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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Der dreiundfünfzigjährige Uwe Dippold stand über ein Blumenbeet gebeugt in seinem Garten und jätete Unkraut. Es war Samstagnachmittag. Die Sonne stand fast senkrecht über dem Wachnertal und es war sehr heiß. Die Obstbäume im Garten warfen zwar Schatten, aber dort, wo Uwe arbeitete, war er der prallen Sonne schutzlos ausgesetzt. »He, Uwe!«, rief eine Nachbarin über den Gartenzaun. »Das muss doch net sein, dass du in dieser Hitze Unkraut zupfst. Du stehst voll in der Sonne und riskierst einen Hitzschlag.« »Wann soll ich's denn machen, Marga?« Uwe richtete sich auf. »Während der Woche arbeit' ich, und wenn ich abends heimkomme, bin ich müde. Schließlich bin ich ja auch nimmer der Jüngste. Und die Arbeit auf dem Bau ist nicht gerade ein Kinderspiel.« »Geht's denn der Anna immer noch nicht besser?«, fragte die Nachbarin. »Unkraut jäten ist doch keine schwere Arbeit. Das könnt' sie doch machen, und zwar vormittags, wenn's nicht gar so heiß ist, oder abends, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist.« »Sie soll laut Doktor Wiesinger überhaupt keine Gartenarbeiten machen«, antwortete Uwe. »In zwei – drei Wochen schaut es schon anders aus.
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Der dreiundfünfzigjährige Uwe Dippold stand über ein Blumenbeet gebeugt in seinem Garten und jätete Unkraut. Es war Samstagnachmittag. Die Sonne stand fast senkrecht über dem Wachnertal und es war sehr heiß. Die Obstbäume im Garten warfen zwar Schatten, aber dort, wo Uwe arbeitete, war er der prallen Sonne schutzlos ausgesetzt.
»He, Uwe!«, rief eine Nachbarin über den Gartenzaun. »Das muss doch net sein, dass du in dieser Hitze Unkraut zupfst. Du stehst voll in der Sonne und riskierst einen Hitzschlag.«
»Wann soll ich’s denn machen, Marga?« Uwe richtete sich auf. »Während der Woche arbeit‘ ich, und wenn ich abends heimkomme, bin ich müde. Schließlich bin ich ja auch nimmer der Jüngste. Und die Arbeit auf dem Bau ist nicht gerade ein Kinderspiel.«
»Geht’s denn der Anna immer noch nicht besser?«, fragte die Nachbarin. »Unkraut jäten ist doch keine schwere Arbeit. Das könnt‘ sie doch machen, und zwar vormittags, wenn‘s nicht gar so heiß ist, oder abends, wenn die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist.«
»Sie soll laut Doktor Wiesinger überhaupt keine Gartenarbeiten machen«, antwortete Uwe. »In zwei – drei Wochen schaut es schon anders aus. Sie ist ja erst vor zwei Wochen operiert worden und noch ziemlich schwach.«
»Es ist halt ein Kreuz«, lamentierte die Nachbarin. »Was du machst, ist jedenfalls nicht das Gesündeste, Uwe. Du treibst Schindluder mit deiner Gesundheit. Wir haben über dreißig Grad, und du arbeitest in der prallen Sonne. Der Schweiß rinnt dir übers Gesicht. Lass doch das Unkraut ganz einfach Unkraut sein und geh‘ ins Haus. «
Uwe lacht. »Nur die Harten kommen in den Garten«, kommentierte er die Äußerung der Nachbarin. Ihr Name war Margarete Schuster.
Sie kehrte in ihr Haus zurück. Uwe hackte die Erde auf und fingerte das Unkraut aus dem aufgelockerten, staubtrockenen Boden. Regen wäre schon lange nötig gewesen. Die Wasserreserven der Gemeinden wurden bereits knapp. Mit Leitungswasser den Rasen zu gießen oder das Auto zu waschen war von behördlicher Seite untersagt. Es drohten sogar Bußgelder.
Uwe richtete sich auf und ächzte. Das Arbeiten in gebeugter Haltung strapazierte die Bandscheibe. Uwe bog das Kreuz durch und reckte die Schultern. Plötzlich hatte er das Gefühl, etwas schnürte ihm die Brust zusammen, und zwar so heftig, dass ihm die Luft knapp wurde. Ihm wurde es schwindlig. Er machte zwei – drei Schritte von dem Beet weg, taumelte, griff sich an die Brust, und dann wurde es ihm schwarz vor den Augen und sein Denken riss. Haltlos brach er zusammen.
