Belladaire Academy of Athletes - Liars - Maren Vivien Haase - E-Book
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Belladaire Academy of Athletes - Liars E-Book

Maren Vivien Haase

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Beschreibung

Nika & Ambrose: Was, wenn aus Lügen Gefühle werden?

Nika Blum kann es kaum glauben: Sie darf an der elitären Belladaire Academy in Monaco studieren! Hier kann sie ihrem Traum von einer Karriere als Profi-Fechterin einen Schritt näher kommen. Nika will dazugehören, koste es, was es wolle. Was sind da ein paar Flunkereien, um sich interessanter zu machen?
Schwimmer Ambrose Kennedy steht schon immer im Schatten seines Bruders Aaron. Als er Nikas Geheimnis entdeckt, schlägt er ihr deshalb einen Deal vor: Wenn Nika sich an Aaron heranmacht und so seine Leistung verschlechtert, hilft er ihr dabei, beliebter zu werden. Nika geht auf den Handel ein, muss sich aber bald fragen: Wie weit ist sie bereit, für eine Lüge zu gehen? Vor allem, wenn ihr Herz für jemand anderen schlägt …

Mit Playlist im Buch!

Die Belladaire-Academy-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: Belladaire Academy of Athletes – Liars
Band 2: Belladaire Academy of Athletes – Rivals
Band 3: Belladaire Academy of Athletes – Misfits

Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 515

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Buch

Nika Blum kann es kaum glauben: Sie darf an der elitären Belladaire Academy in Monaco studieren! Hier kann sie ihrem Traum von einer Karriere als Profi-Fechterin einen Schritt näher kommen. Nika will dazugehören, koste es, was es wolle. Was sind da ein paar Flunkereien, um sich interessanter zu machen?

Schwimmer Ambrose Kennedy steht schon immer im Schatten seines Bruders Aaron. Als er Nikas Geheimnis entdeckt, schlägt er ihr deshalb einen Deal vor: Wenn Nika sich an Aaron heranmacht und so seine Leistung verschlechtert, hilft er ihr dabei, beliebter zu werden. Nika geht auf den Handel ein, muss sich aber bald fragen: Wie weit ist sie bereit, für eine Lüge zu gehen? Vor allem, wenn ihr Herz für jemand anderen schlägt …

Autorin

Maren Vivien Haase wurde 1992 in Freiburg im Breisgau geboren und absolvierte dort ihr Germanistikstudium. Schon als Kind stand für sie fest, dass sie all die Geschichten zu Papier bringen muss, die ihr im Kopf herumspuken. Sport wie auch das Hip-Hop-Tanzen mit ihrer Crew »Dope Skit« gehören genauso zu ihr wie stundenlange Serien- und Filme-Abende. Ihre Debütreihe um die New Yorker Tanzschule »Move District« wie auch die darauffolgende »Golden Oaks«-Dilogie eroberten auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste und begeisterten zahlreiche Leser*innen. Auf Instagram nimmt sie ihre über 50 000 Follower*innen täglich mit hinter die Kulissen ihres Schreiballtags.

Weitere Informationen unter: www.marenvivienhaase.de; www.tiktok.com/@marenvivienhaase; www.instagram.com/marenvivienhaase/

MAREN VIVIEN HAASE

BELLADAIRE ACADEMY

of Athletes

LIARS

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Originalausgabe 2023 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2023 by Maren Vivien Haase

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

Redaktion: Melike Karamustafa

Umschlaggestaltung: Anke Koopmann | Designomicon

Umschlagmotive: Shutterstock.com (Larch _tree; mrs_kato; everydayfriday; ONYXprj; Chinnapong)

DK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30299-3V001

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich am Ende eine Triggerwarnung.Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.Maren Vivien Haase und der Blanvalet Verlag

Für alle, die schon mal das Gefühl hatten, nicht dazuzugehören

Playlist

Breakaway – Kelly Clarkson

mirrorball – Taylor Swift

Better Than Today – Rhys Lewis

In the Air Tonight – Natalie Taylor

No Good – UNSECRET & Ruelle

I Know Places – Taylor Swift

Cruel Summer – Taylor Swift

bad ones – Tate McRae

Try – Colbie Caillat

Maraschino Love – EZI

Toxic – GIVVEN

Dress – Taylor Swift

Flames – R3HAB, ZAYN & Jungleboi

Innocence and Sadness – Dermot Kennedy

Perfectly Wrong – Shawn Mendes

Take It Or Leave It – James Arthur

Perfect – Sam Smith & Jessie Reyez

You’re On Your Own, Kid – Taylor Swift

When You’re Gone (Acoustic) – Shawn Mendes

Anti-Hero – Taylor Swift

Burning – Sam Smith

For You – Liam Payne & Rita Ora

Lover (First Dance Remix) – Taylor Swift

1

Nika

»Jackpot! Der Kerl mit der Rolex hat uns soeben ein Trinkgeld in Höhe einer Wochenmiete zugeschoben.« Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen zählte ich die Scheine in meiner Hand.

