür, um ihre Pläne durchzuführen.“

„Dann hat sie doch bestimmt auch riesenhaft teure Preise ausgesetzt, oder?“

„Oh ja! Sie hat wirklich maßlos übertrieben. Für die ersten drei Plätze gibt es Gutscheine für Instrumente und der erste Platz bekommt zusätzlich noch eine Studienreise nach Amerika geschenkt mit einem Ticket für die Metropolitan Opera.“

„Wow! Das ist stark. Die Frau Ackermann weiß wirklich nichts mit ihrem vielen Geld anzufangen, jedenfalls nicht für sich selbst. Wieso ist sie nur immer so großzügig?“

„Sie hat wohl einen Riesenspaß daran, anderen Menschen eine Freude zu machen. Ihre Nichte Laura hat selbst genug Geld als berühmter Filmstar, und sie selbst hat sonst keine Hobbys, die viel Geld kosten. Und weitere Verwandte besitzt sie nicht. Ich finde sie bewundernswert.“

„Schade, dass ich kein Instrument spiele, und auch nicht singen kann“, bedauerte Carla und spielte mit den Händen im kühlen Wasser des Brunnens.

„Du hast doch trotzdem eine Chance oder täusche ich mich da? Hat sich nicht Bernhard mit der Klarinette angemeldet?“

„Ja, schon. Aber ich glaube nicht, dass er eine Chance hat, wenn die anderen Mitbewerber auf dem Piano spielen.“

„Ich finde, dass dein Mann ein großer Künstler ist, Carla. Er beherrscht das Klarinettenspiel fast so gut wie Benny Goodman. Und wenn du mich fragst, so hört sich die Träumerei von Robert Schumann auf diesem Instrument nicht schlechter an als auf dem Piano.“

Carla amüsierte sich. „Wenn das Bernhard hört, wird er platzen vor Stolz. Im Moment ist er sehr schwer beschäftigt, die Künstler haben sich nämlich ausgemacht, dass sie über die Komponisten, deren Stücke sie spielen, auch etwas berichten. Er hat als einziger den Schumann erwischt, während sich seine Konkurrenten den Franz Liszt teilen und die Mädchen den Sigmund Romberg. Damit hat er ganz gut in den Lostopf gegriffen, denn über den Schumann ist doch sehr viel bekannt, und besonders über seine große Liebe zu Clara, für die er auch den Liebestraum schrieb. Immerhin waren sie doch einige Jahre glücklich, bevor er krank wurde, auch wenn sie manchmal ziemlich knapp bei Kasse waren. Da hatte der Komponist auch nicht immer nur aus einer stabilen Lebenslage heraus komponiert, sondern es ist wohl auch viel aus einem Zwang heraus gesprudelt.“

„Bei Rossini war es ja auch lange Zeit hindurch die Sehnsucht nach Adelaide, als er seine schönsten Bilder und Skulpturen schuf.“

In dem Moment hörten wir die Sirene eines Krankenwagens, der sich dem Schloss näherte.

„Oh, hoffentlich ist nichts mit dem Schlossherrn passiert!“ wünschte Carla. „In seinem Alter muss man immer auf etwas gefasst sein.“

Wir standen vom Brunnenrand auf und eilten zum Hauptgebäude, vor dem wir Adelaide in Aufregung antrafen.

„Es ist etwas passiert mit Sissi. Boris wollte seine Frau zu einem Spaziergang in den Park abholen, sie waren miteinander verabredet. Aber er hat sie bewusstlos in der Suite aufgefunden. Natürlich hat er sofort den Notarzt gerufen und dann gemeinsam mit Bernhard versucht, sie zu reanimieren.“

„Wie schrecklich!“ bemerkte Carla. „Was mag ihr nur passiert sein? Heute Morgen beim Frühstück ging es ihr doch noch gut.“

Die Schlossherrin nickte. „Ja, das habe ich auch noch gut in Erinnerung. Und ich weiß nicht, ob es richtig war, aber Moro hat direkt die Polizei gerufen. Niklas muss auch gleich hier sein.“