Es war sein Glück, dass ihn die Nachbarin durch das Fenster im Treppenhaus noch beobachtet hatte. Sie sah Uwe zu Boden sinken und war einen Moment lang vor Schreck vollkommen perplex, dann aber kam Leben in ihre Gestalt. Sie rannte ins Wohnzimmer, wo ihr Mann auf der Couch lag und döste. »Soeben ist der Uwe in seinem Garten zusammengebrochen, Alfred!«, rief sie von Panik erfüllt. »Ich hab‘ ihn noch gewarnt ...«
Alfred riss es regelrecht in die Höhe. »Was sagst du da? Der Uwe ist ...«
»... zusammengebrochen. Kein Wunder! Er hat in der prallen Sonne Unkraut gezupft. Wahrscheinlich hat er einen Hitzschlag. Kümmere du dich um ihn, Alfred. Ich ruf‘ den Rettungsdienst an.«
Alfred rannte in Socken aus dem Haus, kletterte über den Zaun und kniete bei dem reglosen Uwe ab. Er lag auf der Seite und hatte die Augen geschlossen. Sein Atem ging röchelnd und stoßartig. Alfred hatte keine Ahnung, was zu tun war. Er stand der Situation absolut hilflos gegenüber und war total überfordert. »Uwe«, rief er unterdrückt, »he, Uwe, kannst du mich hören?« Er rüttelte den Besinnungslosen leicht an der Schulter, doch Uwe regte sich nicht.
Margarete, Alfreds Frau, erschien auf der anderen Seite des Gartenzauns. »Ein Rettungsfahrzeug und der Notarzt sind unterwegs«, berichtete sie. »Was ist mit dem Uwe. Hast du schon mal seinen Puls gefühlt?«
»Er atmet, ist aber bewusstlos«, antwortete Alfred. »Ich weiß ja nicht mal, wo ich hinlangen muss, wenn ich seinen Puls fühlen will. Darum habe ich mich doch nie gekümmert.«
»Ich komm‘ hinüber«, rief die Frau.
Sie stieg jedoch nicht über den Zaun, sondern verließ ihren Grund durch die Gartentür und kam ebenfalls durch die Gartentür in den Nachbarsgarten. Bei der reglosen Gestalt ging sie auf das linke Knie nieder, nahm Uwes linke Hand und legte den Daumen auf die Stelle am Handgelenk, wo sie die Pulsader wusste. Eine ganze Weile wirkte sie voll konzentriert, dann nickte sie. »Der Puls ist schwach«, murmelte sie. »Hoffentlich kommt der Sanitätswagen bald.«
Ihr Wunsch ging in Erfüllung. In der Ferne war die Sirene des Rettungswagens zu vernehmen. Schnell nahm sie an Lautstärke zu, und bald darauf hielt das Fahrzeug vor dem Haus Uwes. Die Sirene wurde abgestellt, die Blinklichter blieben jedoch eingeschaltet. Fast zeitgleich mit dem Sanitätswagen kam der Pkw mit dem Notarzt, ebenfalls mit einem rotierenden Blaulicht auf dem Dach.
Nach kurzer Untersuchung sagte der Arzt: »Wahrscheinlich hat der Herr Dippold einen Herzinfarkt erlitten. Wir bringen ihn auf dem schnellsten Weg in die Klinik.«
Uwe wurde erstversorgt, dann transportierte man ihn ab. Seine Frau, mittelgroß, schmächtig, blass und irgendwie zerbrechlich anmutend schaute mit erloschenem Blick dem Rettungswagen hinterher. Sie hatte die ganze Zeit über händeringend und mit verzweifeltem Gesichtsausdruck dabeigestanden und zugeschaut, wie der Notarzt und die beiden Sanitäter ihren Mann erstversorgt hatten.