»Der mit der Rolex? Nett. Als ob nicht jeder dieser Bonzen hier eine trägt«, erwiderte mein Lieblingskollege Francois und zwinkerte mir zu. In den vergangenen acht Wochen war er mir mit seiner schamlosen Art ans Herz gewachsen. Er war etwas älter als ich, Mitte zwanzig, und arbeitete im Gegensatz zu mir nicht nur temporär im Jacques in Saint-Tropez, während er an seiner Karriere als Künstler tüftelte.

»Sorry, ich nehme das zurück«, schnaubte ich und verstaute das Geld in unserem Trinkgeld-Glas. Am Ende der Woche würden wir die gesamte Summe aufteilen. »Selbst nach zwei Monaten habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, dass die hier die Scheine regnen lassen wie Taylor Swift ihre Nummer-1-Hits.«

»Glaub mir, Nika, sobald du wieder die Chance hast, hier einzuspringen … do it! Vor allem in der Hochsaison ist das der Garant für einen Geldspeicher wie Dagobert Duck, Girl.« Er verzog seine Lippen zu einem Schmollmund und schnipste mit den Fingern ein paarmal in die Luft.

Ich vermisste Francois jetzt schon. Es war bereits meine letzte Woche im Restaurant, bevor ich ab Montag in mein neues Leben starten würde.

Ein Neuanfang.

Alles, was ich mir je gewünscht hatte, in greifbarer Nähe. Wenn ich nur daran dachte, füllte sich meine Brust mit Wärme, und ich musste unweigerlich lächeln. Daher würde ich den Verlust meines Jobs wohl auch ganz gut verschmerzen.

Noch immer hatte ich nicht wirklich realisiert, dass die renommierte Belladaire Academy of Athletes in Monaco mich angenommen hatte und mir einen Studienplatz für die nächsten drei Jahre bot. Ich hatte es mir verdient. Nicht nur den Platz im Fecht-Team, sondern auch die Hoffnung darauf, dass nun alles besser werden würde. Endlich raus aus Frankfurt, weg von meiner alten Schule und auf dem schnellsten Weg in eine glanzvolle Zukunft inklusive etlicher Stunden schweißtreibenden Trainings, Theoriestunden, funkelnder Medaillen und Menschen, die mich zur Abwechslung nicht wie einen Haufen Dreck behandelten. Hoffentlich.

Rasch schüttelte ich den letzten Gedanken ab, der die nur allzu vertraute Übelkeit in mir aufsteigen ließ. Diesmal würde alles besser werden. Es musste einfach.

»Ist notiert.« Ich strich mir die schwarze Schürze glatt und lief zu einem der Tische auf der Terrasse, wo gerade zwei Männer Platz genommen hatten, die ungefähr in meinem Alter sein mussten.

Die edle Einrichtung im Innenbereich mit vorwiegend weißem Mobiliar und Statuen in jeder Ecke erstreckte sich bis nach draußen. Es war später Nachmittag, und alle Gäste auf der Terrasse hatten einen perfekten Blick aufs Meer und den Hafen von Saint-Tropez. Palmen wehten im Wind, vereinten sich mit Wellenrauschen und den Schreien der Möwen. Während Gläser gegeneinanderklirrten, Lachen und Gesprächsfetzen von allen Seiten herbeischwebten, steuerte ich den Tisch in der Mitte an, wo die beiden neuen Gäste in der Karte blätterten.

»Herzlich willkommen im Jacques. Darf ich Ihnen schon etwas zu trinken bringen?« Ich strich mir eine schwarze Strähne hinters Ohr, die sich aus meinem strengen Dutt gelöst hatte, und holte das Tablet aus der Tasche meiner Schürze, um die Bestellung aufzunehmen.

»Für mich erst mal ’ne Cola, danke«, sagte einer der beiden auf Englisch mit dem Hauch eines skandinavischen Akzents und legte die Karte beiseite. Er hatte hellblonde Haare, die leicht verwuschelt unter einer Beanie hervorblitzten, und strahlend blaue Augen.

»Alles klar«, entgegnete ich, vermerkte die Bestellung im System und sah den anderen jungen Mann an. Ein schiefes Grinsen auf den Lippen, saß er lässig zurückgelehnt da und blätterte in der Getränkekarte. Ich konnte nicht bestreiten, dass er mit den kurz geschorenen schwarzen Haaren und dem leichten Bartansatz, den vollen Lippen und dem Zahnpastalächeln ziemlich heiß aussah. Ein wenig wie der kleine Bruder von Michael B. Jordan. Nur mit einem viel breiteren Rücken. Im Gegensatz zu seinem Freund war sein Kinn nicht ganz so markant, sein Blick dafür aber umso eindringlicher, sodass mein Herz einen kurzen Moment stolperte, als er mir in die Augen sah. Langsam musterte er mich von oben bis unten, ließ seinen Blick über mein Gesicht über meine Brust bis zu meinen Beinen und schließlich wieder nach oben wandern, um mir in die Augen zu sehen.

»Wow«, sagte er und legte grinsend den Kopf schief.

Ich zwang mich dazu, nicht die Augen zu verdrehen, sondern meine Miene professionell freundlich zu halten. Was dachte er denn, was ich ihm darauf antworten würde?

Oh, danke, zu gütig! Freut mich so sehr, dass du das sagst, weil mein Leben davon bestimmt wird, wie oft mir irgendein Kerl Komplimente über mein Aussehen macht. Mein Tageshighlight, das ich heute Abend in meinem Tagebuch festhalten werde, um immer wieder daran zurückzudenken.

