Andreas Herzog - Mit Herz und Schmäh - Karin Helle - E-Book

Andreas Herzog - Mit Herz und Schmäh E-Book

Karin Helle

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Beschreibung

Mit Herz… Erfahrung, Wissen, Entwicklung - dafür steht Andreas Herzog, der als Spieler wie auch Trainer eine beachtenswerte Karriere hingelegt hat. Die Erfolge Mit Rapid, Werder und Bayern, mit Nationalteams auf verschiedenen Kontinenten haben ihn zu einer Persönlichkeit reifen lassen, die nachdenklich zurück und überlegt nach vorne blickt. … und Schmäh 103 Länderspiele, 103 Anekdoten - auch dafür steht Österreichs Rekord-Teamspieler Andreas Herzog, der Zauberer mit Wiener Schmäh, der nie um einen guten Sager oder einen lustigen Streich verlegen war und ist. Es hat sich einiges von "weniger Mozart, mehr Beethoven" bis zum "Shall I be happy?!" getan, doch untreu ist er sich im Laufe der Jahrzehnte nicht geworden. Ganz im Gegenteil: authentisch, ehrlich, echt! So, wie es seinem Wesen entspricht, präsentiert sich die vorliegende Biographie: umfassend mit Tiefgang, augenzwinkernd spielerisch leicht, mit vielen Bildern seiner wichtigsten Stationen. Ein echtes Buch über einen, den es kein zweites Mal gibt.

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Impressum

1. Auflage

© egoth Verlag GmbH

2021

Alle Rechte vorbehalten. Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Rechteinhabers.

ISBN: 978-3-903376-04-5

ISBN E-Book: 978-3-903376-05-2

Redaktion: Karin Helle, Wolfgang Ilkerl, Claus-Peter Niem

Lektorat: Dr. Rosemarie Konrad

Coverbild: Stefan Fürtbauer / picturedesk.com

Bilder: Privatarchiv Andreas Herzog, GEPA pictures, APA picturedesk,

Kronen Zeitung/G. Gradwohl, F. Schaller, Imago, Foto Sündhofer,

Foto Votava, pmk, der Plankenauer, Daniel Krug

Trotz intensiver Recherche konnten nicht alle Rechteinhaber ausfindig gemacht werden – bei berechtigten Ansprüchen bitte wir um Kontaktaufnahme für eine angemessene Vergütung.

Umschlag und Grafische Gestaltung: DI (FH) Ing. Clemens Toscani

Printed in the EU

Gesamtherstellung:

egoth Verlag GmbH

Untere Weißgerberstr. 63/12

1030 Wien

Österreich

ANDREASHERZOG

MIT HERZUND SCHMÄH

Karin Helle, Wolfgang Ilkerl, Claus-Peter Niem

Meinen Eltern, meiner Frau Kathi und meinen SöhnenLuca und Louis:

Sie haben mich zu jenem Menschen gemacht,der ich heute bin.

Meinen Trainern, Mitspielern, Gegnern,besonders meinen Unterstützern und Fans:

Ohne sie wäre ich einsam in meiner Welt des Fußballs.

Gewidmet also allen, die aus dem „Schluchtenscheißer“einen „Alpen-Maradona“ haben werden lassen.

Andi Herzog

INHALT

PROLOG VON OTTO REHHAGEL

VORWORT

BIOGRAPHIE IN 30 KAPITELN

EIN LEBEN IN ZAHLEN

TRAINERLEBEN

NACHLESE

GELEITWORT VON HANS KRANKL

BILDSTRECKE

GELEITWORT VON TONI POLSTER

ANDI HERZOG: „A WAHNSINN“

ZWISCHEN RUHM UND REMPLER: 103 ANEKDOTEN

EPILOG VON ALEX KRISTAN

GLOSSAR ÖSTERREICHISCH – DEUTSCH

DIE AUTOREN

PROLOG VON OTTO REHHAGEL

Lieber Andreas,

es war eine große Freude für mich, als Sie sich vor einigen Wochen unverhofft bei mir meldeten. Normalerweise telefonieren wir aus den üblichen Anlässen: Geburtstage, Festlichkeiten im Jahresverlauf, Werder Bremen früher und heute – doch als Sie mich darum baten, ein Vorwort für Ihre Biografie zu schreiben, war ich sofort Feuer und Flamme.

Vielleicht liegt es daran, dass ich Ihre Stimme gerne höre – wir hier im Ruhrpott sprechen klar, direkt und aus dem Herzen heraus, Ihr Wiener Dialekt dagegen klingt spielerisch und leicht – so wie ich Sie als Ausnahmeathlet auch auf dem Platz habe kennen und schätzen lernen dürfen. Oder an der Tatsache, dass ich mit Österreich immer schon angenehme Gedanken verband: Geboren 1938 in Essen wuchs ich als kleiner Junge in Ruinen im Essener Norden auf. Als der Zweite Weltkrieg das Ruhrgebiet 1943 besonders hart traf, wurden meine Mutter, meine Schwester und ich kurzerhand in die Tschechei nach Brünn evakuiert. Auch diese Zeit war geprägt von Entbehrungen, doch an einen ganz speziellen Tag kann ich mich heute noch gut und mit Frohsinn erinnern: ein Ausflug nach Wien. Mit dem Zug fuhren wir in die nur rund zwei Stunden entfernte Donaumetropole. Das war meine erste Berührung mit Österreich. Ich habe noch heute die altehrwürdige Stadt vor Augen, und vor allem den Prater und das Riesenrad – was für eine Sensation für einen kleinen Jungen wie mich damals in Zeiten schlimmster Kriegswirren, einfach ein ganz besonderes Erlebnis. Fortan bestand für mich ein unsichtbares Band der Freundschaft zur Alpenrepublik.

In den kommenden Jahrzehnten war es natürlich der Fußball, der mich immer wieder ins Land der Berge zog oder besser mit diesem berührte. Bei den Offenbacher Kickers Mitte der 1970er-Jahre waren es die österreichischen Spieler Johann „Hans“ Schmidradner und Josef „Pepi“ Hickersberger, die ich als damals noch junger Coach trainieren durfte, bei Werder Bremen der leider viel zu früh verstorbene Bruno Pezzey und später natürlich Sie, Andreas – alles feine Spieler wie auch Menschen, gut zu führen und mit dem Herz am rechten Fleck.

Mein damaliger Spieler Pepi Hickersberger war es schlussendlich auch, der mich in seiner Funktion als Nationaltrainer Österreichs Ende der 1980er auf ein ganz und gar außergewöhnliches Talent hinwies, das in Wien und darüber hinaus schon für Schlagzeilen gesorgt hatte: Andreas Herzog. Fortan behielt ich Ihren Namen im Kopf und Sie im Auge – beispielsweise bei der WM 1990 in Italien –, um mir im April 1992 bei einem Länderspiel im Praterstadion ein eigenes Bild zu machen. Mächtig aggressiv und fast wie ein Abräumer der Abwehr zeigten Sie sich, Andreas, in diesem Match, weil Sie wussten, dass ich im Stadion war – und weil Sie meinten, dass die deutsche Bundesliga eine solche Spielweise von Ihnen erwarten würde. Natürlich waren mir Athletik und Durchsetzungskraft wichtig, viel mehr jedoch Ihre herausragenden Qualitäten als Spielmacher, verbunden mit Ihrer Lockerheit, Leichtigkeit und Ihrem Humor – eine echte Wiener Seele mit Herz und Schmäh.

Andreas, Sie waren von Anfang an genau der Spieler, der mir in meinem Bremer „Puzzle“ noch fehlte. Ein Spielmacher und zugleich auch ein Vollstrecker, ein hochkreativer Linksfuß – und überhaupt ein begeisterter und begeisternder Fußballer. Manchmal erinnerten Sie mich in Ihrer Spielweise und in Ihrem offensiven Denken an Franz Hasil, gegen den ich selbst noch kicken durfte. Hasil, ein begnadeter Techniker, ebenfalls Wiener und Rapidler durch und durch, später ein Jahr lang auf Schalke und danach einer der ganz Großen unter Ernst Happel bei Feyenoord Rotterdam, gehörte für mich zu den besten österreichischen Nationalspielern überhaupt – wenn er denn laut Max Merkel wollte. Denn wie sagte der von mir geschätzte spätere Trainerkollege, ebenfalls Wiener und Grün-Weißer: „Wenn er will, kann er. Doch wann will er …?“

Sie wollten immer. Überhaupt war es Ihre Leichtigkeit, die mir von Anfang an besonders imponierte. Sie konnten auf andere Spieler zugehen, hatten Witz, Charme und Humor und sorgten für eine gute, ausgelassene Stimmung bei allen Mitspielern. An Ihnen war einfach nichts Böses, vielmehr waren Sie das Herz der Mannschaft, ein fröhlicher Mensch, nie missmutig. Ich erinnere mich noch gut, als Sie nach dem Gewinn der ersten Meisterschaft 1993 mit Werder Bremen gemeinsam mit Stürmer Manfred Bockenfeld Wiener Walzer getanzt haben – mitten auf dem Platz des Stuttgarter Neckarstadions. Bilder, die man nicht vergisst. Doch selbst wenn Sie kein begnadeter Tänzer waren – ein Zauberer waren Sie allemal. Manchmal eine Spur zu leichtsinnig, doch das machte Sie andererseits auch wieder aus – eben ein Schuss Genialität.

