Als die Venus baden ging - Gudrun Leyendecker - E-Book

Als die Venus baden ging E-Book

Gudrun Leyendecker

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Beschreibung

Am Schloss des historischen Städtchens Sankt Augustine gehen merkwürdige Dinge vor. Eine wertvolle Skulptur des berühmten Künstlers Moro Rossini verschwindet auf mysteriöse Weise. Im Schlosspark entdeckt die Journalistin Abigail Mühlberg eine geheimnisvolle Frau, die nachts in einem Brunnen badet. Außer um die Klärung der seltsamen Vorfälle bemüht sich die junge Frau auch um die Partnerschaft ihrer Freunde, denn ein großes Missverständnis muss gelöst werden.

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Inhaltsangabe:

Am Schloss des historischen Städtchens Sankt Augustine gehen merkwürdige Dinge vor. Eine wertvolle Skulptur des berühmten Künstlers Moro Rossini verschwindet auf mysteriöse Weise. Im Schlosspark entdeckt die Journalistin Abigail Mühlberg eine geheimnisvolle Frau, die nachts in einem Brunnen badet. Außer um die Klärung der seltsamen Vorfälle bemüht sich die junge Frau auch um die Partnerschaft ihrer Freunde, denn ein großes Missverständnis muss gelöst werden.

„Henry will keinen Hund“, beschwerte sich meine Freundin Greta, während sie ein welkes Blatt von der Rose entfernte. Eingehend betrachtete sich den blühenden Rosenbusch, der nach alter Tradition den Eingang des Rosenturms zu bewachen schien.

„Ach, lass das doch jetzt!“ bat ich sie. „Wir müssen erst einmal rasch nach oben gehen und schauen, ob alles in Ordnung ist. Um die Blumen können wir uns nachher noch kümmern. Was war jetzt mit dem Hund?“

„Henry will keinen Hund für seine Kinder.“ Sie schloss die Turmtür auf und stieg die Treppen hoch. „Dabei habe ich ihm doch erklärt, wie wichtig ein Hund für ein Kind sein kann.“

Ich folgte ihr hinauf. „Wie hast du es denn angestellt? Wer hat ihn nach dem Hund gefragt? Die Kinder oder du?“

Als wir im Ausstellungsraum des Turmes angekommen waren, zog ich die Liste aus meiner Handtasche und begann mich umzusehen. „Lass uns erst mal rasch kontrollieren, ob alles noch an seinem rechten Platz ist. Diese Frau Kübler ist doch recht glaubwürdig, und wenn sie gesagt hat, dass in der vergangenen Nacht hier ein Licht war, dann kann man es ja auch glauben.“

„Wahrscheinlich hat sie noch fantasiert, möglicherweise war es auch der Mond, der vorbeigewandert ist. Am Turm sind doch außen überall Alarmanlagen angebracht. Ganz besonders am Eingang. Seit dem Diebstahl im Schloss ist man so vorsichtig geworden, da kommt doch nichts mehr weg.“

Ich hob die Augenbrauen. „Du vergisst die alten Geheimtüren in dem leeren Anbau. Das ist bestimmt irgendwo durchgesickert, und sie sind vermutlich nicht mehr ganz so geheim, wie man es sich wünschen könnte.“

Sie nahm mir die Liste aus der Hand und legte sie auf den Tisch. „Diese alten Klamotten hier! Wer fragt denn schon danach? Ob hier eine Nippesfigur mehr oder weniger steht, das fällt doch nun wirklich nicht auf.“

„Also schön!“ gab ich nach. „Dann höre ich dir jetzt erst einmal zu. Vorher gibst du ja doch keine Ruhe. Aber du musst auch zugeben, dass sich hier nicht nur Nippes befindet. Ein paar wertvolle Stücke sind auch darunter, besonders einige Skulpturen von Rossini. Und die sind zum Beispiel sehr viel wert.“

