Balthasar Neumann - Erich Schneider - E-Book

Balthasar Neumann E-Book

Erich Schneider

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Beschreibung

Das reiche Schaffen des Baumeisters Balthasar Neumann (1687–1753) gilt als Schlussakkord der Barockarchitektur. Dem gelernten Geschütz- und Glockengießer wurde als jungem Ingenieur und Artillerieoffizier 1719 der Neubau der Würzburger Residenz übertragen. An diesem Werk reifte er in der Auseinandersetzung mit großen Architekten seiner Zeit sowie mit den Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn zu einem der führenden Baumeister heran. Sein Rat war an Main und Rhein bis hin zum Kaiser in Wien gefragt. Wegen ihrer miteinander verschränkten Rotunden sind die Räume von Vierzehnheiligen und Neresheim Hauptwerke der Baukunst. Mit seiner Gliederungskunst und subtilen Lichtregie hat Neumann im Spätwerk zugleich die Tür zu einer Architektur der Aufklärung aufgestoßen.

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herausgegeben vonThomas Götz

ERICH SCHNEIDER

Balthasar Neumann

Schlussakkord der Barockarchitektur

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seine großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und legte mehrere Veröffentlichungen, vor allem zu Stadt und Bürgertum in Bayern und Tirol im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor. Darüber hinaus arbeitet er im Museums- und Ausstellungsbereich.

Inhalt

Einleitung

1Biografie

Von Eger nach Würzburg / Fähnrich, Ingenieuroffizier, Baumeister / Planung der Würzburger Residenz / Berufung in die Würzburger Stadtbaukommission/Studienreise nach Paris / Major, Ehemann und Vater/Schwieriges Arbeiten unter Hutten / Oberster Baumeister in Würzburg und Bamberg unter Schönborn / Neumanns Porträts / Oberst der fränkischen Kreisartillerie / Nach Neumanns Tod erstellte Liste seiner Einkünfte vom Hochstift Würzburg/Stets im Dienst / Dienstreisen und Kommunikation/Karriereknick unter Ingelheim – Rehabilitation unter Greiffenclau / Tod, Begräbnis und Nachruhm / Nachruf des Domvikars Geisler

2Neumann und das gräfliche Haus Schönborn

Baumeister und »Bauwurmb« / Johann Philipp Franz / Lothar Franz / Friedrich Karl/Die Familie Schönborn / Das System der Familie

3Die Organisation des Bauwesens

Planungsdiskurse / Petrinis Schlösschen am Rennweg / Baubüro / Neumanns ungeliebter Stellvertreter Tatz / Architekturmodelle / Baustelleneinrichtung / Fürstbischof Hutten / Hofbaukommission versus Absprachen mit Friedrich Karl / Handwerker und Fronarbeiter / Frondienste am Beispiel von Schloss Werneck / Kommunikation und Delegation / Abrechnungen und Vergabemodalitäten / Materialtransporte

4Residenzen, Schlösser und Klöster

Die Würzburger und andere Residenzen / Projekt der Familie Schönborn? / »Baudirigierungsgötter« und Architekten / Neumann zwischen Hildebrandt und Welsch/ Neumann emanzipiert sich / Vom Werden der Residenz / Das Treppenhaus / Vom Treppenhaus zum Kaisersaal / Neumanns Lob im Richtspruch der Würzburger Residenz / Sommerresidenz und Jagdschloss in Werneck / Fürstbischöflicher »Landschlendrian« im Sommerschloss / Frühe Schlösser und Klöster / Wernecker »Hasen-Schlacht« von 1771 / Schlösser und Prälaturen der reifen Jahre / Späte Bauten

5Kirchenbauten

Blütezeit des Kirchenbaus / Rotunde als Neumanns Leitmotiv / Die Rotunde als architektonische Form / Michelau / Unterwittighausen / »Instructio normativa« / Münsterschwarzach / Schönbornkapelle am Würzburger Dom / Gößweinstein / Schlosskirche Werneck / Etwashausen, Gaibach, Käppele / Vierzehnheiligen / Neresheim / Ausstattung und Altäre

6Der Stadtbaumeister

Stadtplan von Würzburg und Denkschrift / Thesenblatt von 1722 / Baumandat und Stadtbaukommission / Ärger in der Stadtbaukommission / Zwischen Dom und Mainbrücke / Hofstraße, Kaufhaus am Markt, Marmelsteiner Hof / Werke in Kitzingen / Bamberg: Kapitelhaus am Dom / Bamberg: Domherrnhof St. Hippolyt

