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Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Birgit war zum erstenmal in Oldenburg, und die Stadt war gerade so, wie sie sie sich vorgestellt hatte: Sauber, gepflegt, über allem schwebte der Hauch von Nostalgie, der die Stadt in ihren Augen so sympathisch wirken ließ. Birgit war auf jeden Fall ganz sicher, daß sie sich hier wohl fühlen würde. Es war ihre erste Anstellung als Junglehrerin, nachdem sie ihre Ausbildung beendet hatte. Sie war ordentlich stolz gewesen, daß es so schnell geklappt hatte, wo doch andere Junglehrer manchmal ganz schön lange warten mußten, bis sie eine Anstellung fanden. Und dann waren sie meistens auch gar nicht so glücklich. Fast jeder wußte, daß man Junglehrer überall hinschicken konnte, sogar dahin, wo sich die Füchse und Hasen gute Nacht sagen. Schon allein deswegen betrachtete Birgit es als reinen Glücksfall, daß es sie ausgerechnet in das hübsche Oldenburg verschlagen hatte. Das Wochenende stand ihr noch zur Verfügung, aber am Montag mußte sie ihre Anstellung antreten. Sie wünschte sich nur von ganzem Herzen, daß sie nette Kollegen hatte, die ihr den Eintritt ins Berufsleben nicht noch erschwerten. So etwas gab's nämlich auch, und gar nicht mal so selten. Natürlich hatte Birgit so schnell noch keine Wohnung gefunden. Das wäre auch ein Wunder gewesen. Sie hatte sich in einer hübschen, gemütlichen Familienpension eingemietet, damit sie sich in aller Ruhe nach einer passenden Kleinwohnung umschauen konnte. Dazu hatte sie immer noch Zeit. Hauptsache war, daß sie eine Anstellung bekommen hatte. Das machte sie irgendwie frei und unabhängig. Unabhängig von den Wünschen ihrer alten Tante Martha, die manchmal, wie Birgit fand, ziemlich rücksichtslos sein konnte. Die alte Dame war das, was man unter einer alten Jungfer verstand. Sie war nie verheiratet gewesen und betrachtete Frauen, die Rücksicht auf einen Mann nehmen mußten, eigentlich ein bißchen von oben herab. »Heirate, und du hast kein eigenes Leben mehr.«
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Birgit war zum erstenmal in Oldenburg, und die Stadt war gerade so, wie sie sie sich vorgestellt hatte: Sauber, gepflegt, über allem schwebte der Hauch von Nostalgie, der die Stadt in ihren Augen so sympathisch wirken ließ. Birgit war auf jeden Fall ganz sicher, daß sie sich hier wohl fühlen würde.
Es war ihre erste Anstellung als Junglehrerin, nachdem sie ihre Ausbildung beendet hatte. Sie war ordentlich stolz gewesen, daß es so schnell geklappt hatte, wo doch andere Junglehrer manchmal ganz schön lange warten mußten, bis sie eine Anstellung fanden. Und dann waren sie meistens auch gar nicht so glücklich. Fast jeder wußte, daß man Junglehrer überall hinschicken konnte, sogar dahin, wo sich die Füchse und Hasen gute Nacht sagen. Schon allein deswegen betrachtete Birgit es als reinen Glücksfall, daß es sie ausgerechnet in das hübsche Oldenburg verschlagen hatte.
Das Wochenende stand ihr noch zur Verfügung, aber am Montag mußte sie ihre Anstellung antreten.
Sie wünschte sich nur von ganzem Herzen, daß sie nette Kollegen hatte, die ihr den Eintritt ins Berufsleben nicht noch erschwerten. So etwas gab’s nämlich auch, und gar nicht mal so selten.