Greta sah mich groß an und lachte. „Ja, und das sogar, obwohl der Bildhauer noch lebt. Was für einen Künstler schon etwas Besonderes ist. Aber ich bin einfach wahnsinnig enttäuscht von Henry. Ich habe tatsächlich gedacht, dass ich jetzt an die große Liebe geraten bin. Immerhin ist er ein Witwer mit zwei schulpflichtigen Kindern, dass ist zwar eine schöne, aber auch eine schwere Aufgabe. Warum ist er nur so stur?“

„Vielleicht mag er keine Hunde?“

„Er hat selbst früher einen Hund gehabt“, trumpfte sie auf. „Und das gönnt er jetzt seinen eigenen Kindern nicht einmal.“

„Ist vielleicht jemand in der Familie allergisch gegen Hundehaare?“

Sie schüttelte energisch den Kopf, ihre roten Locken schimmerten wie rötliches Gold. „Nein, nicht einmal die Haushälterin, diese reizende Frau Bühler.“

„Welchen Grund hat er dir denn genannt?“ fragte ich sie direkt.

„Überhaupt keinen, das ist es ja. Auf die Frage nach einem Hund, hat er einfach gesagt: „Das geht nicht. Ich werde später mit dir einmal darüber sprechen.“ Aber ich bin doch nicht eines seiner Kinder, so kann er doch mit mir nicht umgehen. Entweder ist er doch zu viele Jahre allein gewesen, oder er trauert seiner Ehefrau immer noch nach. Ich fürchte, ich werde mich wieder etwas zurückziehen müssen. Gut, dass ich im Blumenviertel noch mein kleines Holzhäuschen habe.“

„Greta!“ rief ich entsetzt aus. „Aber du warst doch noch vor drei Tagen so wahnsinnig verliebt in ihn. Und alles, was ich gesehen habe, ist, dass er dich bisher auch auf Händen getragen und verwöhnt hat, wie ein total verliebter Mann. Was hat sich denn seitdem verändert? Ist sonst noch irgendetwas geschehen?“

„Nein absolut nicht. Aber warum versteht er mich denn nicht? Ich liebe seine Kinder doch wirklich, obwohl ich sie noch gar nicht so lange kenne. Und als Therapeutin weiß ich, wie gut Tiere für Kinder sind. Wenn er mir da schon nicht glauben will, dann könnte er mir wenigstens erzählen, warum er so strikt dagegen ist.“

„War er denn in Eile? Vielleicht kommt er von selber später noch einmal darauf zurück“, vermutete ich.

„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Er war so kurz angebunden, so, als gäbe es da ein Geheimnis, das er mir partout nicht verraten will.“

Ich atmete tief. „Dann lässt du ihn vielleicht eine kleine Weile in Ruhe, und wartest erst einmal, ob er nicht doch noch davon anfängt. Vielleicht gibt es in den nächsten Tagen eine günstigere Stunde, in der er bereit ist, mit dir darüber zu reden. Oder liebst du ihn jetzt nicht mehr?“

„Natürlich liebe ich ihn. Deswegen bin ich auch so sauer und verletzt. Sonst würde es mir doch gar nichts ausmachen. Möglicherweise habe ich auch schon zu viele schlechte Erfahrungen gemacht und bin deswegen nicht bereit, schon wieder einmal enttäuscht zu werden. Also gut, lassen wir dieses Thema erst einmal. Dann gehen wir eben die Liste durch. Nach welchen Wertgegenständen sollen wir schauen?“

Ich sah auf den Zettel. „Da ist zuerst einmal das Bild von Rossinis Interpretation der Welt. Es muss ja irgendwo hängen. Moro hat sie sehr bunt gemalt, so bunt wie er sie empfindet, aber auch mit einigen schwarzen Flecken, für die er ja im menschlichen Leben ein besonderes Auge hat.“

Wir sahen uns um und entdeckten das moderner Gemälde an der Wand neben dem alten Klavier.

