Als die Klarinette sang - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als die Klarinette sang E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

"Als die Klarinette sang" ist der 11. Band der Buchreihe "Liebe und mehr". In diesem Teil fährt die Journalisten Abigail Mühlberg nach Südfrankreich und hilft dort bei der Aufklärung eines Kriminalfalles. Auch in der Liebe gibt es Probleme, die gelöst werden müssen.

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Die Handlung der Geschichte, sowie sämtliche Personen sind frei erfunden und entsprechen in keiner Weise der realen Geschehnisse oder lebenden Personen. Ähnlichkeiten mit Handlungen, Gegebenheiten oder Personen sind rein zufällig.

1. Kapitel

Die sanfte Herbstsonne leuchtete zum Fenster herein, während Carla und ich die Vitrinen im Schlossmuseum sorgfältig abstaubten.

„Es ist kaum zu glauben, was hier in der kurzen Zeit seit der Eröffnung zusammen getragen wurde“, staunte die junge Frau. „Du hast eine ganze Menge Sympathisanten für deine Aktionen gefunden. Vergessene Künstler wieder in Erinnerung zu bringen und zu Ehren kommen zu lassen, das sollte überall nachgeahmt werden. In den alten Bibliotheken hat bestimmt manch einer noch ein besonderes Buch oder auf dem Speicher ein verstaubtes Bild.“

„Leider wird das immer seltener, je mehr die Zeit vergeht“, bedauerte ich und nahm ein frischgebundenes Buch in die Hand. „Schau einmal hier! Diese Gedichte fand der Pfarrer in unserer schönen Barockkirche neulich sogar noch im Keller, wo sich früher die beiden Dichter Benjamin Wohlfarth und Andreas Konstantin mit den anderen Künstlern getroffen haben. Er glaubt, dass Jette, die mit Benjamin aus Deutschland fliehen wollte, die Gedichte dort versteckt hat. Er hat sie nämlich im Keller hinter alten, verstaubten Weinflaschen gefunden.“

„War sie auch Schriftstellerin?“ Carla sah neugierig in das Büchlein hinein.

„Nein. Davon ist jedenfalls nichts bekannt geworden. Sie hat wohl einfach nur ein bisschen gedichtet, weil ihr das Herz so voll war in Liebe zu Benjamin. Hier zum Beispiel! Das hört sich nach tiefen Gefühlen an, finde ich.“

Aufmerksam hörte sie mir zu, als ich ihr vorlas:

„Wenn die Glocke schweigt und der Abend

vergeht,

ein Nebel von Farbe die Räume durchwebt.

Betrachte das Bild nur mit deinem Herz,

dann spürst du Gefühle von Angst und von

Schmerz.

Wenn auch voller Süße Musik erklingt,

eine zitternde Stimme, die sehnsuchtsvoll singt,

verewigt sind Stunden in warmem Schein

von treuen Freunden im engen Verein.

Gefangen im Keller, doch frei in Gedanken

flogen Worte und Töne, ganz ohne Schranken.

In Freundschaft vereint träumten wir vom Frieden,

so wie es ihn niemals gibt hernieden.

Und er und ich, wie heimliche Diebe,

wo sollen wir hin mit all unserer Liebe?“

„Und das soll diese Jette geschrieben haben?“ Carla betrachtete die zierliche Handschrift auf den eingeklebten Ztteln, die jetzt von Folie geschützt wurden. „Habt ihr Kopien davon gemacht?“

„Ja, natürlich. Wir halten solche Schätze immer ganz ehrfurchtsvoll in den Händen. Diese Gedichte sind zwar nur mit einem großen J unterschrieben, aber wir haben die Handschrift vergleichen lassen von einem Graphologen.“

Carla seufzte. „Wenn ich mir das Schicksal anschaue von Jette und Benjamin, die noch auf ihrer Reise nach Amerika ermordet wurden, dann muss ich mich mit meinem läppischen Liebeskummer ganz bedeckt halten. Immerhin wohnen wir momentan in einem Land, wo es Meinungsfreiheit gibt und man auch darüber Bücher schreiben darf. Ich hoffe nur, dass in Zukunft die Politiker immer darauf achten, dass das auch so bleibt. Und die Bevölkerung sollte sich noch ein bisschen mehr anstrengen, unsere lieben Mitbürger haben diese Zeiten von vor dem Zweiten Weltkrieg leider nicht mehr so oft auf dem Schirm.“

„Leider“, gab ich ihr Recht. „Das ist zwar mittlerweile ein geflügeltes Wort, aber man sollte wirklich sehr achtsam sein. Hier in dem Buch sind noch elf weitere Gedichte von Jette, sie sind Zeugnis einer Zeit, in der selbst die Kunst unter Zensur stand. Und was hast du für eine Liebeskummer?“

Carla rollte die Augen und verzog den Mund. „Kennst du Bernhard, der jetzt für unseren Schlossbesitzer Moro Rossini neuerdings den Garten gestaltet und oben in der Dachwohnung wohnt, in der vorher der Grieche Alexis und Cordula gewohnt haben?“