„Das ist immer besser“, fand Carla. „Wenn viele fremde Menschen auf so engem Raum zusammen sind, muss man mit allem rechnen. Brauchst du ein Glas Wasser? Und wie geht es Moro?“

„Clemens, der Tierarzt vom Gutshof, war gerade hier. Er ist gerade bei meinem Mann und beruhigt ihn etwas. Ich habe inzwischen die Rettungssanitäter und den Notarzt eingewiesen und hereingelassen. Danke, für deine Fürsorge, Carla. Ich habe eben Wasser getrunken. Bei dieser sommerlichen Hitze achte ich immer auf genügend Flüssigkeit. Aber kommt mit mir herein die Küche. Wir können uns da etwas Erfrischendes zubereiten.“

Wir folgten ihr durch das Schloss, begaben uns in den großen kühlen Raum und versorgten uns mit Getränken, während wir versuchten, uns gegenseitig zu beruhigen.

***

Erst im Laufe des Nachmittags erhielten wir nähere Auskünfte. Der Kommissar Niklas Meyers, der seit längerer Zeit auch privat unser guter Freund war, ließ sich in der Schlossküche blicken und teilte uns mit, dass die Wiederbelebungsversuche bei Sissi keinen Erfolg gehabt hatten.

„Die weiteren bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass die junge Frau vermutlich vergiftet worden ist.“

Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen, bis wir diese schrecklichen Tatsachen ein wenig begriffen hatten. Carla reichte Adelaide ein weiteres Glas, gefüllt mit frischem Wasser.

„Das kann ich jetzt gar nicht verstehen. Wer soll denn das getan haben? Und warum?“

„Das wissen wir alles auch noch nicht“, teilte uns Niklas mit. „Aber ich bin jetzt natürlich auf eure Hilfe mit angewiesen. Ich brauche dringend einige Auskünfte über das junge Ehepaar.“

„Ganz jung waren sie ja nun auch nicht mehr“, wusste die Schlossherrin. „So Ende zwanzig.“

Carla staunte. „Tatsächlich? Sie sahen beide noch so jung aus. Studiert man denn in diesem Alter überhaupt noch?“

„Als sich die beiden hier einmieteten, haben sie mir schon einiges von sich erzählt. Verheiratet sind die beiden schon seit ein paar Jahren, sie kannten sich wohl schon aus der Schulzeit. Nach dem Abitur haben sie beide aber erst einmal gearbeitet, Sissi in einem Musikverlag und Boris in einer Pianowerkstatt. Sie hatten kein Geld zum Studieren und ihren Traum erst einmal zurückgesetzt. Dabei wollte Boris schon immer Pianist werden und sie sich schon immer zur Sängerin ausbilden lassen. Von dem Geld, das sie verdient haben, konnten sie dann auch in der Zwischenzeit ihre musikalischen Unterrichtsstunden bezahlen.“

„Und wie kam es, dass sie dann plötzlich doch studierten“, erkundigte sich Niklas.

„Sissi hat eine Erbschaft gemacht. Ihr Onkel ist gestorben und hat ihr in Italien ein Haus vererbt, irgendwo in der Toskana. Da hatte er sich wohl zur Ruhe gesetzt. Und sie hat es jetzt dort vermietet.“

„Und das bringt so viel Geld?“ wunderte sich Carla.