Natürlich hatte Birgit so schnell noch keine Wohnung gefunden. Das wäre auch ein Wunder gewesen. Sie hatte sich in einer hübschen, gemütlichen Familienpension eingemietet, damit sie sich in aller Ruhe nach einer passenden Kleinwohnung umschauen konnte. Dazu hatte sie immer noch Zeit. Hauptsache war, daß sie eine Anstellung bekommen hatte. Das machte sie irgendwie frei und unabhängig. Unabhängig von den Wünschen ihrer alten Tante Martha, die manchmal, wie Birgit fand, ziemlich rücksichtslos sein konnte. Die alte Dame war das, was man unter einer alten Jungfer verstand. Sie war nie verheiratet gewesen und betrachtete Frauen, die Rücksicht auf einen Mann nehmen mußten, eigentlich ein bißchen von oben herab. »Heirate, und du hast kein eigenes Leben mehr.« So lautete ihre Devise – und manchmal fand Birgit, daß Tante Martha vielleicht doch nicht so ganz unrecht hatte.
Jedenfalls war Birgit froh, dem strengen Regime Tante Marthas entkommen zu sein. Die Entfernung, Tante Martha wohnte in Freiburg, war auch viel zu groß, als daß man sich öfter hätte sehen können. Aber Tante Martha erwartete selbstverständlich, daß Birgit ihre Ferien bei ihr und in ihrem Haus in Freiburg verbrachte.
Im Augenblick verspürte Birgit dazu nicht die mindeste Lust, aber schließlich war sie auch erst gestern in Oldenburg angekommen. Wahrscheinlich würde sie sich in ein paar Monaten freuen, Tante Martha besuchen zu können, wenn sie erst einmal ein wenig Abstand von ihrer ständigen Einmischung in ihr Leben gewonnen hatte.
Birgit hatte ausgepackt, war zum Mittagessen in den freundlichen Speiseraum gegangen, hatte sich den anderen Pensionsbewohnern vorgestellt und beschlossen, nun auf eigene Faust auf Entdeckungsreise zu gehen. Jedenfalls würde sie am Ende ihres Spaziergangs durch Oldenburg ganz sicher in einem Café oder einer Eisdiele landen, wo man gemütlich sitzen und die Leute beobachten konnte.
Es war ganz selbstverständlich, daß sie ihr Weg an der Schule vorbeiführte, an der sie in Zukunft wirken würde – hoffentlich zum Wohle der ihr anvertrauten Kinder. Sie stand eine ganze Weile in Gedanken versunken da, betrachtete den Schulhof und das große helle Gebäude mit den riesigen Fenstern, in denen sich die Nachmittagssonne spiegelte.
Sie spürte enorme Unternehmungslust in sich und wandte sich eilig ab, ehe noch jemand der Vorübergehenden ihr anmerkte, wie ergriffen sie beim Anblick der Schule war, die ab Montag ihre Wirkungsstätte werden sollte.
Birgit schlenderte weiter und betrat ein Café, in dem reger Betrieb herrschte, in dem nur noch ein Tisch frei war, den außer ihr noch ein hochgewachsener, breitschultriger, schmalhüftiger Mann anstrebte. Birgit war sicher, daß er zu ihren Gunsten verzichten würde – jedenfalls würde er das tun, wenn er nur einigermaßen höflich war, fand sie.
Aber entweder war er nicht höflich, hatte sie nicht früh genug gesehen oder aber er fand, daß am Tisch gut und gern Platz für zwei Personen war. Und damit hatte er auch recht, wie sie mißbilligend zugeben mußte. Nur sie hätte es vorgezogen, allein zu sein!
Er wandte sich ihr zu, sie sah das Lachen in seinen unwahrscheinlich blauen Augen, und ihre Ungeduld schwand schon etwas.
»Was halten Sie von meiner Gesellschaft?« wollte er geradeheraus wissen. Birgit sah ihn unsicher an.
»Was erwarten Sie? Soll ich mich bei Ihnen bedanken, weil Sie sich dazu herablassen, sich an diesen Tisch zu setzen?« gab sie entschieden etwas schnippisch zurück.
Er schob ihr den Stuhl zurecht, setzte sich selbst und sah sie prüfend an.