Vermutlich. Aber diese Art von Gast hatten wir hier recht oft, weshalb ich es gewohnt war. Und solange ich lächelte und höflich war, sprang für mich ein saftiges Trinkgeld heraus, das mir die Academy finanzierte. Ich war schließlich extra zwei Monate vor Studienbeginn angereist, um mir noch ein wenig Geld dazuzuverdienen.

»Was für ein Getränk darf es denn sein?« Ich legte ein gezwungenes Lächeln auf, während er wieder die Getränkekarte studierte.

»Überrasch mich«, sagte er wie sein Kumpel auf Englisch, allerdings mit amerikanischem Akzent. Er klappte die Karte zu und reichte sie mir. »Der Preis spielt keine Rolle. Gerne was Alkoholisches, ich muss heute nicht mehr fahren.«

Angeber.

Rasch nahm ich die Karten entgegen und nickte. »In Ordnung, kommt sofort.«

Er rief mir noch ein viel zu lautes »Danke« hinterher, während ich mich vom Tisch entfernte und hinter die Bar zu Francois trat.

»Eine Cola und …« Ich überlegte. »Ach, wir gönnen dem Guten mal den Dom Pérignon Rosé. Schenk ihm ein Glas ein, dann bring ich alles rüber.«

»Da hat wohl jemand die Spendierhosen an.«

Meine Mundwinkel zuckten nach oben. »Er meinte, ich solle ihn überraschen. Und hey, hätte ich die Kohle, würde ich mir den Champagner auf jeden Fall gönnen.«

Francois machte die Getränke fertig, während ich noch einige weitere Tische bediente.

Zu Hause in Frankfurt hatte ich neben der Schule, die ich mit einem mittelmäßigen Abi abgeschlossen hatte, auch hin und wieder gekellnert, aber eher in Kneipen oder Studierenden-Bars – etwas ganz anderes, als in einem der teuren Restaurants an der Côte d’Azur zu arbeiten. Neben meinen vielen Trainingseinheiten in den letzten Jahren hatte ich die freien Minuten statt fürs Lernen viel zu oft genutzt, um so viel Geld anzusparen, dass ich mir die Studiengebühren an der Academy leisten konnte. Inklusive der Lebenshaltungskosten, wobei das meiste wie Essen und Miete glücklicherweise bereits in den Gebühren enthalten war. Der Job hier sollte mein Polster noch ein bisschen vergrößern. Und jetzt … war ich nur noch Tage davon entfernt, meinem Traum, irgendwann als Fechterin bei den Olympischen Spielen anzutreten, ein Stück näher zu kommen. Gut, das lag noch in sehr weit entfernter Zukunft, aber immerhin war es ein Schritt in die richtige Richtung. Ich freute mich auf das harte Training, doch zugleich verknotete sich mein Magen bei dem Gedanken, dass ich meine Vergangenheit noch mal aufs Neue würde durchleben müssen – nur an einem anderen Ort.

Nein! So durfte ich nicht denken! An der Academy würde ich auf so viele neue Leute treffen, für die ich ein unbeschriebenes Blatt war, die nichts über meine Vergangenheit wussten. Die nicht mit mir zur Schule gegangen waren, nicht wussten, was dort passiert war, und die den Ehrgeiz und den Willen, zu den Besten der Besten ihrer Sportart zu gehören, mit mir teilten. Hier würde ich Anschluss finden, ganz sicher.

Ich schnappte mir das Tablett mit den Getränken und ging rüber zu den beiden Typen, schenkte ihnen ein herzliches Lächeln und platzierte die Cola und den Champagner vor ihnen auf dem weißen Tischtuch.

»Gute Wahl«, sagte der Angeber mit dem Zahnpastalächeln, als ob er anhand der Farbe des Champagners erkennen könnte, welches Gesöff sich da in seinem Glas befand.

Ein gespielt freundliches Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln. »Selbstverständlich nur die Highlights unseres Hauses.« Unsere Blicke begegneten sich für den Bruchteil einer Sekunde. »Möchten Sie schon etwas zu essen bestellen, oder soll ich die Karte liegen lassen?«

»Da geben wir noch mal Bescheid. Aktuell nicht, oder?«, meinte der Typ mit der Beanie und prostete seinem Freund zu, der sich ihm mit einem Nicken anschloss.

Er nippte am Glas und sagte dann, ohne mich anzublicken: »Dom Pérignon Rosé, richtig?«

Ich nickte. »Richtig.«

»Gut tausend Euro die Flasche, wenn ich mich nicht irre?«

»Korrekt.« Ich sah ihn mit Engelsmiene an. »Ist das ein Problem?«

»Keineswegs.« Ein Schmunzeln legte sich auf seine Lippen. »Peanuts.«

»Wunderbar. Nicht weniger als der beste Champagner der Welt für Sie. À votre santé.«

Ein amüsierter Ausdruck huschte über sein Gesicht, dann nickte er. »Gut, danke.«

»Melden Sie sich gerne, falls Sie noch Wünsche haben.« Ich lächelte noch mal und entfernte mich dann.

