Was die Stille erzählt - Pierre Stutz - E-Book

Was die Stille erzählt E-Book

Pierre Stutz

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Beschreibung

Wir suchen die Stille. Chancen und tiefe Erfahrungen erwarten uns: Dieses Wagnis einer Begegnung mit sich, den großen Lebensfragen und mit Gott will vorbereitet und durchgestanden sein.

Pierre Stutz, der bedeutende spirituelle Lebensbegleiter, führt mit seinen Meditationen durch dreißig intensive Tage des Schweigens: Er lädt ein, sich der Stille im Alltag zuzuwenden und ihrer Kraft nachzuspüren.

Die inspirierenden Tagebuch-Meditationen regen Leserinnen und Leser zu eigenen Tagebuch-Texten an. Im Buch ist daher Raum geschaffen: Es wird zu einem ganz persönlichen Stille-Tagebuch. Das Geheimnis der Stille schenkt neue Lebensqualität.

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Seitenzahl: 53

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Inhaltsverzeichnis
 
Einstimmung
 
Ankommen
 
Copyright
Andreas Schreiber, Bernadette Inauen-Wehrmüller, Doris Hasenschwandtner, Wunibald Müller gewidmet, in herzlicher Verbundenheit.
Einstimmung
Die Stille fasziniert mich seit langem. Sie verheißt mir, einfach sein zu dürfen. Sie macht mir auch Angst, weil ich mir nicht ausweichen kann. Schon als Kind und Jugendlicher habe ich immer wieder die Stille gesucht. Ich bin gerne alleine durch die Wälder und Felder gezogen. Ich habe auch die bedrückende Seite der Stille erlebt, wenn Konflikte totgeschwiegen und Gefühle überspielt wurden. In meinem Theologiestudium habe ich erfahren, dass der Gründer des Jesuitenordens, Ignatius von Loyola (1491- 1556), eine Wegbegleitung für eine dreißigtägige Schweigezeit geschrieben hat. Diese Entdeckung hat bei mir eine große Sehnsucht und Angst ausgelöst. Jene Sehnsucht, die mich zu mir selbst entlässt, zum Seindürfen vor aller Leistung. Jene Angst, die mich auf mich selbst zurückwirft, auf unangenehme Fragen wie: Was bleibt von mir, wenn ich nur noch bin und mich nicht mehr über Arbeit definieren kann? Was trägt, wenn von außen keine Anfragen und Echos eintreffen?
Sehnsucht nach und Angst vor der Stille haben mich über zwanzig Jahre lang begleitet. Mehrere Male habe ich während dieser Zeit versucht, mich in einem Bildungshaus der Jesuiten anzumelden. Wie erlöst und befreit war ich jedes Mal, wenn es nicht klappte, weil in meinem Terminkalender schon andere Verpflichtungen eingetragen waren. Irgendwann war die Sehnsucht größer als die Angst und so habe ich mich drei Jahre im Voraus angemeldet, um sicher im Sommer 1999 dreißig Tage schweigend in einer Gruppe verbringen zu können. Kurz vor Beginn dieser inneren Reise holten mich die Widerstände wieder ein, nicht nur von innen, sondern auch von außen. Ich hatte meine Abwesenheit gut geplant und organisiert, aber es wurden Mitarbeitende unerwartet krank und ich hätte gute Gründe gehabt, um mein Rendezvous mit der Stille abzusagen. Doch meine Sehnsucht ließ sich nicht mehr auf später vertrösten. Mit Hoffnung und Angst ging ich Mitte Juli 1999 nach Notre Dame de la Route in Fribourg. Ich nahm vor allem mich selbst mit und nur zwei Bücher - die Bibel und ein gebundenes Buch mit leeren Seiten. Falls es sich ergab, sollten diese leeren Seiten meine Gedanken, Gefühle, mein Auf und Ab aufnehmen, in Form von Tagebucheindrücken, die ich schreibend-betend vertiefen wollte.
Dann trat ich voller Hoffnung und Angst ein in das große Wagnis der Stille. Ich erlebte diese dreißig Tage als intensiven Sterbe- und Auferstehungsprozess. Die ersten zwei Wochen war ich auf »Entzug«. Der Übergang von höchster Aktivität in die lang ersehnte Ruhe, in der niemand etwas von mir erwartete, war brutal. Eine depressive Stimmung warf mich sehr schnell auf uralte Verwundungen und Lebensfragen zurück. Obwohl es sehr unangenehm war, wusste ich mit großer Klarheit, dass ich durch diesen Engpass hindurch wollte, um eine neue Weite im Leben entdecken zu können.