»Schlechte Laune?« fragte er fröhlich und wartete ihre Antwort erst gar nicht ab. »Nein, launisch sehen Sie eigentlich nicht aus. Na, kommen Sie, ich möchte Sie mal lächeln sehen. Ich könnte mir vorstellen, daß das sehr hübsch aussieht.«
Birgit mußte unwillkürlich über seine Art schmunzeln. Vor allem gefielen ihr die blauen Augen, die so spitzbübisch und gleichzeitig auch treuherzig dreinschauen konnten.
»Na also«, sagte er zufrieden. »Ich wußte es doch. Sie sind neu hier, nicht wahr?«
Birgit nickte und griff nach der Speisekarte. Sie mochte keine Bekanntschaften machen. Zuerst wollte sie sich voll aufs Berufsleben konzentrieren. Das andere kam dann von ganz allein. Und wenn nicht, war es auch nicht schlimm.
Birgit bestellte bei der freundlichen Bedienung ein großes Eis mit Sahne für sich und fand es gar nicht originell, als der gutaussehende Fremde das ebenfalls tat.
»Ich bin auch nicht hier geboren und aufgewachsen, aber doch schon ein paar Jahre hier, so daß ich fremde von einheimischen Gesichtern unterscheiden kann.«
»Ich habe hier eine Anstellung gefunden, die ich Montag antreten muß«, erklärte Birgit kurz angebunden.
»Ich heiße Klaus Richter«, sagte er und sah sie lächelnd an. Birgit fand, daß er einen geradezu gefährlichen Charme besaß, aber vielleicht wußte er das auch und wandte ihn nach Bedarf an. Nicht mit mir, nahm sie sich vor. So etwas prallt wirkungslos an mir ab!
Sie wußte noch gar nicht, daß sie längst wie eine Fliege in einem feingesponnenen Spinnennetz zappelte, dem gefährlichen Tier hilflos ausgeliefert war.
Dann nannte sie ihren Namen. Da mit vergab sie sich schließlich nichts, denn es war nicht anzunehmen, daß sie diesem Klaus Richter so schnell wieder vor die Füße laufen würde. In den nächsten Tagen würde sie wenig Zeit haben, denn sie hatte sich fest vorgenommen, sich nachmittags immer auf den nächsten Tag vorzubereiten, damit sie stets das Gefühl hatte, gut gerüstet zu sein.
»Sie werden sich sicherlich in Oldenburg wohl fühlen«, sagte er tröstend, als müßte er ihr Mut zusprechen. Birgit lächelte ihn ausgesprochen süß an.
»Das will ich doch hoffen«, erwiderte sie dann. »Ich möchte nämlich eine ganze Weile hierbleiben. Und wenn ich erst eine geeignete Wohnung gefunden habe, werde ich sie mir sehr gemütlich einrichten.«
»Das klingt, als seien Sie recht häuslich«, sagte er anerkennend. Birgit sah ihn aus großen Augen an.
»Sie mögen wohl keine berufstätigen Frauen, wie?« fragte sie angriffslustig. Er erwiderte ihren Blick, sah sehr nachdenklich aus und schüttelte endlich langsam den Kopf.
»Nicht mögen wäre eigentlich zuviel gesagt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß Frauen lieber nicht berufstätig sein sollten. Sie heiraten ja doch – und dann war die ganze Ausbildung nur rausgeworfenes Geld.«
»Es soll Frauen geben, die keinen Mann finden«, warf Birgit freundlich ein und dachte an ihre Tante Martha, die in Männern nur notwendiges Übel sah.
»Dazu gehören aber Sie nicht!« erklärte Klaus Richter im Brustton der Überzeugung, was Birgit vor Freude erröten ließ. Sie fand sich selbst deswegen dumm, aber sie hatte das Gefühl, als habe er ihr soeben ein ebenso dickes wie ehrliches Kompliment gemacht.