„Es muss wohl ein größeres Anwesen sein, in dem eine Familie lebt und die restlichen kleinen Appartements als Ferienwohnungen genutzt werden können. Der Onkel hatte wohl einige Freunde dort, die ihm beim Ausbau dieses Hofes geholfen haben. Irgendeiner seiner Vorfahren war auch Italiener gewesen.“

Carla sah den Kommissar mit großen Augen an. „Ich weiß, dass es jetzt momentan total pietätlos ist, über so etwas zu sprechen. Aber ich denke, es ist wichtig für deine Ermittlungen. Wer erbt das Ganze jetzt?“

Adelaide hob die Augenbrauen. „Boris und Sissi haben keine Kinder. Wenn die junge Frau kein besonderes Testament gemacht hat, dann wird wohl ihr Mann alles erben.“

„Wir werden das auf jeden Fall klären“, versprach Niklas. „Es ist gut, wenn wir jetzt über alles reden, sofern ihr nicht noch unter Schock steht. Aber je mehr ich weiß, und je eher ich etwas weiß, desto schneller können wir reagieren.“

Ada seufzte. „Das ist zwar alles jetzt sehr schrecklich, aber ich werde mich schon zusammennehmen. Es ist schließlich wichtig, dass man den Täter fasst. Könnte es denn Boris gewesen sein, der seine Frau beerben will.“

Der Kommissar runzelte die Stirn. „Der Ehemann behauptet, zu der Zeit den Liebestraum von Liszt gespielt zu haben, und zwar auf dem Spinett im Studierzimmer. Ich wusste erst gar nicht, was das für ein Instrument ist. Aber ich habe mich im Internet schlau gemacht, das ist so eine Art Cembalo, ziemlich klein. Habt ihr vielleicht etwas davon gehört?“

Carla nickte eifrig. „Und ob! Deshalb bin ich in den Garten geflohen. Demnach müssten alle drei männlichen Studenten, Boris, Lars und Astor ein Alibi haben. Sie klimperten nämlich um die Wette, das hat sich grauselig angehört.“

„Hast du auch mitbekommen, was sie gespielt haben“ erkundigte sich Niklas.

„Das konnte ich wirklich nicht heraushören. Alles zusammen hörte sich überhaupt nicht wie Liszt an. Ich weiß auch nur, dass sich der Liebestraum in drei Stücke aufteilt. Das hat mir nämlich Bernhard gestern Abend noch erklärt. Er kennt sich in Musik aus, im Gegensatz zu mir. Auch wenn er nur Klarinette spielt, ist ihm doch der Liebestraum von Liszt sehr bekannt. Und der wird eben meist als Pianomusik wiedergegeben. Möchtest du mehr darüber wissen?“

„Natürlich, jede Kleinigkeit kann für uns wichtig sein. Sag mir bitte alles, was du weißt“, forderte er sie auf.“

„Die Musik hat Liszt zu Kunstliedern geschrieben, die alle einen Text haben. Bernhard hat mir diese Texte gestern Abend alle vorgelesen. Die meisten jungen Leute von heute würden sie wahrscheinlich als übertrieben empfinden. Aber es ist eben Poesie, Poesie aus einer romantischen Zeit.“

Der Kommissar wurde ein bisschen ungeduldig. „Und? Weiter?“

„Also Astor spielt die Musik zu dem Text „Hohe Liebe“. Ich werde ihn dir bei Gelegenheit mal ausdrucken, wenn du ihn brauchst. Dieses Gedicht hat Ludwig Uhland fabriziert, und er hat auch den Text für das zweite Stück geschrieben. Das trägt den Titel „Seliger Tod“. Aber da geht es natürlich nicht um den echten Tod, sondern die Verschmelzung zweier Menschen während der Liebe. Und den Text zu dem dritten Teil, der wurde von Ferdinand Freiligrath gedichtet. Der hat den vielleicht jetzt etwas makabren Titel: „Oh, lieb so lang du lieben kannst“. Also irgendwie, kommt mir das Ganze jetzt schon etwas seltsam vor. Wie denkst du darüber, Niklas?“

„Für meinen Kollegen und mich war die Sache am Anfang eigentlich recht klar. Als wir gehört haben, dass hier der Musikwettbewerb stattfindet, und Frau Ackermann so hohe Preise ausgesetzt hat, da haben wir gedacht, dass eine ihrer Konkurrentinnen, eine der anderen Sängerinnen, sie vielleicht herauskicken wollte.“

