Was nicht ist, kann noch werden - Britta Frey - E-Book

Was nicht ist, kann noch werden E-Book

Britta Frey

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Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Andreas Becker sah die junge Frau in den knappsitzenden weißen Shorts wohlgefällig an. Ihre Beine waren braungebrannt, ihr Haar dunkel, ihre Augen hellgrau und lebhaft, ihr Mund herzförmig, und ihre Figur war einfach hinreißend. Man sah, daß sie noch ungeübt war, als sie die große Heckenschere ansetzte und versuchte, die Hecke zu stutzen. Er ging auf sie zu und sprach sie über die Hecke hinweg an. »Lassen Sie das lieber. Halten wir es doch wie bisher, wenn Sie mögen, ja? Ich schneide Ihre Hälfte mit, damit alles gleichmäßig ist.« »Oh, wirklich? Das wäre wunderbar. Ehrlich gesagt – ich hatte auch ein bißchen Angst davor. Ich habe nämlich so etwas noch nie gemacht, und ich bin sicher, daß Sie mit meinem Werk nicht zufrieden gewesen wären. Bestimmt hätten Sie sich geärgert, und dann wäre der Nachbarschaftsstreit schon so gut wie vorprogrammiert gewesen, oder?« »Ach nein, das glaube ich nicht. Ich bin nämlich ein an sich sehr gemütlicher Mensch, müssen Sie wissen. Ich heiße Andreas Becker. Und Sie sind unsere neue Nachbarin, Frau Alten, nicht wahr?« Susanne sah diesen Mann, der so fabelhaft aussah, ausgesprochen zurückhaltend an. »Hier spricht sich wohl alles sehr schnell herum, wie?« fragte sie entschieden ein wenig ungeduldig. Andreas warf ihr einen verblüfften und dann amüsierten Blick zu.

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Kinderärztin Dr. Martens – 74 –

Was nicht ist, kann noch werden

Die beiden sollten heiraten und unsere Eltern sein

Britta Frey

Andreas Becker sah die junge Frau in den knappsitzenden weißen Shorts wohlgefällig an. Ihre Beine waren braungebrannt, ihr Haar dunkel, ihre Augen hellgrau und lebhaft, ihr Mund herzförmig, und ihre Figur war einfach hinreißend.

Man sah, daß sie noch ungeübt war, als sie die große Heckenschere ansetzte und versuchte, die Hecke zu stutzen.

Er ging auf sie zu und sprach sie über die Hecke hinweg an.

»Lassen Sie das lieber. Halten wir es doch wie bisher, wenn Sie mögen, ja? Ich schneide Ihre Hälfte mit, damit alles gleichmäßig ist.«

»Oh, wirklich? Das wäre wunderbar. Ehrlich gesagt – ich hatte auch ein bißchen Angst davor. Ich habe nämlich so etwas noch nie gemacht, und ich bin sicher, daß Sie mit meinem Werk nicht zufrieden gewesen wären. Bestimmt hätten Sie sich geärgert, und dann wäre der Nachbarschaftsstreit schon so gut wie vorprogrammiert gewesen, oder?«

»Ach nein, das glaube ich nicht. Ich bin nämlich ein an sich sehr gemütlicher Mensch, müssen Sie wissen. Ich heiße Andreas Becker. Und Sie sind unsere neue Nachbarin, Frau Alten, nicht wahr?«

Susanne sah diesen Mann, der so fabelhaft aussah, ausgesprochen zurückhaltend an.

»Hier spricht sich wohl alles sehr schnell herum, wie?« fragte sie entschieden ein wenig ungeduldig. Andreas warf ihr einen verblüfften und dann amüsierten Blick zu. Dann lachte er.