„Na klar kenne ich den. Unsere liebe Schlossherrin Adelaide und ich haben ihn bei seinem Einzug mit Kaffee und ein paar warmen Mahlzeiten versorgt. Er hat direkt klare Worte gesprochen. Er sei zwar kein Gartenarchitekt wie Alexis, aber dafür habe er schon viele Jahre Praxis mit der Arbeit in einigen berühmten Schlossparks gehabt. Und Bilder hat er uns davon auch gezeigt.“

„Genau den meine ich, Abigail. Als mich Adelaide hier ins Schloss holte, damit ich ihr und Moro ein bisschen zur Hand gehen kann, habe ich Bernhard in der Schlossküche getroffen. Bei mir hat es sofort gefunkt. Aber er schaute nur auf die schöne Anna, die dort gerade ein duftendes Brot aus dem Ofen zog. Zum Glück drängte sich auch dieser Sascha immer um Anna herum und verteilte seinen Charme.“

„Und jetzt hoffst du bestimmt, dass sich Anna in Sascha verliebt“, folgerte ich. „Ich muss jetzt mit den veränderten Verhältnissen im Schloss auch erst klarkommen und mich an die neuen Bewohner gewöhnen. Nachdem unten aus den Wohnungen die netten Mütter mit ihren Kindern ausgezogen sind, weil sie geheiratet haben und Alexis und Cordula aus der Dachwohnung heraus sind, weil es ihnen dort mit dem Baby zu klein geworden ist, muss ich auch immer noch überlegen, wer jetzt wo wohnt. Also, lass uns einmal sortieren. Neben mir oben in der Dachwohnung, oder besser gesagt neben mir und meinem liebsten Partner Ermanno, wohnt jetzt der neue Gärtner Bernhard, den ich übrigens auch sehr nett finde. Der Schlossherr und überall berühmte und geschätzte Maler Moro Rossini bewohnt mit seiner liebsten Adelaide den alten Seitentrakt neben den Sälen, die er der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Und unten in den freien Wohnungen leben jetzt diverse Kunststudenten und Studentinnen. Die kenne ich allerdings nur flüchtig. Anna ist mir schon aufgefallen wegen ihrer wundervollen, langen roten Haare und Sascha hat sich mir auch schon als Sonnenschein präsentiert, immer einen Witz oder ein nettes Wort auf den Lippen. Er ist auch Fotograf wie mein Ex-Verlobter Rolf. Anna studiert Malerei, und ich weiß auch, dass sie sich für andere Maler als Modell zur Verfügung stellt. Mit ihr in einer Wohngemeinschaft lebt Verena, das ist die lange, schmale blonde Frau, die moderne Kunstskulpturen anfertigt aus Plastikmüll. Damit verbindet sie eine Botschaft, um den Menschen vor Augen zu führen, wie unverwüstlich dieses Material doch ist. Und bei dem Fotografen Sascha lebt in der Wohngemeinschaft Yannick. Er sieht mit seinen langen Locken ein bisschen aus wie Schiller, und er studiert Kunstgeschichte und fertigt ganz zauberhafte Zeichnungen an. Ich weiß nicht, ob du schon etwas von ihm gesehen hast. Gestern hat mir Adelaide ein Bild vom Schloss gezeigt, das Yannick gezeichnet hat.“

Carla sah mich mit interessiert blickenden Augen an. „Da bin ich aber neugierig auf diese Künstler. Es lohnt sich bestimmt, sie alle näher kennen zu lernen, obwohl es mir bei dem Gedanken an Anna etwas mulmig zumute ist. Wie kommt es denn jetzt plötzlich dazu, dass Rossini statt der Kleinfamilien neuerdings die Räume an Künstler vermietet. Hat er vielleicht selbst etwas Sehnsucht nach dem Milieu seiner früheren Jahre?“

„Nein, und er ist auch nie selbst länger in der Gesellschaft anderer Künstler gewesen. Er war von jeher ein Einzelkämpfer, der große König, wie ihn Adelaide immer nennt. Inzwischen kenne ich ihn auch schon ein bisschen, aber wenn man seiner Frau Glauben schenkt, dann brauchte er in seinem Leben einiges an Bewunderung, nicht nur von den Frauen. Er ist eben einzigartig und passt nicht zwischen eine Reihe von Künstlern. Früher hat er immer seine eigenen Ausstellungen gehabt, und auch Ada hat immer dafür gesorgt, dass seine Kunst ins rechte Licht gestellt wurde, nicht in den Schatten anderer. Dass hier jetzt plötzlich junge Künstler leben, hat einen anderen Grund. Bisher lebten sie in einem schönen alten Haus in der Nähe der Kunstakademie, aber dieses Gebäude musste ganz dringend renoviert werden, ich glaube, nach einem riesenhaften Wasserschaden.“

