Am Fjord der Liebe - Lee Wilkinson - E-Book

Am Fjord der Liebe E-Book

Lee Wilkinson

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Beschreibung

Die traumhaften Sommertage in Norwegen wird Christina nie vergessen. Inmitten von sanften Hügeln, kristallklaren Fjorden und grünen Wäldern trifft sie den faszinierenden Erik Hanson. Als er sie bei einem heftigen Gewittersturm in seine rustikale, einsam gelegene Hütte einlädt, kommen sie einander in einer romantischen Nacht sehr nah. Doch schon wenige Tage später muss Christina zurück nach London, wo der elegante Rechtsanwalt Simon Pierce auf sie wartet. Aber in der Millionenstadt sehnt Christina sich verzweifelt zurück: nach Norwegen und zu Erik …

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Seitenzahl: 203

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IMPRESSUM

Am Fjord der Liebe erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2002 by Lee Wilkinson Originaltitel: „Stand-in Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1491 - 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Karin Weiss

Umschlagsmotive: GettyImages_MariaUspenskaya, monkeybusinessimages_

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733757755

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Kann die Installation unverzüglich durchgeführt werden?“, fragte der Manager von Liam Peters.

„Natürlich“, antwortete Joanne ruhig und bestimmt. In dem anthrazitgrauen Kostüm wirkte sie kühl und geschäftsmäßig.

„Gut, wenn Sie dafür garantieren, dass alles so erledigt wird, wie wir es besprochen haben, Miss Winslow, dann erteilen wir Ihnen den Auftrag“, sagte er schließlich freundlich und blickte sie über den Schreibtisch hinweg an.

„Dafür garantiere ich“, erwiderte sie. Ihr schwarzes Haar umrahmte ihr hübsches Gesicht mit den dunkelblauen Augen, den vollen Lippen, der geraden Nase und dem energischen Kinn. Sie ist nicht unbedingt schön, aber sie wirkt attraktiv und interessant, überlegte der Mann.

„Dann erwarte ich Ihre technischen Mitarbeiter am Montagmorgen zu einem Gespräch“, erklärte er.

„In Ordnung.“ Joanne lächelte ihn an, und er revidierte zum Teil seine Meinung. Sie war wirklich eine schöne Frau.

Er stand auf und begleitete sie zur Tür.

Als sie das moderne Bürogebäude verließ, hätte sie am liebsten vor lauter Freude einen Luftsprung gemacht. Sie beherrschte sich jedoch und ging mit federnden Schritten über die Fulham Road. Es war ein sonniger Septembernachmittag, und um sie her flutete der Verkehr durch die Straßen.

Seit einigen Monaten steckte das Unternehmen in einer Krise, doch jetzt schöpfte Joanne neue Hoffnung.

Vor mehr als fünf Jahren hatte Steve die Firma Optima Business Services gegründet. Aber in der momentanen Wirtschaftskrise war die finanzielle Situation sehr angespannt.

Sie hatten schon eine Hypothek auf das Haus aufgenommen. Um die Firma halten zu können, brauchten sie jedoch mehr Aufträge.

Glücklicherweise hatte an diesem Morgen MBL Finance, eine internationale Investmentgesellschaft, Steve ein zinsgünstiges Darlehen in Aussicht gestellt. Und jetzt hatte Joanne ihnen einen großen, wichtigen Auftrag hereingeholt.

Während sie zu der U-Bahn-Station eilte, blickte Joanne auf die Uhr. Es war schon zwanzig vor fünf. Um diese Zeit wurde sie an einem Freitag nicht mehr in dem Büro in Kensington gebraucht. Deshalb entschloss sie sich, zu Fuß nach Hause zu gehen. Sie wohnte mit ihrem Bruder Steve und ihrer Schwester Milly und deren Mann Duncan in der Carlisle Street.