7Der Ingenieurbaumeister

Alltag als Ingenieurbaumeister / Gefragter Wasserbautechniker / Gesundes Wasser für Würzburg / Das erste fließende Wasser am Vierröhrenbrunnen 1733 / Heilquellen / Straßen und Brücken / Hafenanlagen / Mühlen und landwirtschaftliche Bauten

8Militär- und Befestigungsbauwerke

Kriegsbaumeister / Schießübungen / Befestigung von Würzburg / Festungsbau contra Neue Residenz: Ein Kommentar aus Mainz / Kasernenbauten in Kitzingen und Walkershofen / Festungen in Kronach, Koblenz und Königshofen

9Architekt der Aufklärung?

Neumanns Architekturverständnis / Architektur und Geometrie / Rokoko und Aufklärung / Aufklärung / Architektur und Lichtgestaltung

Schlusswort

Anhang

Zeittafel / Glossar / Werkverzeichnis (Auswahl) / Literatur (Auswahl) / Bildnachweis

Einleitung

Als der Barockbaumeister Balthasar Neumann am 19. August 1753 im Alter von 66 Jahren in Würzburg starb, stand er im Zenit seines Schaffens. In der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen waren Chor und Querhaus vollendet; in Neresheim hatte er die Kirche der bedeutenden Benediktinerabtei begonnen, und die Würzburger Residenz als sein Hauptwerk in der Profanbaukunst fand in jenen Tagen mit den Fresken des Giambattista Tiepolo in Treppenhaus und Kaisersaal ihre kongeniale Vollendung. Dort hat der Maler aus Venedig Balthasar Neumann im Europa-Fresko ein einzigartiges Denkmal gesetzt. Nicht alleine in den von Fürstbischöfen aus dem Hause Schönborn an Main und Rhein regierten Ländern war der Rat des Baumeisters gesucht gewesen, sondern in vielen anderen weltlichen und geistlichen Herrschaften. Sogar der Kaiser hatte ihn mit Entwürfen für eine neue Hofburg in der Hauptstadt Wien beauftragt. Angesichts seines schon zu Lebzeiten weit über die engeren Grenzen von Main und Rhein ausstrahlenden Schaffens hat man das Œuvre Balthasar Neumanns deshalb als den »Schlussakkord der Barockarchitektur« bezeichnet, gelegentlich findet sich sogar der Elativ »Weltarchitektur«. Vor allem eingedenk seiner Raumbildungen gerade im Kirchenbau lässt die Charakterisierung als »Bach der Architektur« aufhorchen. Trotz der enormen Anzahl seiner Architekturen als Ergebnis eines kaum noch nachvollziehbaren Fleißes ist aber nicht die Menge des Gebauten das Bemerkenswerte, sondern Neumanns Leistung als raumschöpfender Architekt: Abgesehen von der Residenz in Würzburg hätten Vierzehnheiligen oder Neresheim und nicht zuletzt auch die späte Wallfahrtskirche Maria Limbach genügt, um Neumann ohne Zweifel einen Spitzenplatz unter den ganz großen Architekten in der Geschichte der Kunst zu sichern.

Ungeachtet seiner künstlerischen Leistung als Architekt, war Neumann aber zugleich ein genialer Organisator seines Bauwesens. Obgleich schon schwer erkrankt, lief bis in seine letzten Lebenswochen im Sommer 1753 ohne sein ausdrückliches »Parere« (Genehmigung) nichts auf den hochstiftischen Baustellen in Bamberg oder Würzburg oder auch am Rhein. Der allgewaltige Baumeister sorgte sich stets zuverlässig um große wie um kleine Aufgaben: Noch am 5. Juli 1753 musste die Hofkammer hinsichtlich der Abrechnungen des neuen Viehstalls im Schlossgarten von Werneck zu Protokoll nehmen, dass »Hr. Obrister sich erkläret, daß, sobald er wieder gesundt undt völlig restituiret, solch richtig zu machen, und zu veranlassen nicht ohnermanglen werdte«.