Carla nickte verständnisinnig. „Ach so, da hat also Moro sein gutes Herz bewiesen, und zufälligerweise passt das gerade mit dem Auszug der jungen Familien. Und hier wohnen sie nun gemeinsam im Schloss mit dem großen berühmten Idol, von dem sie wahrscheinlich viel lernen können. Gibt ihnen Rossini eigentlich auch Tipps? Für einen Unterricht ist er doch bestimmt schon zu alt.“ Ich legte das Büchlein mit Jettes Gedichten zurück in die Vitrine und schloss sie ab. „Wenn du magst, kann ich dir demnächst noch ein paar Gedichte daraus vorlesen. Rossini ist leider für viele Dinge schon zu alt und zu krank. Immerhin ist er schon über 80 Jahre und hat verschiedene körperliche Behinderungen. Aber auch sonst würde er sich als Lehrer nicht eignen, er hat ein recht aufbrausenden Temperament, ihm fehlte die Geduld für seine Schüler.“

„Er ist Italiener!“

„Auch das, ja. Adelaide behauptet immer, er sei so feurig, weil er vom Sternzeichen her ein Löwe ist. Sie hat mir oft von seinem berühmten „heiligen Zorn“ erzählt, wenn er über unredliche Menschen wütend ist.“

„Dann haben die Kunststudenten also gar nichts von ihm?“

„Doch! Schließlich lässt er sich auch gern einmal bewundern. Ada findet, dass er seine Lebensgeister wach hält, wenn er sich von jungen Leuten anhimmeln lässt. Jeden Abend, so kurz nach der Teezeit gibt es in der Schlossküche eine gemeinsame warme Mahlzeit, zu der man sich morgens schon voranmelden kann. Gekocht wird dann auch zusammen, in der schönen alten Schlossküche mit all dem Kupfergeschirr bereitet das allen viel Vergnügen. Wenn die ersten Vorbereitungen getroffen sind, gesellt sich auch Moro dazu und gibt Antwort auf die verschiedensten Fragen.“

Laura amüsierte sich. „Das ist also die Audienz des Königs.“

„Ja, schon. Aber erwarte keine Toleranz von ihm! Diese Eigenschaft fehlt ihm völlig, und er ist auch kein Diplomat. Nur seine Meinung zählt, aber Gott sei Dank hat er einen gesunden Menschenverstand und ein gutes, großes Herz. Daher kann man in der Regel seine Meinung respektieren.“

In Carlas Blick entdeckte ich etwas Abenteuerlustiges. „Und? Hatte der große König früher wirklich so viele Liebschaften, wie man sich erzählt?“

„Er hat immer schon die Frauen bewundert, sein Künstlerauge liebt die Schönheit der weiblichen Personen. Und Ada behauptet auch, dass er sicherlich unzählige Male verliebt war, auch in den Zeiten, während sie sich kannten. Trotzdem schwört er darauf, dass Adelaide seit 56 Jahren seine einzige große Liebe ist. Auch wenn sie zwischendurch über 30 Jahre davon getrennt waren.“

Carla seufzte. „Ach ja, ich erinnere mich an die schöne romantische, aber gleichzeitig auch tragische Liebesgeschichte, die wie ein Märchen klingt. Ada war 17 und er 26, und sie haben sich auf den ersten Blick unsterblich ineinander verliebt. Durch die Entfernung getrennt, blieb es bis auf einige Küsse platonisch, und dann, nach einem halben Jahr, da hat er sie betrogen und sich kurzzeitig von ihr getrennt. Etwas später kam er wieder reumütig zu ihr zurück und sie hat es noch einmal mit ihm versucht. Doch als er ihr dann den Heiratsantrag machte, bekam sie es mit der Angst zu tun und hat ihm einen Korb gegeben. War es nicht so?“

„Das ist die kurze Zusammenfassung von ganz großen Gefühlen und ganz vielen Tränen. Aber seit sie sich im Jahr 2002 wieder getroffen haben, wissen sie, was sie aneinander gefunden haben, und inzwischen haben sie auch geheiratet.“

Carla seufzte erneut und warf einen sehnsüchtigen Blick in die Ferne. „Eine romantische Liebesgeschichte, die wünsche ich mir auch mit Bernhard. Was weißt du denn noch so alles von ihm?“

„Er war zuletzt in Dresden, von dieser herrlichen Stadt hat er uns eine Menge erzählt. Dort gibt es nämlich auch einen riesengroßen Park. Wenn ich mich nicht irre, ist er zwei Kilometer lang und einen Kilometer breit. Es gibt dort sogar eine kleine Eisenbahn mit mehreren Bahnhöfen, mit der man die Grünflächen durchfahren kann. Bernhard kümmerte sich auch um besonders seltene Bäume und hatte dort auch ein Auge auf den botanischen Garten. Er scheint die Natur zu lieben.“

Carla freute sich. „Das hört sich gut an. Ich mag Menschen, die die Natur lieben. Ich arbeite auch gern im Garten und habe mir schon einige Pflanzen selbst gezüchtet.“

Vorsichtig wischte ich über das Glas eines kleinen Bildes von Karl Anton, dem vor langer Zeit verstorbenen Maler, der sich auch Pinetree nannte. „Was bin ich froh, dass wir inzwischen auch von diesem Maler etwas gefunden haben! Jetzt fällt es mir wieder ein, Bernhard hat auch etwas von seinem Hobby erzählt. Er spielt wohl schon seit vielen Jahren die Klarinette.“

