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Während meiner 3-jährigen kaufmännischen Lehre führte ich ein Arbeitsbuch, mit wöchentlichen Berichten über meine Erfahrungen während der Lehrzeit, aber auch persönliche Gedanken und Schilderungen von Erlebnissen im Büro, in der Schule und auch im Alltag. Das Arbeitsbuch war weniger ein notwendiges Übel, sondern es wurde geführt, weil es sowohl dem Lehrling, seinen Eltern wie der Lehrfirma jederzeit genauen Aufschluss über den bisher durchgemachten Ausbildungsgang gab, weil wir bei Vergleich der Eintragungen früherer und späterer Jahre die Fortschritte der Ausbildung erkennen, weil selbst-gesammelte Erfahrungen, Kniffe und beruflich wertvolle Arbeiten durch Beschreibung und Skizze für alle Zeiten festgehalten werden, weil wir uns im Beschreiben, Darstellen und Skizzieren üben, und weil wir durch die regelmässigen Eintragungen zu pflichtbewussten Menschen werden. Dabei sind viele Aufsätze entstanden, die nach so vielen Jahren nicht nur viel Amüsantes beschreiben, sondern auch Arbeitstechniken und Bürogeräte, die den nachfolgenden Generationen unbekannt sind und die sie höchstens noch vom Hörensagen kennen. Nicht zuletzt auch die zeitkritischen Kommentare, die ich als junger Mensch, mitten in der von den sogenannten 68er-Jahren ausgelösten Umbruchstimmung, über Vorgesetzte, Schule und auch ganz allgemein geschrieben habe.
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Seitenzahl: 193
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Das Geheimnis des Erfolges liegt darin,
dass man ganz gewöhnliche Dinge
ungewöhnlich gut macht.
Am ersten Tag meiner Lehrzeit, am 15. April 1969, betrat ich meinen künftigen Arbeitsplatz mit gemischten Gefühlen. Ich wusste gar nicht, was überhaupt machen. Sollte ich nun einfach eintreten und mich vorstellen, oder sollte ich lieber draussen warten, bis man mich hereinholt? Meine Zweifel verflogen aber rasch, als hinter mir ein Herr eintrat und sich als Herr Model vorstellte. Er bat mich einzutreten und führte mich auch gleich in meine erste Arbeit ein. Nämlich den Morgenrundgang. Zuerst führte er mich in das Büro von Herrn Moser und erklärte mir, was ich dort jeden Morgen zu tun hätte. Zuerst einmal musste ich beim Kalender ein Blatt abreissen, damit das Datum immer stimme. Dann war der Stempel Herrn Mosers auf das richtige Datum zu stellen. Ferner musste ich nachschauen, ob die Pflanzen genügend Wasser hätten. Weiter erklärte man mir, ich solle jeden Morgen schauen, ob Herr Moser genügend Makulaturpapier auf seinem Pult habe und dass er gespitzte Bleistifte in seiner Schublade vorfinde. Im anderen Büro habe ich jeden Morgen auch dasselbe zu tun.
Danach führte mich Herr Model durch das ganze Haus und stellte mich allen Leuten vor. Im ersten Stock zeigte er mir dabei, wo ich jeden Morgen die Post zu holen hätte. Wieder unten im Büro, waren noch zwei weitere Herren da, die mir Herr Model als Herr Sturzenegger und Herr Zagoda vorstellte.
Nun nahm Herr Sturzenegger die weitere Einführung an die Hand. Er erklärte mir, wie ich die kleine Kasse zu führen hatte und wie ich die Belege ausstellen solle. Als eine Zwischenarbeit gab mir Herr Sturzenegger Bücher zum Einbinden.
Am nächsten Tag lernte ich das Ablegen der Geschäftsbriefe. Das mache ich nun jeden Morgen. Und am Abend zeigte mir Herr Zagoda, wie ich die Briefe zu frankieren habe. Er übergab mir dazu auch das gesamte „Postwesen“. Das Frankieren von Briefen ist interessant, denn man lernt somit auch auf irgendeine Art Länder kennen, mit denen die Firma verkehrt.
Mir hat mein Lehrbeginn sehr gut gefallen. Am Anfang hatte ich noch immer die Schulordnung im Kopf und es war nicht leicht, sich umzugewöhnen. Denn der Übergang von Schule zu Beruf ist doch ein wichtiger Abschnitt im Leben eines Menschen.