Milly würde bestimmt jetzt packen, denn das junge Paar wollte an diesem Abend mit dem Nachtzug nach Schottland fahren, wo Duncan in seiner Heimatstadt Edinburgh eine Stelle als Arzt in einer Gemeinschaftspraxis angenommen hatte. Man hatte ihm eine möblierte Wohnung über der Praxis zur Verfügung gestellt.

Hinzu kam, dass die Rezeptionistin gekündigt hatte und man Milly diesen Job angeboten hatte. Dennoch war Milly gereizt und unausgeglichen. Sie freute sich offenbar nicht auf den Ortswechsel. Ihre offensichtliche Abneigung gegen den Umzug hatte schon zu Spannungen mit Duncan geführt.

Beinah leidenschaftlich hatte sie erklärt, sie wolle ihre Stelle als Sekretärin nicht aufgeben. Duncan hatte ihr jedoch ruhig geantwortet, er hätte ihr vor der Hochzeit klargemacht, dass er plane, nach Schottland zurückzukehren. Milly war in Tränen ausgebrochen. Und als das Duncan nicht beeindruckt hatte, war sie wütend geworden. Zu Joannes Erleichterung hatte Duncan gelassen und gleichmütig reagiert und das Theater, das Milly machte, ignoriert.

Während Joanne durch die ruhige, von hohen Bäumen gesäumte Carlisle Street ging, an den alten, eleganten Stadthäusern vorbei, überkam sie wie immer ein nostalgisches Gefühl.

Das Haus Nummer dreiundzwanzig hatte ihren Eltern gehört, die beide Rechtsanwälte gewesen waren. Sie waren vor fünf Jahren bei einem Zugunglück in Mexiko, wo sie ihre zweiten Flitterwochen verbrachten, ums Leben gekommen.

Milly, die Jüngste der Familie, war damals erst dreizehn gewesen. Joanne war nach den Herbstferien nicht auf die Universität zurückgekehrt, sondern in die Firma ihres Bruders eingetreten, um ihm zu helfen und sich um Milly zu kümmern.

Steve war mit seinen zweiundzwanzig Jahren der Meinung gewesen, er könne für sich selbst sorgen. Doch er war dann sehr froh gewesen, dass Joanne ihm vieles abgenommen hatte.

Jetzt ging sie die Treppe hinauf und schloss die Haustür auf. Es war still im Haus. Offenbar war Milly nicht da.

Nachdem Joanne sich umgezogen hatte, machte sie sich in der geräumigen Küche als Erstes einen Tee. Dann stellte sie zwei Flaschen Wein in den Kühlschrank und bereitete das Abendessen vor.

Auf einmal kam Milly herein. Sie war zierlich und hübsch, hatte rotblondes Haar, blaue Augen und eine fantastische Figur. Normalerweise war sie ausgesprochen lebenslustig und kleidete sich verführerisch. Doch an diesem Tag hatte sie verwaschene Jeans und ein altes T-Shirt an und wirkte deprimiert und gereizt.

„Ich habe gar nicht gemerkt, dass du zu Hause bist“, sagte Joanne. „Du hast keine Musik gehört.“

„Dazu hatte ich keine Lust.“ Milly setzte sich an den Tisch.

„Hast du dich immer noch nicht mit dem Umzug abgefunden?“, fragte Joanne. Als Milly schwieg, fügte sie, wie um sie zu beruhigen, hinzu: „Ich bin sicher, es wird alles gut. Sobald du dich an die neue Umgebung gewöhnt und Freundinnen gefunden hast, wird es dir in Schottland gefallen.“

„Was ist mit meinem Job? Du weißt doch, wie viel Spaß mir meine Arbeit macht“, stieß Milly mürrisch hervor.

Milly hatte nicht zur Universität gehen wollen und stattdessen einen Sekretärinnenkurs absolviert. Sie war intelligent und hatte einen wachen Verstand. Obwohl sie etwas flatterhaft war, hatte sie den Kurs mit guten Noten abgeschlossen. Dann hatte sie eine zeitlich befristete Stelle bei Lancing International bekommen. Man war mit Millys Leistungen jedoch so zufrieden gewesen, dass man sie fest einstellte, als die andere Sekretärin aus dem Mutterschaftsurlaub nicht zurückkam.