Wenn wir daher den Versuch unternehmen wollen, in einem Lebensbild die wichtigsten Stationen Balthasar Neumanns vom Stückgießergesellen zum »Baudirigierungsgott« skizzieren zu wollen, wird der gesteckte Rahmen nicht alle Bauwerke aus dem reichen Schaffen dieses Baumeisters erfassen und nicht alle Details seiner Vita nachzeichnen können. Der Artillerieoffizier und Feuerwerker Neumann wird eher am Rande angesprochen werden, und über den Ingenieur und Erbauer von Brücken, Straßen und Wasserleitungen könnte und müsste man wesentlich ausführlicher erzählen. Andererseits will dieser Text doch mehr bieten als eine bloße Schilderung des Lebenslaufs Neumanns und eine Aufzählung seiner Werke. Am Beispiel von ausgewählten Arbeiten sollen deshalb die Grundzüge seiner Architektur und seiner Art zu Bauen vorgestellt werden. In nach Aufgaben und Themen gegliederten Kapiteln werden charakteristische Bauten in knappen Zügen skizziert. Über die Summe seines immensen Schaffens gibt eine alphabetische Liste (s. S. 155) Auskunft, die aber ebenfalls nur unvollständig sein kann: Nicht jedes Bauwerk, dessen Pläne auf seinem Zeichentisch lagen, ist schon ein Werk Balthasar Neumanns, mag er ihm auch durch seine Korrekturen seinen Stempel aufgeprägt haben. Umgekehrt hat nicht jeder Eingriff eines Lucas von Hildebrandt oder eines Maximilian von Welsch, um nur zwei zu nennen, Neumanns Grundidee entscheidend verändert. Manchmal wurde er dadurch sogar angespornt, wie im Falle der Eingriffe von Gottfried Heinrich Krohne in seine Planung zu Vierzehnheiligen. Hier wird in Zukunft noch manches zur Differenzierung geleistet werden müssen. In der vorliegenden Biografie werden deshalb an geeigneten Beispielen dazu Strukturen seines Schaffens herausgearbeitet, das von einzigartiger Vielfalt ist. Vielleicht war Balthasar Neumann einer der letzten Generalisten in der europäischen Baukunst.

Obwohl der vorliegende Text auf eine reiche Literatur zu Leben und Werk Balthasar Neumanns zurückgreifen kann, hätte er doch ohne den freundlich gewährten Rat und die Unterstützung vieler Kolleginnen und Kollegen, genannten und ungenannten, nicht geschrieben werden können. Insbesondere aber danke ich einmal mehr Frau Sigrid Strauß-Morawitzky, Stegaurach, die für mich erneut bis in die Tiefen von Satzbau und Wortwahl hinabgestiegen ist. Mit Herrn Dr. Hans-Peter Trenschel, Würzburg, gewährte mir einer der besten Kenner fränkischer Barockkunst seinen Rat. In kniffligen Detailfragen ließen mich die Herren Dr. Christian Naser, Zell, und Stadtrat Willi Dürrnagel, Würzburg, stets an ihrem Wissen teilhaben. Aus der Vogelperspektive hat schließlich Herr Dr. Burkard von Roda, Basel, den Text vor dem Hintergrund seiner wissenschaftlichen Expertise kritisch gelesen. Das alles floss im achtsamen Lektorat von Frau Andrea Schindelmeier und in der Bildredaktion von Frau Magdalena Seis vom Verlag zusammen. Schließlich gilt mein großer Dank dem Verleger Fritz Pustet für die erneute gute Zusammenarbeit und all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Verlag Friedrich Pustet für die ausgezeichnete sonstige Betreuung.

1Biografie

VON EGER NACH WÜRZBURG

Am 30. Januar 1687 wurde Balthasar Neumann in der Reichsstadt Eger in Böhmen (heute: Cheb in Tschechien) als Sohn des Tuchmachers Hans Christoph Neumann und seiner Frau Rosina in eher einfache handwerkliche Lebensverhältnisse hineingeboren. Pate war der Glockengießer Balthasar Platzer, in dessen Werkstatt er im Jahr 1700 als Lehrling eintrat. Damit schienen sein Lebensweg und sein Wirkungsraum als Handwerker in Eger vorgezeichnet. Bereits in jungen Jahren zeigte sich jedoch, dass Balthasar Neumanns Interesse über das Gießen von Geschützen und Glocken hinausreichte. 1709 wird er in den Rechnungen der Stadt bei der Reparatur von Wasseranlagen genannt. Trotzdem gilt für die frühen Jahre in Eger, wie auch für die erste Würzburger Zeit, dass das Lebensbild des jungen Balthasar Neumann trotz allen Forscherfleißes noch erstaunlich viele Lücken aufweist.