Diese arroganten Kerle … Ich hatte wirklich kein Problem mit reichen Kids, ganz im Gegenteil. Manchmal wünschte ich mir sogar, zu ihnen zu gehören, ihr Leben zu leben – in dem die scheinbar größte Sorge war, welche Kreditkarte man heute nur benutzen sollte. Aber es gab auch die Deppen, die dachten, dass sie andere Leute mit ihrem Vermögen um den Finger wickeln konnten, und von denen hielt ich absolut gar nichts.

Nur noch fünf Tage, Nika.

Nur noch fünf Tage, bis ich diese Menschen einerseits nicht mehr bedienen musste, andererseits jedoch, neben den wenigen Stipendiaten und Leuten, die sich die Gebühren mühsam hatten ansparen müssen, täglich mit ihnen an der Belladaire Academy zu tun haben würde. Denn alles, was ich mir neben meiner Sport-Karriere wünschte, war, endlich anzukommen und irgendwo dazuzugehören. Zu anderen Sportlerinnen und Sportlern, die die gleiche Leidenschaft wie ich teilten. Das konnte doch nur gut werden – oder zumindest nur besser als in den vergangenen Jahren.

Nur noch fünf Tage.

Nur noch fünf Tage, bis endlich mein neues Leben anfing.

2

Nika

Die letzten fünf Tage waren schneller vergangen, als ich Säbel hätte sagen können. Jeden Morgen hatte ich in dem kleinen WG-Zimmer, in dem ich zur Untermiete gewohnt hatte, ein Kreuz in meinen Kalender gekritzelt, nur um jetzt mit zwei Koffern, einem Rucksack und einer Reisetasche vor dem schmiedeeisernen Tor zu stehen, das in die Anlage der Belladaire Academy of Athletes führte.

Nach einer umfangreichen Bewerbung, einer sportlichen Aufnahmeprüfung und einem Zulassungsgespräch, das als Videotelefonat stattgefunden hatte, war ich aufgenommen worden; allerdings ohne eins der seltenen Stipendien zu ergattern, sodass ich die kommenden drei Jahre die hohen Studiengebühren aus eigener Tasche zahlen musste. Doch es würde sich lohnen. Belladaire gehörte zu den renommiertesten Akademien für Elite-Sport weltweit und legte den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere. Hier erhielt man nicht nur eine der besten sportlichen Ausbildungen weltweit, sondern knüpfte auch wertvolle Kontakte zu Coaches, Profis, Sponsoren und vielen hochrangigen Funktionären, um es in dieser Branche langfristig zu etwas zu bringen. Viele der Absolventen des dreijährigen Programms gehörten zu den besten Sportlerinnen und Sportlern der Welt.

Francois hatte mich netterweise mit seinem uralten Auto die Strecke von einer knappen Stunde von Saint-Tropez hergefahren, die Fahrt im Bus wäre mit meinem Haufen Gepäck vermutlich etwas umständlich geworden. Außerdem konnte ich so noch ein wenig Zeit mit Francois verbringen, bevor wir getrennte Wege gehen würden. Immerhin hatte er mit seiner künstlerischen Karriere und der Arbeit im Restaurant und ich in der Academy alle Hände voll zu tun.

Und nun … stand ich hier. Etwas abgelegen vom Zentrum in den Bergen Monacos mit perfekter Aussicht über die gesamte Stadt und aufs Mittelmeer, das türkisblau in der Mittagssonne glitzerte, lag die Academy, die in den nächsten Jahren mein Zuhause sein würde. Schon von der Pforte aus konnte ich einen Blick auf die Anlage erhaschen, die sich hinter dem mindestens drei Meter hohen verschnörkelten Zaun im Barock-Stil verbarg. Alles hier wirkte wie in einer dieser Netflix-Serien, in denen es um reiche Kids, Geheimnisse und einen Luxus-Lifestyle ging. Die Mischung aus dem elitären Gebäude und den modernen Elementen faszinierte mich. Efeu wucherte an den Eisenstäben herab und meine hoffnungsvolle Aufregung daran hinauf. Eine leichte Brise raschelte durch die umstehenden Palmen und kühlte meinen schweißnassen Nacken. Diese Wärme schon jetzt im März war definitiv ein Upgrade zum lauen Frühling in Deutschland.

Mein Herz schlug Purzelbäume, als ich die hochmoderne Sprechanlage beäugte, bevor ich den schwarzen Knopf daran drückte. Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen, während ich tief durchatmete und in die Linse blickte.

»Was kann ich für Sie tun?«, ertönte es aus dem Lautsprecher auf Englisch.

Da die Academy international war und von Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern besucht wurde, unterhielten sich alle auf Englisch. Zwar hatte ich in der Schule Französisch gelernt und verstand das meiste, aber richtige Gespräche zu führen, dazu fehlte mir die Übung.

»Hallo, ähm … Ich bin Nika Blum – äh, Veronika Blum – und wollte …«

Ja, was wollte ich denn? Einziehen? Direkt zum Training in die Fechthalle? Das Büfett abchecken? Medaillen gewinnen? Kalt duschen? Mein neues Leben beginnen? Alles davon.