„Da hängt es doch! Ich würde es auch nicht stehlen“, bemerkte Greta. „Ich kann mich einfach in die modernen Bilder nicht hineinversetzen. Ich habe nicht so viel Fantasie wie du.“

„Ach, das ist es nicht. So viel Fantasie braucht man dazu nicht. Du musst das Gemälde einfach nur auf dich wirken lassen. Wenn ich es betrachte, ruft es Emotionen in mir hervor.“

Greta lachte mich aus. „Du kannst froh sein, dass du jetzt mit Ermanno verheiratet bist. Da bist du bestimmt im siebten Himmel und wahnsinnig begeistert. Ich wette, wenn dieser Rossini nicht schon so furchtbar alt und auch glücklich verheiratet wäre, könntest du dich auch noch in ihn verlieben. Er benutzt zwar ansprechende Farben, aber mir ist er viel zu abstrakt. Denk nur einmal an die Badende Venus. Diese Skulptur von ihm ist doch auch ziemlich modern, ganz anders als das Bild von Jacques Antoine Vallin. Der hat doch wirklich ein fantastisches Gemälde gezaubert. Das war ein echter Künstler!“

„Wenn du jetzt glaubst, ich hätte von ihm noch nie etwas gehört, dann irrst du dich“, sagte ich mit einem triumphierenden Lächeln. „Als ich in Frankreich war und dort ein bisschen recherchiert habe, um nach einem unehelichen Nachkommen von August dem Starken von Sachsen zu suchen, da ist mir der Name begegnet. Du wirst es nicht glauben, der Maler Vallin und der Kurfürst von Sachsen sind im gleichen Jahr geboren, nämlich beide 1760. Und gestorben ist August der Starke im Jahr 1831, der Künstler Vallin 1833. Das habe ich mir natürlich gemerkt.“

„Steht die Badende Venus von Rossini auch auf der Liste?“ erkundigte sich Greta.

Ich betrachtete den Zettel und ging die einzelnen Positionen durch. „Ja, hier stehen sieben sehr wertvolle Teile. Die drei großen Bilder hier an der Wand und vier kleinere Skulpturen, darunter auch Rossinis Badende Venus. Sie muss doch bestimmt hier irgendwo sein.“

Wir sahen uns gemeinsam um, hakten die Bilder und die übrigen Skulpturen auf der Liste ab, die wir entdeckten, hatten aber keinen Erfolg bei der Suche nach der schönen nackten Frau, erschaffen aus einer speziellen Tonmischung, die der Künstler gern für seine Figuren verwendete.

Greta sah mich verwundert an. „Das kann ich jetzt gar nicht verstehen. Wer soll denn so etwas stehlen? Die anderen Sachen sind viel interessanter und alle noch da. Vermutlich haben sich die beiden Rossinis einfach geirrt und die Skulptur steht irgendwo anders.“

„Lass uns hier erst noch mal alles durchsuchen“, schlug ich ihr vor. „Und wenn wir nichts finden, rufe ich Adelaide Rossini an, sie weiß ganz gut, wo genau ihr Mann seine Werke ausgestellt hat.“

Erneut schauten wir uns im Raum mit Sorgfalt um, untersuchten danach auch noch die angrenzenden Zimmer, und als die Badende Venus immer noch nicht aufgetaucht war, rief ich Adelaide Rossini an.

Die Schlossherrin meldete sich sofort. „Habt ihr etwas erreicht?“ erkundigte sie sich. „Ist alles in Ordnung?“

„Da sind wir nicht sicher, liebe Ada. Wir können die Badende Venus nicht entdecken, obwohl wir auch die anliegenden Räume gründlich untersucht haben. Kann es vielleicht doch möglich sein, dass Moro diese Skulptur an einem anderen Platz aufbewahrt? Oder ist sie momentan als Leihgabe in einem fremden Museum?“