»Wer kann das schon wissen?« sagte sie und fügte hinzu: »Könnte ja auch sein, daß mir kein Mann so schnell gefällt. Und von irgendwas muß ich ja leben, nicht wahr?«
»Ich habe ja nichts dagegen, wenn eine Frau arbeitet, wenn sie allein ist. Aber sobald sie geheiratet hat, sollte sie sich um ihren Mann, ihren Haushalt und die Kinder kümmern. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß ein Mann eine Emanze um sich haben möchte, die den Haushalt verkommen läßt, nur weil sie im Beruf an der Spitze stehen will.«
»Das sind reichlich antiquierte Ansichten!« entfuhr es ihr heftig. Sie reagierte stets allergisch auf Männer, die Frauen nur als Frauen anerkannten, wenn sie gut waschen, kochen und putzen konnten. »Mögen Sie gern diese Dummchen?«
»Oh, eine Frau, die sich nur um Mann, Haushalt und Kinder kümmert, braucht noch kein Dummchen zu sein!« Er sah sie strafend an. »Ich, für meinen Teil, würde es sehr begrüßen, wenn eine Frau auch eine gute Portion Intelligenz mitbekommen hätte. Ich unterhalte mich gern mit intelligenten Menschen.«
Er spürt gar nicht, wie arrogant er klingt, dachte Birgit wütend. Und deshalb sagte sie herablassend: »Na, na, ein Mann ist auch nicht gerade das Nonplusultra. In der Bibel kann man schon nachlesen, daß er aus einer Handvoll Dreck gemacht worden ist.«
»Und die Frau entstand aus seiner Rippe!« trumpfte er auf.
»Und wenn schon, es war aber eine Rippe und keine Handvoll Erde, oder?« konterte Birgit lachend. Plötzlich machte dieser Mann ihr Spaß. Sie nahm ihm einfach nicht ab, daß er berufstätige Frauen nicht mochte. Dann wäre er doch schrecklich dumm!
»Sie sind ganz schön schlagfertig. Ich mag das«, erklärte er und lachte sie an.
Birgit fand ihn unglaublich eingebildet, aber sie mochte ihn trotzdem. Er war ganz anders als die wenigen Männer, die sie bisher Gelegenheit gehabt hatte, kennenzulernen.
Birgit bestellte sich noch eine heiße Schokolade, nachdem sie ihr Eis gelöffelt hatte. Endlich, als auch die Schokolade ausgetrunken war, fand sie, es sei Zeit zu gehen.
Es gefiel ihr, daß er nicht darauf bestand, ihr Eis und ihre heiße Schokolade zu bezahlen. Das hätte sie ein bißchen aufdringlich gefunden. Aber er zahlte auch und stand auf, als sie Anstalten machte, das Café zu verlassen. Gemeinsam traten sie ins Freie. Es war sehr warm, und Birgit konnte nur hoffen, daß es ein Gewitter geben würde, damit sie wenigstens in der Nacht ein wenig Abkühlung hatten.
Draußen sah er sie fragend an. Dann wollte er wissen, ob sie etwas gegen seine Begleitung einzuwenden hätte. Birgit lachte leise und schüttelte den Kopf.
»Aber nein, wieso sollte ich? Ich finde Sie ganz amüsant. Zumindest begegnet man Ihren Ansichten nicht sehr oft.«
»Aber Sie sind ehrlich, darauf können Sie bauen«, betonte er und hatte wieder dieses spitzbübische Lächeln in den blauen Augen.
Halt, Birgit, ermutige ihn nur nicht, rief sie sich selbst zu. Es würde sehr problematisch werden mit einem Mann, wie er einer ist. Er ist ein ausgesprochener Pascha, und so einer ist nichts für dich!
Aber wohlgemerkt – das dachte Birgit nur – aussprechen würde sie so etwas niemals. Und außerdem – die Pension, in der sie wohnte, lag nicht allzu weit entfernt. Man würde sich verabschieden und sich dann wahrscheinlich so schnell nicht wieder über den Weg laufen, weil er ganz bestimmt auch berufstätig war. Birgit hatte keine Zeit für einen Mann. Der hatte in ihrem Leben noch keinen Platz, sagte sie sich. Sie wollte sich erst ihre Sporen verdienen. Dann konnte man immer noch weitersehen.