»Wundert Sie das? Hier passiert so wenig, daß jeder Mensch, der hier ein Haus erwirbt und dann einzieht, genau unter die Lupe genommen wird. Von jedem. Damit muß man sich abfinden. Als ich vor drei Jahren dieses Haus kaufte und wenig später einzog, ging es mir ebenso. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, als wenn die Menschen hier mehr von mir wüßten als ich selbst. Ich fand das einfach gräßlich.«

»Das kann ich Ihnen sehr gut nachfühlen, denn ich mag es auch nicht, wenn so viel geklatscht wird.«

Susanne Alten war eigentlich sicher, daß sie diesen Nachbarn damit endgültig in die Flucht geschlagen hatte. Einerseits machte sie das zufrieden, andererseits jedoch bedauerte sie das auch, denn im Grunde genommen war er doch eigentlich sehr nett ihr gegenüber gewesen, oder? Diese dicke Hecke, von der ihr die eine Hälfte gehörte, zu schneiden, war kein Kinderspiel. Und wenn er ihr schon anbot, ihre Hälfte mitzuschneiden, dann war das mehr als nur ein Nachbarschaftsdienst.

»Entschuldigen Sie«, bat sie mit zerknirschter Miene. »Ich vergesse oft, daß ich nicht mehr in Hamburg wohne. In einer Großstadt lebt man sozusagen anonym. Ich muß mich erst daran gewöhnen, daß es Menschen gibt, die sich für mein Leben und mich interessieren.«

»Ja, das kenne ich. Ich bin vor drei Jahren auch aus Hamburg gekommen. In der ersten Zeit war ich verunsichert. Ja, es hat mich regelrecht gestört, daß alle über mich Bescheid zu wissen schienen. Aber heute betrachte ich das alles als reine Auszeichnung. Wenn die Mitmenschen einen nämlich ganz einfach links liegenlassen, dann fühlt man sich auch nicht gerade sehr wohl, das kann ich Ihnen versichern.«

»Das glaube ich Ihnen. Übrigens kommt mir Ihre Stimme recht bekannt vor. Irgendwo muß ich sie schon einmal gehört haben.«

Da lachte Andreas Becker leise und amüsiert auf. Seine Wangen zeigten dabei kleine Grübchen, und in seinem Kinn war eine tiefe Kerbe zu sehen. Seine blauen Augen ruhten immer noch mit bewunderndem Ausdruck auf ihr, was sie einigermaßen verlegen machen wollte, obwohl sie doch wirklich an bewundernde Männerblicke gewöhnt war.

»Wahrscheinlich haben Sie meine Stimme im Radio gehört, Frau Alten. Ich bin nämlich Rundfunksprecher und Moderator.«

»O ja, richtig! Jetzt weiß ich, wo ich Ihre Stimme einordnen kann.« Susanne lachte ebenfalls. Es war, als hätte sich ein Sonnenstrahl auf ihr Gesicht verirrt. Andreas schien sie mit Blicken streicheln zu wollen, als er sie fragend ansah und erklärte: »Aber Sie kann ich leider nicht einordnen. Helfen Sie mir dabei?«

»Oh, über mich gibt es eigentlich nicht viel zu erklären und zu berichten. Ich bin vor einigen Wochen mit meiner kleinen Tochter Silke hier eingezogen. Bald wird jedermann wissen, daß Silke ein uneheliches Kind ist. Ihr Vater starb drei Tage vor der Hochzeit.«

»Es ist schlimm, einen geliebten Menschen zu verlieren. Meine Frau starb bei der Geburt unseres Sohnes. Sören ist jetzt sechs, kommt nach den Ferien zur Schule und ist sehr stolz deswegen.«

Susanne sah ihn ernst an. Da fuhr er fort: »Zuerst, als ich mit dem Baby dastand und nicht wußte, wie es weitergehen sollte, fühlte ich nur Vereinsamung und Verbitterung. Aber Mathilde, die mir den Haushalt führt, hat mir klargemacht, welche Verpflichtung ich meinem Sohn gegenüber habe. Als mir vor drei Jahren dieses Haus hier angeboten wurde, habe ich sofort zugegriffen, denn ich möchte, daß Sören in einer noch halbwegs intakten Welt aufwächst. Die Nackenschläge bekommt er später von allein.«