»Hallo?«

Ich zuckte zusammen. »Oh, äh ja … Ich komme, um mein Zimmer zu beziehen.«

»Einen Moment. Schauen Sie bitte in die Kamera vor Ihnen, wir wollen die Identität abgleichen.«

Ich nickte und sah erneut in die runde Linse oberhalb des schwarzen Knopfes. Holy Shit, das war ja exklusiver und gesicherter als beim Secret Service.

Nur wenige Sekunden später schwangen die beiden Flügeltore auf. »Melde dich bitte bei uns am Welcome Desk im Hauptgebäude, wenn du reinkommst. Das ist das riesige Anwesen, das du direkt siehst, wenn du den Campus betrittst. Bis gleich.«

»Danke, ja … bis gleich!«, sagte ich und schnappte mir dann rasch mein Gepäck, um den Weg in mein neues Zuhause anzutreten.

Mir blieb der Mund offen stehen, als ich die Koffer über den cremefarbenen Pflasterweg rollte und versuchte, überall gleichzeitig hinzusehen. Alles aufzusaugen, was sich in mein Sichtfeld schob. Die grüne Parkanlage mit perfekt getrimmten Büschen und zierlichen Bäumen erstreckte sich direkt vor dem Hauptgebäude der Akademie – und mittendrin der Weg, den ich entlanglief und der breit genug war, um auch als Zufahrt für Autos genutzt zu werden. Dieser führte hin zum riesigen Anwesen, in dem ich die nächste Zeit wohnen, essen, schlafen und trainieren würde.

»Wow«, entfuhr es mir leise, und ich schüttelte ungläubig den Kopf.

Eine helle Außenfassade, unzählige verschnörkelte Säulen, Fensterbogen mit dunklen Rahmen, Erker und Spitzdächer auf dem Hauptgebäude und den beiden Flügeln, die zur Seite hinausreichten. Alles in einer Art barockem Stil gehalten, wie man es aus Italien, den glamourösen Hotels in Cannes oder den Casinos unten in Monaco kannte. Neben dem Gebäude befand sich eine Abfahrt, die der Beschilderung nach in die Tiefgarage führte, und hinter dem Haupthaus lagen die Trainingsplätze und -hallen. Das hatte ich bereits auf dem Lageplan gesehen, den ich auf der Website gefunden hatte.

Alles in mir kribbelte, als ich mich der breiten Treppe näherte, die zum Eingang hinaufführte. Davor stand auf einem kreisrunden Platz eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Scheiben, an der lässig ein Kerl in Chauffeur-Montur lehnte. Als ich am Fuß der Stufen stehen blieb, klopfte mein Herz wie verrückt, doch gleichzeitig hoben sich in freudiger Erwartung meine Mundwinkel. Einige Mädels und Jungs kamen mir lachend entgegen, andere standen in der Auffahrt oder saßen auf der Wiese und unterhielten sich.

Tief durchatmen. Das wird schon. Ich werde bestimmt schnell Anschluss finden. Hier wird es nicht so sein wie in Deutschland.

Ich biss fest die Zähne aufeinander, dann atmete ich aus und lief die Treppe hoch und durch den runden Steinbogen mit integrierter Tür, die ins Innere führte.

Eine riesige Eingangshalle, in der reges Treiben herrschte, hieß mich willkommen. Leute, die in Grüppchen umherhuschten, manche mit Gepäck und sperrigen Koffern, andere mit Tablets und in dunkelgrüne Sportkleidung gehüllt, auf die das Wappen von Belladaire gestickt war. Sie sahen aus, als ob sie genau wüssten, was sie taten. Vermutlich stammten sie aus den höheren Jahrgängen und führten Neulinge wie mich herum. Am anderen Ende der Halle befand sich an der Wand aus dunklem Marmor ein langer Tresen, hinter dem noch mehr Leute herumwuselten. Darüber prangte das riesige verschnörkelte Logo von Belladaire in schimmerndem Gold an der Wand, darunter der Verweis Welcome Desk. Dort musste ich mich also melden.

Langsam lief ich darauf zu, während ich mich weiter umschaute. Rechts und links führten lange Treppen ins nächste Stockwerk. Überall roch es nach überteuertem Parfüm und … Angstschweiß. Vermutlich trug ich zu Letzterem in erheblichem Maße bei. Mir klebte das schwarze Top am Rücken, das ich heute Morgen zu luftigen Shorts kombiniert hatte. Ich wollte nur noch unter die Dusche springen, also band ich mir rasch die langen Haare zu einem lockeren Dutt und fächelte mir vorerst etwas Luft zu.

Das Stimmengewirr, das vom Marmorboden widerhallte, und Gelächter rissen mich aus meinen Gedanken, und ich reihte mich rasch hinter einem rothaarigen Kerl in die Schlange vor dem Welcome Desk ein. Nur wenige Minuten später war ich an der Reihe und nannte der Dame hinter dem Tresen meinen Namen.