Als sie vor der Pension angekommen waren, blieb Birgit stehen und sah ihn von unten herauf an. Er war sehr groß, ohne ungeschlacht zu wirken. An ihm stimmte einfach alles, sagte sie sich. Er war eben ein ungeheuer attraktiver und deshalb recht gefährlicher Mann. Er war ein Mann, wie man sich als ganz junges Mädchen den Prinzen aus dem Märchen vorstellte.
»Auf Wiedersehen – und danke für die amüsante halbe Stunde«, sagte sie und versuchte, das Bedauern, das sie erfüllte, nicht zu beachten.
»Das können wir jederzeit wiederholen. Sie brauchen nur zu wollen«, gab er zurück und hielt ihre Hand fest, während seine Augen die ihren einfangen wollten.
»Wir werden sehen«, sagte Birgit vage und entzog ihm die Hand. Dann ging sie, sah sich nicht mehr um und ließ die große Glastür hinter sich ins Schloß fallen. Zu dumm, dieses Gefühl, als hätte sie gerade eben eine Tür zugeschlagen, die sie am liebsten geöffnet gelassen hätte…
*
Birgit war natürlich aufgeregt, als sie am Montagmorgen zur Schule ging und das geräumige Büro des Sekretariats betrat. Es dauerte auch gar nicht lange, bis sie den Weg zum Schulleiter gefunden hatte, der sie freundlich mit ausgestreckten Händen willkommen hieß.
»Man sagt uns nach, daß wir altmodisch sind«, bemerkte Stefan Lauterer endlich und sah sie bewundernd an. »Aber das stimmt gar nicht. Man muß uns nur erst kennengelernt haben, dann merkt man, daß wir eigentlich nicht anders sind als andere Menschen. Ich nehme Sie am besten gleich mit ins Lehrerzimmer, damit Sie Ihre Kollegen und Kolleginnen kennenlernen können.«
»Gern.« Birgit fand Lauterer mit seinen lebhaften grauen Augen und dem kurzen eisgrauen Haar sehr sympathisch und wußte, daß sie sehr gut mit ihm würde auskommen können. Das war schon viel wert. Wenn sie den Leiter der Schule für sich einnehmen konnte, würde ihr das sicher auch bei den Kollegen gelingen!
Sie waren alle freundlich. Da war Malte Jagst, der Mathematiklehrer, der ihr kurz, aber freundlich zunickte. Da war Frau Müller, die Musiklehrerin, die auch noch Biologie hatte.
»Unser Prinz Eisenherz ist noch nicht da«, erklärte der Schulleiter und lachte dazu. »Er kommt immer auf die letzte Minute. Aber er ist bisher noch nicht eine einzige Sekunde zu spät gekommen.«
Als sei das das Stichwort, öffnete sich in diesem Augenblick die Tür und herein kam… Klaus Richter.
Birgit wußte nicht, ob sie erschrecken oder sich freuen sollte – jedenfalls blieb ihr Herz stehen. Und auch Richters Gesicht war nicht besonders intelligent, als er fragte: »Ja, wen haben wir denn da? Sagen Sie mir nur nicht, daß Sie die neue Kollegin sind, die heute ihren Dienst antreten soll.«
»Aber genau die bin ich, Herr Richter.« Birgit nahm sich vor, freundlich und verbindlich zu sein, nicht mehr. Schließlich wußte sie doch, was er von Frauen dachte, die sich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen mußten.
»Ach, Sie kennen sich schon?« wunderte sich Lauterer und ließ neugierig seine Blicke zwischen ihnen hin- und herschweifen.