»Genauso oder doch zumindest sehr ähnlich dachte ich auch, als man mir dieses Haus anbot. Ich hatte eine sehr hübsche Wohnung in Harvestehude, aber ich wünschte mir immer ein eigenes Haus im Grünen. Und da ich nicht besonders ortsgebunden bin – ich bin Modedesignerin für ein großes Hamburger Modehaus – wollte ich ganz viel Landschaft und Natur um mich herum haben.«

»Nun, über zu wenig Natur und Landschaft kann man sich hier nicht beklagen.« Andreas lachte leise. Susanne lauschte diesem Lachen nach. Es war gut und warm und ansteckend.

»Stört es Sie sehr, daß Sie einigemal in der Woche nach Hamburg müssen?« wollte Susanne wissen. Plötzlich wollte sie die Unterhaltung nicht abbrechen. Sie hätte sich selbst nicht erklären können, weshalb. Dieser Mann hatte etwas an sich, das sie fesselte, das in ihr den Wunsch erweckte, sich noch länger mit ihm zu unterhalten.

»Nein, eigentlich nicht. Ich fahre sehr gern Auto, vielleicht stört es mich deshalb nicht. Es kommt auch schon mal vor, daß ich dort übernachte. Auch das macht mir nichts aus, denn ich habe sehr viele Freunde in Hamburg, die mich sehr gern bei sich aufnehmen. Außerdem gibt es ein kleines Hotel, in dem ich auch oft übernachte, wenn es sein muß. Aber richtig wohl fühle ich mich hier in diesem alten, wunderschönen Haus.«

»Es wirkt sehr groß«, sagte Susanne und sah an der Fassade des gelbgetönten Hauses empor.

»Auf den ersten Blick erschien es mir auch viel zu groß. Aber ich habe mich auch auf Anhieb in dieses Haus verliebt. Und nun, da wir darin wohnen, finde ich es gar nicht mehr zu groß. Es ist schön, wenn man sich daheim ausbreiten kann. Und noch schöner ist es, wenn man sich zurückziehen kann, wenn man es möchte.«

»Ja, das weiß ich sehr gut.« Susanne nickte lebhaft. »Manchmal besonders, wenn ich angespannt arbeite, möchte ich niemanden sehen, mit niemandem sprechen müssen, mit niemandem diskutieren. Dann will ich einfach nur mit mir selbst allein sein und arbeiten, arbeiten. Das ist dann wie ein Zwang für mich.«

»So ähnlich ergeht es mir auch, wenn vielleicht auch nicht so häufig wie Ihnen. Ich mache viel selbst, denke mir Gags aus, mache Tonbandaufnahmen und schneide auch sehr oft selbst, wenn ich meine, daß dieses oder jenes besser war, als ich es je noch einmal einbringen könnte. Das muß ich dann zeitlich in mein Programm einbauen, und das braucht nun eben seine Zeit. Aber Sören, mein Sohn, nimmt natürlich den ersten Platz in meinem Herzen ein. Für ihn würde ich auf vieles verzichten.«

»Das verstehe ich sehr gut, denn mit meiner Silke ergeht es mir ebenso. Wenn ich meine Wilhelmine nicht hätte, die uns versorgt, könnte ich mir manche Zeit gar nicht nehmen.«

»Nun, die Zeit zum Heckenschneiden haben Sie immerhin schon mal gespart. Es macht mir nichts aus, Ihre Hälfte auch mitzuschneiden, denn ich mache das mit der elektrischen Heckenschere, das geht ganz fix.«

»Vielen Dank«, erwiderte Susanne artig und nickte ihm zu. »Ich werde mich auf die eine oder andere Weise revanchieren.«

»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen, Frau Alten, das geht schon in Ordnung.«

Ehe Susanne zum Haus zurückkehrte, um sich zu waschen und ins Atelier zu gehen, hörte sie noch sein warmes Lachen, das sie so für ihn einnahm. Es verfolgte sie geradezu, und sie hatte keine Möglichkeit, es in ihren Gedanken abzustellen.