Herzog über Rehhagel: „Er ist wie ein zweiter Vater für mich!“

Apropos Zauberer: Neben dem Fußball sind es die alten deutschen Dichter und Denker, die mich mein Leben lang begleiten haben und die ich heute noch gerne zitiere – allen voran Goethe und Schiller. Es ist ein Genuss für mich, diese zu studieren und zu rezitieren. Die Ballade vom „Zauberlehrling“ hat mich seit jeher begeistert – und hier insbesondere die Hauptfigur selbst, die vom Meister allein gelassen wird und sich ausprobieren möchte. Das Bestreben, gegen die Autorität aufzubegehren, selbstständig zu handeln, und die Tatsache, wie schnell Übermut und Überheblichkeit zum Chaos führen können – und der Meister am Ende rettend eingreifen muss.

Mag sein, dass Sie, Andreas, in Ihren ganz jungen Jahren auch ein Zauberlehrling waren – wie ein jeder von uns, der auf der Suche nach der eigenen Profession ist, sich ausprobiert, aus Fehlern lernt und zunächst auch Unterstützer an seiner Seite braucht, um sich zu entwickeln. Ihnen stand Ihr Vater zur Seite. Und später ich. Doch in unserer gemeinsamen Zeit bei Werder Bremen entwickelten Sie sich wie von selbst zum Zaubermeister – selten brauchten Sie Anweisungen, immer dagegen Freiraum.

Es ist eine große Freude, seine Bestimmung schon in ganz jungen Jahren zu entdecken, dieser von klein auf zu folgen und zu wissen, wofür man steht und was für eine Aufgabe man im Leben hat. Und es ist schön für mich zu sehen, wenn Menschen ihr Talent voll ausschöpfen, mit ganzem Herzen und ganzer Begabung leben.

„Vor dir Unendlichkeit …“, drückt es Schiller in seinem Gedicht „Die Größe der Welt“ aus. Ich habe es für mich immer so interpretiert: Wir sind nur einen kleinen Moment auf dieser Welt. Da gilt es, das Beste aus sich und seinen Fähigkeiten herauszuholen. Denn am Ende wird dir genau diese Frage gestellt: Wie hast du deine Aufgaben des Lebens gemeistert, was aus dir und deinen Talenten gemacht?

Ich habe immer versucht, mit dem ganzen Herzen dabei zu sein: Unter schwierigsten Bedingungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit, als junger Fußballer, späterer Trainer, Familienvater und Mensch. Mir ging es immer darum, das Beste aus jeder Situation zu machen und die Dinge geduldig so hinzunehmen, wie sie sind. Auch der Fußball ist ein Geduldspiel – doch niemand hat heute mehr Geduld. Das darf ich im stolzen Alter von mittlerweile 83 Jahren getrost behaupten.

Auch bei mir war es – wie in Ihrem Leben – immer der Fußball. Um so mehr freut es mich, dass ich Sie als meinen ehemaligen Spieler auf Ihrem Lebensweg begleiten und prägen durfte und bis heute inspiriere – durch meine Werte, Prinzipien und mein Tun.

Am Ende ist es immer auch ein Austausch auf Augenhöhe, denn auch ich lerne von meinem Gegenüber. Daher sei zu guter Letzt noch Folgendes erwähnt: Das Erscheinen Ihrer Biografie inspirierte mich, mir über den Titel meines ganz eigenen „Buch des Lebens“ Gedanken zu machen. „Aus Ruinen zum Olymp“ würde ich es wohl nennen – doch das ist eine ganz andere Geschichte.

Den werten Leserinnen und Lesern wünsche ich nun ganz viel Freude mit Ihrer Biografie „mit Herz und Schmäh“.

Ihr Freund und Mentor

Otto Rehhagel

Essen, Herbst 2021

PS: Habe in meinen persönlichen Zeilen ganz vergessen zu erwähnen, wie sehr es mich freut, dass auch ich Sie inspirieren konnte, den Weg des Trainers zu gehen. Denken Sie immer daran: Erfahrung ist ein hohes Gut. Sie haben alles in sich. Von der Pike auf gelernt …

VORWORT

DER MENSCH WIRD ERST AM DU ZUM ICH – ODER EINS VORWEG …

In einer Zeit, in der sich Egoismus, Starallüren, Selbstbezogenheit und Entfremdung immer mehr ausbreiten, Mitmenschlichkeit und Empathie dagegen anscheinend immer unwichtiger werden oder sogar verloren zu gehen scheinen, ist es wohltuend, sich mit der Biografie von Andreas Herzog befassen zu dürfen, da er sich einfach so gibt, wie er ist – authentisch, ehrlich und echt. Wie brachte es der österreichische Kabarettist und Freund Andreas Herzogs, Alex Kristan, so treffend auf den Punkt: „Wenn Herzerl erzählt, trägt er sein Herz auf der Zunge.“ Genau das berührte auch uns von Anfang an – und so ist es immer eine große Freude, wenn wir uns treffen, austauschen und voneinander lernen dürfen.

Andi Herzog ist in der Tat mit einem feinen Humor gesegnet, er kann darüber hinaus auch über sich selbst lachen, und er ist vor allem eines: ein Meister seines Fachs. All das durfte er sich in endlosen Trainingseinheiten aneignen, in unzähligen Begegnungen mit europäischen Topteams sowie in 103 Spielen für die österreichische Nationalmannschaft. Experten sprechen hier von der seltenen Gabe des intuitiven Erfahrungswissens. Mindestens genauso entscheidend ist jedoch seine Fähigkeit, andere als Mensch und Trainer berühren zu können – mit Herz und Schmäh. Und so hören auch wir ihm seit unserer ersten Begegnung gerne zu.

Es heißt, dass man die wirklich wichtigen Ereignisse im Leben nicht planen kann. So trafen wir auch auf den Rekordnationalspieler. Wie es zu dieser ganz persönlichen Zusammenkunft kam, möchten wir hier in den ersten Zeilen erzählen. Um uns anschließend nur noch dem Protagonisten dieses Buches zu widmen: dem Spieler, Trainer und Menschen Andreas Herzog.

Wir begegneten ihm erstmals im August 2013 auf einem Flug von Wien nach Sarajevo. Damals waren er wie wir in Sachen „US-Nationalmannschaft“ unterwegs – Herzog gehörte zum Trainerteam von Jürgen Klinsmann, und wir waren mit dem Weltstar und dessen Familie verabredet. Klinsi war immer schon ein wenig seiner Zeit voraus. Und da ihm viele junge amerikanische Nationalspieler seiner Meinung nach in Europa „totally lost“ schienen, wünschte er sich, dass wir uns zukünftig um diese Spezies kümmern sollten. Denn fußballerisch entwickeln konnten sich die jungen US-Boys in Europa wesentlich besser als in den USA, so seine Meinung. Für uns logisch und nachvollziehbar wurde in Europa nun einmal weltweit ein besonders gepflegter Fußball gespielt – mit den Besten der Besten in den Topligen Englands, Spaniens oder Deutschlands. Da lag es auf der Hand, dass auch junge Amerikaner an der Herausforderung wachsen würden, wenn denn für das entsprechende Umfeld gesorgt wäre. Und hier sollten wir ins Spiel kommen – uns eben um die Persönlichkeit der Kicker kümmern, genauer gesagt um das Selbst- und Umfeldmanagement, „Mindset and Soul“.

Typisch Jürgen Klinsmann, ging es ihm doch immer um Wachstum und Entwicklung auf der menschlichen Ebene und nicht um Statusdenken oder Komfortzone. In anderen Worten: dynamisches statt statisches Selbstbild. So stießen wir in Bosnien zwecks erster Annäherung zum Trainerteam. „Klinsmanns Eleven“ – wie er selbst sein Team von Spezialisten gerne bezeichnete. Doch das ist eine andere Geschichte.

Da wir in den Bosnien-Tagen in erster Linie mit Klinsmann und Familie unterwegs waren, ehemalige Spielstätten der Olympischen Spiele von 1980 besichtigten (wenn sie denn nicht in den Kriegswirren zerstört worden waren) und auch den Ort aufsuchten, an dem der österreichisch-ungarische Erzherzog Franz-Ferdinand und seine Frau Sophie von einem serbischen Nationalisten umgebracht worden waren, durften wir Andi Herzog in diesen Tagen nur am Rande wahrnehmen.

Zum einen war Herzog täglich mit dem mannschaftlichen Training sowie mit der Spielvorbereitung der US-Jungs gegen Bosnien beschäftigt, zum anderen wollten wir nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sprich: aufdringlich sein. Und so saßen wir im hoteleigenen Kaffeehaus meist eher an einem Nebentisch und erfreuten uns aus der Ferne an der Stimmung, die Herzog anscheinend am liebsten bei Kaffee und Kuchen und untermalt von einem Feuerwerk an Anekdoten zu verbreiten schien.

„Ein typischer Wiener“, meinte Karin Helle. „Da rennt der Schmäh.“

Richtig kennen und schätzen lernen durften wir Andreas Herzog rund ein Jahr später. Sozusagen ein echter „One Touch“ im November 2014, irgendwo an einem Freitagabend im Regen von London. Zuvor hatte die US-Nationalmannschaft 1:2 gegen Kolumbien verloren. Das Testländerspiel fand vor rund 25.000 Zuschauern und warum auch immer in London statt, genauer gesagt direkt an der Themse im altehrwürdigen Craven Cottage, der eigentlichen Heimstätte des FC Fulham. Doch wer meinte, dass es atmosphärisch möglicherweise leiser als in Kolumbien zugegangen wäre, hatte sich getäuscht. Gefühlt halb Kolumbien bevölkerte die Tribünen – und ein ohrenbetäubendes Geschrei Tausender, vornehmlich weiblicher Fußballfans wurde bei jedwedem Angriff der Los Cafeteros ausgelöst. Das wiederum hing damit zusammen, dass London eine der größten „Colombian Communities“ außerhalb Kolumbiens stellte, erklärte uns Jürgen Klinsmann später. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Wie auch immer und wie nach jeder Niederlage – das ist anscheinend in allen Klubs weltweit so oder ähnlich – herrschte die übliche Untergangsstimmung bis hin zum möglichen Endzeitszenario. Doch während sich Klinsmann über solche Situationen selten Gedanken machte – ihm ging es vielmehr um Entwicklung als um das Ergebnis –, sorgte ein anderer für gute Laune und herzliche Atmosphäre: Andreas Herzog – und das nach beschriebener Niederlage und spät in der Nacht.