„Dir wird der neue Job bestimmt auch gefallen“, erwiderte Joanne sanft.

„Die Arbeit ist sicher schrecklich langweilig“, entgegnete Milly. „Wer will schon Tag und Nacht in einer Arztpraxis festsitzen?“

Joanne ignorierte die Bemerkung und schenkte sich und Milly eine Tasse Tee ein. Dann setzte sie sich ihrer Schwester gegenüber. „Bist du schon mit Packen fertig?“

„Ich habe noch gar nicht damit angefangen.“

„Sag mir Bescheid, wenn du Hilfe brauchst.“

„Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt mitfahre“, erklärte Milly trotzig.

„Du hast wohl kaum eine Wahl“, stellte Joanne betont gelassen fest. „Alle Vorbereitungen sind getroffen. Außerdem ist Duncan dein Mann.“

„Daran brauchst du mich nicht zu erinnern. Ich wünschte, ich hätte auf dich gehört. Du hast mir immer wieder gesagt, ich sei zu jung zum Heiraten.“

Joanne sank der Mut. Es stimmte, sie war gegen die Heirat gewesen, weil Milly wirklich noch sehr jung war. Aber Duncan war ein vernünftiger und in sich gefestigter Mensch. Die beiden waren so verliebt gewesen, dass Joanne ihre Bedenken und Zweifel schließlich verdrängt hatte.

„Duncan und ich haben uns in der letzten Zeit so oft gestritten, dass ich mich frage, ob ich nicht einen schweren Fehler gemacht habe“, fügte Milly unglücklich hinzu.

Ohne sich ihre Bestürzung anmerken zu lassen, erwiderte Joanne: „Du weißt genau, dass du nur wegen des bevorstehenden Umzugs so deprimiert bist.“

Milly trank einen Schluck Tee und schüttelte den Kopf. „Nein, dafür gibt es noch andere Gründe. Ich glaube, ich bin verliebt.“

„Das hoffe ich sehr, denn ihr seid ja erst wenige Monate verheiratet“, erwiderte Joanne.

„Ich rede nicht von Duncan. Natürlich habe ich ihn noch gern. Aber ich habe mich in einen anderen verliebt.“

„Vielleicht in Trevor? Er würde sich geschmeichelt fühlen“, scherzte Joanne.

Milly verzog das Gesicht. „Was du an diesem aufgeblasenen, großspurigen Kerl findest, ist mir ein Rätsel. Du könntest ganz andere Männer haben.“

„Danke“, antwortete Joanne spöttisch.

„Duncan mag ihn auch nicht“, fuhr Milly fort. „Er hat nicht mehr Charisma als ein Wurm.“

„Ich würde Trevor nicht mit einem Wurm vergleichen“, wandte Joanne nachsichtig ein.

„Du hast recht, dazu ist er zu wählerisch und rechthaberisch. Er versucht immer, dich zu bevormunden.“

„So? Ich werde versuchen, das nicht zu vergessen. Ich möchte nicht den falschen Mann heiraten.“

„So wie ich, meinst du?“

„Das ist dummes Zeug“, rief Joanne beunruhigt aus. „Duncan ist genau der richtige Mann für dich.“

„Aber ich habe dir doch gerade erklärt, dass ich mich in einen anderen verliebt habe.“

Joanne atmete tief ein. „In wen?“

„In meinen Chef Brad Lancing. Er ist sehr charismatisch.“

„Brad Lancing“, wiederholte Joanne.

„Er sieht gut aus, ist intelligent und charmant. Außerdem hat er faszinierende Augen. Und seine Lippen …“, schwärmte Milly.

Jetzt war Joanne klar, weshalb Milly so schlecht gelaunt war und nicht nach Schottland ziehen wollte.

„Du hältst mich für dumm, stimmt’s?“, fragte Milly.