Margarete stand neben ihr. »Die kriegen den Alfred schon wieder hin, Anna«, versuchte sie ihr Mut zuzusprechen. »Der hat doch eine Rossnatur.« Sie forschte kurz im verhärmten Gesicht Anna Dippolds, dann murmelte sie: »Du schaust auch noch ziemlich mitgenommen aus. Ich glaub’, das war ein bissel viel für dich. Net, dass du uns auch noch umfällst. - Komm, ich geh‘ mit dir hinein. Du musst dich hinlegen. Die Emilia muss ja auch verständigt werden. Du kannst auf mich zählen, Anna. Sei versichert, du bist nicht allein.«
»Danke, Margarete. Ich glaub‘, ich bin tatsächlich ein bissel überfordert. Der Himmel wirds dir danken. Vergelte es Gott.«
*
Bei der fünfundzwanzigjährigen Emilia Dippold klingelte das Telefon. Ein Blick auf das Display sagte ihr, dass sie vom Festnetzanschluss ihrer Eltern aus angerufen wurde. Sie nahm das Gespräch an. Es waren jedoch weder ihr Vater noch ihre Mutter, die sie kontaktierten, es war die Nachbarin ihrer Eltern. Dass sie vom Festnetzanschluss ihrer Eltern aus anrief, befremdete Emilia und sie spürte die jähe Sorge, die sie erfasste und ihr Herz schneller schlagen ließ. »Hallo, Emilia«, sagte Margarete Schuster. »Du wirst dich wundern, dass ich es bin, die dich anruft. Dein Papa hat wahrscheinlich einen Herzinfarkt erlitten und wurde vor wenigen Minuten in die Bergklinik abtransportiert. Deine Mama, die ja von ihrer Operation auch noch nicht richtig genesen ist, ist fix und fertig, wie du dir denken kannst.«
»Um Gottes willen!«, entfuhr es Emilia. Der Schreck bei ihr ging tief. Für einen Sekundenbruchteil glaubte sie, das Herz müsste ihr in der Brust zerspringen »Der Papa – einen Herzinfarkt! Das – das ist ja ...« Sie brachte keinen zusammenhängenden Satz zustande. Schließlich aber bekam sie den Aufruhr in ihrem Innern ein wenig unter Kontrolle und sie fragte: »Besteht Lebensgefahr? Musst‘ er reanimiert werden? Was sagt denn der Arzt?«
»Der Uwe war besinnungslos. Sie haben ihn erstversorgt und dann abtransportiert. Es ist nicht hundertprozentig sicher, ob’s ein Infarkt ist, aber sehr wahrscheinlich. Ruf‘ halt einfach mal in der Bergklinik an, Emilia. Dir, als seiner Tochter, geben sie wahrscheinlich Auskunft.«
»Ist die Mama bei dir, Margarete, oder muss sie liegen?«
»Sie sitzt auf der Couch. Soll ich sie dir mal geben?«
»Ja, bitte.«
Gleich darauf hatte Emilia ihre Mutter an der Strippe. »Grüß di, Mädchen«, grüßte Anna mit schwacher, brüchiger Stimme. »Es – es ist so schrecklich, was mit dem Papa passiert ist. Aus heiterem Himmel ist er draußen im Garten umgekippt. Gott sei Dank hat die Margarete alles beobachtet. So konnte dem Papa schnell geholfen werden. Ach Mädchen, ich weiß nimmer, wo mir der Kopf steht. Ich selber bin ja nach meiner OP an der Gebärmutter auch noch nicht richtig auf dem Damm. Die Margarete hilft mir zwar, wo’s geht, aber die Sorge um den Papa kann sie mir auch nicht abnehmen. Ich bete zu Gott, dass er die Attacke überlebt.«
Emilia dachte kurz nach, dann fasste sie einen Entschluss. »Ich habe noch meinen gesamten Jahresurlaub, Mama. Ich ruf‘ gleich mal meinen Chef an und frag‘ ihn, ob ich den Urlaub wegen der außergewöhnlichen Umstände gleich am Montag antreten kann. Wenn er zustimmt, würde ich mich sofort in mein Auto setzen und nach St. Johann kommen.«
»Das wäre natürlich ideal, wenn du hier wärst, Mädchen«, murmelte Anna. »Wobei ich dir keine besonderen Umstände bereiten will. Von Köln herunter ins Wachnertal – das ist ja auch nicht der nächste Weg. Und mit dem Nico musst du’s auch besprechen.«
»Der Nico ist selbstständig genug, um mal ein paar Wochen ohne mich zurechtzukommen«, versetzte Emilia. »Natürlich werde ich’s mit ihm besprechen. Aber um Erlaubnis muss ich ihn nicht bitten. Unabhängig davon wird er einsehen, dass ich dich nicht allein lassen kann. Ich melde mich wieder, Mama. Solltest du in der Zwischenzeit etwas über den Zustand vom Papa hören, dann sag‘ mir sofort Bescheid.«
»Selbstverständlich«, versprach Anna ihrer Tochter.
Emilia sprach noch kurz mit Margarete Schuster, dann verabschiedete sie sich.
