Angelegenheit des Herzens - Topaz Hauyn - E-Book

Angelegenheit des Herzens E-Book

Topaz Hauyn

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Beschreibung

Eine lesbische, romantische Kurzgeschichtensammlung mit Geschichten von Topaz Hauyn. Enthaltene Geschichten: Flirt auf rotem Briefpapier Die Gartenarchitektin Françoise kauft eine neue Wohnung. Gegenüber vom Zuhause ihrer große Liebe. Eva findet einen roten Brief vor ihrer Türe. Wie damals auf der Abschlussfahrt. Eine sommerliche, lesbisch-romantische Kurzgeschichte mit einer zweiten Chance für die Liebe von Françoise und Eva. Testperson für das Portal der Verführung Zwei Frauen. Ein Portal. Ihre Liebe auf der Suche nach einem Weg zueinander. Romantik am Morgen Ein neuer Job. Eine unwiderstehliche Begleitung. Eine erstaunliche Pendelfahrt. Eine lesbisch-romantische Kurzgeschichte, wie sie jeden Tag passieren kann. Verliebt im Freibad Schüchterne Freibadbesucherin. Attraktive Bademeisterin. Heiße Sommersonne. Rotes Marzipan Kurz vor Weihnachten fällt nicht nur rutschiger Schnee, sondern auch die Liebe vom Himmel. Werden Rahel und Ingrid einen Weg zueinander finden? Für romantische Stunden.

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Angelegenheit des Herzens

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

auf den folgenden Seiten findest du fünf sapphisch-romantische Kurzgeschichten für dein lesbisch-romantisches Lesevergnügen. Sei es am Strand, im Bett oder gemütlich auf dem Sofa. Selbstverständlich erhalten alle Frauen ihr Happy End, obwohl es auf den ersten Blick keinen Weg dahin zu geben scheint.

Flirt auf rotem Briefpapier erzählt, wie sich Françoise und Eva, Jahre nach ihrem ersten Kennenlernen auf einer Ferieninsel, wiedersehen. Françoise hat extra für Eva Deutsch gelernt, damit sie sich mit mehr, als nur Händen und Füßen verständigen können.

Ein bisschen schüchtern sind die beiden Frauen trotzdem. Schaffen Sie es, ihre Gefühle in Worte zu fassen?

In die Testperson für das Portal der Verführung reist Alissa mit einer Agentur durch ein Portal.

Das Ziel: Einen Testbericht schreiben.

Überraschenderweise findet sie bei der stattfindenden Kirschernte, ihre große Liebe. Alissa muss am nächsten Morgen zurück in ihre Welt, oder für immer in dieser Welt bleiben.

Hat ihre Liebe eine Chance?

Romantik am Morgen: Ein neuer Tag. Ein neuer Job. Eine neue Chance.

Denkt sich Ramona. Bis sie ihre neue, direkte Kollegin, in der S-Bahn trifft und sich sofort zu ihr hingezogen fühlt. Das ist nicht gut. Schließlich hat sie ihren letzten Job verloren, weil sie mit einer Kollegin geflirtet hat. Sie muss sich entscheiden: Herz oder Job?

In Verliebt im Freibad schwimmt Charlotte bis zur Erschöpfung. Sie will die attraktive Bademeisterin, die sie den ganzen Winter über nicht sehen konnte, so lange wie möglich betrachten.

Ansprechen? Niemals!

Dann kommt es zu einem Unfall, der alles verändert.

Rotes Marzipan, kauft Ingrid für Rahel. Sie kann die hübsche Matrosin aus der Tanzgruppe die sie heute unterrichtet hat nicht vergessen. Ob Rahel geneigt ist, sich zur Tanztrainerin ausbilden zu lassen? Dabei kann Ingrid ihre hübschen Kurven ebensowenig vergessen, wie ihr süßes Lächeln.

Kurz vor Weihnachten fällt nicht nur rutschiger Schnee sondern auch die Liebe vom Himmel. Werden Rahel und Ingrid einen Weg zueinander finden?

Ich wünsche dir, viel Vergnügen beim Lesen.