*

Wilhelmine Becker, bei allen nur als Minchen bekannt, trat zu Susanne, die am Zeichentisch saß und eifrig strichelte. Eine Weile schaute sie interessiert auf den Zeichenblock, der vor Susanne auf dem Schreibtisch lag. Dann sagte sie vorsichtig: »Ich würde es durchaus begrüßen, wenn Sie mal was für füllige Frauen entwerfen würden, Frau Alten.«

Susanne schaute sie zuerst verblüfft an. Dann lachte sie und nahm Minchens Hand, streichelte sie und erklärte ernsthaft: »Das ist eine gute Idee, Minchen. Sie haben recht. Für ältere und ein wenig molligere Damen wird fast kaum gesorgt, und dabei wären sie sicher ausgezeichnete Kundinnen. Ich werde, wenn ich nächste Woche nach Hamburg fahre, mit Wegmann darüber sprechen.«

»Er wird Sie verblüfft ansehen und Ihnen aus lauter Dankbarkeit wieder einen neuen Heiratsantrag machen. Der wievielte wäre das eigentlich?«

»Keine Ahnung, ich habe nach dem achten aufgehört zu zählen.« Susanne lachte, und dabei ging ein sonniger Schimmer über ihr ebenmäßig geschnittenes Gesicht. »Wahrscheinlich meint er es auch nicht mehr ernst. Manchmal bin ich geradezu versucht, Ja zu sagen, nur, weil es mich interessiert, was er dann für ein Gesicht machen würde. Bestimmt kein sehr intelligentes.« Susanne kicherte, und zwar so ansteckend, daß auch Minchen lachen mußte.

»Zumindest wäre er sehr verdutzt. Aber tun Sie es lieber nicht. Wenn man sich einer Sache nicht hundertprozentig sicher ist, sollte man sie auch lassen.«

»Keine Sorgen, Minchen. Ich heirate Wegmann ganz bestimmt nicht. Ich liebe ihn nicht, wenn ich ihn auch achte. Aber ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, nur aus Liebe zu heiraten. Im Augenblick habe ich auch gar keine Lust zum Heiraten, denn ich finde mein Leben so auch sehr schön und ausgefüllt. Außerdem – wer mich haben will, muß auch Silke lieben. Das ist ein großer Hinderungsgrund, aber ich gehe nicht von meinem Standpunkt ab.«

»Das sollen Sie auch nicht, auf gar keinen Fall. Wenn das Schicksal Ihnen einen Mann zugedacht hat, werden Sie ihn schon zu gegebener Zeit kennenlernen.«

Minchen sagte es im Brustton der Überzeugung – und Susanne wurde unwillkürlich rot, weil sie einen für ihre Begriffe ziemlich revolutionären Gedanken hatte, dem sie sich nicht entziehen konnte. Sie mußte nämlich ganz plötzlich an Andreas Becker von nebenan denken, der ihre Hälfte der Hecke schneiden wollte, obwohl er das eigentlich gar nicht nötig gehabt hätte.

Nein, sagte sie sich endlich und beugte sich wieder über ihre Arbeit. Nein, ich will nicht mehr in einen Gefallen hineinlegen, als gedacht war. Man kann sich auch vieles einbilden. Ich will nicht enttäuscht werden…

Minchen stellte noch, fürsorglich wie sie nun einmal war, ein großes Glas frischgepreßten Orangensaft auf Susannes Schreibtisch und ging zufrieden hinaus. Wenn Susanne so ausgiebig arbeitete und augenscheinlich mit solcher Aufmerksamkeit bei der Sache war, dann war das für Minchen immer das sichere Zeichen dafür, daß Susanne sich wohl fühlte. Nun, und wenn Susanne sich wohl fühlte, dann übertrug sich das auch auf Minchen.

Wenn Minchen sich pudelwohl fühlte, schlug sich das auf ihre sprichwörtliche Kochkunst nieder. Und das war doch nun wirklich sehr positiv.