Die Schlossherrin atmete tief. „Das ist natürlich auch nicht auszuschließen. Sie war eine begnadete Sängerin, sie hatte eine wunderschöne Stimme. Vor drei Tagen war sie bei mir und Moro im gelben Salon und hat uns ein paar italienische Lieder vorgesungen. Ich war begeistert, und auch mein Mann schwärmte von ihr.“

Niklas drohte ihr lächelnd mit dem Finger. „Sag nicht sowas, Adelaide! Sonst müsste ich dich nachher auch noch verdächtigen. Das wäre ein klassisches Eifersuchtsmotiv.“

„Das ist nicht witzig“, fand Adelaide und sah ihn betrübt an. „Jetzt haben wir uns alle so sehr auf das neue Event gefreut, und nun ist wieder so etwas Schreckliches passiert. Ich beginne langsam, die Menschen zu verstehen, die alles so laufen lassen, die sich nicht engagieren. Hier muss man sich ja tatsächlich wieder fragen, ob man das Ganze nicht hätte verhindern können, wenn dieser Konkurrenzkampf nicht gewesen wäre.“

„Nein, damit hat das wirklich nichts zu tun, liebe Ada!“ Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln. „Die kriminelle Energie ist in manchen Menschen mehr und in manchen Menschen weniger vorhanden. Und einen Auslöser gibt es immer wieder, die wird man nicht verhindern können. Und wie es scheint, gibt es hier auch noch andere Motive. Die Sache mit der Erbschaft ist nicht uninteressant.“

„Aber der Ehemann hat doch ein Alibi“, wandte die Schlossherrin ein.

„Nicht unbedingt. Das müssen wir erst überprüfen. Zuerst müssen wir herausfinden, welches Gift es war, und wie lange es benötigte, um zu wirken. Wenn er dann tatsächlich beweisen kann, dass er zu der Zeit auf dem Cembalo gespielt hat, dann können wir ihn als Täter ausschließen. Aber wenn dieses Anwesen in Italien tatsächlich so wertvoll ist, sollten wir an diesem Thema dran bleiben. Selbstverständlich werden jetzt auch alle anderen im Schloss vernommen, und darunter sind natürlich auch die Teilnehmer des Wettbewerbs.“ „Wie geht es denn jetzt weiter?“ erkundigte sich Carla. „Ich hatte vor, mich in der Schlossküche um das Essen zu kümmern. Kann denn hier alles reibungslos weitergehen?“

„Leider noch nicht. Die KTU ist noch in der Küche, das wird noch etwas dauern. Noch wissen wir nicht, wie der Künstlerin das Gift verabreicht wurde. Und danach würde ich euch auch erst einmal raten, lediglich die verschlossenen Lebensmittel zu benutzen, bis wir Näheres wissen.“

Carla seufzte. „Ich hatte wirklich gehofft, dass jetzt hier erst einmal eine Weile alles ruhig bleibt. Meine Hochzeit war so ein schöner Auftakt für bessere Zeiten. Robin schrieb mir neulich noch aus Amerika, dass sie hoffte, hier in Sankt Augustine habe die Rosenzeit begonnen. Und sie blühen ja auch wirklich zauberhaft da draußen und duften wie die Weltmeister.“

Der Kommissar sah sie bedauernd an. „Die Welt wird sich nicht ändern, Carla. Wir müssen lernen, die positiven Tage, die es immer wieder gibt, zu schätzen. Aber jetzt muss ich euch hier allein lassen, es gibt noch viel zu tun für uns. Wir möchten den Täter ja so bald wie möglich fassen, damit ihr hier im Schloss wieder etwas Ruhe finden könnt.“

„Dann lass dich bitte nicht aufhalten!“ riet ihm Adelaide. „Und wir werden auch die Augen und Ohren offenhalten.“

„Hast du eine besondere Aufgabe für mich?“ wandte ich mich an Niklas.