Mit einem Gesellenbrief der »Büchsenmeister-, Ernst und Lustfeuerwerkerey« in der Tasche trat Neumann 1711 mit 24 Jahren – nach damaligen Handwerksgebräuchen war das relativ spät – seine zunftmäßig vorgeschriebene Wanderschaft an. In diesem Alter kehrten andere normalerweise in die Heimat zurück, um den Meisterbrief in ihrem Beruf zu erlangen. Ab Juni des gleichen Jahres arbeitete er in der Gießhütte des Meisters Ignaz Kopp am Schottenanger in Würzburg. In dieser Bischofsstadt am Main sollte sich binnen weniger Jahre der bisher ruhige, wenn man so will, vorgezeichnete Lauf seines Lebens verändern. Wir wissen nicht, was oder wer der Auslöser dafür war.

Rasch gelang es Neumann, seinen handwerklichen Horizont zu erweitern. Gefördert durch mehrere Stipendien seiner Vaterstadt Eger, soll er ab 1712 Unterricht in Büchsen- und Brunnenmacherei, Feuerwerkerei, Feldmesserei sowie in der Architektur bei dem Ingenieurhauptmann Andreas Müller (1667–1720) in Würzburg genommen haben. Als »Praktikant« dürfte Neumann damals am großen Feuerwerk anlässlich des Besuchs von Kaiser Karl VI. (reg. 1711–1740) in der Bischofsstadt mitgeholfen haben. Ein frühes sicheres Zeugnis seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Architektur ist ein im Museum für Franken in Würzburg erhaltenes und 1713 datiertes »Instrumentum Architecturae« zur Berechnung der Proportionen der Säulenordnungen. Ein zweiter derartiger Proportionalzirkel, den er seiner Vaterstadt verkaufte, gilt als verschollen.

Von Balthasar Neumann gefertigtes »Instrumentum Architecturae«, 1713.

FÄHNRICH, INGENIEUROFFIZIER, BAUMEISTER

1713 verstarb in Eger sein Vater Hans Christoph Neumann. Das Jahr 1714 markiert dann den endgültigen Wendepunkt in Neumanns Leben. Mit dem Eintritt als Fähnrich in die hochfürstlich-würzburgische Schloss-Leibkompanie wurde aus dem ambitionierten Handwerksgesellen ein Soldat mit Neigung zu Fragen der Architektur, ohne dass wir viele Details über seine Lebensumstände hätten. Rasch wurde er von Fürstbischof Johann Philipp von Greiffenclau (reg. 1699–1719) zum Ingenieurleutnant befördert. Fortan soll er insbesondere als Adjutant seines Lehrmeisters Müller gedient haben. Ferner dürfte er Joseph Greissing, den im Hochstift Würzburg führenden Baumeister, bei dessen Baustellenbesuchen auf dem Lande begleitet haben.

Über die ersten Arbeiten des angehenden Ingenieurbaumeisters Balthasar Neumann sind wir nur in groben Zügen informiert: Bereits 1713 beriet er von Würzburg aus die Stadt Eger bei deren Plan, einen Sauerbrunnen in die Stadt zu leiten. Im Jahr 1715 zeichnete er einen nur in Kopie von 1775 erhaltenen Grundrissplan der Stadt Würzburg. Darin darf man erste Ansätze für sein späteres städteplanerisches Wirken in der Domstadt sehen. Im selben Jahr war er bei der Anlage eines Brunnenwerkes in Schloss Gaibach für Kurfürst Lothar Franz von Schönborn tätig. Im Jahr 1716 wirkte er bei der Verlegung des Flüsschens Ebrach im gleichnamigen Zisterzienserkloster im Steigerwald mit. Da er die relativ große Summe von 100 Gulden für »verschiedene Abriss über den neuen Abteybau zu Ebrach« ausbezahlt erhielt, hat er damals vielleicht sogar Entwürfe für den Klosterbau gezeichnet. 1716 erstellte er als Ingenieur ein Gutachten zum Mainloch in Kitzingen.