Nun noch einige kurze Worte zu den Erwartungen, die ich von meiner Lehre habe. Ich möchte während dieser drei Jahre alle Stadien des kaufmännischen Berufs vollständig durchgehen. Angefangen von der Buchhaltung, bis zur Korrespondenz.
22.04.69
Jeden Morgen muss ich die Korrespondenz ablegen. Wenn man nun jemandem das Wort ablegen erklären soll, findet er die Arbeit, die damit zusammenhängt bestimmt leicht. Natürlich, ich will nicht sagen, dass das Ablegen schwer ist. Aber für einen Anfänger wie mich war das, und ist es jetzt noch, eine komplizierte Angelegenheit. Erstens einmal die verschiedenen Schubladen, in die die Korrespondenz versorgt werden muss. Sie sind natürlich angeschrieben, aber wenn man z.B. einen Brief von irgendeiner Firma in den Händen hat und ihn in der entsprechenden Mappe ablegen will, stellt sich dann heraus, dass er eigentlich in die Schublade mit der Aufschrift Pharma gehört. Obwohl diese beiden Schubladen sich nicht gross unterscheiden, ist es doch so. Wenn ich könnte, so würde ich diese beiden Abteilungen zusammentun. Es würde auch gleichzeitig das Ablegen und das Suchen nach bestimmten Schriftstücken sehr vereinfachen. Ich würde auch noch etwas anderes ändern. Natürlich weiss ich nicht, ob das gescheit ist, was ich hier schreibe, aber ich würde es dennoch so versuchen. Es hat in den Schubladen verschiedenfarbige Mäppchen. Grüne, die bedeuten allgemein. Damit ist ein Land gemeint, in dem mehrerer Vertreter und Firmen mit der Suter-Hamol korrespondieren. Gelbe, das sind die Mäppchen, in welchen die Leute sind, welche dauernd mit der Suter-Hamol im Briefwechsel stehen. Demzufolge hat jeder sein eigenes Mäppchen. Ich würde nun alle Länder, die ein Mäppchen „allgemein“ besitzen, zusammenlegen, d.h. in eine Schublade Europa A – K, dann L – U und V – Z, Asien, Amerika usw. ungefähr drei – vier Schubladen würden damit gefüllt. Die gelben Mäppchen würde ich nun ebenfalls chronologisch in die restlichen Schubladen versorgen. So wüsste man beim Suchen genau, wo der bestimmte Korrespondent sich befindet und müsste nicht zuerst fragen, in welchem Erdteil oder in welchem Land er zu suchen sei. Von mir aus gesehen wäre das einfacher. Wenn man nun z.B. die Korrespondenz von Raylan haben müsste, wäre es leichter, wenn man in der Schublade, in der die gelben Mäppchen sind, unter R nachschaute, als wenn man zuerst das Land suchen müsste und dann erst das Mäppchen Raylan’s.
30.04.69
Kommentar Herr Sturzenegger:
Die Auflösung der Abteilung Pharma ist mit dem Rundschreiben vom 30.04.69 in die Wege geleitet worden. Die Aufteilung der Länder in zwei Gruppen hätte nicht unwesentliche Nachteile. Zudem sind die Firmen in den einzelnen Ländern nicht so zahlreich, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte. JJS
Am Abend jedes Tages habe ich die ausgehende Post zum Versand fertigzustellen. D.h. ich muss sie zukleben und dann noch frankieren. Nun sind die Beförderungstaxen aber sehr verschieden. Um nun die Gestaltung übersichtlicher zu machen, unterteile ich in zwei Teile:
Inland: alle Briefe, die weniger als 250 g wiegen und mehr als 10 km weit geschickt werden, erhalten als Grundtaxe 30 Rappen. Briefe, die im Umkreis von 10 km ihren Bestimmungsort haben kosten 20 Rappen. Nun hat es auch Briefe, die gar nicht schnell genug ankommen können. Das sind Eil- oder Express-Sendungen, für welche ein Zuschlag (zum ordentlichen Taxwert) von 1.50 Franken bezahlt werden muss. Und schliesslich gibt es auch noch wertvolle Briefe. Wenn man will, d.h. wenn man zahlt, haftet die Post im Falle, dass die Sendung verlorenginge. Der Zuschlag für diese Art von Briefen ist 50 Rappen.
