Atempausen für die Seele - Pierre Stutz - E-Book

Atempausen für die Seele E-Book

Pierre Stutz

0,0

Beschreibung

In der Alltagshektik innehalten und die stärkende Kraft des Atmens erfahren: Im bewussten Ein- und Ausatmen liegt eine Kraft, die Kreativität, Entschiedenheit, Beziehungsfähigkeit und Engagement fördert. Die Anregungen und Meditationen von Pierre Stutz inspirieren dazu, im Einklang mit dem eigenen Rhythmus zu leben und ein gesundes Zeitmaß zu finden. Ob am Morgen, in der Pause oder in Stresssituationen – Atempausen helfen dabei, gelöster und gelassener im Leben zu stehen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 73

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Neuausgabe 2020

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2004Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.de

Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, RosenheimUmschlagmotiv: © Gestaltungssaal, Rosenheim

E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN E-Book 978-3-451-81978-0ISBN Print 978-3-451-03 236-3

Für

Harald Weß,Monika Brunnsteiner,Petra Thumannin herzlicher Verbundenheit

Inhalt

Zur Einstimmung

1.Meine persönliche Tagesgestaltung – Atem ist Gegenwart

2.Innehalten am Arbeitsplatz – Atemholen

3.Freie Zeit in der Freizeit! – Durchatmen

4.Umgang mit meinen Schattenseiten – Atem schenkt Ruhe

5.Von Herz zu Herz – Atem verbindet

6.In Trauer- und Krisenzeiten – Dem Atemfluss trauen

7.Gesegnetes Aufatmen

Zur Einstimmung

Die letzten Jahre habe ich viele Menschen in hunderten von Lesungen und Seminaren ermutigt, mitten im Alltag innezuhalten, durchzuatmen, sich nicht leben zu lassen durch äussere Sachzwänge und innere Ansprüche. Frei zu werden für sich selbst. Die befreiende Kraft der Alltagsrituale habe ich in einigen Büchern beschrieben, die vielen Lesenden zur Lebenshilfe geworden sind. In fast allen Veranstaltungen wurde ich mit Rückfragen konfrontiert, die mich immer wieder neu herausgefordert haben. Zusammenfassend kam bei Jung und Alt immer wieder zum Ausdruck, dass in besonderen Stresssituationen und schwierigen Zeiten des Umbruchs die Zeit fehle, sich zu sammeln: „Wenn ich gut bei mir bin, dann nehme ich mir regelmäßig Zeit, um aufzutanken. Bin ich allerdings durch ein hektisches Arbeitsklima oder durch eine schwierige Familiensituation im Sog des Stresses, dann bin ich außer mir und die Zeit für eine Atempause fehlt mir völlig – es kommt mir gar nicht in den Sinn, auf meinen Atem zu achten!"

Diese wenigen Worte – wie sie mir selber auch sehr vertraut sind – führen uns mitten hinein in unseren Zeitgeist, der geprägt ist von Immer-Schneller, Immer-Mehr und Immer-Machbarer. In einem solchen Klima verlieren wir nicht nur unsere Menschlichkeit und unser Mitgefühl, sondern auch unsere Kreativität und unsere Lebensfreude. Mit den folgenden Impulsen stelle ich mich erneut dieser Herausforderung, indem ich für eine Fülle von Lebenssituationen ganz konkrete Atempausen beschreibe. Ich setze dabei besonders den Akzent auf Situationen, in denen wir gefangen sind in der Vorstellung, keine Zeit zu haben. Die Übungen sind in der „Ich-Form" geschrieben, um die Eigenverantwortung der Lesenden zu fördern. Dabei geht es mir nicht nur um eine persönliche Lebensgrundhaltung, sondern auch um das Zusammenhängende, das Ganze, das zu einem echten spirituellen Weg gehört.