Deine

Topaz Hauyn

Juni 2023

Flirt auf rotem Briefpapier

Françoise lehnte mit dem Rücken an der mit Blumen fein gemusterten Tapete ihres neuen Wohnzimmers. Ihr gegenüber, durch das große, vorhanglose Wohnzimmerfenster, schien die Nachmittagssonne herein. In ihren Strahlen tanzten die Staubkörnchen und leuchteten die Stapel aus Umzugskartons auf. Kartons, die sie auspacken musste und ihre Inhalte in die Regale und Schränke räumen.

Sie hatte keine Lust mehr immer aus dem Koffer zu leben. Als gefragte Landschaftsarchitektin war sie international viel unterwegs. Aber das ständige Reisen zehrte an ihren Energiereserven und machte es fast unmöglich die Frau fürs Leben zu finden. Besonders, da sie bereits wusste, welche Frau das war: Eva.

Hoffentlich würde sie das genauso sehen.

Denn in dieser Wohnung wollte Françoise mit ihr Wurzeln schlagen. Hier würde sie ankommen und gleichzeitig, nur eine Stunde Fahrt zum nächsten großen Bahnhof und Flughafen sei Dank, schnell zu ihren Kunden und Arbeitsplätzen reisen können.

Darum hatte sie sich auch gegen das kleine Häuschen auf dem Land entschieden, dass ihre Eltern ihr vor einigen Jahren zu ihrem Universitäts-Abschluss geschenkt hatten. Stattdessen vermietete sie es günstig an eine Familie mit Kindern.

Françoise strich sich eine kurze, dunkelbraune Haarsträhne aus der Stirn.

Die Entscheidung in Deutschland zu leben war verrückt.

Das sagten nicht nur ihre Eltern, sondern auch ihre Freunde, die alle in Frankreich lebten. Aber Françoise konnte Eva, die zufällige, süße Zimmernachbarin aus der Bettenburg auf der Partyinsel, nicht vergessen. Das war jetzt viele Jahre her. Sie hatte Eva kennengelernt, kurz bevor sie ihr eigenes Studium als Landschaftsarchitektin anfing.

Françoise schaute auf den Couchtisch, der bereits vor dem langen Schlafsofa stand. Die Umzugshelfer hatten beides, genauso wie die Schränke und Regale, aufgestellt. In zwei Tagen würden sie die leeren Umzugskartons abholen. Sie sollte sich an die Arbeit machen, statt in Erinnerungen zu versinken.

Françoise zögerte.

Sie wandte sich von den Umzugskartons ab, dem Couchtisch zu.

Das rote Briefpapier lag schon auf dem Tisch. Sie hatte es in ihrer Handtasche mitgebracht und als erstes ausgepackt. Sauber, parallel zur Tischkante gelegt, lag es da und wartete darauf beschrieben zu werden.

Sie hatte es seit damals, als sie Eva kennengelernt hatte, nicht mehr verwendet.

Jetzt lag es auf dem niedrigen Tisch, gemeinsam mit einem roten Briefumschlag. Sie wusste, das Eva ihre neue Nachbarin war, seit sie diese Wohnung besichtigt hatte. Der Makler hatte bei dem Exposé die vollen Namen und Fotos aller Nachbarn mitgeschickt.

Eva Fichtner sah genauso wunderschön aus wie damals. Ob sie wohl noch genauso abenteuerlustig und neugierig war?

Françoise dachte an ihren ersten und einzigen Spaziergang am Strand durch eine sternklare Nacht.

Sie hatte Evas Hand gehalten, während die Brandung ihre nackten Füße umspülte und die Sandkörner zwischen ihren Zehen rieben. Der kühle Nachtwind der Küste hatte sie umschmeichelt, bis das fahle Grau der beginnenden Morgenröte ihnen den neuen Tag angekündigt hatte. Einen neuen Tag mit Terminen zum Feiern, sich betrinken und nutzlose Andenken in Souveniershops zu kaufen.

Sie hatte Eva danach nicht mehr getroffen.

Wann immer sie ins Zimmer kam, war Eva schon weg. Ging sie, war Eva noch nicht zurück. Also hatte Françoise in einem Souveniershop Briefpapier gekauft. Die roten Bögen und Umschläge, die jetzt vor ihr auf dem niedrigen Tisch lagen. Sie hatte Eva Briefe geschrieben. Briefe, auf die sie kleine Bildchen als Antwort erhielt. Die Bildchen bewahrte sie bis heute in einer Mappe auf, die immer in ihrer Handtasche, ganz nahe bei ihr war.