„Ja, denn Lancing ist verheiratet und hat Kinder, wie Steve erzählt hat.“

„Steve irrt sich. Ich weiß genau, dass er nicht verheiratet ist und keine Kinder hat. Er ist Junggeselle und dreißig Jahre alt.“

Joanne wusste nicht, was sie glauben sollte. „Und du bist achtzehn und verheiratet“, wandte sie ein.

„Der Altersunterschied spielt keine Rolle. Wenn ich mit ihm zusammen bin, komme ich mir nicht wie eine verheiratete Frau vor, sondern fühle mich einfach wunderbar.“

„Oh Milly“, sagte Joanne hilflos, „ist dir denn nicht klar, dass viele Frauen sich in ihren Chef verlieben, während die Chefs ihre Sekretärinnen kaum beachten?“

„Brad beachtet mich aber“, entgegnete Milly triumphierend. „An den beiden Abenden, als ich angeblich länger arbeiten musste, bin ich mit ihm zum Essen ausgegangen.“

Joanne war zutiefst erschrocken. „Du hast dich doch hoffentlich nicht mit ihm eingelassen?“

„Nein. Aber er interessiert sich für mich. Das schließe ich aus seinen Blicken und Bemerkungen.“

Joanne biss die Zähne zusammen. Als Milly den Job bekommen hatte, hatte Steve erwähnt, dass Lancing keinen guten Ruf hatte, was Frauen anging. Aber Joanne hätte nie geglaubt, dass er sich für eine achtzehnjährige Frau, die gerade erst geheiratet hatte, interessieren würde. Offenbar war er völlig skrupellos.

„Dir ist hoffentlich klar, dass ein Mann wie er sich nimmt, was er bekommen kann. Und wenn er …“

„Das weiß ich selbst“, unterbrach Milly sie. „Wenn er erreicht hat, was er will, respektiert er mich nicht mehr. Ich bin es jedoch leid, respektiert zu werden, und wünsche mir mehr Aufregung in meinem Leben. Und wenn diese Reise nach Norwegen …“ Unvermittelt verstummte sie.

„Was für eine Reise nach Norwegen?“

„Ach, es kann sein, dass Brad geschäftlich für sechs Wochen nach Norwegen fliegt. Er hat mich gebeten, ihn zu begleiten.“

„Als was?“, fragte Joanne.

„Natürlich als seine Sekretärin“, antwortete Milly.

„Aber du arbeitest doch gar nicht mehr für ihn. Du hast doch gekündigt.“

Milly schüttelte den Kopf. „Nein, das habe ich nicht. Ich weiß noch nicht, ob ich wirklich mit nach Schottland gehe.“

„Willst du ernsthaft behaupten, du seist bereit, deine Ehe wegen so einer dummen Verliebtheit aufs Spiel zu setzen?“ Joanne konnte es kaum glauben. „Begreifst du nicht, dass Brad Lancing wahrscheinlich nur an einer flüchtigen Affäre interessiert ist? Er steht in dem Ruf, ein Schürzenjäger zu sein, ob er nun verheiratet ist oder nicht. Und was ist mit deinem Eheversprechen?“

„Ich war zu jung für eine feste Bindung.“

„Vor der Hochzeit hast du mir immer wieder versichert, du seist dir der Verantwortung bewusst.“

„Ja, davon war ich damals überzeugt.“

„Duncan und ich waren auch davon überzeugt. Doch wenn du so dumm und unreif bist, mit dem erstbesten Mann ins Bett zu gehen, den du wunderbar findest, haben wir uns offenbar getäuscht.“

Milly errötete. „Du warst schon immer so schrecklich korrekt und altmodisch. Wenn du nicht aufpasst, wirst du eine alte Jungfer oder heiratest so einen engstirnigen Mann wie Trevor.“

„Es geht hier nicht um mich, sondern um deine und Duncans Zukunft“, entgegnete Joanne ruhig. „Duncan liebt dich sehr. Hast du darüber nachgedacht, was du ihm damit antun würdest?“

