Stottern und Stolpern. Strategien einer literarischen Gesprächsführung - Kathrin Röggla - E-Book

Stottern und Stolpern. Strategien einer literarischen Gesprächsführung E-Book

Kathrin Röggla

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Beschreibung

Kathrin Röggla analysiert unsere Gegenwart, sie recherchiert, führt Gespräche. Die Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit verzerren – das ist das Ziel. Doch wie geht das? Kathrin Röggla erzählt vom Schreiben, vom Stottern und Stolpern. Der Text entstammt dem Band ›besser wäre: keine‹, der Essays und Theaterstücken versammelt, die aus unserer Gegenwart berichten.

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Kathrin Röggla

Stottern und Stolpern.Strategien einer literarischen Gesprächsführung

Essay

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Stottern und Stolpern. Strategien einer literarischen Gesprächsführung

Mitarbeiten

Mitarbeiten, wird gesagt, das ist, was ihr Autoren macht, beim Fernsehen mitarbeiten, da seid ihr ja auch ständig. Ständig sehen wir euch, wie ihr da mitmacht, bei den Medien mitmacht, bei den Produktionen von Öffentlichkeit, bei den Buchreihen und Schriftenreihen, bei den Podiumsdiskussionen. Wie ihr dabei seid. Wie ihr nicht »nein« sagen könnt. Andauernd seid ihr öffentlich, andauernd präsent. Eure Mitarbeit ist glänzend, sie kann als Paradebeispiel für andere dienen, so ausnehmend gut wird das Prinzip »Mitarbeit« von euch praktiziert, also regt euch nicht über uns auf! Denn die anderen arbeiten ja auch mit oder wollen zumindest mitarbeiten. Nicht nur die Angestellten arbeiten mit, auch die Gewerkschaften arbeiten mit, es arbeiten die Behörden mit und die Agentur für Arbeit, ja, auch die arbeitet mit, obwohl man es nicht glauben will, es arbeiten ganze Familienmitglieder mit und freie Institutionen, es arbeitet die Politik mit und eben auch die Künstler, die zuallererst. Die Künstler in ihrer Selbständigkeit, was so viel heißt wie »in ihrer prekären Lage«, die arbeiten zuallererst mit. So dass man verzweifelt jene suchen muss, die nicht mitarbeiten. Denn irgendwer muss ja nicht mitarbeiten, sonst würde das alles ganz anders laufen, sonst hätten wir sie ja, jene berühmte Win-Win-Situation, von der alle sprechen. Die Geschäftsführer, wird gesagt, die Spitzenmanager, legt man nach – legt wer nach? Die Diskutanten, die Buchhandlungsbesucher, die zeigen wollen, wie alles vom kapitalistischen Prinzip durchdrungen ist, die linken Selbstbezichtiger, die Theoretiker, die der Kultur des neuen Kapitalismus nachgehen wollen, ich selbst, weil ich wütend bin, weil ich es nicht glauben kann, dass es keine Opposition mehr geben soll, keine Gegnerschaften, dass wir alle da mitmachen, ich, die ich da voller Ironie mit reingehe – kurz und gut, jede Menge Stimmen. Die Spitzenmanager, wiederholen sie schon, arbeiten nicht mit, immer wieder hört man von ihnen, dass sie in die eigene Tasche wirtschaften, dass sie eher für sich arbeiten als für andere, obwohl sie mit Vehemenz das Gegenteil behaupten. Und tatsächlich, sieht man sich das Gros dieser Leute genauer an, lässt sich auf einer bestimmten Ebene behaupten, dass sie ebenfalls mitarbeiten. Sicher, man kann aus der Distanz spötteln über die Risiken, die sie angeblich auf sich nehmen, über die Anstrengungen, die sie unternehmen, Arbeitsplätze zu retten, aber es findet sich auch bei ihnen immer eine Seite, die mitarbeitet, selbst wenn die zunächst gar nicht so sichtbar ist, wenn die eher versteckt bleibt. man kann sagen, dass sie zumindest partiell mitarbeiten. Aber es ist eben nicht nur ein Rausreden, wenn sie auf die allgemeine Lage, auf die Konjunktur, die globalisierten Verhältnisse etc. zu sprechen kommen, kurz: die objektiven Zwänge. Kurz: Die Wirtschaft, oder »unsere Wirtschaft«, wie man heute gerne sagt. Ja, so bleibt eigentlich nur noch die Wirtschaft übrig, von der anzunehmen ist, dass sie nicht mitarbeitet, unsere deutsche Wirtschaft, von Berlin aus betrachtet, unsere österreichische, von Wien aus, diesbezüglich denkt man immer noch gerne national. Ich sitze noch immer in jener kleinen Buchhandlung, die eigentlich recht harmlos aussieht, eine wütende Meute vor mir, eine wütende Meute in mir. Kritik ist ein schwieriges Geschäft geworden.

 

Der Schriftsteller, der Schriftsteller, sprechen sie aber schon weiter, das ist doch auch nur so ein verkappter Manager, das ist auch nur so eine Ich-AG. Ihr produziert doch auch nur Eure Waren, Eure Waren und Warenpositiönchen, die man dann im Internet anklicken kann, mehr noch: Marken! Ihr seid nichts als Marken. Wie? Ihr glaubt, keine Marken zu sein? Dann denkt doch mal nur kurz an den Designer Wolfgang Joop, der seinen Namen verkauft hatte und dann später mit sich selbst in Konkurrenz geriet, als er wieder Mode machen wollte. Das habt Ihr freilich noch nicht geschafft, Ihr seid eben schlechte Selbstverkäufer. Aber Eure PR-Arbeit wird ja auch immer besser, Ihr arbeitet daran, schreibt kurzfristig Artikel zu diesem oder jenem Thema, Ihr jettet mal schnell nach Düsseldorf, Basel oder Oldenburg. Ihr seid immer aktuell, äußert Euch zu allen möglichen tagespolitischen Fragen, sei es Usbekistan oder USA