Zuvor hatten wir uns nach Spielabpfiff durch die kolumbianischen Menschenmassen in die Tube der Londoner U-Bahn gedrängt – wenngleich sie im Stadtteil Hammersmith über der Erde fährt – und es endlich bis ins Hotel geschafft. Seit unserem Abflug in Dortmund am Freitagmittag hatten wir nichts gegessen. Irgendwie war uns auf dem ganzen Weg hin zum Stadion oder von dort weg kein einziger Foodtruck, keine Imbissbude, kein Würstelstand begegnet – und selbst im Stadion gab es, warum auch immer, nichts dergleichen. Was waren wir doch in Dortmund mit Stadion, Bier- und Essensverköstigung verwöhnt, dachten wir uns, als wir endlich nach Mitternacht und mit Hunger bis unter beide Arme die Klinsmannsche Lounge in Form des dem Hotel angeschlossenen Pubs erreichten – inklusive Erdnüsse, Cracker, Berti Vogts und Andi Herzog.

Letztgenannter fiel einfach aus dem Rahmen: Zunächst durch eine exzellente Analyse des Spiels, also Fachverstand pur, gefolgt von Stimmung, Herz und Schmäh. Zudem war er an allem interessiert, was über den normalen Fußballsachverstand hinausging: Weltliche Themen genauso wie Feinstoffliches und Spirituelles – das begeisterte uns besonders. Er hatte einfach erstaunlich viel zu erzählen, und vor allem nicht nur von sich selbst, sondern auch von vielen anderen Menschen, von denen er lernen durfte. Und so diskutierten wir leidenschaftlich über Inspiration, Motivation, Astrologie und Philosophie bis 4 Uhr morgens.

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, heißt es so treffend in einem Spruch, und so waren wir von Anfang an begeistert, wie offen und interessiert Andi Herzog uns begegnete. Eigentlich logisch, denn wir kannten Jürgen Klinsmann schon länger, verbunden mit der Tatsache, dass er am liebsten Menschen mit einer gesunden Portion Neugierde um sich scharte, Menschen mit dem berühmten Blick über den Tellerrand, Selbstentwickler, Querdenker und Macher – im Management wie auch in der Fußballwelt rar gesät.

Man sprach anscheinend die gleiche Sprache – und war offen für Neues. Zumal uns noch eine weitere Tatsache unsichtbar verband: Jedenfalls schien es einer dieser seltsamen Zufälle zu sein, dass Karin Helle, geboren in Mödling, ihre Kindheit in Kaltenleutgeben verbringen durfte, samt Großmutter und Ziegen, die sie bei der „Wiener Hütte“ hütete – also nur einen Fußmarsch durch den Wienerwald entfernt von Andi Herzogs heutigem Wohnort. Da schloss sich der Kreis.

„Der Mensch wird erst am Du zum Ich“, heißt es in einem berühmten Zitat des in Wien geborenen jüdischen Philosophen, Religionswissenschaftlers und Erziehers Martin Buber. In anderen Worten: Nur durch die Interaktion mit anderen, durch Begegnungen, Gespräche und Miteinander entwickelt sich die eigene Persönlichkeit.

Genau das hört man immer wieder heraus, wenn man mit Andreas Herzog ins Gespräch kommt. Er erzählt nicht nur von sich, sondern würdigt vor allem die Menschen, durch die er werden konnte, was er heute ist – Wegbegleiter wie Mutter und Vater, seine eigene Familie, Freunde, Ernst Happel, ein Otto Rehhagel, ein Jürgen Klinsmann und viele andere mehr.

Daher möge sich die geneigte Leserschaft an anderer Stelle nicht wundern, wenn wir auch Herzogs Förderern und Forderern hier und da etwas mehr Platz einräumen – und sie in ihrem Tun und ihrer Einzigartigkeit darstellen. Auch das gehört unserer Meinung nach zu einer wahrhaftigen Lebensgeschichte. Denn wie eben erwähnt: Die wirklich Großen erkennen ihr Ich immer am Du. Sie lernen von anderen und wachsen dennoch aus sich selbst heraus. Sie leben die Vielfalt und wissen um ihre Unterstützer und was sie ihnen zu verdanken haben.

In diesem Sinne: Viel Freude mit dem Buch, das Sie in den Händen halten, und hinein in die Biografie von Andi Herzog – authentisch, ehrlich, echt.

Karin Helle und Claus-Peter Niem

Dortmund und Wien, 2021

KAPITEL 1:

HILF DIR SELBST, SONST HILFT DIR KEINER – ODER DER GEIST VON ERNST HAPPEL

NATIONALTEAM 1992

Wie fühlt es sich wohl an, wenn dir eine nationale Legende, ein ehemaliger großer Spieler und noch größerer Trainer, plötzlich und unerwartet die Stirn bietet – allerdings keineswegs im klassischen Sinn Mann gegen Mann, Auge um Auge oder Zahn um Zahn, sondern vielmehr inspirierend und mit der festen Absicht und dem Glauben, aus dir das Beste herauszuholen? Einer, der es wissen muss, ist Andreas Herzog. Sein Sparringspartner im Ring oder in diesem Fall besser gesagt auf der Trainerbank: Ernst Happel.

Herzog, gerade mal 21 Jahre jung, noch bei Rapid Wien kickend und auf dem Sprung zu Werder Bremen, war zu diesem Zeitpunkt noch kein Großer – und auch nach dem Wechsel von den Grün-Weißen der Donaumetropole zu den Grün-Weißen an die Weser noch nicht, zumindest wenn man den Worten seines späteren Klubtrainers und Förderers Otto Rehhagel Glauben schenken mag –, doch dazu später mehr.

Und Ernst Happel? Er war in der Tat die bereits oben erwähnte Legende – und traurigerweise auf seiner finalen Trainerstation angekommen. Happel, authentisch, ehrlich und echt, verstand es wie kein Zweiter, Leichtigkeit, Weite und Menschenkenntnis mit Strategie und Vision zu verbinden – passgenaue Kompetenzen, die er sich am liebsten auf dem Spielfeld des Lebens aneignete, ein reichhaltiger Erfahrungsschatz garantiert. Nicht umsonst erdete sich der „Wödmaster“ aus dem 14. Wiener Gemeindebezirk Penzing zur Entspannung am liebsten im 16., in Ottakring, um hier im Café Ritter auf einen Verlängerten, eine Zigarette oder ein Glaserl Wein einzukehren, mit Freunden und Pensionisten zu plaudern oder sich am Kartenspiel „Schwarze Katze“ zu erfreuen – mittendrin, statt nur dabei. Dort der Stratege des Spielfelds, in Pressing, Raum-, statt Manndeckung denkend und seiner Zeit weit voraus, und hier der aus tiefstem Herzen liebende und lebende Mensch, mit der nötigen Intuition und dem Erfahrungswissen, wie man junge Menschen berühren und führen muss.

Doch zurück zu Andi Herzog und dessen Weg, ein Großer werden zu wollen, sowie der allgemein bekannten Tatsache, dass man im besten Fall aus Rückschlägen lernt. Jedenfalls war das Länderspiel gegen Litauen so eines im April 1992 – zumindest für Andreas Herzog, denn das eigentliche Spiel konnte das ÖFB-Team im Wiener Praterstadion erfolgreich und mit einem Kantersieg 4:0 für sich entscheiden. Vielleicht lag es daran, dass Herzog zu sehr mit seinem bevorstehenden Wechsel nach Bremen kokettierte, vielleicht an der Tatsache, dass Austria damals das bessere Team stellte – so war er neben Peter Schöttel der einzige Rapidler in der rot-weiß-roten Armee, die Violetten mit fünf, sechs Kickern in der Mannschaft vertreten. Für alle Statistiker sei erwähnt: Wohlfahrt, Zsak, Stöger, Prosenik, Ogris, Flögel …

Na, da war ich neben dem Schöttel Peter der einzige Rapidler und habe mit sechs oder sieben Austrianern zusammengespielt. Da habe ich es nicht leicht gehabt, und die haben immer zusammengehalten. Nichts jetzt gegen den Stöger Peter, aber es war so. Zsak, Stöger, Aigner, Ogris, Polster, Ex-Austrianer. Und der Zsak Manfred spielt einen Ball anderthalb Meter an mir vorbei, und ich erwisch ihn nicht, und er scheißt mich voll zusammen: „Na, was ist, willst dich nicht bewegen?“ Und ich sag: „Na, Zsaki, den Ball kann i ned dawischen“, und auf einmal gehen drei Austrianer auf mich los und fangen zu diskutieren an. Und der Happel hat mich sofort ausgetauscht. (Andreas Herzog)

Stinksauer stapfte Herzog vom Platz, zog vor der Bank provozierend sein Leiberl aus und wollte es weghauen.