»Alles klar.« Die Frau tippte auf der Tastatur ihres Computers und reichte mir nach einer Weile eine dunkelgrüne Sporttasche mit dem Emblem von Belladaire darauf, in die sie noch rasch eine Mappe steckte. »Hier drin findest du ein paar kleine Willkommensgeschenke und wichtige Informationen, die du dir durchlesen solltest. Es wird noch eine Führung für die Newbies geben, bei der dir alles gezeigt wird. Dein Zimmer befindet sich im Mädchen-Flügel rechts; mit dem Tracking-Armband öffnest du die Tür.« Sie reichte mir eine Art Gummi-Fitnessarmband in Dunkelgrün, das ich über mein Handgelenk schob. »Das solltest du immer tragen. Tag und Nacht. Damit wird deine Leistung getrackt, außerdem Herzrate und Werte, Schlaf und vieles andere Nützliche; mehr Infos dazu findest du in der Willkommensmappe in der Tasche. Du kannst es auch im Gym mit den Geräten verknüpfen und in den Trainingshallen mit den Programmen, die deine Performance tracken. Über unsere App hast du Einsicht in die Daten und kannst so deine Fortschritte verfolgen. Manche der Trainer haben auch Zugriff darauf und können ihre Bewertung eingeben, woraus aus allen Sportlern immer der jeweilige Athlete of the Month gekürt wird. Jeden Monat bekommst du eine Zusammenfassung, dein Reporting, zugeschickt. Außerdem ist das Armband wie gesagt der Schlüssel für dein Zimmer, das Gym, die Trainingsbereiche und die Mensa, das Ärztezentrum und alles Weitere, das exklusiv euch Studierenden zugänglich ist.«

Ich nickte, auch wenn mein Siebhirn schon wieder die Hälfte vergessen hatte. Von dem Armband hatte ich bereits gelesen. Dafür, dass es nur ein Stück Gummi mit einer kleinen Metallplatte war, konnte es eine ganze Menge.

»Dein Zimmer befindet sich in diesem Gebäude im zweiten Stock, Nummer 207. Deine Mitbewohnerin ist vor ein paar Minuten eingetroffen. Um 16 Uhr findet die Willkommenszeremonie im hinteren Garten statt, sei bitte pünktlich.« Sie legte die Stirn in Falten. »Hast du noch Fragen?«

Mein Hirn war ein einziges Fragezeichen, aber ich sparte mir lieber weitere Fragen, um nicht jetzt schon einen doofen Eindruck zu hinterlassen, und sagte stattdessen: »Nein danke, alles super.« Den Rest würde ich noch auf eigene Faust herausfinden. Vielleicht war ja auch meine Mitbewohnerin ein bisschen informierter und hatte womöglich schon das Intensive-Camp in den letzten Wochen mitgemacht, für das mein Budget leider nicht ausgereicht hatte. Ich musste sowieso schon jeden Cent umdrehen.

Ich schnappte mir mein Gepäck und die Tasche und steuerte den Aufzug an, der mich in die zweite Etage brachte. Nach einem kurzen Marsch durch den Flur, bei dem mir auffiel, dass an jeder Ecke Überwachungskameras hingen, blieb ich vor meiner Tür stehen und hielt mein Armband an den Sensor. Beim nächsten Wimpernschlag ertönte ein Summen, und ich konnte die Klinke herunterdrücken.

Im Inneren war außer dem Geklapper von Kleiderbügeln nichts zu hören, als ich eintrat und den gut dreißig Quadratmeter großen Raum in Augenschein nahm.

Meine Mitbewohnerin stand mit dem Rücken zu mir vor dem Kleiderschrank und hantierte mit ein paar Klamotten herum. Ihr braunes Haar war zu einem strengen Dutt nach oben gebunden.

Ich nahm all meinen Mut zusammen, dann sagte ich: »Hey!«

Keine Reaktion.

Mich beschlich ein mulmiges Gefühl, und ich biss mir auf der Innenseite meiner Wange herum. Wieso begrüßte sie mich nicht, sondern ignorierte mich offensichtlich? Hoffentlich war sie eigentlich nett und hatte mich gerade nur nicht gehört. Bitte, bitte, bitte.

Mit einem flauen Gefühl trat ich weiter in den Raum hinein. Zwei riesige Fenster, die zum Innenhof der Academy hinausgingen, fluteten das Zimmer mit Sonnenlicht. Da ich es mir teilte, trennte es ein Minikühlschrank optisch in zwei Hälften. Auf jeder Seite standen jeweils ein Einzelbett, ein Schreibtisch, ein Kleiderschrank und eine Kommode – alles sehr clean in dunklem Holz gehalten. Angrenzend befand sich außerdem ein Badezimmer. Ich würde noch ein bisschen umgestalten müssen, sodass alles etwas wohnlicher wirkte, aber das bekam ich hin. Vielleicht fand ich ja auch schnell Freunde, mit denen ich Fotos machen und damit meine Wände dekorieren konnte.

Mein Blick wanderte wieder zum Kleiderschrank auf der anderen Seite des Zimmers, wo das Mädchen in meinem Alter stand und ihren Koffer auspackte. Als sie sich leicht zur Seite drehte, bemerkte ich, dass in ihren Ohren weiße Stöpsel saßen, über die sie vermutlich Musik hörte. Also hatte sie mich nicht absichtlich ignoriert. Glück gehabt.

Erleichtert atmete ich aus, dann sagte ich, etwas lauter als zuvor: »Hey, ähm …« Als ich die Hand hob und winkte, registrierte sie mich, wandte sich mir zu und nahm sich rasch die Wireless-Kopfhörer aus den Ohren.