„Ich will ihn nicht verletzen“, sagte Milly unglücklich. „Aber ich kann einfach nicht anders, ich muss immer an die Reise nach Norwegen denken. Ich stelle mir vor, was ich verpasse, wenn ich nicht mitfahre.“

„Stell dir lieber vor, was du verlierst, wenn du mitfährst. Was passiert denn, wenn aus der Reise nach Norwegen nichts wird und du Duncan verloren und jede Chance, in dem herrlichen Schottland zu leben, zunichtegemacht hast?“ Als Joanne spürte, wie verunsichert ihre Schwester plötzlich war, fügte sie, um der Sache Nachdruck zu verleihen, hinzu: „Du kannst nicht damit rechnen, dass Duncan geduldig abwartet, ob du dich für ihn oder einen anderen Mann entscheidest.“

Milly biss sich auf die Lippe. „Heute Abend stellt sich heraus, ob Brad nach Norwegen fliegt. Er war geschäftlich unterwegs und hat versprochen, er würde mich anrufen, wenn er mich braucht.“

„Will er etwa hier anrufen?“

„Natürlich. Es bleibt ja nicht viel Zeit. Wir müssten dann morgen früh fliegen.“

„Und wenn er nicht anruft?“

Milly drehte den Ehering am Finger hin und her. „Das weiß ich nicht. Vielleicht gehe ich mit nach Schottland …“

In dem Moment wurde die Haustür geöffnet. „Milly, Liebling, ich bin da“, rief Duncan fröhlich aus.

„Jo, du redest nicht darüber, bis ich mich entschieden habe, oder?“, fragte Milly besorgt und stand auf.

„Nein, bestimmt nicht. Aber wenn er nicht misstrauisch werden soll, solltest du anfangen zu packen, während ich das Essen koche“, erwiderte Joanne.

Als Milly die Küche verlassen hatte, stand Joanne auf und räumte die Tassen vom Tisch. Dieser verdammte Brad Lancing, dachte sie ärgerlich. Wie konnte der Mann so eine leicht zu beeindruckende, junge Frau, die noch dazu frisch verheiratet war, ermutigen?

Vielleicht glaubte Milly wirklich, sie sei in ihn verliebt. Doch wenn er nicht mit ihr ausgegangen wäre und ihr in Aussicht gestellt hätte, sie mit nach Norwegen zu nehmen, würde sie jetzt nicht ernsthaft darüber nachdenken, Duncan zu verlassen.

Plötzlich läutete das Telefon. Geistesabwesend meldete Joanne sich.

„Miss Winslow?“, ertönte eine klare, sympathisch klingende Stimme.

„Ja.“

„Brad Lancing hier. Die Reise nach Norwegen findet statt. Ich würde mich freuen, wenn Sie heute Abend mit mir essen würden, damit wir alles Nötige besprechen können.“

Joanne war nahe daran, ihm zu erklären, wer sie sei und was sie von ihm halte. Doch vorsichtshalber schwieg sie. Dieser Mann, der offenbar keine Grenzen respektierte, würde sicher so leicht nicht aufgeben und weiterhin versuchen, mit Milly Kontakt aufzunehmen.

Während ihr alle möglichen Gedanken durch den Kopf schossen, fuhr Brad Lancing fort: „Wir treffen uns im Restaurant Somersby’s um halb acht. Ist das okay?“

Sie zögerte sekundenlang. Dann sagte sie sich, wenn sie zustimmte, hätte er keinen Grund, noch einmal anzurufen. Deshalb ahmte sie Millys Sprechweise nach und erwiderte: „Ja, ich komme.“

Brad Lancing beendete das Gespräch. Er war wohl ein Mensch, der nicht viele Worte machte. Und das war Joannes Glück. Wenn er sie in ein längeres Gespräch verwickelt hätte, hätte er sicher gemerkt, dass sie nicht Milly war.