Ich wollt dem Happel zeigen: Ich pfeif auf dich. Ich war damals halt ein jähzorniger, junger Bua mit Anfang 20, ging gleich unter die Dusche und dachte mir: Lecko mio, das ist das Ende, der Happel stellt mich nie wieder auf. (Andreas Herzog)

Es ist halt immer so eine Sache mit dem Selbstvertrauen, gerade in jungen Jahren, wenn man am Anfang einer Karriere steht und sich zunehmend bewusster über seine vielleicht sogar einmaligen Fähigkeiten, Stärken und Talente wird. Schnell können Selbstüberschätzung auf der einen genauso wie Selbstzweifel auf der anderen Seite stete Begleiter in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung sein – und für zu hohe Flüge mit gegebenenfalls hartem Aufprall sowie wie im vorliegenden Fall für unkontrollierte Emotionsausbrüche sorgen.

So oder ähnlich muss es Andreas Herzog nach seinem Wutausbruch am Spielfeldrand gegangen sein, jedenfalls war er sich sicher: „Der Happel beruft mich nicht mehr ein.“ Doch weit gefehlt – und so stand er schon wenige Wochen später seinem Coach bei der nächsten Zusammenkunft des Nationalteams gegenüber.

„Zauberer? Na, was war das letztes Mal?“

„Naa, Trainer, i will da nicht irgendetwas Altes aufwärmen. I hab da Meinungsverschiedenheiten gehabt mit anderen Spielern, aber da will ich im Nachhinein nicht drüber reden. Da will i niemanden verpetzen.“

„Na, glaubst, i bin deppert? Ich hab’s genau gesehen! Und glaubst, soll ich dir helfen? Willst, dass ich dir helf?“

Und ich hab mir gedacht: Ja, bitte, ich bin fast der einzige Rapidler gegen sieben Austrianer (lacht im Nachhinein).

„Wirst du ja selber nicht glauben. So blöd bin i ja ned. Entweder du setzt dich allein durch oder es wird mit dir nichts.“ (Andreas Herzog)

Das hatte gesessen. Klar, kurz und prägnant – unnachahmlich Happel. Eines war Andi Herzog jedenfalls klar: Vonseiten des Grantlers war mit Unterstützung nicht mehr zu rechnen. Doch war die Message anscheinend ein Stück weit angekommen. Herzog musste sich selbst durchsetzen. Und auch wenn ihm bei dem folgenden Spiel gegen Wales kein Tor gelang und er abermals ausgewechselt wurde, hatte er doch einen Schritt gemacht: Die Nerven im Griff und freundlich nickend an der Trainerbank vorbei Richtung Duschkabinen. Happel mochte Herzog – und wusste um dessen Wichtigkeit für die Kreativität des österreichischen Spiels: die entscheidende Torvorlage, der Lupfer hinter die Abwehrreihen, der diagonale Steilpass in den freien Raum. Und vielleicht sah er ein wenig ja sogar sich selbst in ihm.

„Natürlich, Happel verkörperte den klassischen Libero – ein lässiger und kreativer Verteidiger, mit Vorausschau und Technik und seiner Zeit im österreichischen Fußball voraus“, meinte Herzog. „Aber durchaus auch ein Schlawiner und mit Schmäh bei der Sache.“ Hatte er doch angeblich einst einmal seinem eigenen Tormann beim Stand von 4:0 ein Tor reingeschossen mit den Worten: „Waßt, du hast gesagt, du kriegst kein Tor. Da hast eins!“

Doch mindestens genauso wichtig: Happel wusste Herzog zu führen, zu berühren und zu inspirieren. So verfügte der einstmals ebenfalls für Rapid kickende und spätere Meistercoach über die seltene Gabe wirklich großer Trainer, neben dem Spiel auch die Spieler lesen zu können. Zu spüren, was sie bewegt und für jede Situation in Wahlmöglichkeiten zu denken – eben den richtigen Schlüssel für den rechten Moment parat zu haben. Mal durch Hilfe zur Selbsthilfe, dann durch Überzeugung und Klarheit oder einfach nur durch stumme Impulse führend – intuitives Erfahrungswissen, über Jahrzehnte entwickelt.

Günter Netzer, der Happel in seiner erfolgreichen Zeit beim Hamburger SV zu Beginn der 80er-Jahre als Vereinsmanager begleitete, nannte den Trainer sogar ehrfürchtig ein Phänomen: „Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Als Happel zum HSV kam, hatten wir sechs Wochen Vorbereitung. Beide Torhüter, Jupp Koitka und Uli Stein, haben gehalten wie die Weltmeister. Am Abend vor dem ersten Spiel fragte ich Happel, wer denn nun im Tor stehen würde. Er sagte: ‚Ich weiß es nicht. Aber wenn ich morgen früh die Augen aufmache, werde ich es wissen.‘ Am nächsten Tag stellte er den Stein ins Tor – und der wurde Nationalspieler.“

Da stellt sich die Frage, was all das mit Andi Herzog zu tun haben könnte, denn der kickte zur großen Zeit des HSV gerade mal in der Jugendabteilung bei Wacker Mödling in der Wiener Südstadt – oder zu Hause in Meidling mit Freunden gegen das Garagentor. Vielleicht verfügte der ehemalige Championtrainer Happel einige Jahre später und auf seiner letzten Station für den Österreichischen Fußball-Bund über eine ähnliche intuitive Eingabe am frühen Morgen des 28. Oktober 1992. Jedenfalls ging er unmittelbar vor dem entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Israel auf den auf der Spielerbank sitzenden Herzog zu, der sich gerade die Schuhe schnürte, presste seine Stirn an dessen Stirn und raunzte ihn in gewohnt kauziger Manier an: „Jetzt zeig ihnen, wie gut du bist, Zauberer.“

Eine Botschaft, die Herzog zutiefst berührte und deren Inhalt seine Karriere bis heute begleitet. Herzog wuchs über sich hinaus und schoss im folgenden Spiel beim 5:2-Sieg zwei entscheidende Tore. „Fast im Alleingang habe ich das Spiel gewonnen“, erzählt er heute noch stolz.

Und Ernst Happel? Er durfte das wenige Wochen später stattfindende Spiel des ÖFB gegen Deutschland im Praterstadion nicht mehr erleben – nur mehr seine legendäre Kappe weilte 90 Minuten lang verwaist auf seiner geliebten Trainerbank. Nach nur einem knappen Jahr als Nationaltrainer Österreichs verstarb er im November 1992 – schwer gekennzeichnet durch ein Krebsleiden.

Es wäre hochspannend zu wissen, wie sich wohl die Zusammenarbeit zwischen den beiden waschechten Wienern entwickelt hätte, wenn sie von längerer Dauer gewesen wäre. Hier der Grantler und das Genie, dort der Ballkünstler mit Herz und Schmäh. Langweilig oder besser gesagt fad wäre es wohl nie gewesen. Doch was bleibt, ist für Andi Herzog die Erkenntnis, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen – auf und neben dem Platz. Eben getreu nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner! Sowie mit ganzem Herzen dabei zu sein. Denn dann werden dir Weggefährten geschickt, die dich auch mal anschieben. Oder dich ins kalte Wasser stoßen. Oder dir mal in den Hintern treten. Übrigens ein roter Faden, der sich durch seine bisherige Karriere zieht – wie wir später noch feststellen werden.

Und da wären wir schon mittendrin, im Leben des Andreas Herzog: Von einem, der auszog, um im Ausland sein Glück zu suchen. Oder in anderen Worten vom „Schluchtenscheißer“ zum „Alpen-Maradona“, wie ihn die deutsche Presse ehrfürchtig bezeichnete.

Das war sein letztes Länderspiel. Das macht mich heute noch stolz, dass ich quasi in seinem letzten Länderspiel a Wahnsinnspartie gespielt habe, zwei Tore geschossen, wir haben 5:2 gewonnen. Und damals hat mich auch der israelische Teamchef, damals der Shlomo Scharf, bei der Weltfußballerwahl auf den dritten Platz gewählt – und drum bin ich 40. geworden (lacht herzhaft). Danke, Shlomo Scharf (lacht wieder). Aber ich hab die im Alleingang fast zerschossen, ein Tor mit dem Rechten, mit einer Wucht, und das, weil mir der Happel vorher gesagt hat: „Und jetzt zeig ihnen, wie gut du bist.“ Und das war für mich a Message: Du bist gut genug, du brauchst von mir keine Unterstützung, zeig einfach, was du kannst. Und … Attacke! (Andreas Herzog)

Herzog unter Happel: Ein kurzer gemeinsamer Weg – sieben Länderspiele

KAPITEL 2:

„MAMA, DAS VERZEIH ICH DIR NIE!“

ADMIRA WACKER 1974–1983

Macht man sich über ein Leitmotiv in Sachen „Andi Herzog“ Gedanken, über ein unsichtbares Band, das ihn ein Stück weit durch sein bisheriges Leben führte und für die Ausbildung seines Charakters zuständig war und ist, diesen prägte und entwickelte, wird schnell ein erster roter Faden sichtbar. Beginnend mit seiner Zeit im Kindergarten – denn eben die gab es für den späteren Rekordnationalspieler gar nicht. „Ein Paradoxon“, wird sich mancher Leser auf den ersten Blick denken, denn wie kann eine Zeit, die gar nicht stattgefunden hat, für eine Karriere prägend sein? Doch mehr dazu später und rein in die Kinderschuhe und die damit verbundenen ersten fußballerischen Gehversuche des Andreas Herzog – sozusagen der Punkt null im Fußballleben des noch ganz jungen Kickers.