Drucksachen differieren schon etwas mehr. Bis zu 50 g zahlt man 10 Rappen. Über 50 g – 250 g 15 Rappen, bis 500 g 20 Rappen und von da bis 1 kg sind es 30 Rappen. Ungenügend frankierte: das Doppelte der fehlenden Frankatur. Unfrankierte werden nicht befördert.
Das sind nur einige Beispiele der Briefbeförderung, von welchen die Taxen für die Schweiz und das Fürstentum Lichtenstein gelten. Nun kommen wir zum Ausland. Das Teilen wir wieder auf, in Europa und Nichteuropa.
Europa: Briefe kosten bis zu 20 g 50 Rappen. Für je weitere 20 g zahlt man nochmals 30 Rappen darauf. Im Grenzkreis (Deutschland, Frankreich und Österreich) zahlt man für Briefe die innerhalb 30 km bleiben für je 20 g 30 Rappen. Es wird hierbei mit Luftlinie gemessen. Expressbriefe kosten 1.20 Franken Zuschlagspreis. Eingeschriebene Briefe haben einen Zuschlag von 70 Rappen auf die ordentliche Beförderungstaxe. Drucksachen kosten bis 50 g 20 Rappen. Für je weitere 50 g gibt es 10 Rappen Zuschlag.
Aussereuropäische Länder: Luftpostbriefe kosten je nach Land verschieden viel. Darum hat die Post eine Tabelle herausgegeben, auf welcher alle Länder angegeben sind. Jedes Land hat hinten einen Preis. Entweder 10-, 20-, 25-, 30-, 40- oder 60 Rappen. Rechts auf der Tabelle hat jeder dieser Preise eine Kolonne. Darin sind das mögliche Gewicht eines Briefes und daneben die Taxen angegeben. Hat man z.B. einen Brief nach China, so schaut man was China hinten für eine Taxe hat, schaut nach dem man den Brief gewogen hat, hinten in der Tabelle nach und schon weiss man, mit wieviel (Marken) man den Brief frankieren muss. Diese Tabelle gilt aber nur, wenn der Brief per Luftpost versandt wird. Dies muss auf dem Briefumschlag angegeben sein.
Für Expresssendungen, eingeschriebene Briefe und Drucksachen, gilt das gleiche, wie für Europa. Europa ist übrigens ohne Luftpostzuschlag.
Mir kommen beim Frankieren täglich Probleme auf. Doch mit der Zeit kommt die Übung. Da sind z.B. eingeschriebene Briefe, die per Express in ein fernes Land gesendet werden müssen. Bei denen ist das Frankieren nicht sehr leicht. Aber wie schon gesagt: wenn man Übung hat, geht alles schneller und besser.
Fast hätte ich noch etwas vergessen. Wenn man einen Geschäftsbrief hat der ins Ausland geht, und der vom Briefpartner beantwortet wird, kann man ihm noch das Rückporto beilegen. Aber nicht etwa in Briefmarken, denn damit könnte der Briefpartner im Ausland nichts anfangen. Sondern man legt ihm einen Internationalen Antwortschein bei. Wenn er nun zurückschreibt, kann er auf die Post gehen und den IA gegen das Rückporto in seiner Briefmarkenwährung, bez. In die seines Landes, umtauschen und muss somit kein Porto bezahlen. Dieser Schein ist für alle Länder der Welt gültig. Er ist in sieben Sprachen abgefasst.
08.05.69
Am Montag, dem 28. April, fuhren Herr Stüssi, Herr Sturzenegger und ich nach Wald. Dort angekommen, zeigte uns Herr Stüssi den Betrieb. Zuerst führte er Herrn Sturzenegger und mich in ein Untergeschoss, wo die noch nicht verarbeiteten Produkte gelagert werden. Von den Parfüms bis zum Talg ist dort alles zu finden. In einem Nebenraum befinden sich 6 riesige Tanks, worin kölnische Wasser, Lavendelwasser und Alkohol verarbeitet und aufbewahrt werden. Mit Hilfe einer Pumpe können die Tanks angezapft werden und man kann ihnen die gewünschte Menge einer Flüssigkeit entnehmen. Im Untergeschoss befindet sich auch das „Elektrizitätswerk“ des Betriebs. Es besteht aus verschiedenen Turbinen und Generatoren. Betrieben wird es mit dem Wasser vom Bach, der nicht weit vom Haus vorbeifliesst. Wenn man weitergeht, kommt man in einen Raum, worin 4 riesige Kessel sind. Im ersten Moment meint man, in einer Molkerei zu sein, denn der Raum sieht beim ersten Blick gar nicht wie der Raum zur Herstellung von kosmetischen Produkten aus. Nur der Duft passt nicht in eine Molkerei. Riesige Mengen von Shampoo schwimmen in den Kesseln und werden gerührt, geschwungen und mit destilliertem Wasser verdünnt. Im 1. Stock werden Augenstifte, Make-ups und diverse Hautcremen hergestellt. Augenstifte sind nicht allzu schwer zu machen. Ein Pulver wird erhitzt bis es eine blauviolette Flüssigkeit gibt. Diese Flüssigkeit wird in lippenstiftähnliche Formen gegossen und fest gedrückt. Dann kommt es in kaltes Wasser und zuletzt werden die Formen auseinander genommen und man schraubt das Ergebnis dieser Prozedur auf einen Stift.