Damals hatte Françoise kein Deutsch gesprochen und Eva gerade genug Schulfranzösisch, um eine betrunkene Nacht am Strand mit Händen und Füßen sprachlich zu begleiten. Vermutlich hatte Eva deshalb Bildchen gemalt als Antwort.

Heute sprach Françoise die Sprache fließend, auch wenn man immernoch ihren Akzent hörte. Wann immer möglich hatte sie Unterricht genommen. Sie wollte mit Eva reden können, wenn sie sie endlich wiedersah.

Françoise schaute die Briefumschläge an und tippte mit einer Fingerspitze gegen ihre Lippen.

Was sollte sie nur schreiben?

In den letzten Jahren hatte sie so oft an Eva gedacht und überlegt, was sie schreiben könnte, wenn sie nur eine Adresse hätte. Nichts davon fiel ihr jetzt ein.

Oder war es besser hinüberzugehen und zu klingeln?

Nein. Das wäre zu direkt. Außerdem, was, wenn Eva sich nicht an sie erinnerte? Oder, noch schlimmer, bereits eine Freundin hatte? Ein eisiger Schauder ließ Gänsehaut auf ihren Armen entstehen. Daran wollte sie gar nicht denken.

Françoise schüttelte den Kopf. Sie war ein Risiko eingegangen, als sie die Wohnung direkt gegenüber von Eva gekauft hatte und hier einzog. Das war eine viel größere, weitreichendere Entscheidung, als einmal über den Hausflur zu gehen und gegenüber zu klingeln.

Trotzdem fühlte sich diese paar kleinen Schritte viel gefährlicher an. Gefährlicher für ihr Gefühlsleben. Die Wohnung könnte sie schnell wieder verkaufen. Ein gebrochenes Herz heilte viel langsamer, wie sie aus unzähligen Beobachtungen bei Freunden bereits gelernt hatte.

Françoise stieß sich von der Wand ab, ging zum Couchtisch hinüber und setzte sich auf das Sofa. Ihre locker fallende Hose breitete sich links und rechts von ihr aus. Ihr T-Shirt bauschte sich auf. Sie griff nach dem dunkelroten Füller, den sie von Pierre geschenkt bekommen hatte. Ihrem besten Freund, nachdem er akzeptiert hatte, dass sie sich niemals in ihn verlieben würde.

Er wartete auf ihren Anruf.

Romantisch veranlagt wie er war, wollte er alles wissen und drückte ihr die Daumen, dass Eva sich erinnerte.

Françoise zog mit einem leisen Klick die kühle Metallkappe vom Füller ab. Sie hielt ihn zwischen ihren Fingern.

Was sollte sie schreiben?

»Liebe Eva, vielleicht erinnerst du dich an mich?«

Nein. Zu distanziert.

Oder: »Eva, willst du meine Freundin sein?«

Auch nicht. Zu direkt.

Außerdem, wer wusste schon, ob Eva damals mehr in ihr als eine flüchtige Bekannte gesehen hatte? Eine, die sie, vielleicht unter dem Einfluss von zu viel Alkohol, im Licht des neuen Tages geküsst hatte?

Françoise nagte an ihrer Unterlippe.

Die Spitze des Füllers schwebte über dem Papier, ihre Unterarm drückte gegen die eckige Tischkante. Sie steckte die Kappe zurück auf den Füller und lehnte sich auf dem Sofa zurück, bis ihr Rücken gegen die weiche Lehne sank.

Françoise konnte die fruchtige Süße von Evas Drink noch genauso wie damals auf ihrer Zunge schmecken. Erdbeere und Limette. Darunter, trotz der überdeckenden Süße von Sirup, der scharfe Geschmack von Alkohol. Ein gefährliches Getränk für jede junge Frau.

Viel lieber hätte sie Eva nüchtern geküsst. Wenn sie sie nochmals gesehen hätte. An ihrem letzten Abend war sie sogar im Zimmer geblieben und hatte auf Eva gewartet. Aber sie war nicht gekommen. Ohne zu wissen, zu welcher Gruppe sie gehörte, fand sie sie auch nicht. An der Rezeption der Bettenburg hatte man ihre Frage nach der Gruppe mit der Begründung Datenschutz abgelehnt.