Das Schreiben von Tagebuchmediationen und das tägliche, kurze Einzelgespräch mit meinem spirituellen Begleiter waren mir auf dieser Gratwanderung eine große Lebenshilfe. Eine Fülle von Meditationstexten schrieb ich mir von der Seele, im Sinne einer regelmäßigen Standortbestimmung. Denn ein spiritueller Mensch ist für mich eine Frau, ein Mann, die oder der wahrnimmt, was ist, um darin die göttliche Spur zu erkennen. Wahrnehmen können, ohne zu bewerten und zu beurteilen, war für mich die große Herausforderung, die mich in eine neue Freiheit führte.
All die Meditationstexte, die sich in diesem Buch finden, habe ich im Sommer 1999 innerhalb von zwei bis drei Minuten geschrieben. Heute, sieben Jahre danach, wage ich diesen dynamischen Prozess der Selbstwerdung und des echten Mitgefühls als Mystik des Schreibens zu benennen. Er erinnert mich an eine eindrückliche Szene im Film »Finding Forrester« (Forrester gefunden) vom amerikanischen Kultfilmregisseur Gus van Sant. Sean Connery spielt darin einen berühmten Schriftsteller namens Forrester, der sich nach dem großen Erfolg seines ersten Romans zurückgezogen hat. Ein 16-jähriger Student dringt in seine Einsamkeit ein, um durch ihn ins Schreiben eingeführt zu werden. Trotz anfänglicher Widerstände lässt sich Forrester auf ihn ein. Er leiht dem jungen Jamal seine Schreibmaschine und fordert ihn auf, einfach zu schreiben. Der Student will sich Zeit nehmen zum Nachdenken, doch Forrester sagt ihm: »Schreiben, nicht denken! Der erste Schritt beim Schreiben besteht darin zu schreiben, nicht zu denken.« Trotz seiner großen Verwunderung lässt sich Jamal auf dieses Experiment ein und er schreibt und schreibt, bis es immer mehr schreibt in ihm und durch ihn.
Eine wohltuende Filmszene, durch die ich mein Schreiben während der Schweigetage noch besser verstand. Ein Schreiben, das mich übersteigt, weil Raum und Zeit mir wie aufgehoben erscheinen. Ein Schreiben, in dem das Auf und Ab der Gefühle nicht bewertet wird. Ein Schreiben, das meinen vielfältigen Stimmungen und meinem intensiven Innenleben einen Ausdruck verleiht. Meine Tagebuchmeditationen sind ein dialogisches Ereignis, ein Dialog mit dem Urgrund allen Lebens, dem ewigen Du (Martin Buber). Ich erahne im Du die Christuskraft in mir, die mich zu mir selbst führt, um die tiefere Verbundenheit mit allem zu erfahren. Mein dialogisches Schreiben lässt mich meine Beziehungs- und Liebesfähigkeit und mein Engagement für ein gerechteres Miteinander in einem größeren Ganzen erkennen.
Mein Sprung in die Stille hat mich gelöster werden lassen. Ich kam durch das Aushalten von vielen dunklen Stunden zur Gabe der Lange-weile, des Seindürfens. Ein Geschenk, das sich mir in der dritten und vierten Woche immer mehr offenbarte, um mein unerbittliches Lebensgesetz vom Nichtgenügen zu verwandeln in die Zusage des Angenommenseins vor allem Tun. Nicht ein für alle Mal, sondern immer wieder neu. Meine hohen Ansprüche nach Vollkommenheit sind zum Glück in dieser Schweigezeit innerlich immer mehr zerbrochen. Schmerzvoll und befreiend habe ich erlebt, wie ich mich neu finden kann im Kreuz- und Auferstehungsweg Jesu, der sich auch in mir ereignet und erneuert als Geburt Gottes im tiefsten Seelengrunde. Dabei ist mir der Aspekt des Hinabsteigens in die eigenen Abgründe vertraut geworden als zentrale spirituelle Erfahrung - im Credo beschrieben als Hinabsteigen Jesu in das Reich des Todes. Sie beinhaltet das Aushalten der Leere, der Ungewissheit, damit Neues geschehen kann. Im Auferwecktwerden zu mehr Lebensqualität, im Befreitwerden aus der Gefangenschaft der Angst kann ich mich vermehrt dem Fluss der Liebe anvertrauen.
Diese lebensbejahende Perspektive drückt sich in meinen Tagebuchmeditationen aus, die ich nach der Schweigezeit mit nach Hause nahm. Zu meinem großen Erstaunen ließ ich sie ungelesen neben meinem Bett liegen, während eines ganzen Jahres. Das existenzielle Ergriffensein von diesen inneren Worten war so groß, dass ich es nicht wagte, in meinem Lebensbuch zu lesen.