Später dann kam Silke zu ihrer Mami. Sie wußte, daß sie Mami stören durfte, wann immer es ihr danach zumute war. Silke wußte, daß Mami ihre Ruhe brauchte, wenn sie arbeitete, aber wenn sie etwas sehr Wichtiges hatte, dann war Mami ihr natürlich bedeutend lieber als Minchen, die immer doll eifersüchtig wurde, wenn Silke etwas nicht mit ihr, sondern nur mit Mami besprechen wollte.

Und heute nun hatte Silke etwas mit Mami zu besprechen, etwas sehr Wichtiges sogar. Für ihre Ansicht konnte sie nicht eine einzige Minute mehr damit warten. Und so spazierte sie denn mit ihrer Puppe Johanna, die sie hinter sich herschleifte, zu Susanne ins Atelier.

Es war eigentlich gar kein richtiges Atelier, sondern ein riesiger Wintergarten, der es Susanne auf den ersten Blick, als sie das Haus besichtigte, angetan hatte.

Schon da hatte es bei ihr festgestanden, daß dieser riesige Raum ihr ganz persönlicher Arbeitsraum würde.

Mitten im Raum stand Susannes Schreib- und Zeichentisch. Es war ein uralter Schreibtisch, aber Susanne liebte ihn, seit sie ihn auf einem Trödelmarkt erstanden hatte. Sie fand, man müsse seinen Arbeitsplatz möglichst gemütlich gestalten, wenn man auch erfolgreich an ihm arbeiten wollte. Und wer will das nicht?

Wie gesagt, Silke zog Johanna, der man ansah, daß Silke durchaus nicht immer zärtlich war, hinter sich her, setzte sich auf den Kinderstuhl, der immer neben Susannes Schreibtisch für sie bereitstand, und sah stumm zu Susanne auf. Es war immer das gleiche Spiel, das sie miteinander spielten, das ihnen immer wieder aufs neue Freude machte.

Susanne schaute weder nach rechts noch nach links. Es sah ganz so aus, als habe sie Silkes Erscheinen noch nicht bemerkt. Silke räusperte sich. Keine Reaktion. Dann kicherte Silke und unterhielt sich laut flüsternd mit Johanna.

»Gib nur ja keinen Pieps von dir, Johanna«, sagte Silke streng.

Ihr Flüstern hätte man in zehn Metern Abstand noch deutlich hören können. Susanne ließ sich immer noch nicht stören, und da fuhr Silke altklug fort: »Siehst du denn nicht, daß Mami arbeitet und Geld verdient? Da muß man sie in Ruhe lassen, bis sie von selbst drauf kommt, daß sie nicht mehr allein hier ist.«

Nun hielt Susanne es für angebracht, mitzuspielen. Sie ließ einen Zeichenstift fallen, bückte sich, um ihn wieder aufzuheben und tat so, als entdeckte sie das kleine dunkellockige Mädchen, dessen Gesicht ebenso ebenmäßig wie das ihre war, erst jetzt.

»Hallo!« sagte sie lebhaft, »wen haben wir denn da? Ist was Wichtiges, Liebes?«

»Hm«, sagte Silke nickend. »Sonst würde ich dich doch nicht stören, Mami. Ich möchte etwas ganz doll Wichtiges mit dir bereden.«

»Dann komm, setzen wir uns gemütlich hin, essen einen Bonbon und reden miteinander. Magst du auch etwas Orangensaft?«

»Hab ich schon von Minchen bekommen«, wehrte Silke ab und setzte sich dicht neben ihre schöne Mutter auf die grünbezogene Couch, die so gut zu den vielen Blattpflanzen paßte, von denen die Couchgarnitur umgeben war. Hier war die Wintergartenecke, die von Susanne hingebungsvoll gepflegt wurde. Es war, als sei man unversehens in den Urwald versetzt worden, denn hier herrschte feuchtwarmes Klima, in dem alles noch viel besser wuchs und gedieh. Die Luftfeuchtigkeit empfand Susanne als angenehm. Sie war sicher, daß sie einen ausgesprochen ungewöhnlichen Arbeitsplatz hatte, und das stimmte ja wohl auch.