„Du hast hier dauernden Kontakt mit den Künstlern, und da du auch für die Rossinis einige organisatorische Aufgaben übernimmst, wird es dir bestimmt nicht schwer fallen, die Konkurrenten des Wettbewerbs ein bisschen auszufragen, sobald wir mit unseren Zeugenbefragungen fertig sind.“

***

Mein Vorhaben, mich baldmöglichst an Boris zu wenden und ihn vorsichtig auszufragen, musste ich zunächst einmal zurückstellen, da man ihn inzwischen ins Krankenhaus gebracht hatte.

„Es war ein Nervenzusammenbruch“, teilte mir Vera, die junge Musikstudentin mit, die ebenfalls zu den Teilnehmerinnen des Wettbewerbs gehörte. „Ist das nicht fürchterlich? Wir sind alle total schockiert. An diesen dummen Wettbewerb denkt momentan keiner mehr von uns. Wir sind alle völlig fertig.“

„Das kann ich absolut verstehen“, antwortete ich der jungen Frau, die ich im Foyer des Schlosses getroffen hatte. „Setzen wir uns einen Augenblick auf die Schlossterrasse?“

Vera nickte. „Ich muss sowieso jetzt mit irgendjemandem reden, sonst drehe ich durch. Es ist nicht nur Sissis Tod, den wir nicht begreifen, sondern auch die Tatsache, dass mein Freund Lars und ich, dass wir bestimmt beide auch verdächtigt werden, etwas damit zu tun zu haben.“

Ich sah sie verwundert an. „Da ist mir bis jetzt noch nichts zu Ohren gekommen. Wie kommst du darauf?“

Die junge Frau sah mich mit großen Augen an. „Du hast noch nichts davon gehört, was alle Spatzen von den Dächern pfeifen?“

„Nein, wirklich nicht. Um was geht es denn?“

„Mein Freund Lars und Sissi haben immer zusammen musiziert. Sie hatte ja so viel Geld und hat ihn dafür bezahlt, dass er sie zu ihrem Gesang auf dem Klavier begleitete. Mir gegenüber hat er natürlich gesagt, dass er es nur des Geldes wegen macht, wir sind schließlich arme Studenten. Aber die anderen könnten hier natürlich denken, dass er in sie verliebt war, woraus man wiederum folgern könnte, dass ich sie aus Eifersucht umgebracht habe. Ist das nicht verrückt?“

„Und wie kommst du darauf, dass die anderen so denken?“

„Nina und Kelly haben sich immer ein bisschen über mich lustig gemacht, wenn ich abends allein im Garten saß, weil Lars mit Sissi musizierte. Dann kamen natürlich diese üblichen Sprüche wie: „Gelegenheit macht Liebe“, denn dass sie viel Zeit miteinander verbrachten, ist niemandem verborgen geblieben.“

„Wenn die beiden jungen Frauen in der Öffentlichkeit so etwas herumerzählen, wird es natürlich auch zu Niklas Ohren gelangen. Und dann werdet ihr sicherlich auch näher befragt und man wird eure Alibis untersuchen.“ Ich sah sie mir etwas genauer an. „Du bist eine sehr hübsche junge Frau, und auch noch sehr jung. Anfang zwanzig schätze ich dich. Warum sollte sich Lars in eine Frau verlieben, die fast zehn Jahre älter ist als du?“

„Sissi war auf ihre Art sehr attraktiv, und ich habe einmal Astor zugehört, als er sich mit Bernhard über sie unterhielt. Natürlich hatten mich die beiden nicht bemerkt, und deswegen endete das auch in einem typischen Männergespräch. Sie einigten sich darauf, dass sie Sissi sehr sexy fanden. Und dabei ist doch Bernhard gerade frisch verheiratet mit der entzückenden Carla, Adelaides Hausdame. Sie ist doch deine Freundin, wenn ich mich nicht irre?“