„Nein, Abigail! Wir sind uns ganz sicher, dass sie im Rosenturm sein muss. Als die Veranstaltung „Das große Spiel“ zu Ende ging, bei dem es auch eine Aufgabe im Turm zu lösen gab, haben wir gemeinsam mit dem Kommissar, mit Niklas dort eine Bestandsaufnahme gemacht. Die Badende Venus stand auf dem Klavier, auf einer runden weißen Spitzendecke.“

Ich sah zu dem alten Instrument hin. „Es tut mir leid, Adelaide! Da ist nichts. Nicht einmal die Spitzendecke. Wir haben gemeinsam mit Argusaugen auch überall in die Regale und Schränke hineingeschaut, aber die schöne Skulptur ist einfach nicht da.“

Die Schlossherrin seufzte. „Ach, du liebe Zeit. Diese Figur lieben wir beide, Moro und ich. Und Lauras begüterte Tante, Frau Ackermann wollte sie für 200.000 Euro kaufen, auch sie hat sich in diese wunderschöne Göttin verliebt. Der Bürgermeister von Wittentine hatte ebenfalls Interesse, er möchte sie gerne in den Stadtteil Bad Witten ins Kurhaus stellen und der französische Millionär Monsieur Hugo Petit hat Moro eine unerhörte Summe in schwindender Höhe dafür angeboten.“

„Und das sind sicherlich nicht die Einzigen, die Interesse daran haben“, vermutete ich.

Sie atmete tief. „Mein armer Moro! Wie bringe ich ihm das jetzt bei? Natürlich, Abigail, sehr viele Menschen mögen diese Figur. Sie hat etwas ganz Besonderes. Diese fließenden, weichen und runden Formen. Tatsächlich könnte man denken, dass sie lebt. Oft habe ich sie lange betrachtet und hatte das Gefühl, dass sie schläft und jeden Augenblick aufwachen kann.“

„Deswegen habe ich sie auch in den Kunstkatalog mit aufgenommen, den ich im Auftrag meines Chefs, Herrn Wieland angefertigt habe. Der geht im Übrigen momentan weg wie nichts. Allein die Studenten im Seitentrakt des Schlosses haben etliche Exemplare bei mir in den letzten Tagen erworben.“

„Ja, ich weiß. Da gab es jetzt zu Beginn des neuen Semesters einen Wechsel bei den Studenten. Wir haben jetzt zwei reizende Franzosen und eine entzückende Amerikanerin neu dabei. Ich hatte sie für heute Nachmittag zu einem Tee eingeladen. Wenn du magst, kannst du auch dazu kommen. Der eine Franzose ist Pianist, der andere Maler und die Kunststudentin aus Amerika ist Bildhauerin. Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich stattdessen heute nicht Moro trösten muss, wenn ich ihn gleich vom Verlust der Badenden Venus erzähle.“

„Es tut mir wirklich sehr leid“, sagte ich voller Mitgefühl. „Soll ich die Polizei benachrichtigen?“

„Danke, liebe Abigail! Das wird Moro lieber selbst machen wollen. Er muss sich dann auch noch mit der Versicherung auseinandersetzen. Da hat er bestimmt jetzt eine Menge zu tun, und er wird dann weniger Zeit zum Trauern haben. Denn ich fürchte wirklich, dass jemand die Skulptur mit voller Absicht gestohlen hat.“

„Und es könnte nicht möglich sein, dass eine Putzfrau die Figur aus Versehen fallen ließ?“ überlegte ich.

„Seit dem großen Event war die Putzfrau noch nicht wieder im Turm“, wusste Ada. „Sie ist erst wieder für morgen bestellt. Nun müssen wir natürlich noch einmal die Nachbarin näher befragen lassen, die diesen Lichtschein im Turm gesehen hat. Möglicherweise kann sie uns dann doch noch irgendeinen Hinweis auf den Dieb geben.“

„Die Haustür war ganz regulär verschlossen“, teilte ich ihr mit. „Dann muss ein Einbrecher durch eine der geheimen Seitentüren vom Nebengebäude hereingekommen sein. Dort ist bisher auch noch keine Kameraüberwachung installiert. Da sehen wir, dass es nun höchste Zeit ist, dabei etwas zu ändern, bevor noch mehr entwendet wird.“