Minchen fand es äußerst ungesund hier, aber sie redete gegen taube Ohren, wie sie fand. Susanne und Silke fühlten sich unter den üppig wachsenden und blühenden Pflanzen sehr wohl.

Aufmerksam wickelte Silke ihren Fruchtbonbon aus dem Papier und schob ihn in den Mund. Dann sah sie Susanne an und fragte ganz plötzlich: »Wieso eigentlich haben wir keinen Swimmingpool, Mami? Wir haben doch genug Platz, oder? Ich meine – es könnte doch sein, daß ich das Schwimmen verlerne, oder? Und dann muß ich das Seepferdchen-Abzeichen am Badeanzug schließlich wieder zurückgeben.«

»Schwimmen verlernt man nicht, Liebes. Ich glaube, ein Swimmingpool wäre aber doch eine ausgezeichnete Idee. Hast du schon mit Minchen darüber gesprochen?«

»Minchen!« Silke sah ihre Mutter ausgesprochen verächtlich an. »Mit Minchen kann man doch nicht über so was reden, Mami. Minchen hat doch Angst vor Wasser, weil sie selbst nicht schwimmen kann.«

»Na ja, dafür muß man Verständnis haben. Früher, als Minchen klein war, lernte man im Kindergarten das Schwimmen noch nicht. Na, und später hat sie dann wahrscheinlich keine Zeit dazu gefunden. Also – um zum Thema zurückzukommen – ich würde einen Swimming-Pool auch begrüßen.«

»Meinst du, du könntest einen kaufen, Mami?« Silkes Augen bettelten. »Sie sind doch ganz bestimmt nicht billig, oder?«

»Tja, dazu müßte man einen Kostenvoranschlag einholen, denke ich. Da würden wir genau erfahren, was so was kosten würde.«

»Würdest du das tun, Mami?«

»Aber ganz bestimmt tue ich das, mein Liebes. Ich rufe heute noch bei einer Firma an. Und dann können wir sicher in den nächsten Tagen schon die Stelle im Garten aussuchen, wo wir den Pool bauen lassen wollen.«

»O Mami!« Silke sah ihre schöne Mutter schwärmerisch an. »Ich dachte schon, ich müßte ganz furchtbar lange betteln, aber nun sind wir wieder einer Meinung. Das ist fast ebenso schön wie der Swimmingpool, den du bauen lassen willst.«

»Na, wenn das nicht wundervoll ist, weiß ich es auch nicht.« Susanne küßte Silke zärtlich auf das schimmernde, dunkle, verwirrte Haar. Dann fiel ihr Blick auf Johanna.

»Hast du sie wieder draußen gelassen, vielleicht über Nacht? Sie sieht ja schlimm aus.«

»Aber Mami, Johanna schläft doch immer bei mir. Sie mag auch keine piekfeinen Kleider, wo man immer achtgeben muß, daß kein Fleck hineinkommt.«

»Ich muß sowieso nach Celle, ich muß neues Zeichenpapier haben und Tusche. Wie wäre es, wenn du mich begleitest und, bevor wir miteinander Eis essen gehen, für Johanna ein oder zwei neue Kleider kaufen würden?«

Silke strahlte ihre Mami an. Dann legte sie den Kopf schief und fragte mißtrauisch: »Meinst du das wirklich, Mami – oder machst du nur einen Scherz?«

»Was denkst du denn? Schau dir doch an, wie Johanna aussieht. Damit kannst du wirklich keinen Staat mehr machen, mein Kind. Jede Puppenmutter würde dich für sonstwas halten, wenn sie Johanna sieht.«

»Sie hat wirklich schon lange nichts mehr zum Anziehen bekommen«, gab Silke zu. »Aber sie wächst ja auch nicht aus ihren Sachen heraus, so wie ich.«