Françoise erinnerte sich, wie sie sich damals auf der Heimreise doch tatsächlich bei Pierre dafür bedankt hatte, dass er sie zu dieser Sauffahrt überredet hatte. Er hatte heller gestrahlt als die Sonne. Es war eine Fahrt gewesen, auf der sie keinen einzigen Drink getrunken hatte. Mit dem Ergebnis, dass Pierre sie seither jedes Jahr versuchte wieder mitzunehmen. Spätestens in drei Wochen würde er wieder damit anfangen.

Françoise schob den Gedanken beiseite. In drei Wochen hatte sie einen neuen Auftrag, zu dem sie nach Italien reiste. Aufs Land. Weit weg von jeder Partyinsel und jeder Bar.

Sie tippte mit dem Ende des roten Füllers leicht gegen ihre Nase. Was sollte sie schreiben?

Schließlich entschied sie sich dafür sachlich zu bleiben. Am Ende des Briefes, neben ihren Namen, malte sie ein kleines Herz.

Françoise wartet gerade lange genug, dass die Tinte trocknete und nicht mehr feucht im Sonnenlicht glänzte. Dann faltete sie das Papier mit einem leisen Rascheln zweimal auf ein Drittel der Höhe und steckte es in den Umschlag.

Françoise stand auf, ging aus dem Wohnzimmer durch den Flur und öffnete ihre Wohnungstüre. Der Brief wog schwerer in ihrer Hand, als er sein sollte. Sie schaute zur Wohnungstüre hinaus.

Es war niemand zu sehen und niemand im Treppenhaus zu hören. Nur der Duft nach Gebratenem hing in der Luft.

Ihre Wohnung lag unter dem Dach. Außer Eva und ihr hatte niemand einen Grund hier heraufzukommen. Trotzdem fühlte sie sich wie ein Eindringling, der erst das Gelände sondierte, damit sie nur ja niemand beobachtete.

Sie schlich auf strumpfigen Zehenspitzen über den Flur und legte ihren roten Briefumschlag auf die graue Fußmatte vor der Wohnungstüre gegenüber. Wie ihre eigene und alle anderen Türen im Haus war sie aus Holz und im Lauf der Jahre nachgedunkelt.

Ein bisschen mehr Farbe würde dem Haus guttun, überlegte Françoise.

Sie legte den Kopf zur Seite. Der Briefumschlag lag schief. Sie bückte sich nochmals und verrückte ihn ein bisschen, bis die Kante parallel zur Fußmatte lag. Besser.

Sie lächelte erleichtert.

Sie hatte den ersten Schritt gemacht. Oder den zweiten, wenn man das Kaufen der Wohnung als ersten betrachtete, wie Pierre ihr immer wieder erklärte, nur um dann hinzuzufügen, sie solle schnell handeln, sonst würde er kommen und ihr Eva wegnehmen.

Irgendwo unten quietschten Schritte auf den Fliesen.

Françoises Herz klopfte schneller.

Sie rannte in ihre Wohnung zurück und schloss die Türe ganz leise. Sie wollte Eva zuerst den Brief lesen lassen, bevor sie ihr über den Weg lief. Außerdem warteten die Umzugskisten darauf ausgepackt zu werden, redete sie sich selbst ein.

Sie atmete langsam ein und aus. Es roch nach Pappe und heißer Luft. Allmählich beruhigte sich ihr Herz.

Françoise streifte die Socken von ihren Füßen. Barfuß ging sie über die kalten Fliesen im Flur zurück ins Wohnzimmer und öffnete den ersten Umzugskarton. Ein Hauch von Lavendel stieg ihr in die Nase. Ein grüner Pullover mit Rollkragen lag oben auf. Perfekt für kühle Herbst- und Frühlingstage im Garten. All ihre Kleidung lag sauber zusammengefaltet darin. Sie packte den Karton an den beiden Griffen an der Seite und trug ihn ins Schlafzimmer. Neben ihrem Reisekoffer stellte sie den Karton ab und legte ein Kleidungsstück nach dem anderen in die Regalfächer des Kleiderschrankes. Sie faltete den leeren Karton auseinander und lehnte ihn im Flur an die Wand.