„Er ist musikalisch? Wie schön! Ich mag den Klang der Klarinette, er ist so weich und melodisch. Wie oft habe ich schon einige Stücke des verstorbenen Benny Goodman gehört.“

Ich legte das Staubtuch beiseite und setzte mich auf den mit rotem Samt bezogenen Sessel. „Da fällt mir gerade etwas ein, wodurch du einen besseren Kontakt zu Bernhard bekommen kannst.“

„Tatsächlich? Das klingt ja fantastisch, Abigail!“

„Du kennst doch bestimmt die Geschichte von Renata, die vor kurzer Zeit hier im Schloss bei einer Magiervorstellung ihre französische Großtante Florence wiedergefunden hat, oder?“

„Richtig. Sie will Pianistin werden und studiert Musik.“

Carla sah mich irritiert an „Soll Bernhard etwa mit dieser Renata gemeinsam musizieren?“

„Nein. Das wäre lange nicht so aufregend für ihn wie das, was ich dir jetzt vorschlage. Sie ist im Moment noch in Südfrankreich, weil sich die beiden näher kennen lernen wollen, Tante Florence und Renata. Wir telefonieren ab und zu miteinander, weil wir uns unlängst näher angefreundet haben, die angehende Pianistin und ich. Erst gestern hat sie mir verraten, dass am kommenden Wochenende eine ganz besondere Veranstaltung stattfindet.“

„Soll ich etwa mit Bernhard zusammen wegen einer Veranstaltung am Wochenende einfach so nach Südfrankreich fahren? Adelaide braucht mich hier im Schloss und Bernhard ist bestimmt auch unabkömmlich.“

„Langsam! Das ist ja noch nicht alles. In dem großen schlossartigen Weingut von Florence de la Maison wird ein Wettbewerb stattfinden. Da finden sich Personen aus den berühmtesten Orchestern der ganzen Welt ein. Der Wettbewerb ist für junge Musiker, die sich dazu anmelden können und für die Gewinner gibt es eine ganze Reihe von außerordentlichen Preisen.“

„Was denn für Preise?“ „Der beste Musiker darf mit in dem großen Orchester spielen, wenn er möchte. Dann gibt es als Preis eine Teilnahme in einem Musikfilm und in einem Musical. Es gibt auch einige Studienplätze an berühmten Musikschulen.“

„Das hört sich doch schon interessanter an. Aber glaubst du denn, dass Bernhard ein Karrieretyp ist? Vielleicht ist die Musik nur so ein stilles Hobby für ihn.“

„Das müsstest du natürlich schon herausfinden.“ Ich warf Carla einen ermutigenden Blick zu. „Aber vorher muss ich dich wahrscheinlich erst einmal ein bisschen mit Renata bekannt machen, damit ihr gemeinsam einen Plan schmieden könnt, wie ihr Bernhard am besten einladen könnt.“

Sie überlegte einen Augenblick. „Da habe ich eine bessere Idee. Kannst du dir denn nicht ein paar Tage Urlaub nehmen?“

„Ich? Wofür denn das?“

„Das ist doch ganz klar, Abigail. Du kennst Renata viel besser als ich und vermutlich auch diese Tante Florence de la Maison. Du hast doch alles hier hautnah miterlebt. Und du warst neulich doch schon in Frankreich, um Renatas Freundin zu suchen. Das alles hat mir unsere liebe Adelaide Rossini voller Stolz erzählt. Da könntest du doch erst einmal in Frankreich vorfühlen, ob wir alle willkommen sind. Und wenn das dann der Fall ist, lädst du einfach Bernhard und mich nach dorthin ein. So im schönen Süden könnten wir uns dann schon etwas näherkommen, mein Traummann und ich. Vor allen Dingen gibt es dort keine Anna, die mich stören könnte.“

„Genau genommen könntest du ihn ja auch hier becircen“, fand ich.

Aber sie war inzwischen von der Idee einer Frankreichreise ganz begeistert. „Natürlich könnte man das überall. Aber deine Idee war wirklich ganz großartig. Wenn er wirklich heimlich von einer Karriere als Musiker träumt, dann hat er dort eine einmalige Chance, in berühmte Kreise zu kommen und Kontakt zu ganz besonderen Profis zu knüpfen. Damit könnte ich ihn wirklich bei Anna ausstechen.“

„Ermanno findet es bestimmt nicht gut, wenn ich ihn schon wieder allein lasse“, vermutete ich. „Das muss doch nicht für lange sein. Ich schlachte einfach mein Sparschwein, und dann buchen wir einen Flug für drei Personen. Dann bist du ganz schnell wieder zurück. Das schaffen wir doch glatt in zwei Tagen. Wann ist diese Gala denn ganz genau?“

„Am Samstagabend. Aber man muss schon vormittags da sein und sich in die Liste eintragen. Dazu muss man natürlich erst mal eine kleine Hörprobe dorthin schicken, sie muss nicht sehr lang sein, hat mir Renata verraten. Die muss bis Donnerstagabend eingereicht sein. Denn am Freitag treffen sie eine Vorauswahl für die Teilnehmer.“