Ich war nie im Kindergarten, weil meine Schwester ist in den Kindergarten gekommen und hat Probleme mit der Kindergartentante bekommen. Das dürfte eine strenge Nonne gewesen sein oder so. Dann hat meine Mutter gesagt: „Dann kann ich meinen Sohn gleich gar nicht vorbeibringen (lacht), weil das wird noch schlimmer“ (lacht noch lauter), und so war ich immer schon als kleiner Bua mit meinem Vater auf dem Platz. (Andreas Herzog)

Anton „Burli“ Herzog kickte zu der Zeit noch für Admira Wacker. Und da der damals noch kleine Andi eben nicht in den Kindergarten gehen durfte oder sollte, schulterte sein Vater neben Trainingstasche und Fußballschuhen auch noch den drei, vier Jahre alten Sohn, um sich auf den Weg zu machen – hinaus aus der Enge der Wohnung mitten im 12. Wiener Gemeindebezirk, vorbei am Bahnhof Meidling und hinein in die damals noch fast autofreie Wiener Südstadt. Denn da, wo heute endlose Autokarawanen langsam und schwerfällig durch die Straßen ziehen, um Möbelhäuser, Gewerbegebiete und Shopping City möglichst bequem und vor der Tür parkend zu erreichen – schnell hin, alles drin –, herrschte Anfang der 70er-Jahre noch eine fast wundersame Idylle. Zahllose Teiche und große Seen mit einer noch größeren Artenvielfalt an Wasser- und Singvögeln, Fröschen, Kröten, Schlangen und Insekten müssen das Bild des südlichen Wiener Beckens geprägt haben, wenn man den Erzählungen älterer Einheimischer Glauben schenken mag. Der städtische Wiener hingegen kam im Allgemeinen nur aufs platte Land, um dort zu baden oder im eigenen Kleingarten Marillen zu pflücken – und im Besonderen natürlich an den Wochenenden.

Familie Herzog muss ihrer Zeit damals ein Stück weit voraus gewesen sein – oder sich besser gesagt der Entwicklung und den entsprechenden Gegebenheiten zwangsläufig angepasst haben. Denn während Andis Vater noch in den 60er-Jahren in den 21. Bezirk pendelte, einen nördlich der Donau gelegenen Stadtteil Wiens, um dort beim damals sehr erfolgreichen und in Jedlesee in Floridsdorf beheimateten SK Admira Wien zu kicken, zog es ihn Anfang der 70er-Jahre in den Süden der Stadt. Grund dafür war der finanzkräftige Sponsor des Klubs, selbst an der Stadtgrenze südlich vor Wien bei Maria Enzersdorf beheimatet. Der Energieversorger holte den traditions- wie erfolgreichen SK Admira zu Beginn der 70er-Jahre auf seinen Grund und bestimmte zudem die spätere Fusion mit Wacker Wien – Admira Wacker war im Jahr 1971 geboren.

Doch schon damals waren die ersten Ansätze der Kommerzialisierung des Fußballsports anscheinend vielen Fans ein Dorn im Auge – und der Spagat zwischen Tradition und Zukunft, Lokalpatriotismus und Vision, Gewohnheit und Veränderung ein zu großer: Die Anhänger spielten nicht mit. Denn während 1966 noch 17.000 Zuschauer im Wiener Praterstadion den legendären Sieg von Admira über Rapid feierten, bei dem ausgerechnete Burli Herzog das entscheidende Tor gegen den späteren Herz-Klub seines Sohnes schoss, kamen zu Beginn der 70er-Jahre nur noch wenige Zuschauer ins neue Südstadt-Stadion.

Natürlich möchte der allgemeine Fußballfreund, in der Regel eher traditionsbehaftet, lieber nur die Straßenseite wechseln, um zum Match und anschließend ins Beisl gehen zu können, statt die ganze Stadt zu durchqueren, um sein Team in einem damals noch eher sterilen Schmuckkästchen, zwischen Kleingärten und einer Seenlandschaft gelegen, zu unterstützen – absolut nachvollziehbar durch die Brille des Fans betrachtet.

Für Andreas Herzog dagegen muss die neue Umgebung, das großzügige Trainingsareal, die damals noch vorhandene Weite vor den südlichen Toren Wiens genauso wie die Möglichkeit, den Papa immer zur Arbeit begleiten zu dürfen, eine große Bereicherung gewesen sein – und der Grundstein für den Verlauf seiner außergewöhnlichen Karriere. Zumindest auf der einen Seite. Doch bekanntlich hat ja alles zwei Seiten – und so wirkten sich die fehlenden Kindergartentage möglicherweise ein wenig auch auf seine damalige Charakterbildung aus: Er zeigte sich anfangs eher zurückhaltend, schüchtern und vorsichtig, nicht draufgängerisch oder à la „Platz da, jetzt komme ich!“.

Immerhin und trotz aller Introvertiertheit – einen treuen Freund hatte er zur damaligen Zeit schon.

Durch das war ich halt oft mit meinem Vater in der Südstadt damals, und der Zeugwart, der hat einen Schäferhund gehabt, den Rolfi, mit dem bin ich halt da die ganze Zeit herumgelaufen, und der Hund hat auch so ein Gefühl gehabt, der hat die ganze Zeit auf mich aufgepasst. Ich war noch relativ klein, und trotzdem war die sportliche Heimat die Südstadt, wo Admira Wacker spielt, und ich war jahrelang schon draußen, und alle Leut haben immer gesagt, weil ich damals schon sehr gut Fußball spielen konnte, alle haben gesagt: „Andi, warum fangst nicht an?“ (Andreas Herzog)

Aber Andi wollte nicht – und so zog der junge Herzerl, während Papa fleißig trainierte und an den Wochenenden spielte, mit Rolfi weiter um das Trainingsgelände – Stunde um Stunde und Tag für Tag.

Und irgendwie, weil ich am Anfang immer ein bisserl Anschlussschwierigkeiten hatte, vielleicht dadurch, dass ich nicht im Kindergarten war, habe ich am Anfang mit den Kontakten ein bisserl Schwierigkeiten gehabt, und dann vergess ich es nie, sind die Trainer immer gekommen, zum Beispiel der Herr Boff, und er hat gesagt: „Komm, Andi, trainier einmal mit.“ (Andreas Herzog)

Doch Andi ließ sich weiterhin nicht überzeugen, blieb beim obligatorischen „Na, na, na!“ und schaute sich stattdessen stoisch und gemeinsam mit Freund Rolfi das Training von außen an. Das Trainerteam rund um Herrn Boff schien ratlos, und ein Ernst Happel, der ihm – wie dann Jahre später passiert – die Stirn hätte bieten können, war weit weg beziehungsweise zu dieser Zeit irgendwo zwischen Sevilla, Brügge und den Niederlanden unterwegs. Was also tun? Anscheinend bedurfte es anderer Wege, Mittel und Möglichkeiten, um den kleinen Minikicker mit dem talentierten linken Fuß im Herzen zu berühren und zu seinem Glück zu zwingen. Wobei wir wieder beim intuitiven Erfahrungswissen wären, um den kleinen „Buam“ auf seinen Weg zu bringen.

Und dann hat meine Mutter mich einmal geschultert und hat gesagt: „Herr Boff, der Andi will heute mittrainieren“, und hat mich mitten in die Gruppe hineingestellt. Ich habe sie böse angeschaut und gesagt: „Mama, das verzeih ich dir nie!“ Doch ab diesem Zeitpunkt habe ich es geliebt, bei der Admira Fußball zu spielen. (Andreas Herzog)

Intuitives Erfahrungswissen, der berühmt berüchtigte Wurf ins kalte Wasser, ein Kaltstart mit Folgen – wie Jahre später auch unter Happel. So oder so: Der Junge war in der Spur. Und er lief los.

Drei Faktoren sind dem französischen Naturalisten Émile Zola zufolge dafür zuständig, wie sich ein Mensch in seinem Leben entwickelt: das Milieu, der Zeitpunkt und der Ort, in den man hineingeboren wird beziehungsweise an dem man seinen Beruf ausüben darf. Während der österreichische Genforscher Dr. Markus Hengstschläger davon ausgeht, dass Erfolg immer das Produkt aus Genetik und Umwelt ist, aus individuellen Leistungsvoraussetzungen und harter Arbeit. All das wiederum trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

Fragt man den „Zauberer“ heute, ob er denn in Sachen „Milieu, Zeitpunkt und Ort“ wie auch in „Gene und Umwelt“ die gleiche Wahl treffen würde, wenn er es denn könnte, lächelt er spitzbübisch: „Passt eh“ – und meint damit das damalige Wohnumfeld und die Enge der Meidlinger Wohnung sowie den daraus resultierenden Wunsch, einmal in einem Haus mit Garten leben zu dürfen; genauso wie seine resolute Mutter, die ihn einfach aus einer Eingebung heraus schulterte und in den erhabenen Kreis der Südstadt-Minikicker stellte, und sein hochtalentierter Vater mit Fußballsach- und machverstand als Unterstützer und Experte sowie seine Schwester, die ihn vor dem Kindergarten bewahrte und somit früh für die nötige Erdung auf dem Fußballfeld sorgte. Und vielleicht und unbewusst dadurch auch für die Tatsache, dass Herzog durch eine gewisse Zurückhaltung immer er selbst bleiben durfte – eben weniger Darsteller, Influencer oder Schauspieler, stattdessen aber authentisch, ehrlich, echt.

