Beitrag zu einem kleinen Wachstumsmarathon - Kathrin Röggla - E-Book

Beitrag zu einem kleinen Wachstumsmarathon E-Book

Kathrin Röggla

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Beschreibung

Kathrin Röggla begleitet einen Risikomanager in den Kosovo. Es geht um Stilllegungen, Abwicklungen, Modernisierungsprozesse, Gefahrenklassen, Altlasten, Risikokonflikte. Kathrin Röggla spricht mit Werksleitern, Arbeitern, Managern und Investoren. Sehr anschaulich zeigt sie, wie komplexe ökonomische und politische Prozesse funktionieren. Der Text ist dem Band ›besser wäre: keine‹ entnommen, der Essays und Stücke versammelt, in denen Kathrin Röggla die Katastrophen und Alarmzustände analysiert, die unsere Realität bestimmen.

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Seitenzahl: 28

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Kathrin Röggla

Beitrag zu einem kleinen Wachstumsmarathon

Essay

Fischer e-books

Beitrag zu einem kleinen Wachstumsmarathon

Wachstum beginnt heute auf den Flughäfen. In den Reisezentren, in den Senator Lounges, den Businessabteilen, inmitten des Schweigeabkommens der Businessinsassen, sozusagen der Innenwelt der Außenwelt – internationale Manager, Consultants, die einmal ungestört ihre Mails checken wollen. Es beginnt an Gate F oder Gate G am Wiener Flughafen, in Frankfurt im Terminal 1, im Lufthansaterminal in München. Es beginnt auf den langen Rollbändern, über die hektisch Businesskoffer gezogen werden an Relay-Pressebuden und Starbucks-Coffeeshops vorbei, durch Glastüren hindurch, die auf- und zugehen, als machten sie die ganze Zeit nichts anderes. Es beginnt in den Sitzreihen vor dem Gate, den Wartesekunden, den billigen und den unbilligen, je nachdem. Es beginnt mit den kleinen Gesten, dem Sich-nervös-Luft-Zufächeln, dem Blick auf die Uhr, dem Gleiten des Bildschirmstiftes über das iPad. Blackberry. Es beginnt mit dem Bild: Menschen sitzen vor ihren Notebooks und sehen wirklich hinein! Und: Gebügelte Hemden, Jacketts sind es, die wir um uns haben, nichts anderes.

Es beginnt nicht mehr bei der schmutzigen Reibung zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, in der klassischen Mehrwertproduktion bei den Stahlkochern, den Sweatshops, nicht einmal bei den Rohstoffmärkten, dem Bergbau, den Getreidehöllen unserer Erde, sondern bei den Vermittlern, den Investorenberatern, den internationalen Spürhunden und Consultants, bei der weltweiten Reisebewegung, die viele von uns mitreißt, die auch mich plötzlich mitgerissen hat, so dass ich mich in der einen oder anderen Fluggaströhre wiederfinde, zwischen seltsamem Strandgut auf ein Fortkommen wartend: Werbung für die Bundesdruckerei der Bundesbanken, für medizinische Grundlagenforschung, sichere, ehrliche Werte, letzte Reste der Verbindlichkeit einer Gesellschaft, die mit ihren flexiblen Zeittaktungen, Just-in-time-Produktionsformen und Deregulierungen sich im ständigen Aufbruch wähnt.

 

Ein wenig später geht Wachstum schon weiter auf Platz 7C genauso wie auf Platz 8E. Es geht weiter mit dem Lächeln der Stewardess, dem Nur-Wasser-Ordern der Spezialisten. Es bleibt nicht hängen, keine Sekunde, denn das darf es nicht, wenn man Private-Equity-Typen zu organisieren hat, und das ist ja das, was heute hauptsächlich geschieht. Erst viel später wird es dann landen bei den Market Makers an den Börsen, die Liquidität in die Märkte pumpen, exekutiert von den Hundertschaften an Händlern in den Kapitalmarktabteilungen und Handelsräumen, und noch ein wenig später wird es an Rohstoffbörsen zerschellen, an Ölpreisen oder Termingeschäften, Investmentblasen, Währungscrashs, Minuszinsen, Katastrophenrezessionen, Stagflation. So zumindest wird mir erklärt. Der Mann spricht schnell, denke ich mir, der Mann weiß, wovon er spricht, denke ich mir, der Mann setzt alles in ein Futur, überzieht die Landschaft mit seinem schneeweißen Futur, er sagt Sätze wie: Man müsste alles von hinten her aufrollen. Also vom Ende des Lebenszyklus eines Produkts. Und außerdem: Der Derivatemarkt sei völlig außer Kontrolle. Ich sitze also nicht neben einem dieser Heinis, die auf den Terminmärkten ihr Geld machen, auf dem Börsenparkett oder den obersten Etagen einer Bank, sondern neben einem, der an der realen Produktion interessiert ist.