Carla schüttelte den Kopf. „Was für eine komische Sache! So etwas wird doch normalerweise wochenlang vorher organisiert. Haben sich dann nicht schon Hunderte angemeldet?“

„Im Allgemeinen ist das schon so“, bestätigte ich ihr. „Aber dies ist eine kleine, ganz interne Sache. Der Allgemeinheit ist davon nichts bekannt. Es kommen tatsächlich nur ein paar Leute auf gute Empfehlung, und das, weil auch die Rollen sehr schnell besetzt werden müssen. Und damit auch ein Anreiz für die anderen Teilnehmer besteht, hat man rasch die restlichen Preise organisiert. Schließlich soll es sich für alle lohnen, dorthin gekommen zu sein. Ich denke, dass es für die anderen Teilnehmer ebenfalls recht schwierig ist, so spontan eine Reise dorthin zu organisieren.“

„Und das sind nicht nur Franzosen, die teilnehmen dürfen?“

Ich lächelte. „Musik ist doch international. Ich weiß, dass sich bereits zwei Engländer und eine Deutsche gemeldet haben. Aber ehrlich gesagt, ich bin auch nicht sehr gut informiert, weil mich das Ganze bisher auch nur am Rande interessiert hat.“

„Dann werde ich jetzt hier alleine weiter sauber machen, liebste Abigail. Da kannst du ganz in Ruhe mit Renata verhandeln. Ich denke einmal, über eine Übernachtungsmöglichkeit müssen wir nicht nachdenken. Es gibt ja bestimmt dort auch eine Jugendherberge in der Nähe. Und sobald du alles klargemacht hast, buche ich für uns einen Flug.“

Ich stöhnte. „Nun mal ganz langsam, Kleines! Ich muss doch zuerst auch einmal mit Ermanno reden, wie es ihm gefiele, wenn ich schon wieder das ganze Wochenende unterwegs wäre. Die Unterredung mit Renata ist das Wenigste, denn sie hatte mich gefragt, ob mir noch irgendein sagenhaftes Musiktalent hier bekannt wäre. Sie wusste nämlich von Adelaide, dass sich jetzt hier im Schloss einige Künstler tummeln. Wenn die angehende Pianistin nichts dagegen hat, dann wird es keine Probleme mit der Unterkunft geben. Durch meine letzte Reise nach Frankreich kenne ich in der Nähe von Goudargues viele nette Menschen, die uns ein Dach über dem Kopf geben können.“

Ach, bitte, Abigail! Ich werde auch alles für dich tun, was du dir wünschst. Und sag bitte auch deinem Ermanno, dass ich alles daran setzen werde, euch das wieder gutzumachen!“

„Ich werde es ihm ausrichten“, sagte ich mit einem Seufzer.

Carla hüpfte mit dem Staubwedel umher. „Sag mal, dieses feudale Weingut, hat das nicht vielleicht auch einen besonderen Park? Und die Pflanzen in solch einem Garten im sonnigen Süden, die sind da für einen Gärtner bestimmt auch hochinteressant. Ist das nicht so?“

„Die Vegetation im Mittelmeerraum ist sehr vielseitig und wunderschön“, fand ich. „Das wird Bernhard sicher interessieren. Na schön, ich will es nicht Schuld sein, dass du dein Leben lang einer verpassten Situation nachschmachtest. Dann will ich erst einmal mit Ermanno telefonieren.“

***

„Wenn schon, denn schon“, antwortete Ermanno auf meinen langen Bericht und die Frage, ob es ihm schwer falle, an diesem Wochenende auf mich zu verzichten. „Bei deinem letzten Besuch in Südfrankreich hast du mir so viel davon vorgeschwärmt, auch von der wilden Natur und der Einzigartigkeit dieser Landschaft, dass ich dir da schon geschworen habe, dich beim nächsten Mal dorthin zu begleiten. Wir können ein Wohnmobil nehmen, oder aber, wenn bei Florence genug Platz ist, auch dort in ihrem Anwesen schlafen. Wir können ganz gemütlich am Freitag losfahren, dann haben wir nicht die Strapazen des Fluges und können unterwegs etwas von der Landschaft genießen. Und vielleicht hängen wir dann auch noch zwei oder drei Tage hintendran, dann ist es wie ein kleiner Urlaub und Bernhard und Carla haben genügend Gelegenheit, sich zu beschnuppern. Rossini und seine Frau geben den beiden doch gern ein bisschen Urlaub, so wie ich sie einschätze.“

Ich lächelte. „Adelaide hat immer Verständnis für Verliebte, da wird es kein Problem geben. Zum Glück ist sie noch rüstig und fit, und kann noch viel selbst hier arbeiten. Aber ich glaube, die anderen jungen Künstler können auch recht gut zupacken und werden der Schlossherrin unter die Arme greifen. Die Idee mit dem verlängerten Urlaub wird Carla sicher sehr gut gefallen.“

Nachdem ich Ermanno schon auf meiner Seite hatte, besprach ich mich mit Adelaide, die keine Bedenken hatte, Carla und Bernhard für ein paar Tage freizugeben.