Bei meiner persönlichen Entwicklung war es so, dass ich es als junger Spieler immer allen Menschen recht machen wollte und dadurch immer auch ein bisserl Kompromisse gemacht hab, mir viel Gedanken gemacht habe, warum mich die gegnerischen Fans so beschimpft haben, obwohl sie mich doch gar nicht kennen, das ist jetzt alles vielleicht auch ein Blödsinn, aber weil du geschrieben hast, authentisch, ehrlich, echt. Das hat sich dann erst nach meinem Meistertitel in Deutschland und vor allem auch jetzt mit zunehmenden Erfolgen in der Karriere verändert, da hast du eine andere Persönlichkeit entwickelt. Jetzt bin ich so, wie ich bin, und mir ist das mittlerweile egal, was die Leute über mich denken. Ich möchte authentisch bleiben. Und das ist das Wichtigste. Diese Entwicklung – von es vorher jedem recht machen hin zu einfach der sein, derman ist, wenn man authentisch ist –, darum geht es. Danke, ciao! (Andreas Herzog)

Andi Herzog (schlafend) mit Mama, Papa und Schwester Claudia

KAPITEL 3:

EIN GUTER SPIELER IST NICHT ZU VERHINDERN – ODER EIN TAG MIT ANDI

ADMIRA WACKER 1974–1983

„Hallo, Claus, Andi spricht“, ließ es mich der Messengerdienst des Smartphones am späten Vormittag und kurz vor Ostern wissen. „Ich bin dann am Weg zu meinem Vater und zu meiner Mutter raus. Der Vater ist aus dem Krankenhaus heimgekommen“, so die angenehme Stimme mit bekannt charmanter Wiener Klangfärbung via Sprachnachricht weiter. Dann sollte es wieder nach Hause gehen, um gegen 15.45 Uhr die Kinder in die Südstadt zu bringen, auf dem Parkplatz vor den Stadiontoren ein Interview für Servus-TV zu geben, mich zwischenzeitlich am Hotel in Perchtoldsdorf abzuholen und wieder in die Südstadt zu fahren. Was für ein Programm!

Überhaupt pendelte das Leben des Andi Herzog in diesen Tagen auf einer geraden Linie zwischen seinem südwestlich von Wien gelegenen Wohnort, dem großzügigen Trainingsareal rund um das Admira Wacker-Stadion in der Südstadt sowie dem südwestlich von Laxenburg gelegenen Wohnort seiner Eltern, irgendwo in Niederösterreich – ein ständiges Hin und Her. Mittendrin auf dieser Route hatte ich mein Lager aufgeschlagen, in einem kleinen, aber feinen Stadthotel im noch feineren Perchtoldsdorf, eigentlich beliebt und bekannt durch seine so typischen Heurigenlokale und ebenfalls vor den Toren Wiens.

Doch in diesen Tagen war vieles anders. Die Pandemie hatte auch Österreich voll im Griff, und alles, was auch nur ansatzweise hätte Freude machen können, war geschlossen oder verboten. Und so spielte sich auch das Leben der Familie Herzog in erster Linie draußen ab. Denn während sein zehn Jahre alter Sohn Louis und der 13 Jahre alte Sohn Luca fleißig auf den Plätzen in der Südstadt trainierten, hielt Papa Herzog beharrlich und mit einer – zumindest äußeren – stoischen Gelassenheit stundenlang die Stellung. Mal plauderte er mit den anderen Vätern, die ebenfalls auf ihre Söhne warteten, mal kam ein Fernsehteam vorbei, um mit ihm ein Interview zu führen. Langeweile kam jedenfalls nicht auf, trotz Abstandhalten und Co., obwohl die Lokalität am Rande der Trainingsplätze geschlossen war und man auch am Training selbst nur aus großer Entfernung teilnehmen durfte.

Gegen 16 Uhr leuchtete das Smartphone erneut auf. Diesmal die Nachricht von Andi: „Bin zwischenzeitlich wieder zu Hause gewesen, habe die Jungs zum Platz gebracht, das Servus-TV-Team verspätet sich wegen dichten Verkehrs. Warte im Hotel auf mich.“

Und dann noch sein Wunsch, ob wir noch kurz in der Shopping City vorbeischauen könnten – schließlich stand ja Ostern vor der Tür. Na klar, ich war bei allem dabei – mitten im Alltag des Rekordnationalspielers.

Gesagt, getan: Nachdem sich sein Auto durch die engen Perchtoldsdorfer Gassen und vorbei am beeindruckenden 500 Jahre alten Wehrturm der Marktgemeinde geschlängelt hatte, wurde der weitere Plan für den Nachmittag konkretisiert: Rein in den Sport-Megastore in der Shopping City, Ostergeschenke für die Jungs und Frau Kathi kaufen und wieder raus auf den Platz.

Sofort leuchteten uns die zahlreichen Fußballschuhe in ihrer ganzen Vielfalt wie bunte Ostereier entgegen – irgendwie passend zum Fest. Ein Gespräch über Farben, Form und Vorzüge eben dieser entstand, und dann die brennende Frage, in welchen Fußballschuhen er heute farblich spielen würde: „Für mich war immer wichtiger, dass der Schuh die perfekte Passform hat und das i ned, wenn der Boden ned ganz weich ist, mit Stollenschuh, sondern mit Nockenschuh spielen kann oder einer Mischung aus Nocken- und Stollenschuh. Das heißt auf Wienerisch Gummler.“

Herzog gerät ins Schwärmen: „A Lederschuh, und wenn es dann geregnet hat und du bist rausgestiegen, und das nächste Mal bist du reingestiegen in den Schuh und die Passform hat genau gepasst und dann war er wieder mit Lederfett eingeschmiert und die Streifen wieder weiß nachgemalt, das war extrem edel. A schwarz-weißer Kultschuh wie der Copa Mundial war für mich viel wichtiger wie jetzt die ganzen bunten Schuh, die da rumrennen.“

So kann man sich täuschen, wäre ich doch davon ausgegangen, dass sich Herzog heute für einen weißen Schuh entscheiden würde. Aber wie immer macht es wohl die Mischung. Schwarz für harte Arbeit, Weiß für die Kunst.

Es ist eine Gabe, wenn man mit einem außergewöhnlichen Talent gesegnet ist wie Andreas Herzog, so individuell wie ein Fingerabdruck, etwas Einmaliges, das einem in die Wiege gelegt wurde. Und es ist eine Kunst, dieses ganz spezielle Talent möglichst schnell für sich zu entdecken und auch abzurufen, es zu entwickeln, zu formen und zu verfeinern. Wirkliche Meister wissen, was sie können und wofür sie stehen. Sie reflektieren und regulieren sich selbst und üben zielgerichtet.

Ich hab mir mit meiner Schwester das Kinderzimmer geteilt, und zwischen den zwei Nachtkastln war ein 15 Zentimeter großer Spalt. Mit dem Tennisball bin ich dann durch die ganze Wohnung gedribbelt, vom Wohnzimmer durchs Vorzimmer, schlussendlich ins Kinderzimmer, und dann war des das Tor, der 15-Zentimeter-Spalt. Und dann hab ich immer gestoppt, wie schnell ich vom Balkon weg durchs Wohnzimmer im Spalt war – Hunderte Male. Und meine Schwester hat sich immer beschwert, weil sie hat immer viel gelernt, und es hat immer „bum, bum, bum“gemacht. (Andreas Herzog)

Talent hatte der junge wie auch kreativ spielende Andreas Herzog jedenfalls von klein auf. Sein Drang war die Offensive, seine Leidenschaft der Chip über die gegnerischen Abwehrreihen hinweg. Er holte sich die Grundlagen zu Hause in der engen Wohnung in Meidling und mit einem Plastikball – beim an die Wand Spielen im Hinterhof, beim Parkoder Käfigfußball, eins gegen eins, drei gegen drei, zwei gegen zwei, mit Kindern aus der Nachbarschaft und einfach bei allem, was man mit dem Ball gerne macht. Herzog liebte vor allem die Freiheiten, die er hatte, wenn man nicht auf das Ergebnis schauen musste. Einfach spielen eben. Dann noch die Trainingseinheiten in der Südstadt, und natürlich sein Vater als Unterstützer.

Mein Vater war von klein auf sehr wichtig für mich. Er war der, der mich das Fußballspielen gelehrt hat und mich auch als Trainer begleitet hat. Es waren oft Kleinigkeiten, Kernaussagen und andere Wichtigkeiten, die er mir mit auf den Weggegeben hat. (Andreas Herzog)

Mittlerweile waren wir am Trainingsgelände angekommen. Die Sonne strahlte in den frühen Abendstunden, und das Ende März. Es fühlte sich fast wie Sommer an – wenn da nicht die Pandemie gewesen wäre. Hier und da einige Eltern, die das Spiel der U15 der Südstädter gegen Sturm Graz verfolgten. Wir standen ebenfalls weit abseits des Platzes, und ich, mehr als kurzsichtig, konnte nur wenig bis gar keine Aktionen erkennen. Was für ein Glück, dass ich mit Andreas Herzog einen mehr als kompetenten Seher an meiner Seite hatte. In der Tat war ich von seiner Wahrnehmung beeindruckt, jede kleinste Kleinigkeit schien er zu sehen, zu fühlen oder zu riechen. Das Wichtigste war für ihn die Bewegung nach vorne. „Der bleibt schon wieder stehen“, echauffierte er sich dann. Alle sollten immer in Bewegung sein, offensiv und nach vorne, und Sohn Luca am besten beteiligt an Toren. Ganz so wie es sein Vater früher wohl bei ihm gemacht hatte.