Ich lächelte. „Ja, das ist sie. Aber solche Männergespräche, wie du das nennst, haben nichts zu bedeuten. Die Schlossherrin hat mir auch erzählt, dass Rossini selbst von der Künstlerin angetan war, und nicht nur von ihrem Gesang. Ich denke einmal, früher wäre Adelaide auch eifersüchtig geworden.“

Jetzt lächelte auch Vera. „Und dabei ist Moro Rossini doch schon über achtzig Jahre alt. Und mit Sicherheit ist er nicht mehr auf Freiersfüßen. Ich habe gehört, dass Ada, seine große Liebe ist, und sie eine lange spannende Geschichte hinter sich haben.“

„Das kann man wohl so sagen. Sie waren noch jung, als sie sich kennenlernten, und waren dann mehrere Jahrzehnte ihres Lebens getrennt, weil sie beide etwas sorglos mit ihrer großen Liebe umgegangen waren.“

„Ich hatte gehört, dass die beiden verlobt waren, aber Moro nicht treu sein konnte?“

„Richtig, sie lebten ja damals in einer Fernbeziehung, wenn man es so überhaupt eine Beziehung nennen konnte. Da gab es noch keine E-Mails oder Kommunikationsmöglichkeiten wie heute, sondern nur teure Telefongespräche von Italien nach Deutschland und zurück. Aber Adelaide konnte ihrem Liebsten den Seitensprung auch lange nicht verzeihen, obwohl sie ihn liebte, und so war sie es dann nach einem Jahr, die den nächsten Fehler beging und ihm bei seinem Heiratsantrag einen Korb gab.“

„Oh!“ stöhnte Vera. „Die haben aber auch nichts ausgelassen. Na, wenigstens sind sie jetzt im Alter glücklich vereint und genießen das tüchtig.“

„Ich hoffe, dass sie noch viele gemeinsame Jahre erleben dürfen“, wünschte ich Ada und Moro. „Sie hatten sich schon so sehr auf die musikalischen Darbietungen gefreut. Chopin, Liszt, Rachmaninow und Schumann, das sind ihre Lieblingskomponisten aus früheren Zeiten. Ich habe gehört, dass ihr Musikstudentinnen etwas von dem Komponisten Siegmund Romberg singen wolltet. Hat er nicht eine ganze Menge von Musicals geschrieben?“

„Ja, viele Leute aus der neueren Zeit finden sie etwas kitschig, aber wenn man sich etwas mehr damit beschäftigt, merkt man, dass es zu der romantischen Seite dieser Zeit passt. Ich singe aus seinem Musical Maytime den Song „Will you remember“. Sagt dir das was?“

„Im Moment nicht. Vielleicht habe ich ihn schon einmal gehört. Aber wenn du ihn mir irgendwann einmal vorsingen kannst, kann ich dir mehr darüber sagen.“

Sie summte die Melodie vor sich hin. Als sie mehrmals das Wort „Sweetheart“ sang, erinnerte ich mich, diesen Song schon früher einmal gehört zu haben.

„Ja, das ist schon ein Evergreen. Ich konnte mich nur nicht mehr an den Titel in diesem Zusammenhang erinnern. Hat dieses Lied eine besondere Bedeutung für dich?“

„Deswegen habe ich auch diesen Song von ihm ausgewählt, aus dieser Operette von Romberg. Da gibt es eine Rahmen-Geschichte, bei der eine ältere Dame einen jungen Mann, der Liebeskummer hat, tröstet. Und es geht auch um Stars. Die ältere Dame erzählt dem jungen Mann schließlich von ihrer Liebesgeschichte aus der Vergangenheit, und dass sie wegen der Karriere auf ihren Liebsten verzichtet hat. Als sie ihn später wieder trifft, gibt es Verwicklungen und ein Eifersuchtsdrama, bei dem ihr Liebster erschossen wird. Und am Ende ist es so, wie in dem Film Titanic. Die ältere Dame stirbt und sinkt im Paradies ihrem Liebsten wieder in die Arme. Lars und ich, wir haben uns auch im Mai kennengelernt, zur Maienzeit, und wir beide haben uns geschworen, dass wir unsere Liebe niemals wegen unserer Karriere aufgeben werden. Deshalb waren wir auch so glücklich, als uns Frau Ackermann diese Wohnmöglichkeit hier vermittelte. Normalerweise können wir uns das hier in dem Schloss gar nicht leisten, aber Lauras Tante gibt erhebliche Zuschüsse.“