„Ehrlich gesagt, ich habe die junge Frau im Moment nur beschäftigt, weil sie sich so sehr darüber sorgte, dass sie keine Arbeit hatte. Das Hotel in Wittentine, in dem sie arbeitete, hat aufgrund momentaner familiärer Schwierigkeiten geschlossen. Sie befürchtete, auf die Schnelle nichts anderes zu finden und machte sich sehr viele Gedanken, weil sie es vermeiden wollte, zum Jobcenter zu gehen. Hier im Schloss gibt es immer Arbeit für umsichtige Menschen. Außerdem mag ich sie. Auch Moro hat einen Narren an ihr gefressen, weil sie so natürlich ist und all das sagt, was sie gerade denkt.“

„Dann kann ich sie dir also entführen?“ vergewisserte ich mich noch einmal. „Ermanno hat es sich in den Kopf gesetzt, das Wochenende noch ein wenig auszudehnen.“

„Das kannst du gern, uns wird es in den nächsten Tagen auch nicht langweilig werden. Mein Schatz bekommt Besuch von Verwandten aus Italien. Sein Sohn Roberto und seine Enkelin Gina haben sich für zwei Wochen bei uns angemeldet. Moro freut sich schon sehr darauf und geht mit mir ständig den Speiseplan für die kommenden Tage durch.“

„Dann ist er bestimmt schon ganz aufgeregt“, vermutete ich. „War denn hier im historischen Gasthof „Zur Traube“ keine geeignete Stelle frei für Carla?“

„Im Moment nicht. Bisher hat die junge Frau in sehr großen und vornehmen Hotels gearbeitet. Zuletzt war sie Restaurantleiterin. Ich habe hier schon ein schlechtes Gewissen, dass sie freiwillig die Hausarbeit übernommen hat, weil es davon im Schloss am meisten zu tun gibt.“

„Sie macht das gern und gut“, tröstete ich Ada. „Und sie hat sich noch nicht beschwert. Ich glaube, sie ist wirklich einfach froh, dass ihr Lebenslauf jetzt ohne Lücke weitergeschrieben werden kann. Im Museum war sie eben sehr liebevoll an der Arbeit und hat unsere Kunstschätze sehr vorsichtig behandelt. Das hat mir ein bisschen über ihren Charakter verraten.“

„Dann sind wir uns wieder einmal einig“, meinte Adelaide lächelnd. „Und jetzt entschuldige mich bitte. Mein Mann möchte ein paar Schritte mit mir spazieren gehen, da ist es mir ein Anliegen, ihn selbst zu führen. Er schätzt zwar auch seinen neuen Rollator, den ich ihm zuletzt kauft habe, aber mit mir an seiner Seite geht er besonders gern.“

Sie entfernte sich mit einem kurzen Winken und ließ mich nachdenklich zurück.

Wie sehr wünschte ich den beiden, dass sie noch einige Jahre ihrer Gemeinsamkeit genießen konnten! Leider hatte Moro nicht nur einige durch Osteoporose gebrochene Rippen, ein sehr schwaches Augenlicht, ein behindertes Gehvermögen, sondern auch schon an den Folgen einiger Herzinfarkte zu leiden. Aber scheinbar hielt die beiden ihre große Liebe am Leben.

Ich seufzte und wandte meine Gedanken Renata zu, die heute mit ihrer begüterten Tante Florence de la Maison einige Vorbereitungen für die Veranstaltung am Wochenende treffen wollte.

Ob ich sie wohl erreichte? Ich ließ es auf einen Versuch ankommen und wählte ihre Nummer. Umgehend meldete sich die junge, angehende Pianistin. „Hallo Abigail! Wie geht es dir? Hast du etwa gute Nachrichten für mich?“

„Möglicherweise. Seit kurzer Zeit wohnt hier im Schloss ein Gärtner der, wie man hört, gern und gut Klarinette spielt. Für ihn interessiert sich Carla, die Ada hier im Schloss beschäftigt. Was hältst du davon, wenn wir, Ermanno und ich, die beiden am kommenden Wochenende mitbringen? Wenn ihr nichts dagegen habt, versuche ich, das in die Wege zu leiten.“

„Das ist prima!“ rief Renata erfreut aus. „Wie schön, euch wieder zu sehen! Meine Tante hat mir da völlig freie Hand gelassen. Nur wohnen könnt ihr leider nicht bei uns. Sie hat das ganze Orchester hier untergebracht, dazu noch den Dirigenten und den Intendanten. Und dazu noch ein paar andere. Aber ein paar Zimmer könnte ich euch schon noch beschaffen.“

Ich überlegte kurz. „Wahrscheinlich ist das gar nicht notwendig. Ermanno möchte mit dem Wohnmobil kommen, und wir könnten wieder auf dem Campingplatz an dem romantischen Fluss Tarn wohnen. Für vier Personen finden wir dort sicher noch ein Plätzchen.“

„Nein, bitte, warte damit noch ein bisschen! Ich will erst noch mit Florence sprechen. Vielleicht hat sie dann noch eine andere Idee. Ich rufe dich dann später noch einmal an wegen der Unterbringung. Du kannst inzwischen diese Carla mit ihrem Schwarm schon einmal einladen und vorbereiten.“

Wir verabschiedeten uns in Vorfreude, und ich eilte zu Carla in die Museumsräume. Die junge Frau staubte gerade die Maschinen aus der alten Buchdruckerei ab.