Neugierig schlich sie auf Zehenspitzen zu ihrer Wohnungstür und schaute durch den Türspion hinaus. Die Sicht kippte rundum zu den Seiten weg, aber sie konnte genug erkennen. Der rote Briefumschlag lag nicht mehr auf der grauen Fußmatte vor der Türe gegenüber.

Françoise Herz schlug wieder schneller. Ihr wurde heiß. Besser sie beschäftigte sich, sonst würde sie auf die Uhr schauen und die Minuten zählen, immer in der bangen Frage, ob Eva wohl herüberkommen und klingeln würde. Wenn sie sich nicht ablenkte, würde sie den Rest des Tages hinter ihrer Wohnungstüre stehen und hoffen.

Sie drehte sich um und holte die nächste Kiste für das Schlafzimmer.

Und was wenn Eva wirklich klingelte? Was dann?

Ja dann würde sie ihr Umzugschaos zeigen müssen!

Françoise schauderte.

Sie räumte den Karton schneller aus und stellte ihn, auseinandergefaltet zum Ersten in den Flur.

Der erste Eindruck zählte. Immer. Besonders wenn man sich so lange nicht gesehen hatte.

Françoise beugte sich über den nächsten Umzugskarton und griff nach einem Stapel Handtücher.

Eva stand vor der mit zwei Glassäulen eingelegten Haustüre. Sie starrte auf die Namen auf den rechteckigen, an den Ecken abgerundeten, Klingelschildern.

Rechts oben stand ihr Name: Fichtner. Links daneben, der ihres Nachbars, der in der Wohnung gegenüber unter dem Dach wohnte. Ein Platz, der seit Wochen leer gewesen war. Seit ihr Nachbar, ein junger Ingenieur, kurzfristig ausgezogen war, um eine Karrierechance wahrzunehmen. Oder so ähnlich. Sie hatte nicht nachgefragt, als sie ihm zuletzt, mit einem Umzugskarton im Arm, begegnet war. Sie vermisste ihn nicht, hatte nie mehr als einen höflichen Gruß mit ihm gewechselt. Beide waren sie mit ihrem Leben beschäftigt und hatten keinen Bedarf an weiteren Freunden gehabt.

Jetzt stand ein neuer Name im Klingelschild: Petite

Schwarze Blockbuchstaben auf weißem Papier. Handgeschrieben und aufgeklebt.

Vermutlich würde der Hausmeister bald ein entsprechendes Schild drucken und es unter die dünne Plastikscheibe legen, damit wieder alles gleich aussah. Aufkleber klebten nicht lange. Das äußere Erscheinungsbild wurde hier am Fuß der schwäbischen Alb immernoch genauso gepflegt wie vor zwanzig Jahren. Die Kehrwoche eingeschlossen. Obwohl man sich in der Stadt und in den großen Häusern oft nicht mehr persönlich kannte. Zum Glück wurde die Kehrwoche von einer Reinigungskraft erledigt. Genauso wie der Winterdienst.

Aber der Aufkleber war es nicht, was Eva innehalten ließ. Es war der Name, der darauf stand.

Die warme Spätsommersonne schien auf Evas Rücken. Ihre kurzärmlige Bluse lag locker auf ihren Oberarmen. Der Steinboden vor der Haustüre, die nach Westen zeigte, strahlte die Wärme des Tages ab. Ein lauer Wind strich über ihre nackten Arme und zupfte an ihren offenen Locken.

Trotzdem lief ihr ein Schaudern über die Arme.

Petite.

Das Wort hatte sie nicht nur im Französischunterricht als Vokabel gelernt. Aber woher kannte sie das Wort noch? Die Erinnerung war ganz nah, aber gerade außerhalb ihrer Reichweite.

Sie las alle anderen Namen auf den Klingelschildern, die ihr lange vertraut waren. Langsam ließ der Schauder nach und sie spürte die Sonnenstrahlen wieder warm auf ihrem Rücken und den Armen.

Es war viel zu schön, um nach drinnen zu gehen. Ein Abenspaziergang würde ihr helfen ihre Gedanken zu ordnen. Vielleicht fiel ihr dann auch wieder ein, warum ihr der neue Nachname, Petite, so bekannt vorkam und so eine Reaktion hervorrief.

Schritte näherten sich Eva von hinten.

»Guten Abend«, sagte ein Nachbar mit Schnurbart. Er schloss die Haustüre mit einem leisen Klick auf und trat ein. Ein kalter Lufthauch wehte aus dem Hausflur heraus.