Adelaides Stimme klang aufgeregt. „Es ist alles sehr schlimm! Ja, das werde ich auch gleich mit Niklas und dem Bürgermeister besprechen.“

„Natürlich, das ist wichtig. Wenn es sich nun herausstellt, dass die Badende Venus wirklich gestohlen wurde, wen würdest du denn da am ehesten verdächtigen? Oder kannst du dazu noch gar nichts sagen, liebe Ada?“

„Nein, wirklich nicht. Aber unser guter Kommissar Niklas Meyer hat mir noch gestern von seinem letzten Fall vorgeschwärmt, bei dem du ihm als verdeckte Ermittlerin so fabelhaft geholfen hast. Könntest du vielleicht mir zuliebe ein bisschen recherchieren?“

„Oh ja, dir zu Liebe natürlich! Allerdings überlasse ich die Spurensuche an den Geheimtüren und dem Nebengebäude unserem tüchtigen Kommissar mit seiner KTU. Die haben wirklich bessere Möglichkeiten wegen der Fingerabdrücke, DNA und anderen Spuren. Ich werde mich auf die Personen konzentrieren, die ein Interesse an der Badenden Venus haben oder hatten“, schlug ich vor.

„Ich werde das mit Moro noch einmal gut durchsprechen, vielleicht kann er dir dann schon einige Namen nennen. Bis später, Abigail! Und erst einmal herzlichen Dank für eure Mühe!“

„Ich wünschte, ich hätte dir eine bessere Nachricht geben können. Ich werde alles versuchen, um Licht in das Dunkel zu bringen“, versuchte ich sie zu trösten und verabschiedete mich von ihr.

***

Nachdem Greta und ich den Rosenturm verlassen hatten, kümmerten wir uns um den alten Rosenstock, der neben dem Eingang an die Legende von Melusine und Ottokar erinnerte.

Meine Freundin betrachtete eine der Blüten nachdenklich. „Das ist eine schöne Geschichte, wenn man bedenkt, dass sich hier im Mittelalter das Ritterfräulein und ihr Liebster wiedergetroffen haben, nach so langer Zeit der Trennung, genauso wie im Schloss der gute alte Rossini und seine Adelaide!“

Ich nickte und sog den Duft einer Blüte ein. „Leider ist bis heute nicht bekannt, wie viel davon Legende und wie viel davon wahre Geschichte ist. Immerhin, bei Moro und Ada ist alles echt.“

Ihre Mundwinkel fielen herab. „Und ich komme immer noch nicht weiter mit meiner Ahnengalerie. Bei mir gibt es auch immer noch keinen Beweis, ob ich mit Melusine verwandt bin. Das findet die kleine Saskia so spannend. Sie möchte unbedingt, dass Henry mich heiratet, weil sie allen ihren Freundinnen gern sagen möchte, dass ihre neue Mutter eine bekannte historische Persönlichkeit ist.“

„Wer weiß, Greta?! Möglicherweise können wir das doch noch eines Tages herausfinden. Oft kommt einem auch der Zufall zu Hilfe. Die Kinder bedeuten dir sehr viel nicht wahr?“

„Ich weiß nicht, wie es ist, eigene Kinder zu haben, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich sie lieber hätte als jetzt Saskia und Konstantin, und das bestimmt nicht nur, weil sie Henrys Kinder sind. Wir passen einfach zueinander, wie ein Geschenk.“

„Auch ohne Hund“, stichelte ich.