Zuerst kontaktierte sie ihren Arbeitgeber. Sie war in einer Rechtsanwaltskanzlei als Rechtsanwaltsgehilfin tätig. Ihr Chef stimmte nach einigem Hin und Her zu, dass sie ab Montag Urlaub machte. »Außergewöhnlich Umstände erfordern eben außergewöhnliche Maßnahmen«, hatte er geäußert. »Es ist in Ordnung, Emilia, nehmen Sie Ihren Urlaub.«
Nico Rodler, Emilias Lebensgefährte, sagte: »Natürlich musst du sofort nach St. Johann fahren und deiner Mutter seelischen und moralischen Beistand leisten, Schatz. Das ist doch keine Frage. Ich komme mit Sicherheit eine Weile ohne dich zurecht.«
Also setzte sich Emilia am Sonntagfrüh in ihr Auto und fuhr los. Vor ihr lagen über siebenhundert Kilometer Autobahn und Landstraße. Am Abend zuvor war sie durch ihre Mutter noch in Kenntnis gesetzt worden, dass der Zustand ihres Vaters stabil war und Komplikationen nicht mehr zu befürchten waren. Diese Mitteilung wirkte sich auf Emilia ausgesprochen beruhigend aus. Sie machte sich jetzt mehr Sorgen um ihre Mutter als um ihren Vater. Ihre Mutter hatte eine Totaloperation mit Entfernung von Gebärmutterkörper und Gebärmutterhals hinter sich, war aber vor der Operation schon nicht die Robusteste gewesen.
Lediglich einmal fuhr Emilia einen Rasthof an, um eine Kleinigkeit zu essen, sich die Beine ein wenig zu vertreten, die Toilette aufzusuchen und zu tanken. Nach etwa acht Stunden Fahrt langte sie auf der Passhöhe an, von der aus der Blick ins Wachnertal mit seinen drei Gemeinden frei war.
Es war für Emilia ein erhebendes Gefühl. Obwohl sie seit sieben Jahren in Köln lebte und allenfalls zweimal jährlich ihre Eltern besucht hatte, hatte sie das Gefühl, wieder daheim zu sein. Der Anblick des Tals, der Wälder und des Hochgebirges im Hintergrund berührte sie. Bei dem vertrauten Anblick wurde es ihr ganz warm ums Herz. Innerlich hatte sie sich nie vom Wachnertal lösen können.
Von der Passhöhe aus führte die schmale Straße in Serpentinen hinunter ins Tal. Schließlich rollte das Auto in die Ebene und einige Minuten später passierte Emilia schon die Ortsgrenze von St. Johann.
Das Haus ihrer Eltern befand sich in einer Seitenstraße. Es war um die Mitte des Nachmittags, als Emilia ihr Auto vor dem Grundstück am Straßenrand parkte und schon gleich darauf an der Haustür läutete.
Anna Dippold öffnete die Haustür. Emilia erschrak. Ihre Mutter schien, seit sie sie das letzte Mal nach ihrer OP gesehen hatte, um Jahre gealtert zu sein. Um Ihren Mund lag ein verhärmter Zug, ihr Gesicht war krankhaft bleich, die Augen lagen in tiefen, dunklen Höhlen und glitzerten fiebrig.
»O Mama!« Emilia wurde von ihren Gefühlen überwältigt, nahm ihre zerbrechlich wirkende Mutter in die Arme und drückte sie an sich. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Das mit dem Papa ist so furchtbar«, erklärte sie mit brüchiger Stimme. »Sein Zustand ist doch immer noch stabil?«
Sie gab ihre Mutter wieder frei. Anna und ihre Tochter begaben sich ins Wohnzimmer, setzten sich, und jetzt erwiderte Anna Emilias Frage: »Ja. Sie haben ihm einen Stent eingesetzt und so die verschlossene Ader in seinem Herzen geöffnet, sodass die Durchblutung wieder sichergestellt ist. Der Arzt meint, dass der Papa in einer Woche die Klinik verlassen darf, es sei denn, es ergeben sich nicht doch noch irgendwelche Komplikationen. Anschließend soll er allerdings für drei Wochen auf Reha gehen.«
»Ich habe fünf Wochen Urlaub, Mama. Ich kann also bleiben, bis der Papa von der Reha zurück ist.«
»Das ist gut, Emilia. Ich bin dir so dankbar. Du hast sicher einen Koffer oder eine Reisetasche im Auto. Hol das Gepäck herein. Du kannst dein Zimmer beziehen. Wenn das erledigt ist, dann wär’s mir recht, wenn wir in die Klinik fahren würden. Der Papa befindet sich immer noch in der Überwachungsstation. Ich habe heut‘ Mittag mit dem Arzt telefoniert. Es sind keinerlei Anhaltspunkte vorhanden, wonach es zu Komplikationen kommen könnt‘.«