Subtile Versklavung

Im Mangel an Zeit für das Wesentliche, für ein lebensnotwendiges Durchatmen erkenne ich eine neue subtile Form der Sklaverei. Wir lassen uns durch menschenfeindliche Strukturen durchs Leben peitschen und verbauen uns dadurch das Glück in unseren Beziehungen und in unserem Arbeiten. „Ich habe keine Zeit" wird zum alles bestimmenden Lebensgefühl. Dem setze ich mit aller Entschiedenheit die Behauptung entgegen, dass jeder und jede von uns Zeit genug hat – dass wir aber unsere Zeit zu wenig nutzen, um den Zugang zu unseren Ressourcen, zu unserem unerschöpflichen Wachstumspotential zu finden. Wir brauchen dringend ein Umdenken in allen unseren Lebensvollzügen – in den ganz persönlichen, wie auch in den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhängen.

Wir brauchen eine neue Kultur der Brachzeit, der Langsamkeit, der Leere, die unsere Lebensqualität fördert, unsere Solidarität nährt und unser Eingebundensein in Schöpfung und Kosmos stärkt. Wir brauchen eine Kultur des Widerstandes für eine menschlichere Welt, in der alle genügend Nahrung und saubere Luft zum Atmen haben.

Wir brauchen einen gesunden Rhythmus mit mehr Zwischenräumen, damit wir uns entschiedener und letztlich mit mehr Effizienz für eine nachhaltige Zukunft ein- und aussetzen können.

Die Kraft des Atems

In der mystischen Tradition aller Religionen habe ich gelernt, dass die Veränderung der Welt bei mir selber beginnt. Ich bin aufgerufen, meine Verantwortung wahrzunehmen in der Gestaltung meiner Beziehungen, meiner Arbeit und meiner Freizeit. Wenn ich einen wohlwollenden Umgang mit mir selber einübe, dann verändert dies unsere Welt. Das tiefe Ein- und Ausatmen eröffnet uns jene befreiende Spur, um gelöster und gelassener im Leben stehen zu können. Damit will ich auf gar keinen Fall die Komplexität und Widersprüchlichkeit unseres Lebens schönreden und mit ein paar einfachen Übungen verharmlosen. In meiner zwölfjährigen spirituellen Begleitung der unterschiedlichsten Menschen habe ich die Kunst der Einfachheit, die Gabe der Wiederholung, die Kraft der Rituale wieder entdeckt. Menschen, die nicht nur vom Kopf her leben möchten, sondern sich als Leib-Geist-Seele-Einheit entfalten wollen, sind auf die Weisheit der Wiederholung angewiesen. Wir sind aufgerufen, uns halbstündlich jene schöpferische Lebenskraft zu holen, die wir besonders dann brauchen, wenn wir hart gefordert sind im Leben.

Der Atem ist der Schlüssel zu diesem inneren Kraftort.

Der Atem ist zutiefst persönlich, und zugleich verbindet er uns als Lebensatem Gottes mit allem, was lebt.

Der Atem ist Ausdruck des Geschenkcharakters unseres Lebens. Das Wesentliche ist nie machbar, doch wir können Zwischen-Räume schaffen, um ihn zu erfahren.

Der Atem lädt uns ein zu einer Lebensschule, in der wir nicht nur vom Willen her leben, sondem uns dem Fluss des Lebens – eben dem Atemfluss – mehr anvertrauen.

Der Atem führt uns in die Gegenwart, ins Hier und Jetzt, in die Kraft des Augenblicks.

Atempausen für die Seele nenne ich die folgenden Anregungen. C. G. Jung umschreibt die Seele als das Lebendige im Menschen. Es ereignet sich darin das Göttliche, das jede und jeden von uns zu einer einzigartigen und verbindenden Lebendigkeit ruft. Hinter den vielfältigen Übungen steht dieser Respekt vor dieser Einmaligkeit. Je nach Charakter und Temperament, je nach Entwicklungsphase bin ich eingeladen, einige Rituale auszuwählen, um damit in die Tiefe zu gehen. Weniger ist mehr! Mögen wir durch unser Innehalten das Leben in seiner ganzen Fülle feiern, immer wieder neu.