Das Einfüllen der Haarspraydosen ist auch interessant. Die Dosen bekommen zuerst einmal den Verschluss, dieser wird automatisch festgemacht wenn das Gas eingefüllt wird. Vorher kommt aber noch die eigentliche Flüssigkeit hinein. Wenn das dann gemacht ist, kommt das Ganze einige Zeit in 50grädiges Wasser um etwaige undichte Dosen – die verraten sich meist durch Luftblasen – ausscheiden zu lassen.
Das Füllen der Cremen geht einfacher. Die Masse kommt aus einer Maschine, wird in die darunter gestellten Töpfe und Fläschchen gefüllt, verschlossen und angeschrieben und schon ist es fertig.
Im 2. Stock ist ein riesiges Lager, welches systematisch angelegt ist. Jedes Ding ist an seinem Platz. Es herrscht dort oben wirklich eine vorbildliche Ordnung.
Dies wäre nun eine ganz grobe Zusammenfassung, welche die Dinge beschreibt, die mich am meisten beeindruckten. Dieser Vormittag war für mich sehr lehrreich und ich habe in Wald manches gelernt.
14.05.69
Telegramme kann man auf verschiedene Arten aufgeben. Die 1. Art ist einfach: man geht auf eine Post (hier in Zürich ist es die Sihl Post) und gibt den Text ab. Bei der 2. Art geht es wesentlich einfacher. Man telefoniert dem Telegrafenamt und gibt den Text durch. Diese Art wird auch in der „Interhamol“ gepflegt und ich machte heute zum 1. Mal Erfahrungen mit Telegrammen. Hier möchte ich nun schildern, wie das gemacht wird:
Zuerst bat ich bei der Telefonistin um eine Verbindung mit dem Telegrafenamt. Als diese zustande gekommen war, musste ich erst einmal die genaue Adresse und die Telefonnummer1) angeben. Dann musste ich den Empfänger des Telegramms genau angeben. Der Name muss immer buchstabiert werden. Aber nicht etwa mit dem gewöhnlichen Alphabet, sondern mit einer Buchstabiertabelle, welche international2) anerkannt ist. Für ein A sagt man z.B. Alpha, für ein B Bravo usw. Dann erst kann man den Text durchgeben. Wenn er in deutscher oder französischer Sprache abgefasst ist, so muss man ihn in den seltensten Fällen buchstabieren. Nur wenn Namen, Ortschaften, Firmennamen, Länder oder Warenbezeichnungen, welche schwer verständlich sind, darin auftauchen, so muss man sie buchstabieren. Texte, welche spanisch, russisch, italienisch oder in irgendeiner anderen Sprache geschrieben sind, muss man buchstabieren. Denn Telegrafisten und Telegrafistinnen können nicht alle Sprachen.
Wenn das Telegramm nun aufgegeben ist, muss man sagen, ob es als Brieftelegramm oder als gewöhnliches Telegramm den Empfänger erreichen soll. Der Unterschied: Brieftelegramme werden durch den Briefträger, gewöhnliche Telegramme aber durch einen Eilboten ausgetragen.
Nun noch ein kurzes Wort zu den Taxen: Bei Inland-Telegrammen kosten die ersten 15 Wörter Fr. 1.25, jedes weitere Wort 5 Rappen. Im Auslandverkehr sind die Worttaxen nach der Entfernung abgestuft.
Nun fragt man sich, warum man überhaupt telegrafiert. Muss eine Nachricht schnell den Empfänger erreichen, so kann man telefonieren und braucht sich nicht auf ein Minimum von Wörtern zu beschränken. Eilt es nicht, so schickt man einen Brief, in dem man billiger mehr schreiben kann. Da kann man nur ein sagen: Der Telegraf verbindet die Schnelligkeit des Ferngesprächs mit der Beweiskraft des Briefes. Und dies ist wichtig im heutigen Geschäftsleben!!