Ich nickte. „Ja, sie ist sehr spendabel. Ich denke, ihr beide könnt später auch gut zusammen musizieren. Dann singst du, und Lars begleitet dich auf dem Klavier.“

Vera sah mich etwas zweifelnd an. „Ja, vielleicht wird ja später einmal etwas draus, aber im Moment sind wir beide noch nicht gut genug, um als Team zusammenarbeiten zu können. Ist das nicht merkwürdig? Wir können gut zusammen tanzen, auch zusammen kochen oder zum Beispiel eine Wohnung renovieren. Aber ausgerechnet bei der Musik, unserer Lieblingsbeschäftigung, da will es nicht so klappen.“

Wir verließen das Gebäude und spazierten durch den Garten

„Das kommt bestimmt noch“, tröstete ich sie. „Wie du schon selbst sagst, vielleicht seid ihr beide noch zu unsicher. Weißt du, wo Lars im Moment steckt?“

„Er wird noch von einem Kommissar verhört. Zu dumm, dass er genau wie die anderen beiden Männer kein Alibi hat!“

Ich riss die Augen auf. „Wieso haben die kein Alibi?“

„Wenn einer von ihnen der Täter war, dann hat derjenige bestimmt nicht live gespielt. Dann hat er vermutlich sein Geklimper aufgenommen und abspielen lassen, während er Sissi das Gift verabreicht hat.“

Ich seufzte. „Oh nein! Nicht das auch noch! Dann können wir bis jetzt noch niemanden von den Pianisten ausschließen. Wie sieht es denn mit deinen Kolleginnen aus? Sind Kelly und Nina sehr ehrgeizig? Können sie gut verlieren oder wollen sie unbedingt die Reise nach Amerika gewinnen?“

Vera lächelte. „Wir haben uns alle für diesen Wettbewerb gemeldet, weil wir gewinnen wollen. Und bis auf Sissi und Boris sind wir auch alle arme Studenten, die sich über solche Gewinne freuen würden. Ich kenne Nina und Kelly noch nicht sehr lange, nicht lange genug, um mir ein Bild über sie machen zu können. Und ich will auch nichts Schlechtes über sie sagen, obwohl sie mir etwas arrogant vorkommen. Jedenfalls sind sie sehr eingebildet auf ihre Stimmen.“

Wir wurden durch den Kommissar unterbrochen, der an Vera noch einige Fragen hatte und sie zurück zum Schloss begleitete. Nachdenklich schaute ich in den blauen Sommerhimmel und beobachtete die Wolkenberge, die sich weiter auftürmten. Genauso türmten sich die Fragen in mir auf, und es wurden immer mehr, statt weniger.

***

Nach einem ausgedehnten Spaziergang im Park, bei dem ich versuchte, das Gehörte zu sortieren, suchte ich Lars auf, der gerade von einer Zeugenbefragung kam.

Der schlanke, große Mann mit dem ernsten Gesicht schien ebenfalls ganz in Gedanken versunken zu sein, als ich ihn ansprach.

„Hallo, Abigail! Ist das nicht furchtbar? Gestern Abend habe ich sie noch auf dem Klavier begleitet.“

Obwohl er keinen Namen nannte, wusste ich, dass er Sissi meinte. „Das ist wirklich furchtbar schlimm!“ stimmte ich ihm zu. „Ein Mord ist schon schrecklich genug, aber wenn man denjenigen dann noch persönlich gekannt hat, ist es bestimmt noch schwerer. Wie war sie denn gestern Abend? Hast du etwas Besonderes an ihr bemerkt?“