Sie warf mir einen grollenden Blick zu und brummte. „Das ist ein anderes Thema. Aber du hast Recht, ich werde Geduld haben und warten, bis er von selbst etwas erzählt. Wenn es aber irgendetwas mit seiner verstorben Frau zu tun hat, dann wird mich das bedenklich stimmen. Es ist doch schon so viele Jahre her, dass sie gestorben ist. Dann wäre das für mich ein Zeichen, dass in seinem Herzen noch kein Platz für eine neue Frau ist.“

„Vielleicht ist es irgendein Trauma, dass er nicht überwunden hat. Es muss nicht unbedingt mit Eva zu tun haben. Vielleicht ist er einmal von einem Hund angefallen worden. Das kann einem auch ganz schön Ängste verursachen.“

„Ja ja, es ist ja schon gut. Auch wenn ich so vielen Klienten mit meiner Psychotherapie helfe, in meinen eigenen Angelegenheiten bin ich immer hilflos.“

„Dafür hast du doch dann mich als Freundin“, scherzte ich. „Wollen wir ein bisschen durch den Märchenpark gehen? Am Schwanenweiher kann man jetzt beobachten, wie die jungen Schwäne immer brav hinter ihren Eltern herschwimmen. Sie haben sich schon ein wenig gewandelt und sind schon fast so schön wie ihre Eltern. Und genauso majestätisch.“

Greta sah mich staunend an. „Und ich dachte, du rennst jetzt ins Schloss, sofort zu Moro, um mit ihm jetzt eine große Liste der Verdächtigen aufzustellen.“

Ich lächelte sie an. „Das halte ich aber noch nicht für sinnvoll. Die beiden haben jetzt bestimmt noch genug mit dem Kommissar und der Versicherung zu besprechen. Dafür habe ich hinterher immer noch Zeit.“

„Gut, dann bin ich einverstanden, und ich spendiere uns ein italienisches Eis von Gianni, dessen Wagen um diese Zeit am Eingang des Parks steht. Meinst du, Rossini hat seine Wertgegenstände alle bei Theo Fritz versichert, den du damals nicht sehr sympathisch fandest und in einem deiner vergangenen Kriminalfälle sogar verdächtigt hast?“

„Ich weiß auch nicht, woran es liegt, dass ich ihn verdächtigt habe. Wahrscheinlich eigne ich mich in Wirklichkeit gar nicht zur Polizistin oder Kriminalkommissarin. Wenn mir jemand nicht so sympathisch ist, dann verdächtige ich ihn viel schneller. Dieser Theo war so mächtig darauf bedacht, mir unbedingt zu gefallen und sich bei mir einzuschmeicheln, da habe ich mich innerlich irgendwie geschüttelt. Kannst du mich da verstehen?“

„Ja, verstehen kann ich dich schon. Aber professionell ist das vermutlich nicht, obwohl dir dein Bauchgefühl auch schon sehr oft einen Täter präsentiert hat. Aber je länger ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir die Sache. Vermutlich sind dir die Leute alle unsympathisch, die auch irgendwo eine kleine oder große Leiche im Keller haben. Nur sind sie dann vermutlich nicht gerade in dem Fall immer der Täter, den du gerade bearbeitest.“

Ich freute mich. „Ha! Du bist wirklich genial. Nach einer Therapie mit dir fühle ich mich auch gestärkt. Vielleicht sind wir sogar zusammen ein ganz gutes Team. Kannst du mir nicht ein bisschen helfen?“

„Würde ich ja. Aber neben meinem Beruf fordern mich die beiden Kids schon ganz ordentlich. Ganz besonders Konstantin, der den tragischen Tod seiner Mutter ja nun wirklich noch nicht verarbeitet hat. Darauf möchte ich mich lieber jetzt konzentrieren. Bist du mir böse?“

„Du bist verrückt! Warum sollte ich dir dafür böse sein? Das kann ich so gut verstehen.“

Während Greta am Eiswagen für uns beide große Eistüten erwarb, sprach mich Jasmin die jüngere Zwillingsschwester und Mitbesitzerin des Guts Langenau an. Offenbar hatte ihr der Kommissar, ihr Lebensgefährte Niklas schon etwas von dem Diebstahl berichtet.

„Hallo, Abigail! Ich muss dich unbedingt kurz sprechen. Es geht um die Badende Venus“, sprudelte sie heraus.