Pierre Stutzwww.pierrestutz.ch

ERSTES KAPITEL

Meine persönliche Tagesgestaltung – Atem ist Gegenwart

IM GESTALTEN meines Tages kann ich einen gesunden Rhythmus einüben, der notwendig ist in einer Welt, in der wir vor unzähligen Informationen und Wahlmöglichkeiten stehen. Es ist dies eine Lebensqualität, die wir nicht missen möchten und die zugleich zu viel innerem Stress führen kann: wir spüren die Qual der Wahl. Sich entscheiden zu können, braucht Kraft. Ich kann sie mir holen, indem ich mir den Tag hindurch kleine Zwischenräume gönne. Dabei muss ich nicht sehr viel tun, sondern die Kraft der Langsamkeit und der Entschleunigung kultivieren, indem ich mein Aufstehen, mein Duschen, mein Essen, mein Sitzen, mein Gehen, meinen Arbeitsbeginn, meine Pausen mit kurzen Atem- und Körperübungen beginne. Mit wenigen, unscheinbaren Gesten kann ich ausdrücken, was wirklich wesentlich ist im Leben. Ich erinnere mich und andere, dass wir alle viel mehr sind als unsere Leistung und als unser Erfolg. Mein achtsames Atmen wird zur Meditation, die mich erinnert an das tiefe Eingebundensein in den Lebensatem. Unser Leben lebt vom Rhythmus des Tages und der Nacht, des Ruhens und Arbeitens. In der jüdischen Tradition beginnt der Tag am Abend. Im ersten Schöpfungsbericht heißt es „... und es ward Abend und es ward Morgen, erster Tag ...". Welch ein befreiendes Lebensgefühl, zuerst sein zu dürfen, weil jegliches Wachstum nicht in unserer Hand liegt. Mein dankbares Staunen über dieses Geschenk des Lebens, das sich in jedem Atemzug unserer Existenz erneuert, kann ich durch viele kleine Atempausen vertiefen.

TAGFÜR TAG

meinen Rhythmus finden

dem Leben mit Achtsamkeit begegnen

Stunde um Stunde

die Kraft des Innehaltens feiern

dem Leben mit Staunen begegnen

Minute um Minute

liebevoll Widerstand wagen

für eine Kultur der Langsamkeit

Sekunde um Sekunde

meinem Atemfluss trauen

darin das Verbindende mit allem erkennen

Beim Aufstehen

Schon beim Erwachen können mich verschiedene Gedanken in eine innere Unruhe bringen. Ich bin noch müde, aber mein Kopf ist schon sehr aktiv. Was ich heute nicht alles tun muss! Und erst morgen!! Ein Gedanke hetzt den anderen. Die Gedanken sind frei, sie können weiterbringen, inspirieren – und sie können sehr angstbesetzt sein. Unser Ego will mit immer neuen Gedanken die Kontrolle behalten.

Schon beim Aufstehen kann ich einüben, meinen vielen Gedanken liebevoll-bestimmt Grenzen zu setzen. So gelingt es mir, meinen Tag nicht in einer gedankenzentrierten „Ego-Grundhaltung" zu gestalten, ich versuche vielmehr, Zugänge zu meinem tieferen Selbst zu eröffnen, zu meiner Mitte, wo ich sein darf und wo Achtsamkeit und Mitgefühl entfaltet werden können.

Darum bleibe ich beim Aufstehen einen Moment stehen. Ich nehme mein Ein- und Ausatmen wahr, damit ich meinen denkenden Geist beruhigen kann.

HEUTE

achte ich beim Aufstehen

auf meinen Atemfluss

mein wohltuender Rhythmus

erinnert mich

an den Geschenkcharakter

allen Lebens

Heute

nehme ich beim Duschen

bei meiner Morgentoilette

voller Achtsamkeit

meinen Atem wahr

Heute

lasse ich mich nicht leben

sondern lebe aus meiner atmenden Mitte

Beim Essen

Wir leben in einer hochsüchtigen Gesellschaft – in der wir immer mehr haben und paradoxerweise immer weniger genießen: weil wir alles haben möchten und zwar immer schneller. Hastiges und beiläufiges Essen ist ein Symptom dafür.