Bei Werder Bremen waren wir im ersten Jahr gleich Meister, da habe ich sehr, sehr gut gespielt. Im zweiten Jahr lief es nicht so gut. Da ist einmal mein Vater zum Training gekommen, hat zugeschaut und hat gesagt: „Ich kann dir schon sagen, warum es momentan nicht so gut lauft. Deine Stärke war immer, wenn du den Ball bekommst, dass du ihn gleich mit dem Tempo mitnimmst, dass du gleich den offenen Raum attackierst, auch im Mittelfeld, und jetzt machst du fast alles aus dem Stehen, jetzt wartest du ab. Und so ist es einfacher für den Gegenspieler, die Situation zu lösen.“ Und mit diesem einen kleinen Hinweis von meinem Vater konnte ich das in den nächsten zwei, drei Trainingseinheiten wieder besser lösen. Aber noch einmal: Solche Kleinigkeiten oder Kernaussagen von meinem Vater waren wichtiger, als wenn es dir Otto Rehhagel sagt, oder der beste Trainer der Welt. (Andreas Herzog)

Gut, wenn man neben dem Talent noch einen Unterstützer an seiner Seite hat – und das von Kindheit an. Eine Erkenntnis, auf die auch ein anderer Österreicher hinweist, der in Sachen „Erfolgreich sein“ national über den Tellerrand geschaut hat. So meinte Arnold Schwarzenegger zum 70. Geburtstag über seine außergewöhnliche Karriere: „Ich hatte immer Unterstützer und Ja-Sager um mich herum. Hätte ich nur auf die Zweifler und Nein-Sager gehört, würde ich heute noch in den Alpen jodeln.“ Und dennoch: Ein richtig guter Spieler setzt sich anscheinend auch allein durch – trotz mancher Widrigkeiten.

Ein richtig guter Spieler, der macht sich eh selber, den kann der Trainer ein bisserl begleiten, a bisserl Hilfestellung geben, aber der gute Spieler, der weiß, was er zu tun hat, der setzt sich auf Dauer durch. Es kann nur sein, dass der eine oder andere Trainer ihn verhindert. Dann musst du allerdings wissen: „Ich bin gut“, und wenn der Trainer das nicht so sieht, dann geh ich halt zu einem anderen Verein und setz mich dort durch, zeig dort meine Qualitäten. Aber wenn es dann bei vier, fünf Vereinen gleich ist, und es ist immer der Trainer schuld, dann muss sich schon der Spieler hinterfragen, ob er zunächst einmal bei sich anfangen soll und nicht nur alles von sich wegschiebt. (Andreas Herzog)

Plötzlich und aus dem Nichts kam ein Querschläger des Admira-Wacker- gegen Sturm-Graz-Spiels auf uns zugeflogen. Andi fischte ihn mit dem linken Fuß aus der Luft – der Ball blieb förmlich an seinem Fuß kleben –, um ihn dann wieder mit einer unglaublichen Leichtigkeit auf das Spielfeld zu kicken.

„Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, aber wie gesagt: Ich bin der Meinung: Ein guter Spieler ist nicht zu verhindern. Selbst der dümmste Trainer kann einen guten Spieler nicht verhindern. Das waren gute Aussagen, oder? Wir müssen a bissl Würze in das Buch bringen.“ Er lacht schelmisch.

Aber auch der heutige Rekordnationalspieler musste immer wieder mal mit dem einen oder anderen Trainer kämpfen – und jeder Coach hat halt auch seine eigenen Ansichten, Werte und Glaubenssätze, und die gilt es zu akzeptieren.

So kickte der hochtalentierte Andreas Herzog 1984/85 in einem Qualifikationsspiel für die U16 Österreichs. Ziel war die Teilnahme an der Europameisterschaft 1986 in Griechenland. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn der junge Herzerl wurde in diesem Spiel von seinem Trainer schon nach zehn Minuten ausgewechselt. Der Grund: An beiden Toren soll er schuld gewesen sein. „Konnte aber gar nicht sein“, meinte Herzog. „Denn beim zweiten Tor für die DDR-Auswahl war ich gar nicht mehr auf dem Platz.“ Am Boden zerstört fühlte er sich mit all seiner spielerischen Klasse, „aber auch da war es mein Vater, der mir geholfen hat“, denn schon am nächsten Tag klingelte das Telefon in der Wohnung im 12. Bezirk.

„Ach so, du bist das“, sagte mein Vater. „Geh, weißt was, schleich di! Ruf nie wieder an, und eins sag ich dir: Beruf den Andi ja nicht mehr ein. Weil das verbiete ich hier. Ich verbiete meinem Sohn, dass er noch einmal zur Nationalmannschaft kommt, zur U16!“ Und legte energisch auf.

Ich fragte irritiert: „Papa, wer war denn das?“

„Na, der Verhinderer.“

„Welcher Verhinderer?“

„Na, der Gludovatz.“

„Papa, bist du wahnsinnig? Du kannst doch nicht so mit dem Nationaltrainer sprechen.“

„Na, bleib ruhig, Andi“, sagte er. „Der würde dich mehr verhindern und dir schaden, als dass du in der U16-Nationalmannschaft spielst.“ (Andreas Herzog)

Drei Monate später stieg Andi Herzog in die U18-Nationalmannschaft auf – und bekam einen anderen Trainer. Doch zur Ehrenrettung von Paul Gludovatz, der später verschiedene Profiteams wie auch bei U20-Weltmeisterschaften mit dem ÖFB-Team sehr erfolgreich war: Es muss halt passen.

Rückblickend meint Herzog, dass ihm wohl sein Spielstil nicht gefallen hatte. Er sollte laut Trainer reinhauen, dass die Funken sprühen, sonst würde er nach zehn Minuten ausgewechselt werden – und so zog es der U16-Trainer auch durch. Für Edeltechniker mit anderen Qualitäten war da kein Platz.

Beim nächsten Trainer war es wieder anders. Der hat halt wieder eine andere Idee vom Fußball gehabt. Aber wie ich gesagt habe: Der dümmste Trainer kann einen Riesenspieler nicht aufhalten, wenn der Riesenspieler entweder ein gutes Umfeld hat, also von seinen Eltern, von Menschen, die es wirklich gut meinen, unterstützt wird oder seine eigene Persönlichkeit schon so stark ist – aber das ist in jungen Jahren relativ selten. Bei mir war halt der Vater der Ruhepol und die Hilfe. Und mein Wille, zu spielen. (Andreas Herzog)

Neben allem Talent ist also laut Herzog das Umfeld entscheidend für die Entwicklung der Persönlichkeit – Familie, Freunde, Beziehungen. Und er sagt, wie sehr es ihn ärgert, wenn hochtalentierte Spieler nicht den letzten Schritt machen, sich selbst falsch wahrnehmen oder es an der richtigen Einstellung mangelt – auf oder neben dem Platz.

Und so fachsimpelten wir weiter, wie viele Menschen im Leben ihre Talente gar nicht erst entdecken oder sie nur unzureichend abrufen. Über spezielle Talente verfügen viele, doch diese zu formen, mit Freude dranzubleiben und sich auch durchzusetzen – dazu bedarf es anscheinend außergewöhnlicher Willensstärke. So zumindest meine Wahrnehmung. „Passt eh“, meinte Andi. „Darüber müssen wir uns als Nächstes Gedanken machen, also die Sache mit dem Biss.“ Kathi und er wollten schließlich zu Hause auch brave „Buam“ – doch auf dem Platz sollen sie sich plötzlich nichts gefallen lassen. „Das ist gar nicht so einfach!“ Mittlerweile war die Sonne untergegangen, die Märzluft kühlte schnell ab. Wir stiegen wieder ins Auto, die Jungs auf dem Rücksitz, und es ging nach Hause. Kathi rief an und verkündete über die Freisprechanlage, dass es Schinkenfleckerl geben würde. Allgemeiner Jubel im Auto.

Mich dagegen zog es ins Hotel, und ich machte mir noch ein paar Gedanken über Talente, Biss und Co. Vielleicht lag es an den geschlossenen Heurigen und an der Tatsache, dass das nächste Schnellrestaurant fußläufig weit entfernt lag, ich dies also nur mit einer gewissen Entschlossenheit erreichen würde. Jedenfalls kam mir folgende Sätze von Ray Kroc, dem Gründer des McDonald’s-Imperiums, dazu in den Sinn: „Nichts in der Welt kann Beharrlichkeit ersetzen. Talent allein genügt nicht; nichts ist häufiger als erfolglose Menschen mit großen Talenten. Ebenso wenig Genie; verkannte Genies sind geradezu sprichwörtlich. Ebenso wenig kann es Bildung sein; die Welt ist voll von gebildeten Versagern. Beharrlichkeit und Entschlossenheit allein vermögen alles.“

Es gab noch viel zu diskutieren und zu tun. Doch eins war klar: Wenn man das große Glück hat, mit dem entsprechenden Talent zur Welt zu kommen, und dies auch noch für sich in jungen Jahren zu entdecken, ist eine große Karriere mit den nötigen Unterstützern möglich. Mit Kreativität und Durchsetzungskraft – und in diesem Fall am liebsten mit frisch eingefetteten, glänzenden, edlen Fußballschuhen in Schwarz mit weißen Streifen.

KAPITEL 4:

LINKES PRATZERL, DURCHSCHNITT UND EIN DYNAMISCHES SELBSTBILD

ADMIRA WACKER 1974–1983

Jeder Mensch verfügt über Talente – und manche sogar über eine ganz besondere, einmalige Veranlagung, einem Alleinstellungsmerkmal. Stellen Sie sich vor, Sie hätten genau so ein Talent. Und einen Förderer und Forderer in Ihrer Nähe, der genau das in Ihnen sehr schnell erkennt. An anderer Stelle haben wir schon darauf verwiesen, dass es eine Gnade sein kann, seine ganz besondere Stärke möglichst früh wahrzunehmen, genauso wie die Möglichkeiten und den Freiraum, eben dieses ständig weiterzuentwickeln.