21.05.69
Kommentar Herr Sturzenegger:
Sicherheit, „Quittung“
jetzt: Tabelle CH deutsch, franz., ital.
Tabelle GB engl.
Tabelle USA engl.
neu ICAO (International Civil Aviation Organisation)
Ausser der «normalen» Arbeit habe ich noch einige andere Aufgaben. Da wäre zuerst einmal das Kaffee- und Tee-Machen. Um den Arbeitsablauf angenehmer zu gestalten, mache ich um 10 Uhr morgens und 3 Uhr nachmittags Kaffee und Tee. Da ich schon am Anfang meiner Lehrzeit damit begonnen habe, weiss ich nun schon, dass Herr Moser morgens und nachmittags nur immer Kaffee trinkt, dass Herr Sturzenegger nie Zucker in sein Getränk gibt, dass Herr Zagoda immer sehr viel Milch in seinen Kaffee tut und dass Herr Stüssi am Morgen einen Schwarztee und am Nachmittag einen Fruchtschalentee trinkt. Eine Ausnahme bildet Herr Model. Wahrscheinlich traut er meiner Getränkebrauerei nicht ganz, denn er bringt sich sein Getränk - Choco-Drink von der Migros - immer selber mit. Leider muss ich nachträglich immer das Geschirr abwaschen und abtrocknen.
Eine andere Aufgabe ist die „Bemutterung“ Herrn Mosers. Ich muss mir alle seine Daten merken. So muss ich mir z.B. merken, dass er am Freitag um 10:30 Uhr beim Zahnarzt angemeldet ist und muss weiter dafür sorgen, dass er überhaupt hingeht (ich geh‘ auch nicht gern zum Zahnarzt). Wenn er an einem bestimmten Tag ein Buch, das er in irgendeiner Bibliothek ausgeliehen hat, zurückgeben muss, habe ich ihn frühzeitig daran zu erinnern. Um mir nun die ganze Arbeit zu erleichtern, ist für Herrn Moser ein Apparat mit dem Namen MEMEX angeschafft worden. Mit einem Bleistift wird auf dem Block, der eine Zeitskala aufgedruckt hat, bei der gewünschten Zeit ein Strich gezogen und daneben eine kurze, stichwortartige Notiz über die Pendenz aufgeschrieben. Wenn nun der Abtaster, der mit der Zeit läuft, den Strich berührt, läutet und leuchtet der MEMEX, bis man ihn mit einem Druck auf einen Knopf zum Schweigen bringt. Weitere Angaben stehen auf der Reklamenotiz, die auch eingeheftet ist. Mit dieser Hilfe brauchen Herr Moser und ich uns nicht den Kopf mit den verschiedensten Angaben vollzustopfen.
28.05.69
Die vier Hamolfirmen Schwechat, Venegono, Nürtingen und Amsterdam verfassen jede Woche einen genauen Rapport über die Produktion, die sie in einer Arbeitswoche gemacht haben. Diese Fabrikationsrapporte werden auf vorgedruckte Formulare geschrieben. Um nun die Fabrikationsrapporte der verschiedenen Firmen auseinanderzuhalten, sind die Formulare verschieden farbig gedruckt worden. Jede dieser Hamolfirmen hat nämlich seine eigene Hausfarbe. Schwechats Fabrikationsrapporte sind gelb, diejenigen von Venegono blau, die von Nürtingen grün und die von Amsterdam sind rot. Wenn nun eines Tages bei mir auf dem Pult plötzlich ein blaues Formular liegt, so weiss ich sofort, dass es ein Fabrikationsrapport aus Italien ist. Auf so einem Formular sind verschiedene Unterteilungen. Es ist zuerst einmal angegeben, wie viele Arbeiterinnen in der Woche gearbeitet haben und wie viele Stunden sie zusammen gearbeitet haben. Weiter unten sind die produzierten Kilos aufgeschrieben. Darunter die Normaleinheiten. Diese sind in Stücken angegeben. Normaleinheiten sind die Produkte, die auf den Markt gebracht werden. Es gibt dann noch einen weiteren Punkt auf dem Formular. Es werden nämlich auch noch die Muster und Proben, die eine Firma eventuell herstellt, aufgeschrieben. Diese werden ebenfalls in Stücken angegeben. Je ein solches Formular als Muster ist übrigens mit eingeheftet. Die Zahlen dieser Rapporte werden von mir auf ein anderes, weisses Formular aufgeschrieben, welches immer bei mir in der Schublade bleibt. Auch hier hat jedes Land ein anderes Formular. Ein solches Formular als Beispiel ist auch eingeheftet.