Außerdem konnte Milly jeden Augenblick hereinkommen. Wenn sie glaubte, ihr Chef hätte nicht angerufen, würde es ihr leichter fallen, mit Duncan nach Schottland zu fahren. Sie würde sich bald an ihr neues Leben gewöhnen und Brad Lancing vergessen, wie Joanne hoffte.

Plötzlich fiel ihr ein, was Brad Lancing gesagt hatte. Er erwartete Milly um halb acht im Restaurant. Falls sie nicht erschien, würde er vielleicht anrufen und wissen wollen, wo sie blieb. Und das könnte eine Katastrophe heraufbeschwören.

Gut, es gibt nur eine Lösung: Ich muss anstelle von Milly den vereinbarten Termin wahrnehmen, überlegte Joanne. Dann hätte sie wenigstens die Chance, ihm ihre Meinung zu sagen. Sie hörte, dass die Haustür geöffnet wurde. Wenige Sekunden später kamen Steve und seine Verlobte in die Küche.

Bis vor einigen Monaten hatte Steve hart und viel gearbeitet. Er sah mit seinen blauen Augen, seinem dunklen Haar und der schlanken Gestalt ganz gut aus. Aber er hatte einfach keine Zeit für eine Frau in seinem Leben gehabt. Und dann hatte er Lisa, eine zierliche, hübsche Blondine, als Sekretärin eingestellt. Es war bei beiden Liebe auf den ersten Blick gewesen. Jetzt erwarteten sie ein Baby, was nicht geplant gewesen war, worauf sie sich aber trotzdem sehr freuten, und hatten beschlossen, im Oktober zu heiraten.

„Es duftet verführerisch“, stellte Steve fest. „Wie ist es bei Liam Peters gelaufen?“

„Am Montagmorgen kannst du deine Mitarbeiter hinschicken.“

Er stieß einen Freudenschrei aus, legte Joanne die Hände um die Taille und wirbelte mit ihr herum, bis sie kaum noch Luft bekam.

In dem Moment kam Duncan mit Milly herein. „Das sieht nach einer guten Nachricht aus.“

„Stimmt. Wir haben Grund zum Feiern“, verkündete Steve. „Haben wir irgendwo noch Wein?“

„Ja, der steht schon im Kühlschrank“, erwiderte Joanne.

„Wunderbar.“ Steve nahm eine der beiden Flaschen heraus und öffnete sie. Dann schenkte er jedem ein Glas ein. „Auf uns, besonders auf Jo, die den Auftrag von Liam Peters für uns geholt hat und die immer so köstliche Gerichte für uns zubereitet.“

Sie stießen an und tranken die Gläser leer.

Schließlich atmete Joanne tief ein und erklärte mutig: „Ich hoffe, das Essen schmeckt euch heute Abend genauso gut wie immer. Leider muss ich noch weg.“ Als sie die überraschten Mienen der anderen bemerkte, fügte sie hastig hinzu: „Trevor hatte vergessen, dass Milly und Duncan heute Abend nach Schottland fahren, und er hat teure Karten für ein Konzert geholt, über das wir gesprochen hatten.“

Vielleicht war es keine gute Ausrede, aber sie entsprach teilweise der Wahrheit. Trevor hatte wirklich die Karten gekauft. Joanne hatte jedoch ihre Karte bezahlt, weil Trevor es hasste, Geld zu verschwenden, und ihm vorgeschlagen, er solle seine Mutter mitnehmen.

Milly war enttäuscht und stellte sich neben ihren Mann, der den Arm um sie legte.

Hoffentlich geht alles gut mit den beiden, dachte Joanne.

„Wenn du an unserem letzten Abend nicht da bist, erwarten wir, dass du unser erster Gast bist, sobald wir uns in Edinburgh eingelebt haben“, sagte Duncan gut gelaunt.

„Einverstanden.“

Joanne musste noch duschen und sich umziehen und ging nach oben. Damit man ihr den Konzertbesuch glaubte, zog sie ihren eleganten Hosenanzug aus Seide an, legte Make-up auf und steckte ihr Haar zu einer kunstvollen Frisur zusammen.