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Hat dir Niklas etwas verraten? Ist das nicht ein bisschen früh?“

„Oh nein! Gemeinsam mit Bürgermeister Schneider und Rossini war er der Meinung, dass es ganz schnell an die Öffentlichkeit kommen muss, damit nach der verschwundenen Skulptur auch umgehend gesucht werden kann. Es wurde davon schon gerade in den Regionalnachrichten berichtet, und unser Tagesblättchen wird es auch so schnell wie möglich drucken. Es könnte ja durchaus möglich sein, dass der Dieb die wertvolle Figur so schnell wie möglich verhökern will. Und wer weiß, wem er sie dann anbietet. Dazu ist es natürlich auch super gut, wenn alle darüber Bescheid wissen.“

„Soweit habe ich gar nicht gedacht, Jasmin. Das tut mir leid. Da hast du natürlich völlig Recht. Und du hast schon einen Verdacht? Hast du schon mit Niklas darüber gesprochen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, konnte ich noch nicht. Und ich glaube, es ist auch eher eine Sache für deine verdeckten Recherchen. Bei Senta und mir im Gutshof hat nämlich ein Geschichtsprofessor eingecheckt, vorgestern, und er hat mich über die historischen Bauten in Sankt Augustine ausgequetscht. Aber nicht über die Kunstwerke, die dort verteilt sind, sondern über die Öffnungszeiten.“

„Und nun meinst du, dass er Antiquitäten sammelt? Aber er hat vermutlich meinen Katalog von Sankt Augustine, da sind die Fotos von allen vorhandenen Kunstwerken drin. Und die Öffnungszeiten? Die braucht er doch, wenn er alles besichtigen möchte.“

„Mir kommt dieser Professor Münsterländer aber verdächtig vor“, beharrte Jasmin auf ihrer Meinung. Ich wollte dir nämlich vorschlagen, dass du mit ihm eine Stadtführung machst und ihn dir dabei einmal ein bisschen näher anschaust. In der Zeit würde ich dann auch sein Zimmer durchsuchen und schauen, ob ich die Badende Venus bei ihm finde.“

„Ich wollte eigentlich erst mit Moro und vielleicht auch Niklas eine Verdächtigenliste anfertigen. Nur, weil er Geschichtsprofessor ist, zählt er doch noch nicht zu den Verdächtigen“, gab ich zurück.

„Er kann es aber sein. Und wenn du nicht in den nächsten Stunden die Möglichkeit hast, ihn aus dem Gutshof wegzulocken, dann könnte er die Skulptur inzwischen schon irgendwo anders versteckt haben.“

Ich seufzte etwas genervt. „Wer sagt dir denn überhaupt, dass er sie, falls er sie entwendet hat, bei dir im Gutshof versteckt hat? Es gibt auch Schließfächer an den Bahnhöfen, er könnte sie sich auch mit einem Päckchen nach Hause geschickt haben.“

Jasmin hob die Hände hinter den Kopf, um ihn zu stützen. „Himmel! Abigail! Deine Fantasie in allen Ehren, aber dieser Professor befasst sich doch auch mit alten Sachen, das könnte doch auch ein Hinweis sein. Einen Versuch ist das doch wert.“

„Aber ich habe keine Zeit momentan für eine ganze Stadtführung. Das kommt einfach nicht hin. Hast du nicht eine bessere Idee?“

Sie überlegte, während Greta zu uns kam und jedem von uns eine große Eistüte in die Hand drückte. „Du siehst so hungrig aus, Jasmin, so, als könntest du eine kleine Erfrischung gebrauchen. Da habe ich auch an dich gedacht.“

Jasmin bedankte sich. „Ich habe zwar gar keinen Hunger, aber wenn du so nett an mich denkst, dann kann ich deine nette Aufmerksamkeit nicht zurückweisen. Weiß Greta auch schon Bescheid?“

„Ja, sie war es ja, die mit mir gemeinsam im Rosenturm den Verlust der Skulptur entdeckt hat. Also, hast du eine Idee?“ drängelte ich Jasmin.