Erst im Sommer 2000 habe ich das Wegbuch während meines Urlaubs geöffnet. Ich war sehr berührt, aufgewühlt und bewegt beim meditativen Lesen von über einhundertvierzig Meditationstexten. Der Blick in meine innere Seelenlandschaft mit all den schönen und widersprüchlichen Seiten war für mich eine Wohltat. Die Dynamik des Hin-und-her-gerissen-Seins, die sich bis zum Schluss der Tage durchzog, ließ mich in der Tiefe aufatmen, weil ich intuitiv Ja sagen konnte zu diesem Wachsen und Reifen, das mich ein Leben lang begleiten wird. Sehr bald meldete mein Verstand Ein- und Ansprüche an. Er holte sich Hilfe bei meinen inneren Kritikern, die mir deutlich zu bedenken gaben, dass ich es mir mit so einer Unausgeglichenheit nicht mehr lange würde leisten können, auch in Zukunft vielen anderen suchenden Menschen ein spiritueller Begleiter zu sein. Doch die Kraft der Stille trug, und ich traute meiner Herzensstimme mehr als meinen Über-Ich-Einwänden. Ich spürte den Auftrag, mit einer kleinen Auswahl meiner persönlichen Texte auch andere ermutigen zu können für einen authentischen spirituellen Weg, der immer bruchstückhaft und unvollkommen sein wird.
Dies ist die Frucht meiner dreißigtägigen Stillezeit, die sich verdichtet in der befreienden Einsicht, dass ich glücklich werde, wenn ich auch täglich unglücklich sein darf. Diese Grundhaltung verabschiedet sich von den Allmachtsfantasien, irgendwann alles im Griff zu haben, irgendwann endlich über den Dingen stehen zu können. Eine erlösende Spur, die ich in vielen mystischen Biografien gesucht und gefunden habe. Als Ergebnis dieses Dialogs zwischen mystischen Texten und meinen Tagebuchmeditationen ist dann im Frühjahr 2003 im Kösel-Verlag mein Buch »Verwundet bin ich und aufgehoben. Für eine Spiritualität der Unvollkommenheit« erschienen. Seither haben mir hunderte von Menschen in ganz persönlichen Briefen mitgeteilt, dass sie sich in meinen Worten wiederfinden und sie ihnen eine befreiende Lebenshilfe sind. Diese bestärkenden Echos haben mich nach langem Zögern bestärkt, in diesem Buch meine weiteren Gebete zu veröffentlichen (ein Dutzend ganz persönlicher Texte bleibt bei mir!). Mein langer Gang durch das Schweigen mit all seinen Höhen und Tiefen wird dadurch sichtbar.
Diese Texte sind vor sieben Jahren geschrieben worden. Obwohl ich auch dank dieses Schreibprozesses viel befreiter im Leben stehe, so bleiben die Worte für mich sehr aktuell. Ich kann und will diese Texte nicht verändern, weil sie mir nicht gehören! Sie weisen über meine Erfahrung hinaus. Sie erzählen vom Aufbruch aus der Gefangenschaft der Angst, der durch die Verunsicherung der Wüste hindurchführt in eine neue Lebendigkeit, die dem Geschenk der Liebe mehr vertraut. Eine Liebe, die in der Selbstannahme verwurzelt ist, um befreiter lieben zu können und sich lieben zu lassen. Eine Liebe, die Selbstliebe, Nächsten- und Gottesliebe nicht mehr trennt.
Meine Gebete verdeutlichen einen Weg aus der Enge in eine Weite, der nicht an eine dreißigtägige Schweigezeit gebunden ist. Dieser Befreiungsweg ist allen verheißen, die den Pfad in die eigene Tiefe suchen, damit auch Umbruch- und Krisenzeiten, ein Burnout oder eine Erwerbslosigkeit eine Chance werden können, um innerlich neu zu einer größeren Lebendigkeit aufgerichtet zu werden. Lesende, die sich während einer Auszeit, einem Krankenhaus- oder Kuraufenthalt intensiv auf einen inneren Prozess einlassen möchten, kann der Rhythmus der dreißig Tage eine Hilfe sein, indem die Meditationstexte ganz bewusst Tag für Tag gelesen und vertieft werden.
Ich bedanke mich bei den beiden Jesuiten Bruno Fuglistaller und Jean Rotzetter in Notre Dame de la Route, Fribourg - www.ndroute.ch -, für ihre bestärkende Begleitung. Dankbar bin ich für das tragend-schweigende Mitsein der Gruppe. Danken will ich Winfried Nonhoff vom Kösel-Verlag und Marcel Laux für die beharrliche Geduld und die wohltuende Unterstützung beim Gestalten dieses Buches. Mögen meine Worte ermutigen, die eigenen Worte zu finden, die zu sich selbst und zur ureigenen Aufgabe auf dieser Welt führen.
 
Lausanne, 7. November 2006
Pierre Stutz
Ankommen
1. Tag
 
 
 
AnkommenAbstand gewinnenerahnenwie mein Wert aus meinemSein entspringt
 
Unsicherheit vor der Leerevertrauenddass sich das ganz Kleinein mirentfalten kanndamitich die Ur-absichtGottes mit mirfreilegen kann
 
AnkommenRuhe findenRaum für mich
Copyright © 2007 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlag: 2005 Werbung, München Umschlagmotiv: Getty-Images
eISBN : 978-3-641-03381-1
 
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www.koesel.de
 
Leseprobe
 

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