»Das wäre zuviel gesagt, fürchte ich«, fiel Birgit hastig ein. »Wir haben nur zufällig im Café am gleichen Tisch gesessen.«
»Frau Feldmann übernimmt die erste Klasse, Herr Richter. Es wäre nett, wenn Sie sich ihrer ein wenig annehmen würden, da Sie sich schon kennengelernt haben. Frau Feldmann wäre Ihnen sicher dankbar, wenn Sie sich dazu bereit erklären würden.«
»Aber nein, das möchte ich nicht, auf gar keinen Fall.« Birgit sah sehr entschlossen drein. »Ich möchte allein zurechtkommen. Es ist sehr nett, daß alle so kollegial sind, aber ich bin ganz sicher, daß ich schon allein zurechtkommen werde.«
Birgit stand mit hocherhobenem Kopf da. Sie wußte, daß alle sie erstaunt ansahen, auch Klaus Richter selbst. Aber dann nickte sie nur freundlich in die Runde und sah Lauterer an.
»Wenn Sie mir sagen, wo ich meine Klasse finde, könnte ich mich auf den Weg machen.«
»Ich begleite Sie selbstverständlich. Und Herr Lauterer wahrscheinlich auch«, erklärte Klaus Richter und sah sie unschuldsvoll an. Es war, als sei die Spitze, die doch eigens für ihn bestimmt gewesen war, an ihm abgeprallt. Er schien nicht im mindesten beeindruckt zu sein. Wahrscheinlich hatte er sich auch vorgenommen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Birgit akzeptierte das. Sie konnte Streit nicht ausstehen. Und Streit aus nichtigen Anlässen schon gar nicht.
Eine halbe Stunde später war es ihr, als sei sie schon immer in dieser Klasse gewesen. Die Kinder sahen sie neugierig an, faßten aber schnell Vertrauen zu ihr, weil sie freundlich und ruhig, wenn auch bestimmt blieb. Aus Anlaß ihres Dienstantritts machte sie aus den ersten beiden Stunden einfach Märchenstunden. Sie erzählte Märchen, die noch nicht so bekannt waren, und sah an den glänzenden Augen der Kinder, daß sie damit voll ins Schwarze getroffen hatte.
Als sie in der großen Pause auf Klaus Richter traf, sah er sie lachend an und fragte anzüglich: »Na, wie ist es bisher gelaufen?«
»Was möchten Sie hören? Daß ich Schiffbruch erlitten habe und mit den Kindern nicht fertig werden kann?«
»Das würde ich Ihnen nicht abnehmen«, erklärte er ruhig und sah sie abschätzend an. »Sie sehen so aus, als könnten Sie wunderbar mit Kindern fertig werden. Sie brauchen das, denn sie sind ja schon fertige kleine Wesen, die man nicht mehr ändern, sondern höchstens formen kann.«
»So viel Einfühlsamkeit hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut!« wunderte sich Birgit.
»Wieso nicht? Wenn ich auch berufstätige Frauen nicht besonders schätze, so bin ich dennoch ehrlich und gebe zu, wenn ich etwas Positives an ihnen entdeckt habe.«
»Wie kommen Sie sich jetzt vor? Wie ein Dompteur, der seiner Raubkatze ein Extrastück Fleisch zugeworfen hat?« Ihr Spott war nicht zu überhören.
»So kratzbürstig hatte ich Sie gar nicht in Erinnerung. Birgit Feldmann«, sagte er und sah sie an, als müßte er sich erst darüber klarwerden, daß es sich um ein und dieselbe Person handle.
»Wundert Sie das? Sie haben mir doch unmißverständlich klargemacht, wie Sie über berufstätige Frauen denken. Da brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn man alle Stacheln ausfährt, sobald man in Ihre Nähe kommt.«
Damit ließ sie ihn einfach stehen. Es hatte keinen Zweck, sich mit ihm herumzuärgern. Am besten würde es sein, wenn sie ihm aus dem Weg ging, wann immer es sich einrichten ließ. Wenn man keine Angriffsflächen bot, konnte man auch nicht verletzt werden. So einfach war das!