1717 hielt sich Neumann vermutlich im Feldlager des Prinzen Eugen vor Belgrad auf; an den Kämpfen selbst dürfte er nicht beteiligt gewesen sein. 1718 gehörte er kurz zum Stab des kaiserlichen Generalgouverneurs von Mailand, Fürst Löwenstein. Ob er dabei mehr als nur einen touristischen Eindruck von den Sehenswürdigkeiten dieser Stadt sowie Oberitaliens, vor allem von den Kirchen eines Guarino Guarini (1624–1683) im nahen Turin mitnehmen konnte, muss dahingestellt bleiben. Tatsächlich blieben Guarinis Architekturen nicht ohne Einfluss auf Neumann. Bald nach seiner Rückkehr wurde er am 19. August 1718 zum hochfürstlich-würzburgischen Ingenieurhauptmann befördert. Seine Erfahrungen bei Belgrad und Mailand waren ihm gewiss bei den Arbeiten an der Befestigung der Stadt Würzburg nützlich. Sein praktisches Interesse an solchen Aufgaben wird unter anderem in einer 1720 von ihm skizzierten Überführung eines Mühlbaches durch den Wallgraben dokumentiert.

Spätestens damals dürfte er sein künftiges Leben als Ingenieuroffizier und Baumeister endgültig in Würzburg gesehen haben. Äußeres Zeichen dafür ist, dass er 1719 in der Burkarderstraße im Schatten der Festung drei Reihenhäuser gebaut hat, darunter die Nr. 28 für sich selbst. Für den Bau dieses Hauses erhielt er sogar einen Kredit von der Hofkammer. Leider sind diese frühen Werke ein Opfer des Zweiten Weltkriegs geworden. Bereits 1723 folgte der Bau eines großen Wohnhauses in der Kapuzinerstraße 2. Gerade dieses Haus wäre ohne das Zuraten und die Unterstützung des Fürstbischofs nicht entstanden. Die rasche Folge der beiden Privathäuser macht jedoch noch immer etwas ratlos: Mochte das schlichte Haus in der Burkarderstraße angesichts der aufstrebenden Karriere Neumanns im Nachhinein als zu einfach erscheinen, so dürfte das Palais beim Kapuzinerkloster selbst für den nachmaligen Obristen und berühmten Architekten zu groß gedacht gewesen sein: Oder wollte er sich ein weiteres berufliches Standbein als Unternehmer aufbauen? In der Tat verkaufte Neumann dieses Anwesen, in dem heute eine Klinik ihr Domizil hat, 1725 im Tausch gegen den Hof Oberfrankfurt in der Franziskanergasse 2 an Franz Ludwig von Hutten, einen Bruder des damaligen Fürstbischofs. Wie es aussieht, hat er mit dem Tausch und dem nicht minder großen Haus kein schlechtes Geschäft gemacht. 1743 konnte Neumann schließlich noch den benachbarten Hof Niederfrankfurt erwerben. Auf das Dach des Hofes Oberfrankfurt setzte er ein kleines Belvedere, um gemäß der Überlieferung von dort den Fortgang der Arbeit an der Residenz zu überwachen. Er wollte der Entstehung dieses Schlosses so nahe sein wie sein erster Bauherr Johann Philipp Franz von Schönborn (reg. 1719–1724), der sich vis-àvis der Baustelle im eigens angemieteten Hof Rosenbach ein Stadtpalais Aug in Aug mit dem Neubau der Residenz geschaffen hatte. Neumanns Haus hat der Zweite Weltkrieg zwar zerstört, aber der Ausguck ist rekonstruiert worden.

PLANUNG DER WÜRZBURGER RESIDENZ

Im Jahr 1719 war Johann Philipp Franz von Schönborn zum Fürstbischof von Würzburg gewählt worden. Die Domherren hatten bereits vor seiner Wahl befürchtet, dass diesem keine Equipage und kein Möbel mehr gut genug sei, wenn er zum Regieren komme. In der Tat beauftragte er sofort Balthasar Neumann mit der Ausarbeitung von Plänen für eine neue Residenz in der Stadt. Mit ihm wurde Johann Dientzenhofer, der Erbauer des Domes in Fulda und der Klosterkirche in Banz, als Bauleiter verpflichtet. Damit war Neumann die größte Bauaufgabe zugefallen, die seinerzeit in Europa zu vergeben war. Dennoch war der Baumeister 1719 nach den Worten von Max H. v. Freeden »zwar ein fertiger Architekt […] aber noch kein fertiger Künstler«. Gleichwohl reifte sein Talent an dieser Residenz im Laufe der folgenden rund 25 Jahre.