»Hi, sorry, wer bist du?«

»Nika, deine neue Mitbewohnerin. Freut mich«, sagte ich und stellte mein Gepäck neben dem Bett ab, das offensichtlich meins war.

Meine Mitbewohnerin war kleiner und zierlicher als ich, aber genauso trainiert. Ihre zarten Gesichtszüge umrahmten hellbraune Haare, die ihr bis zum Schlüsselbein reichten und perfekt lagen. Sandfarbene Ponyfransen fielen ihr in die Stirn. Als ich etwas näher trat, bemerkte ich, dass ihre Augen verschiedene Farben hatten – eines war braun und das andere grau. Zu einem weißen Shirt trug sie eine schwarze Radlerhose.

Neugierig musterte sie mich und legte ein leichtes Lächeln auf. »Hey. Delphine.« Ihr Akzent verriet mir, dass sie mit ziemlich großer Sicherheit aus Frankreich kam.

Mein Puls beschleunigte sich, und ich spürte, wie meine Handflächen zu schwitzen begannen. Hoffentlich war sie nett. Hoffentlich würden wir uns verstehen.

»Ähm, ich … ich freu mich schon auf die nächste Zeit«, wählte ich jedes Wort mit Bedacht. »Ich fechte. Und du?«

»Turnen.« Sie musterte mich ein wenig misstrauisch, wenn auch nicht wirklich unfreundlich, dann widmete sie sich wieder ihrem Schrank.

»Cool.« Ich trommelte mit den Fingern gegen die Seiten meiner Oberschenkel. »Ähm, keine Ahnung, aber … wir könnten uns ja vielleicht vor der Begrüßungsfeier um 16 Uhr zusammen ein bisschen umsehen. Wir hätten jetzt noch so zwei Stunden … Also … falls du Lust hast?«

Delphines Blick huschte kurz zu mir und wieder zu ihrem Koffer, dann seufzte sie und zog die schmale Nase kraus. »Hör zu, du bist sicher nett, aber ich suche keine Freundinnen. Ich habe mir mein Stipendium für Belladaire hart erarbeitet und will es nicht durch irgendwelche Ablenkungen verlieren. Nichts gegen dich.«

Meine Lippen formten ein tonloses O, während mir heiß wurde. Und das, obwohl die Klimaanlage lief.

Betretenes Schweigen.

Auch wenn ich ihre Einstellung verstand, fand ich es schade und es wunderte mich auch etwas. Immerhin schlossen Freundschaften und eine exzellente Leistung einander ja nicht aus. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie wir gemeinsame Filmabende machen, auf dem Gelände abhängen und in den Pausen zusammen essen gehen würden, aber wenn ihr nicht danach war, musste ich mich wohl damit abfinden.

Bitte lass es nicht so werden wie damals. Bitte, bitte, bitte.

»Ähm, ja …« Ich räusperte mich und presste kurz die Lippen aufeinander. »Kein Problem.«

»Sorry«, entgegnete sie schulterzuckend und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht.

»Schon okay.«

Ich versuchte, den Dämpfer beiseitezuschieben, und stellte die Welcome-Tasche auf meinem Bett ab, auf dem bereits ein dunkelgrünes Shirt mit dem Emblem der Academy lag. Ich ließ mich daneben auf die Bettkante sinken und zog mein Handy aus dem Rucksack, um eine Nachricht an meine Eltern zu schreiben.

Nika: Bin gut angekommen. Alles ist so superkrass hier. Total unwirklich! Ich melde mich heute Abend noch mal! Hab euch lieb!

Dann wechselte ich das Chat-Fenster, um auch meiner besten Freundin Anna ein Update zu geben. Wir kannten uns schon unser ganzes Leben, doch nach der Grundschule war sie mit ihren Eltern leider von Frankfurt nach Hamburg gezogen, sodass wir seitdem eine Fernfreundschaft führten und uns viel zu selten sahen. Trotzdem waren wir immer füreinander da und besuchten uns hin und wieder.

Nika: Bin jetzt im Zimmer. Ich schick dir später noch Fotos! Nachher findet die Willkommensfeier statt. Hab Angst. Das wird bestimmt superseltsam, weil ich hier keinen Menschen kenne und meine Mitbewohnerin auch nichts von mir wissen will. Please send help!

Ich musste keine Minute warten, bis sie online kam und zu tippen begann.

Anna: Du schaffst das! Die kennen dich (noch) nicht, aber sobald sie mit dir geredet haben, werden sie dich lieeeben. I mean, wie kann man nicht? Vertrau mir, das wird gut! Ein Neuanfang! Auch wenn es schade ist, dass deine Mitbewohnerin nichts von dir wissen will … oh Mann. Aber: Das wird schon! Ruf an, falls was ist, und schick mir unbedingt Fotos :)

Nika: Okay, okay, okay. Ich schaffe das. Danke. Melde mich später!

Ich sperrte mein Handy und legte es neben mir ab, dann atmete ich mehrere Male tief durch, um mich ein wenig zu beruhigen.