Die Fabrikationsrapporte werden dann in Ordner eingeheftet, die in einem Kästchen gut aufgehoben werden. Jedes Land besitzt einen eigenen Ordner.
Am Ende eines Jahres werden anhand der weissen Formulare Fabrikationskurven gezeichnet. Ich finde diese Arbeit interessant, denn sie zeigt mir jede Woche welche Hamolfirma am fleissigsten gearbeitet hat.
04.06.69
Als ich mit der Aufhebung der beiden Pharma-Schubladen begann, hätte ich nie gedacht, dass von diesen beiden Schubladen am Ende nur noch kaum eine halbe übrigbleiben würde. Herr Sturzenegger sagte mir zu Beginn meiner Arbeit, ich solle nur alles fortwerfen das mehr als 10 Jahre alt sei. Ich hatte mir vorgenommen, die Korrespondenz in die anderen, entsprechenden Schubladen umzuklassieren. Die Pharma-Korrespondenz von Deutschland – nur um ein Beispiel zu zeigen – mischte ich unter die Korrespondenz von Deutschland allgemein. Aber dieses „Mischen“ bereitete mir keine grosse Mühe, da ich fast alles fortwerfen konnte. Die Mehrzahl aller Briefe, Rechnungen, Speditionen usw. trug das Datum der fünfziger Jahre und einige waren sogar in den vierziger Jahren datiert worden. Diese alte Ware wurde kurzentschlossen in den Papierkorb geworfen und vergessen. Für diese Arbeit brauchte ich einige Stunden.
Danach schlug Herr Sturzenegger vor, dass ich, wenn ich nun schon an der Arbeit sei, eigentlich gerade das ganze Kabinett umgestalten und verbessern könne. Ich machte mich also auf die Socken und befreite zuerst alle Schubladen von den zehnjährigen und älteren Briefen. Auch hier gab es einige Papierkörbe zu füllen. Dann teilte ich Afrika, Asien und Amerika auf. D.h. ich teilte die Mäppchen „allgemein“ dieser Kontinente in Länder auf. Das war keine leichte Arbeit, denn auf jeden Kontinent kamen immerhin ungefähr 20 Länder, die endlich auch ein eigenes Mäppchen wollten. Afrika z.B. war am schwierigsten zum Aufteilen. Denn dort unten wechseln die Länder fast nach Belieben Namen, Grenzen und nicht zuletzt auch ihre Regierung. Nach dieser Aufteilung waren die Schubladen wieder ein bisschen leerer geworden, denn auch hier waren Briefe darunter, die schon längst hätten „pensioniert“ werden sollen. Nun, jetzt sind sie’s jedenfalls.
Zum Schluss kam noch die grosse Umräumung. Das Kabinett besteht aus drei Reihen von je fünf Schubladen. Die ersten fünf Schubladen besetzte die Korrespondenz Europas. In der 1. Schublade Europa A –G, in der 2. Europa I, in der 3. Europa J – N, in der 4. Österreich und in der 5. Europa P – Z. Dies ist nun alles ein bisschen zusammengefasst worden:
Der Zentralterminator, welcher bis jetzt immer an erster Stelle der untersten Reihe war, befindet sich nun an 1. Stelle der obersten Reihe (siehe Zeichnung). Dadurch ist nun alles um eine Schublade nach rechts verschoben worden. Nur um Europa in der obersten Reihe zu lassen, sind die beiden Schubladen Europa I und Europa J – N zusammengefasst worden. Weitere Änderungen sind der Darstellung des Kabinetts zu entnehmen:
Vorher:
Europa A-G
Europa I
Europa J-N
Österreich
Europa P-Z
Afrika
Asien
Amerika Australien Neuseeland
Pharma A-M
Pharma N-Z
Zentral- Terminator
Büromat. Büromaschinen, usw.
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„Rumpel- Kiste“
Nachher:
Zentral- Terminator
Europa A-G
Europa I-N
Österreich
Europa P-Z
Afrika
Asien
Amerika Australien Neuseeland
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