Als sie wieder in die Küche kam, pfiff Duncan leise durch die Zähne. Milly nickte anerkennend. „Nicht schlecht. Aber ich finde, es ist reine Verschwendung. Trevor weiß es sowieso nicht zu schätzen.“ Dann fügte sie etwas unsicher hinzu: „Wahrscheinlich sind wir weg, wenn du zurückkommst.“

Offenbar will sie jetzt doch mit Duncan nach Schottland fahren, überlegte Joanne erleichtert. Sie umarmte ihre Schwester und kämpfte mit den Tränen. „Gute Reise. Sobald ihr Besuch empfangen könnt, sagt mir Bescheid.“

„Ja, das machen wir“, versprach Duncan.

In dem Moment läutete es an der Haustür. Es war das Taxi, das Joanne sich bestellt hatte. Nachdem sie alle umarmt hatte, wünschte sie ihnen einen schönen Abend und eilte mit Tränen in den Augen hinaus.

Somersby’s war ein elegantes, teures Restaurant. Das Taxi hielt vor dem Eingang an, und Joanne stieg mit Herzklopfen aus. Sogleich hielt ihr der uniformierte Portier die Tür auf.

Während sie das luxuriöse Foyer durchquerte, überlegte sie, was sie Brad Lancing sagen sollte. Sie durfte nicht riskieren, dass er Milly doch noch anrief. Irgendwie musste Joanne ihn drei Stunden lang beschäftigen. Und dann würde Milly im Zug sitzen. Plötzlich fiel Joanne ein, dass sie keine Ahnung hatte, wie Brad Lancing aussah.

Ach, ich gehe einfach hinein und hoffe, dass nicht allzu viele Männer allein an einem Tisch sitzen, machte sie sich Mut. Aber vielleicht war er noch gar nicht da, denn es war erst fünf vor halb acht.

Als sie an der Tür kurz zögerte, eilte der Oberkellner herbei. „Guten Abend, Madame.“

„Guten Abend. Mr. Lancing erwartet mich“, erklärte sie.

„Würden Sie bitte mitkommen?“ Er führte sie an einen Tisch in einer Nische.

Der Mann, der dort saß, hatte dichtes dunkles Haar. Er blickte Joanne an und stand höflich auf. Er war mindestens einen Meter achtzig groß und breitschultrig. Seine Haut war gebräunt, und sein Gesicht wirkte beinah asketisch. Er war ganz anders, als sie ihn sich vorgestellt hatte, und sie war sekundenlang irritiert. Hatte der Oberkellner sich geirrt?

„Ihr Gast, Mr. Lancing“, sagte er jedoch in dem Moment.

Brad Lancing brachte Joanne aus dem Gleichgewicht. Die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte, fielen ihr nicht mehr ein. Stattdessen begann sie unsicher: „Mr. Lancing, ich bin Miss Winslow, aber die falsche …“

Er zog die Augenbrauen hoch. „Zugegeben, Sie sind nicht die, die ich erwartet habe, aber genauso charmant.“

„Ich bin Millys Schwester“, fügte sie atemlos hinzu.

„Sie sind ihr gar nicht ähnlich“, stellte er ruhig und sachlich fest. „Wollen Sie sich nicht setzen?“

„Danke.“

Er blieb stehen, bis Joanne sich hingesetzt hatte. Zumindest hat er gute Manieren, gestand sie sich insgeheim ein. „Ich habe schlechte Nachrichten“, verkündete sie schließlich. Als er sie mit seinen faszinierenden grünen Augen ansah, bekam sie Herzklopfen.

„Hoffentlich wird es nicht zu schlimm“, antwortete er.

„Milly kann Sie nicht begleiten“, erklärte sie.

„Ah ja. Dann habe ich wohl mit Ihnen am Telefon gesprochen, oder?“

„Ja“, gab sie zu und war verblüfft über seinen Scharfsinn.