Eva schauderte erneut.

Er drehte sich halb um. Seine Schuhsohlen quietschen auf den Steinfließen im Treppenhaus.

»Soll ich offenlassen?«, fragte er.

Eva schüttelte leicht den Kopf. Ihre dunkelbraunen Locken fielen ihr ins Gesicht.

»Nein, danke«, sagte Eva und lächelte den Nachbarn an.

Der nickte und ließ die Türe hinter sich zufallen. Während sie langsam ins Schloss fiel, hörte Eva das Quietschen der Schuhsohlen, während ihr Nachbar drinnen die Treppen hinaufstieg.

Ein weiterer Lufthauch strich über sie und ließ sie wieder zittern. Auf jeden Fall brauchte sie eine leichte Jacke. Sicher würde es draußen bald kühler werden. Sie schloss die Türe auf und stieg die Treppen bis ins oberste Stockwerk zu ihrer Wohnung hinauf.

Jetzt war ihr wieder warm.

Lächelnd streckte sie den Arm mit dem Schlüssel aus, um aufzuschließen, als sie nach unten blickte.

Auf der Fußmatte lag ein roter Briefumschlag. Perfekt parallel ausgerichtete zum Rand der Fußmatte. Petite und rote Briefumschläge. Das gehörte zusammen.

Langsam ging Eva in die Hocke. Ihre Hose spannte am Po. Ein Hauch von Lavendelduft stieg von dem Papier auf.

Lavendelduft, den sie vor vielen Jahren gerochen hatte. In einer Nacht am Strand mit einer Französin, der sie danach aus dem Weg gegangen war. So peinlich war es ihr gewesen eine fremde Frau zu küssen und das auch noch viel mehr zu genießen als die ersten Kussversuche mit den Jungen ihrer Klasse. Damals hatte sie gedacht, irgendetwas, abgesehen von zu viel Alkohol, stimme nicht mit ihr.

Obwohl Françoise ihr nach der Nacht viele Briefe geschrieben hatte, hatte Eva sie weiter gemieden und nur mit freundlichen Zeichnungen geantwort. Zumindest solange sie sich das Zimmer in der Jugendherberge teilten.

Bis Eva ihren Irrtum erkannt hatte, war sie längst wieder Zuhause gewesen. Zuhause und ohne eine Möglichkeit die zauberhafte Französin kontaktieren zu können.

Sicherlich hatte der Brief nichts mit Françoise zu tun.

Ah, da war die Erinnerung an ihren Vornamen. Und Petite war ihr Nachname. Beides Namen, die es so oft gab, dass eine Suche nach ihr unmöglich war.

Evas Herz klopfte trotzdem schneller, als sie das feste Papier aufhob, ihre Wohnungstür aufschloss und hindurchtrat. Das Papier fühlte sich genauso an, wie die Briefumschläge von damals.

Françoise war hier eingezogen?

Unmöglich! Sie bildete sich etwas ein.

Niemals war sie ihr gegenüber eingezogen! Solche Zufälle nach all den Jahren gab es nicht im echten Leben.

Sie erinnerte sich an Françoises Briefe. So oft hatte Eva die Briefe gelesen, zerknüllt und weggeworfen, um sie am Ende doch wieder aufzufalten und glattzustreichen. Sie hatte die französischen Worte nachgeschlagen und Antworten formuliert, die sie dann vernichtet hatte. Ein Bild zu malen war viel unverfänglicher gewesen.

Eva starrte auf den Briefumschlag in ihren Händen, der nach Lavendel duftete und sie an die Nacht erinnerte in der sie erkannt hatte, wie viel spannender Frauen waren, im Vergleich zu den Jungs, denen ihre Klassenkameradinnen hinterherhechelten.

Sie schob die Wohnungstüre mit ihrem Fuß ins Schloss. Spazierengehen konnte sie später noch. Sie musste unbedingt wissen, was Françoise geschrieben hatte. Falls der Brief von ihr war! Hatte sie überhaupt noch ihr Französischwörterbuch zum Übersetzen? Falls nicht, gab es sicher eines im Internet.

Noch im Flur riss Eva den zugeklebten Umschlag auf.

---ENDE DER LESEPROBE---