Bei Andi Herzog war es das „linke Pratzerl“, wie er es im Wiener Dialekt gerne nennt, im ursprünglichen Sinne eigentlich die linke „Pfote“, im Ruhrgebietsfußball auch die linke „Klebe“ genannt. Auf den Punkt gebracht: sein linker Fuß. Dazu der Vater, ebenfalls Fußballprofi, für damalige Verhältnisse gut vernetzt und vor allem mit reichlich Fußball-Know-how ausgestattet: Er hatte das Spiel nicht nur verstanden, sondern vor allem in allen Facetten gelebt. Zudem war da noch Andis riesiger Spielplatz, der seinesgleichen suchte.

Die Südstadt ist ja ein wunderschönes Trainingszentrum. Und ich bin auf allen Plätzen und in der ganzen Umgebung herumgelaufen. So bin ich schon als kleiner Bub mit Fußball infiziert worden. (Andreas Herzog)

Optimale Bedingungen also, um eine einzigartige Karriere zu starten. Hier hatte er alle Freiräume und konnte die Grundlagen – neudeutsch Basics („I red schon wie der Kleine.“) – trainieren. Eben Außenrist, Innenrist, Ballannahme, mit dem nächsten Kontakt gleich weiterspielen, Tempo gehen, Dribbling, am Gegenspieler vorbei – den Ball aus allen Positionen spielen, automatisieren, üben, üben, üben. Und vor allem: eigene Wege und Lösungen finden.

Und beste Voraussetzungen, um das erwähnte linke Pratzerl zu entwickeln. Überhaupt ist es ja so eine Sache mit den Linksfüßern. So sind sie einerseits im Fußball rar gesät. Hätten Sie beispielsweise gedacht, dass in Andi Herzogs Bundesligazeit nur 72 der 400 Bundesligaspieler den linken Fuß zum Schießen nutzten? Und Werder Bremen gleich als Abstiegskandidat galt, als Herzog einmal am Fuß operiert werden musste? Andererseits gelten Linksfüßer häufig als die Regisseure des Platzes, denn sie fallen in der Regel aus der Norm – durch besonderes Ballgefühl, Intuition und Erfahrungswissen.

„Sie sind extravagant und machen extravagante Dinge“, meinte einst Felix Magath, übrigens ebenfalls einer von ihnen und Schütze des legendären 1:0-Endergebnisses im Landesmeisterfinale des HSV (Trainer Ernst Happel) gegen Juventus Turin im Jahr 1983 – ebenfalls mit links. Technik, Bewegungsablauf, Wahrnehmung – geniale Linksfüßer haben einfach ein unbeschreibliches Timing und Gefühl für den rechten Moment und für ihr Gegenüber, meist Rechtsfüßer, sind einfach schwer zu durchschauen.

Natürlich profitieren heute Spieler, die von Geburt an einen starken, linken Fuß haben, weil es nur wenige von ihnen gibt. Es wurde ihnen sozusagen in die Wiege gelegt …

Doch so einmalig es ist, wie Herzogs linkes Pratzerl ihm zu einer internationalen Karriere weit über Österreichs Grenzen hinaus verholfen hat, so sensibel reagiert er auch, wenn es um das Thema „Beidfüßigkeit“ oder „Allroundkönner“ geht – und schon sind wir mittendrin in einer Diskussion um neuzeitliche Trainingsmethoden, Talentförderung und Gleichmacherei.

Ich hatte immer einen starken linken Fuß. Das war meine Waffe. Hätte ich als Jugendlicher meinen rechten Fuß trainiert und den linken vernachlässigt, wäre ich beidseitig Durchschnitt geworden – und hätte mich meiner größten Waffe beraubt. (Andreas Herzog)

Gerne zitiert Herzog hier Toni Schumacher in Sachen „Rundum-Könner“ („Bravo, Toni“ – O-Ton Herzog), der unlängst im „Kicker“ davor warnte, dass Deutschland, einstmals Land der Torhüter, nur noch Allroundkönner ausbildet: „Irgendwann wird so viel Wert auf Fußarbeit und Spielaufbau gelegt, dass man auch einen Feldspieler ins Tors stellen kann, der ein bisschen Talent dazu hat. Aber wo bleiben Dominanz, Mut, Reflexe, das Eins-gegen-eins? Wo die Fähigkeit, seine Vorderleute zu dirigieren?“

„Zu viel Durchschnitt durch zu viel Gleichmacherei“, so Herzog. Dabei beweisen die Großen ihres Faches genauso wie alle anderen Ausnahmekönner auf dem Platz, wie wichtig es ist, über eine einzigartige „Waffe“, eine ganz besondere, individuelle Stärke zu verfügen, um sich damit von der Masse abheben zu können – und diese ständig zu schärfen. In der Pädagogik spricht man von „Stärken stärken“. Doch auf dem Platz wie auch in der Schule wird selten differenziert und noch seltener individuell gearbeitet. Wie auch, bei großen Trainingsgruppen und noch größeren Schulklassen. „Normalerweise brauchst du mindestens zwei Trainer pro Team, einen für die Defensive und einen für die Offensive. Doch das ist in der Realität meist nicht machbar – oder den Traditionalisten des Fußballsports zu modern“, meint Herzog.

Zudem soll man in der Regel das lernen, was man nicht kann, um das ein bisschen besser zu können. Also eher „Schwächen schwächen“ statt „Stärken stärken“. Doch das wiederum geht auf Kosten der individuellen Marke, des eigentlichen Talents. Da ist sich Andreas Herzog zu 100 Prozent mit einem anderen Linksfuß und Ausnahmetalent, nämlich Arjen Robben, einig – und der augenscheinlichen Tatsache, dass ein Superfuß zur Weltklasse reicht.

Ich bin damit nicht so einverstanden, dass die Jungs zur Beidfüßigkeit gedrillt werden; man kann den schwachen Fuß doch nur ein bisschen verbessern. Wenn du dauernd beide Füße schulst und damit auf einer Skala von eins bis zehn eine Sieben oder Acht hast – oder auf dem einen Fuß eine Zehn und auf dem anderen eine Fünf, ist mir das zweite Modell lieber. (Andreas Herzog)

Um bei Arjen Robbens Bild zu bleiben: Die Realität findet sich meist im ersten Modell wieder – der täglichen Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen. Und ob gewollt oder nicht, man orientiert sich auf diese Weise am Durchschnitt. Denn wird man täglich dazu angehalten, sich mit seinen Defiziten auseinanderzusetzen, statt die kostbaren Zeit mit den Stärken zu verbringen, reiht man sich automatisch ins Mittelmaß ein. Eben Durchschnitt, statt besondere Leistungen.

Wie gut, dass Herzog in seiner Kindheit und Jugend auf ein offeneres Umfeld gestoßen ist, eines, in dem er sich ausprobieren konnte. Sich einfach entwickelte, wie es ihm guttat. Eben einfach spielen und eigene Wege der Ballannahme finden, ohne ständige Vorgaben von Trainern oder Vertretern von Akademien, die häufig viel zu früh Systeme einpauken, statt den Freiraum zur Selbstentwicklung zu bieten.

Vielleicht lag es auch daran, dass die Konkurrenz und der damit verbundene Druck ein anderer war. Wunderbar spiegeln kann sich Herzog jedenfalls täglich im Tun seiner Kinder. Während der jüngere Sohn Louis ein Rechtsfuß ist und zudem in erster Linie über Leidenschaft und Biss kommt, erkennt er sich in Luca und dessen Spielweise häufig wieder: „Der Große ist eins zu eins ich, nur waren die Zeiten damals anders. Ich war mit Abstand der Beste im Nachwuchs, da hast du dir mehr erlauben können.“

„Stark, ihm habe ich immer gerne zugesehen“, meldete sich ein bekannter Sportjournalist von „Zeit-Online“ via Textmessenger, nachdem ich ihm ein Foto von Andi Herzog und mir als kleinen Gruß gesandt hatte. Und weiter: „Pässe, Tore, Linksfuß. Konnte mit einem Kaugummi jonglieren.“ Was für ein wunderbares Bild. So ein Talent entwickelt sich nur durch Luft und Freiraum und Hilfe zur Selbsthilfe. Eben durch ausprobieren dürfen, und nicht durch in ein enges System-Korsett pressen.

Doch wieder zurück zur chronologischen Herzogschen Fußballhistorie: Von 1974 bis 1983 kickte Andreas Herzog für den FC Admira Wacker, legte hier den Grundstein für seine außergewöhnliche Karriere und konnte vor allem eins: Seine Stärken stärken – eben das linke Pratzerl. Oder frei nach Bruce Lee: „Ich fürchte nicht den Mann, der zehntausend Tritte einmal geübt hat, sondern den, der einen Tritt zehntausend Mal geübt hat.“ So oder ähnlich dachte wohl auch Anton „Burli“ Herzog, der die einzigartige Waffe im Spiel seines Sohnes erkannte, schärfte und zur Entwicklung beitrug – indem er ihn in den ersten Jahren intensiv begleitete.

Von klein auf war mein Vater mein Trainer bei Admira Wacker, dann habe ich wieder einen anderen Trainer gehabt, dann in der A-Schüler war er wieder mein Trainer, dann noch einmal im U15-Leistungszentrum, bis ich zu Rapid gewechselt bin. (Andreas Herzog)

Anton Herzog, den übrigens alle deswegen „Burli“ riefen, weil er schon mit 16 für die Kampfmannschaft des SC Wacker Wien in Obermeidling auflief, muss seiner Zeit voraus gewesen sein. Er nahm das Talent seines Sohnes wahr und wusste, dass das spielerische Element gefördert und gefordert werden musste. Eben nicht dem Ball hinterherlaufen und in Defensive denken, sondern offensiv nach vorne, sich einfach frei entfalten. Individualität fördern, statt Einheitsbrei fordern.