»Das zu wissen ist ja schon mal sehr beruhigend«, erklärte Emilia. »Ich hol‘ die Reisetasche aus dem Auto.«
Sie verließ das Haus. Als sie sich auf dem gepflasterten Weg zur Gartentür befand, erschien dort Margarete Schuster, die freundliche Nachbarin. »Grüß di, Mädchen«, rief sie erfreut. »Ich habe dich vorfahren sehen. Wie lange bleibst du denn?«
»Bis der Papa von der Reha zurück ist, Margarete«, antwortete Emilia. »Die Mama ist auch nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ich könnte es nicht verantworten, wenn ich mich nicht selber um sie kümmern würde.«
»Ich hätte ihr auch beigestanden«, beteuerte Margarete. »Aber ständig hätte ich auch nicht um sie herum sein können. Es ist schon gut, wenn jemand bei ihr im Haus ist, der sie ständig im Auge behalten kann.«
»Das sehe ich auch so, Margarete«, pflichtet Emilia der hilfsbereiten Nachbarin bei. »Dann kann ich auch gleich die Mama wieder ein bissel aufpäppeln. Die gefällt mir nämlich gar nicht. Die schaut ja jetzt schlechter aus als unmittelbar nach der Operation. Na ja, wahrscheinlich ists auch der Schreck, nachdem der Papa den Infarkt erlitten hat. Sicherlich macht sie sich auch viel zu viele Sorgen wegen dem Papa, obwohl die Ärzte Entwarnung gegeben haben.«
»Nun ja, mit so einem Herzinfarkt ist nicht zu spaßen«, murmelte Margarete. »Das Herz ist auf jeden Fall geschädigt.« Sie hob die Hände, ließ sie wieder sinken und endete: »Muss der Uwe künftig halt ein bissel besser auf seine Gesundheit achten. Ich habe ihn noch gewarnt, als er in der prallen Sonne Unkraut gejätet hat. Der Schweiß ist ihm übers Gesicht geronnen. Ich hätt‘ zwar eher mit einem Hitzschlag gerechnet. Auf mich gehört hat er leider nicht, als ich ihn gewarnt hab‘.«
»Der Papa war halt schon immer einer, der davon überzeugt war, dass ihn nix umwerfen kann«, erwiderte Emilia. »Jetzt wurde er eines Besseren belehrt. Ich bin dankbar, dass die Sache an und für sich harmlos verlaufen ist. Es hätt‘ ja auch anders ausgehen können. Vielleicht ists dem Papa eine Lehre.«
»Ich schätz‘, ihr fahrt gleich in die Klinik«, wechselte Margarete das Thema.
»Ja. Ich trag‘ nur mein Gepäck ins Haus, mach‘ mich ein bissel frisch, und dann fahren wir.«
»Bestell‘ dem Uwe einen schönen Gruß von mir, Emilia, und wünsch‘ ihm von mir und dem Alfred gute Besserung.«
»Das mach‘ ich gern, Margarete. Ich muss mich überdies bei dir bedanken, dass du so schnell für Hilfe gesorgt hast, als der Papa umgekippt ist, und dass du der Mama so hilfsbereit zur Seite gestanden hast. Wir stehen in deiner Schuld, und ich hoff‘, dass wir diese Schuld irgendwann mal abtragen können.«
Margarete winkte ab. »Was ich getan hab‘, hätte jeder andere auch getan. Das war nix Außergewöhnliches. Mit deiner Mama und deinem Papa haben wir doch schon immer ein gutes, nachbarschaftliches Verhältnis gepflegt, Mädchen. Das wäre ja noch schöner, wenn man da nicht helfend einspringen würd.‘«
Margarete empfahl sich und Emilia trug ihre Reisetasche ins Haus. Nachdem sie sich geduscht und umgezogen hatte, fuhren sie und ihre Mutter hinauf zur Nonnenhöhe, genau gesagt zur Bergklinik.
*
Sie sprachen zunächst mit dem Oberarzt der Kardiologie. Er erklärte, wie auch schon anlässlich mehrerer Telefonate, dass Uwe Dippold über den Berg sei und in einigen Tagen aus der Klinik entlassen werden könne. Man habe bereits mit einer Reha-Klinik Kontakt aufgenommen. »Bei einer vernünftigen Lebensweise kann Herr Dippold steinalt werden«, schloss der Kardiologe seinen Bericht.