Berufung in die Würzburger Stadtbaukommission

In das Jahr 1722 fällt Neumanns Berufung in die von Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn eingerichtete Würzburger Stadtbaukommission. Mit dem groß angelegten Neubau der Residenz und mit der Erweiterung der barocken Stadtbefestigung sollte Würzburg selbst eine neue, »moderne« Gestalt bekommen. Allen privaten Hausbesitzern wurden Regeln auferlegt, wie sie ihre Häuser künftig umgestalten mussten, und ihnen dafür erhebliche steuerliche Anreize geboten. Fortan sollte kein Haus mehr gebaut oder verändert werden, dessen Pläne nicht der Stadtbaukommission vorgelegen hatten. Gemeinsam mit dem Geheimen Rat Ganzhorn als Präsident, Kammerrat Fries, Oberbürgermeister Schmitt und Stadtbaumeister Papius verfügte der Baumeister Neumann über ein wirkungsvolles Instrument der Neugestaltung des Würzburger Stadtbildes.

STUDIENREISE NACH PARIS

Bereits Lothar Franz von Schönborn (reg. 1693–1729), der mächtige Kurfürst und Erzbischof von Mainz sowie Fürstbischof von Bamberg hatte Neumanns Talent erkannt und geraten, ihn für einige Zeit auf Reisen zu schicken, um seinen Blick an den Hauptleistungen europäischer Architektur zu schärfen. Nachdem sie bereits für Anfang 1721 geplant war, damals aber verschoben werden musste, konnte Neumann endlich 1723 für einige Monate auf eine Studienreise nach Paris gehen, das damals von Versailles ausgehend die Maßstäbe im fürstlichen Bauen setzte. Über diese Reise sind wir durch seine Briefe an Fürstbischof Johann Philipp Franz von Schönborn gut informiert.

Frankreich beziehungsweise Paris als Ziel der Studienreise eines Architekten mag uns heute völlig plausibel erscheinen. Aber zwischen Frankreich und dem Reich kriselte es damals ständig, und der Ausbruch von kriegerischen Ereignissen stand durchaus auf der Tagesordnung. Nicht zuletzt deshalb trieb Johann Philipp Franz parallel zur Residenz den Bau der Fortifikationen seiner Hauptstadt Würzburg und der Festung Königshofen energisch voran. Zehn Jahre später war der Fränkische Reichskreis wegen des Polnischen Erbfolgekrieges (1733–1736) zwischen Frankreich und Österreich mit zwei Regimentern auf Seiten des Kaisers direkt am Kriegsgeschehen beteiligt. Dessen ungeachtet galt aber auch: Wer in den 1720er Jahren in Europa baute, musste sich an der Kunst Frankreichs orientieren.

Gemeinsam mit dem Würzburger Kapellmeister Fortunat Keller, der sich an der »so sehr gerühmten churpfälzischen Music« schulen sollte, machte sich Neumann im Januar 1723 auf den Weg. Erstes Ziel war Mannheim, wo er das im Bau befindliche Schloss genau in Augenschein nahm. Nebenbei interessierte er sich noch für Fenster und besondere Schließanlagen. Über Philippsburg, wo er Kardinal Damian Hugo von Schönborn aufsuchte, um ihm die Pläne für die Würzburger Residenz zu zeigen, und sein Reisegeld deponierte, ging es nach Bruchsal und via Köln nach Straßburg. Da er zu Pferd schneller war als mit der Kutsche, ritt Neumann von dort über Zabern, Luneville nach Nancy und Paris, wo er im Hotel des ambassadeurs in der rue de Tournon Nr. 10 logierte.

Zunächst sah er sich in Paris etwas um und besichtigte Anfang Februar 1723 Versailles, wo er »Ihro Majestät den König speißend gesehen« hat. Ausgiebig besah er dort die »Haubt vndt schöne stigen« und studierte anschließend in Marly eine Wassermaschine. Daneben suchte er diverse Herrschaften, wie den Marquis de Livry, auf, um ihnen die aufgetragenen »Complimente« seines fürstbischöflichen Dienstherrn zu überbringen. In erster Linie aber wollte er Kardinal von Rohan treffen, der ihn mit dem Architekten des Königs Robert de Cotte (1656–1735) bekannt machte, dem er die Pläne zur Würzburger Residenz vorstellte. Mit Hilfe von dessen als Dolmetscher fungierendem Kammerdiener, haben Vater Robert und Sohn Jules Robert de Cotte (1683–1767) sich die Risse genau besehen und bemerkt, »daß es viel auf die Italienisch Manier vndt etwaß teutsches dabey wehre«. Außerdem boten sie an, ihre Gedanken in einen extra Grundriss einzuzeichnen, den Neumann noch in derselben Nacht kopierte. In der Tat beschäftigte sich de Cotte während der Pariser Reise sehr intensiv mit den Rissen zur Würzburger Residenz. In ähnlicher Weise suchte Neumann Kontakt zu Germain Boffrand (1667–1754), dem zweiten Hauptmeister der Architektur in Frankreich. Neumann musste sich dabei sehr in Acht nehmen, dass keiner von den Stararchitekten vom Engagement des anderen Wind bekam, da sich die beiden nicht besonders gut verstanden haben sollen.