„Das sind ja wirkliche Schätze!“ meinte sie bewundernd. „Gibt es etwas Neues?“

„Ich kann dir eine gute Nachricht bringen. Renata freut sich schon auf uns alle. Adelaide gibt euch unbegrenzten Urlaub und ihr seid in Frankreich willkommen. Du kannst also Bernhard den Mund wässrig machen und ihn einladen.“

Carla legte das Tuch aus der Hand. „Weißt du zufällig, wo er sich gerade aufhält?“

Ich schaute auf die alte Uhr, die neben dem Bücherschrank hing. „Um diese Zeit müsste er im Garten sein. Hast du dir schon etwas ausgedacht, wie du die ganze Sache angehen möchtest?“

„Ich habe an nichts anderes gedacht. Zuerst frage ich ihn nach seinem Klarinettenspiel und finde heraus, ob das lediglich ein nebensächliches Hobby oder eine Passion für ihn ist. Und ob er lieber im kleinen Kreis musiziert oder die große Bühne sucht. Dafür habe ich mir jetzt schon einiges zurechtgelegt. Und ich hoffe nur, dass er mir auf meine Fragen genauso antwortet, wie ich mir das vorgestellt habe, denn sonst komme ich in ein heilloses Durcheinander.“

„Ich denke, deine Gefühle werden dir Flügel geben“, ermutigte ich sie lächelnd. „Du wirst bestimmt die richtigen Worte finden.“ Mit der einen Hand nahm ich das Staubtuch, mit der anderen gab ich ihr einen leichten Schubs, um sie hinaus zu befördern

***

Als sie etwa zwanzig Minuten später wieder freudig strahlend in den kleinen Museumsraum stürmte, ahnte ich, dass sie mir eine gute Nachricht mitteilen wollte.

„Das glaubst du jetzt wirklich nicht, Abigail. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Bernhard ist Feuer und Flamme! Und ich musste überhaupt nicht viel erzählen. Er kannte Florence de la Maison, nicht nur vom Namen nach, sondern wusste auch, dass sie häufig solche Veranstaltungen in ihren Räumen stattfinden lässt. Vor kurzer Zeit muss es auch schon mal einen Aufruf gegeben haben, bei dem ein Klarinettist gesucht wurde. Da ging es um eine Filmmusik. Bernhard hatte sich bei Florence beworben, auch mit einer hübschen kleinen Audio-Präsentation. Aber der Produzent hatte sich schon intern für eine Klarinettistin entschieden, die bereits einige Erfahrung hatte. Florence allerdings ließ Bernhard wissen, dass ihr seine Ausdrucksweise und sein Spiel sehr gut gefallen hatten. Sie bat ihn, sich wieder zu melden, wenn es erneut in der Art einen Aufruf geben sollte. Aber irgendwie muss da jetzt die Verständigung nicht geklappt haben, von dieser Suchaktion hatte er noch keine Ahnung.“

„Und? Was sagte er dazu, dass du, Ermanno und ich ihn begleiten?“

„Ich habe so getan, als sei ich Renatas Freundin, mindestens aber deine. Und dass Ermanno uns mit dem Wohnmobil dorthin bringt, das findet ja ganz großartig, denn er ist momentan nicht so gut bei Kasse und hätte sich auch gar keinen Flug leisten können.“

„Das klappt besser als ich gedacht habe“, freute ich mich. „Aber, was für einen Eindruck hast du denn sonst noch von ihm. Konntest du auch ein bisschen mit ihm flirten?“

Ihre Augen sahen mich kläglich an. „Ich wünschte, du wärst mit dabei gewesen. Ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll. Als ich ihm die Nachricht brachte, dass wir dort eingeladen sind, hat er mich ganz spontan und kumpelhaft umarmt, so als würden wir uns schon jahrelang kennen. Es sah nicht so aus, als würde von seiner Seite aus irgendetwas knistern. Aber mein Herz schlug so laut, dass ich befürchtete, er könnte es hören. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich nicht sogar rot geworden bin. Und als er hörte, dass sogar schon alles mit Adelaide und dem Urlaub geklärt ist, da hat er gesagt: „Von mir aus kann es sofort losgehen. Wenn es drauf ankommt, dann bin ich in ein paar Minuten reisefertig.“ Ich hoffe, er gewinnt nicht irgendeinen Preis, der ihn dann auf Tourneen bringt, dann hätte ich mir ganz schön ein Eigentor geschossen.“

„Es gab ja noch eine Menge anderer Preise“, tröstete ich sie. „Vielleicht gewinnt er einen, der ihm ein paar Lorbeeren einbringt, für die er dir ewig dankbar ist.“

Mit diesen Worten hatte ich wieder ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert. „Meinst du, Ermanno kann es so einrichten, dass wir im Wohnmobil nebeneinandersitzen?“

„Na klar! Das ist doch selbstverständlich. Und auf der langen Fahrt habt ihr genügend Zeit, um ins Gespräch zu kommen.“

„Es soll auch Leute geben, die während solch einer langen Fahrt schlafen. Künstler gehören doch zu solch einer unberechenbaren Sorte“, überlegte sie.