„Bis jetzt noch nicht. Ich fand die Sache mit der Stadtführung enorm gut. Oder vielleicht weiß ich doch etwas? Du könntest mit ihm ein Vorgespräch im Aufenthaltsraum führen, ihn für eine Stadtführung begeistern, und in dieser Zeit durchsuche ich dann sein Zimmer.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein Jasmin! Du weißt, dass ich dir sonst jeden möglichen Gefallen tue. Aber ob du so einfach sein Zimmer durchsuchen darfst, das sprichst du lieber mit deinem Freund Niklas ab. Er ist der Kommissar, und er leitet den Fall. Das Einzige, was ich dir jetzt anbieten kann, ist, dass ich gleich noch einmal zu dir komme und ihn ganz einfach einmal anspreche. Dabei werde ich mir dann eine Meinung bilden. Und wenn es sich bei dem Gespräch ergibt, biete ich ihm an, ihn später zu irgendeinem der historischen Bauwerke hinzuführen. So gewissermaßen als Aufhänger. In der Zwischenzeit kannst du dann in Ruhe mit Niklas reden. Ist das ein Deal?“

„Na gut! Ich hatte dich schon überall gesucht, war auf dem Weg zu dir zum Schloss, aber zum Glück bist du mir ja dann hier schon begegnet. Dann gehe ich inzwischen eilig zurück zum Gutshof und werde den Professor weiter beobachten.“

Ich sah sie mit großen Augen an. „Und jetzt, wer hat ihn inzwischen bewacht?“

Sie sah mich an wie ein Kind, das man bei einem Streich erwischt hat. „Maria hat mir geholfen. Ich hatte noch einiges gut bei ihr. Du kennst sie doch, die Medizinstudentin Maria, die in der Tierarztpraxis von Clemens bei uns auf dem Gutshof arbeitet. In der Zeit, als sie sich in Clemens verliebte, habe ich ihr so manche Gelegenheit verschafft, ihm persönlich näherzukommen. Und im Augenblick ist sie so hilfsbereit und schaut, ob der Professor auch zu Hause bleibt. Und wenn nicht, dann wird sie ihm unauffällig folgen.“

Greta stöhnte gespielt. „Der arme Niklas! Er ist so ein seriöser Kommissar. Und jetzt hilft ihm eine ganze Horde von verrückt gewordenen Bürgern aus Sankt Augustine. Vermutlich wird noch jeder Zweite verdächtigt werden.“

Nachdem wir uns von Jasmin verabschiedet hatten, spazierten wir durch den Märchenpark, an all den zauberhaften Szenen vorbei, die sich die Dichter der vergangenen Zeiten für ihre Nachwelt ausgedacht hatten. Den Schwanenweiher erreichten wir zur Mittagszeit, als die Wasseroberfläche das spiegelnde Sonnenlicht in hellen Flecken hin und her bewegte. Das Schwanenpaar hielt sich mit seinen vier Nachkommen in der kleinen Bucht auf, in die man die steinerne Nachbildung der kleinen Seejungfrau gesetzt hatte. Majestätisch kreisten die weißgefiederten Wasservögel am Ufer entlang, die jungen Schwäne zeigten sich noch in hellgrauem Federkleid.

Am Ufer entdeckten wir drei junge Leute, deren Blicke aufmerksam den eleganten Schwimmern folgten.

„Das sind die drei neuen Studenten“, wusste ich. „Sie wohnen erst seit ein paar Tagen bei uns im Schloss, und Adelaide hat mir angekündigt, dass ich sie heute Nachmittag bei einem Tee näher kennenlernen kann. Jetzt sind wieder einmal alle Zimmer im Seitentrakt belegt. Zurzeit wohnen dort zehn junge Kunststudenten.“

Die drei Parkbesucher hatten uns ebenfalls bemerkt und kamen uns entgegen.