Immer wieder teilt Neumann seine Beobachtungen zum französischen »goût« mit, in dem die »Apartmenter vndt cabineter ohne confusion eingericht sein«. Er erwarb in Paris außerdem drei Staatskutschen nebst Geschirren für Würzburg. Ferner kaufte er allerlei Musterstücke französischer Kunsthandwerker für die künftige Ausstattung der Residenz. Kurz vor seiner eigenen Rückreise schickte er die Staatskutschen, vollgepackt mit allem, was er sonst noch im Auftrag des Fürstbischofs erstanden hatte, auf den Weg nach Würzburg. Transportbegleiter waren der Tapezierer Klimpert und ein junger Vergolder; es dürfte wohl das einzige Mal in ihrem Leben gewesen sein, dass sie mit solchen Staatskarossen reisten. Schließlich unternahm Neumann noch eine Stippvisite nach Chantilly und Fontainebleau sowie anderen französischen Landsitzen. Ausgestattet mit zahlreichen Architekturzeichnungen von Robert de Cotte und Germain Boffrand – mit Letzterem scheint er sogar in nähere Bekanntschaft gekommen zu sein –, schrieb er am 14. April 1723 ein letztes Mal aus Paris, wobei er hoffte, am 5. Mai wieder daheim zu sein.

MAJOR, EHEMANN UND VATER

Zurück in Würzburg wurde Neumann am 6. Dezember 1724 von Fürstbischof Christoph Franz von Hutten (reg. 1724–1729), der dem am 18. August 1724 unerwartet verstorbenen Johann Philipp Franz von Schönborn nachgefolgt war, zum Artillerie- und Ingenieurmajor befördert. Offenbar hatte Neumann diesen Karrieresprung aktiv betrieben. Wohl noch aus der Zeit Schönborns ist nämlich ein undatiertes Gesuch des Baumeisters um eine Stelle als Kammerrat in fürstbischöflichen Diensten überliefert, dem nicht entsprochen wurde. Es hat den Anschein, als wollte Neumann damit seine militärische Karriere um einen zivilen Aspekt erweitern und so absichern. Als einen Grund für sein Gesuch gibt der damalige Hauptmann an, dass er nur in dieser Position sein »glückh mit einer mariage« wohl nicht machen könne.

Mit der Beförderung zum Major sah sich der 38-jährige Neumann endlich im Stand, eine eigene Familie zu gründen. Am 25. Juni 1725 heiratete er Eva Maria Engelberta, die Tochter des Geheimen Hofrates Dr. Franz Ignaz Schild und dessen Ehefrau Maria Rosina, geb. Reibelt. Diese Heirat bedeutete für den Offizier und Baumeister so etwas wie eine Standeserhöhung. Der einstige Handwerksgeselle kam in engste verwandtschaftliche Beziehungen zu den alten Würzburger Rats- und Beamtenfamilien. Voller Stolz lud er unter anderem den Rat seiner Vaterstadt Eger zur Hochzeitsfeier nach Würzburg in sein eben vollendetes Palais in der Kapuzinergasse. Die Stadtväter dort entschuldigten ihr Fernbleiben wegen der großen Entfernung, schickten aber ein Geldgeschenk. Ein Präsent ließ außerdem Graf Rudolf Franz Erwein von Schönborn aus Wiesentheid überbringen. Sogar der Fürstbischof wies die Hofkammer an, Neumann 500 rheinische Taler anlässlich seiner Hochzeit auszuzahlen. Dieser Betrag solle jedoch »alsdan quartaliter mit 50 rthlr an dessen Bestallung decoutirt werden«. Das bedeutete nichts anderes, als dass es sich bei der »Gratifikation« um eine Art langfristigen Kredit handelte, den Neumann wieder zurückzahlen musste.