„Ich denke, du wirst schon ein interessantes Thema finden, um ihn wachzuhalten. Wenn er solch ein großartiger Gärtner ist, kann er dir da etwas von seinen Erfahrungen erzählen, und vermutlich hat er auch schon kleinere Erfolge mit seinem Klarinettenspiel erzielt. Da könntest du ihn auf die eine oder andere Anekdote hin ansprechen.“

Plötzlich schrak sie zusammen. „Und wenn er eine Freundin hat?“

„Das können wir definitiv ausschließen. Als wir ihm beim Einzug eine warme Suppe brachten, meinte er, früher hätte ihm seine Ex immer etwas zu essen gebracht. Aber mittlerweile hätte er sie und ihre Suppen schon vergessen.“

„Das ist gut“, freute sie sich. „Jetzt musst du mir aber auch einen guten Rat geben. Was soll ich anziehen? Bestimmt braucht man für diesen Vorstellungsabend auch ein ganz besonderes Kleid. Ist das eine Art Gala? Sollte man da ein Abendkleid anziehen?“

„Das habe ich Renata noch gar nicht gefragt“, fiel mir ein. „Sie wollte mich aber sowieso noch zurückrufen, auch noch wegen der Unterbringung, aber sorgen müssen wir uns deswegen keine machen. Der Campingplatz ist wunderschön, auf dem wir mit dem Wohnmobil bleiben können. Die Gegend ist sehr romantisch, am Fluss Tarn, falls dir das etwas sagt.“

„Ehrlich gesagt, ich war noch nie in Südfrankreich, Abigail. Was gibt es denn dort besonderes in dieser Gegend?“

„Der kleine Fluss mit dem außergewöhnlich klaren Wasser schlängelt sich zwischen schroffen Felswänden einher. Du hast bestimmt schon etwas von dem Canyon gehört, einem Naturschutzgebiet im Süden des Landes. Es gibt dort wildromantische Ein- und Ausblicke, du kannst besondere Vögel dort beobachten, wie zum Beispiel die Reiher, den Gänsegeier, den Eisvogel und einmal sogar einen Kolibri, der mich immer wieder fasziniert mit seinem schnellen Flügelschlag, aber auch mit seinen besonders kräftigen Farben. Im Wasser selbst gibt es Fische, auch Enten, die sich recht nah an dich herantrauen. Eine grüne Schlange haben wir beim letzten Mal auch dort gesehen, Schmetterlinge beobachtet und auch verschiedene Libellen.“

„Das wird Bernhard bestimmt auch gefallen“, vermutete sie. „Heute Morgen war ich noch ziemlich mutlos, als er mich gar nicht beachtete, aber jetzt sehe ich wirklich einen Hoffnungsschimmer am Horizont.“

Ich lächelte sie an. „Ich habe Ermanno schon eingeweiht, und ich denke, es wird schon Möglichkeiten geben, euch immer einmal ganz unauffällig für ein paar Minuten allein zu lassen. Bei einem Spaziergang dort in dem herrlichen Tal könntest du dir zum Beispiel von ihm die Vegetation erklären lassen. Davon hat er bestimmt Ahnung.“

„Eine geniale Idee. Ich bin vor Aufregung schon ganz durcheinander. Am besten passt du ein bisschen auf mich auf, damit ich mich nicht zu dämlich benehme. Schließlich soll es ihm nicht auffallen. Ich muss ganz cool sein und trotzdem versuchen, ihm zu gefallen. Hast du noch ein Tipp für meine Haarfrisur? Wie soll ich mich schminken?“

„Ich finde dich so perfekt, wie du bist. So dezent geschminkt siehst du ganz natürlich aus, Carla. Und deine Haare fallen ebenso natürlich leicht gelockt auf deine Schultern, besser könnte es auch kein Friseur herrichten.“

Adelaide trat in den Raum. „So ihr fleißigen Bienchen, für heute habt ihr erst einmal genug gearbeitet. Es ist doch bereits alles blitzeblank hier. Moro ist schon mit den anderen in der Schlossküche, und das Essen wartet auch schon auf euch.“

„Aber wir haben doch noch gar nichts vorbereitet?“ wandte Carla ein. „Habt ihr etwa alles allein gemacht?“

„Nein. Heute hatten wir die Heinzelmännchen. Die Bühlers vom Gasthof „Zur Traube“ haben heute für uns alle ein Essen herüber geschickt. Und das haben wir dir zu verdanken, liebe Carla.“

Die junge Frau sah Adelaide fragend an. „Wieso das? Ich habe doch nichts bestellt.“

„Nein, aber der Frau Bühler tat es so leid, dass sie dir momentan keine Stelle anbieten konnte, sodass sie sich sofort Gedanken gemacht hat, wie man dir