„In dem Fall sind Sie keineswegs die falsche Miss Winslow“, stellte er lächelnd fest.

Sie betrachtete seine Lippen. Sie wirkten sinnlich und streng zugleich. Joanne konnte verstehen, dass Milly glaubte, in diesen Mann verliebt zu sein.

„Miss Winslow, verraten Sie mir doch, weshalb Sie sich für Ihre Schwester ausgegeben haben“, forderte er sie sanft auf.

„Ich … habe doch nicht …“

„Natürlich haben Sie das getan“, unterbrach er sie. „Sie haben sogar ihre Stimme imitiert.“

„Es sollte ein Scherz sein“, erwiderte sie hilflos. „Milly war nicht da, und ich …“

„Sie haben einfach den Anruf für sie beantwortet, stimmt’s? Machen Sie das immer?“

„Nein. Aber ich habe gewusst, dass sie Sie treffen wollte …“

„Warum ist sie dann nicht hier?“

„Sie muss sich um unsere Tante kümmern“, improvisierte Joanne. „Die arme Tante Alice ist gestürzt und wollte sich nicht ins Krankenhaus einliefern lassen. Milly hängt sehr an ihr und …“

Sekundenlang blitzte es in seinen Augen belustigt auf. Aber seine Miene blieb ernst. „Ja, ich weiß, was es mit verwandtschaftlichen Beziehungen auf sich hat“, erklärte er rätselhaft.

„Niemand kann sagen, wie lange es dauert, bis unsere Tante sich beruhigt hat“, fuhr Joanne fort. „Vielleicht muss Milly sogar die ganze Nacht bei ihr bleiben.“

„Und weshalb sind Sie dann gekommen?“

„Na ja, ich habe gedacht, es sei besser, es Ihnen persönlich mitzuteilen.“

„Es ist auf jeden Fall eine nette Geste“, stimmte er spöttisch zu.

Joanne war klar, was er dachte, und plötzlich hatte sie eine Idee. Wenn sie ihm schmeichelte und ihm vorspielte, sie sei an ihm interessiert, würde er sie vielleicht bitten, mit ihm zu Abend zu essen. Dann könnte sie ihn ablenken und beschäftigen, bis Milly vor ihm sicher war. Erst danach werde ich ihm sagen, was ich von ihm halte, nahm Joanne sich vor.

„Ich habe gehofft, Sie kennenzulernen“, behauptete sie und bemühte sich, leicht verlegen zu wirken.

„Wirklich?“ In seinen Augen leuchtete es auf.

„Milly hat mir so viel von Ihnen erzählt.“

„Gibt es denn Sekretärinnen, die etwas Gutes über ihren Chef sagen?“, fragte er ironisch.

„Das kommt auf den Chef an.“ Joannes Stimme klang etwas scharf. Vorsicht, ich darf nicht vergessen, dass ich so tun will, als würde er mir gefallen, mahnte sie sich sogleich und warf ihm einen verführerischen Blick zu. „Wenn man einen Chef wie Sie hat …“

„Was genau hat … Milly denn über mich erzählt?“ Er wurde neugierig.

„Sie hat behauptet, Sie seien intelligent, charismatisch und sehr charmant.“

Sekundenlang war er irritiert. Doch dann antwortete er gelassen: „Ich weiß nicht, ob diese Beschreibung zutrifft. Aber ich will versuchen …“

In dem Moment brachte ihnen der Kellner die Speisekarten, die in Leder eingebunden waren.

„Oh …“ Joanne wollte aufstehen. „Ich sollte gehen, damit Sie in Ruhe essen können.“

„Möchten Sie nicht hier bleiben und mit mir zusammen essen?“, schlug er prompt vor. Genau das hatte Joanne gehofft. „Oder hat Ihr Verlobter etwas dagegen?“

Er hat den Ring gesehen, schoss es ihr durch den Kopf. „Nein, bestimmt nicht.“

„Dann leisten Sie mir bitte Gesellschaft.“