Nachdem ich all meine Sachen ausgepackt und verräumt, geduscht und mich in ein schwarzes Kleid mit fließendem Stoff geschwungen hatte, das mir bis knapp übers Knie reichte, legte ich noch eine Schicht Make-up auf und drehte mir ein paar Locken in die dunklen Haare. Ich war froh, dass ich das volle, dunkle Haar meines Dads geerbt hatte, und stylte es echt gerne, auch wenn es manchmal fast eine halbe Stunde dauerte, bis ich alle Strähnen erwischt hatte. In dieser Hinsicht waren meine philippinischen Wurzeln Fluch und Segen zugleich. Die Willkommensparty konnte also losgehen.

Kurz vor vier machte ich mich auf den Weg zum Garten hinter dem Hauptgebäude. Ich folgte ein paar anderen Leuten, die schick gekleidet waren, die Treppe hinunter, die von einem verschnörkelten Geländer aus dunklem Holz gesäumt war. Alles wirkte so unfassbar luxuriös und elitär – Statuen von Sportlerinnen und Sportlern in den Gängen und der Eingangshalle, Gemälde der erfolgreichsten Absolventen an den Wänden der Flure und überall sehr viel dunkler Marmor. Durch die Eingangshalle hindurch folgte ich den anderen nach draußen, wo mir eine sanfte Brise um die nackten Beine strich. Perfekt getrimmte Büsche und Buchsbäume, wohin das Auge sah, und dazwischen hell gepflasterte Wege, die über einen Hof in den angrenzenden Garten mit grüner Wiese und noch mehr Statuen führten, in dem um die fünfzig Leute standen. Stimmengewirr und Gelächter vermischten sich mit klassischer Musik.

Ich folgte einer Gruppe Leute in meinem Alter auf den Kieshof, auf dem eine Bühne und Lautsprecher sowie das Büfett aufgebaut waren. Die meisten Menschen waren schick gekleidet. Eine Frau schöner als die andere, mit glamourösen Kleidern, die vermutlich zehnmal so teuer waren wie meines, und sichtlich selbstbewusst. Und die Kerle trugen fast alle ein unverschämt attraktives Grinsen auf den Lippen. Passte ich hier überhaupt rein, oder war ich wie so oft fehl am Platz? Das waren Athleten aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt, die bereits von Kindesalter an durch teure Coaches gefördert worden waren und nun zu den Besten der Besten gehörten. Ich für meinen Teil hatte nie die finanziellen Mittel dafür besessen, dafür aber eine ordentliche Portion Talent, das zusammen mit dem harten Training der letzten Jahre dazu geführt hatte, dass ich in Belladaire angenommen worden war.

Ich sah mich weiter um, während ich von einem Fuß auf den anderen trat. Die meisten Leute hatten sich bereits in kleinen Grüppchen zusammengefunden. Ich biss mir auf der Innenseite meiner Wange herum und spürte, wie sich Unbehagen in mir breitmachte. Zu gern wollte ich Anschluss finden, aber ich hatte schlicht und ergreifend Angst.

Was, wenn es so wird wie in Frankfurt?

Was, wenn sie über mich urteilen?

Was, wenn sie mich hassen?

Nein, Nika. Ruhig bleiben. Das hier ist ein Neuanfang. Dein Neuanfang.

Ich atmete tief durch und ließ unruhig den Blick umherwandern, um sicherzugehen, dass mich niemand beobachtete oder hinter meinem Rücken über mich lästerte, während ich das Büfett ansteuerte und mich in die Schlange stellte. Ich spielte an meinem Ohrring herum, bewegte mich alle paar Sekunden einen Schritt vor, bis ich bei den Drinks ankam – frisch gepresste Säfte und gesunde Cocktail-Alternativen. Gegen einen Schluck Sekt hätte ich allerdings nichts einzuwenden gehabt. Ganz im Gegenteil. Der hätte mir sicher gutgetan und meine Nerven etwas beruhigt. Allerdings herrschte an der Akademie ein ausdrückliches Alkohol- und Drogenverbot.

Jetzt musste ich mich nur noch für einen Drink entscheiden.

Gurke und Sellerie? Orange? Wassermelone?

Den Blick auf die Auswahl gerichtet, trat ich einen weiteren Schritt vor und … prallte auf Widerstand.

»Shit!«, hörte ich eine hohe Stimme fluchen.

Nein, nein, nein, nein, nein.

Ich fuhr zu besagtem Widerstand herum, nur um herausfinden zu müssen, dass ich in ein braunhaariges Mädel hineingelaufen war, worauf sie offensichtlich eine Menge ihres Drinks verschüttet hatte. Meine Augen weiteten sich, und ich starrte sie einige Wimpernschläge lang an, bis mir wieder einfiel, wie man Laute produzierte.

»O mein Gott. Das tut mir unglaublich leid!« Mein Puls beschleunigte sich, und ich merkte, wie Hitze in meine Wangen stieg. Super erster Eindruck, Nika. Wie unfassbar peinlich konnte ich eigentlich gleich am ersten Tag sein?

Die Sportlerin schaute prüfend an ihrem cremefarbenen Paillettenkleid herunter, atmete erleichtert aus und sah mich dann mit zusammengekniffenen Augen an. »Geht’s noch? Ich hätte mir den Smoothie fast aufs Kleid gekippt. Das ist maßgeschneidert.«

»Oh, ja ähm, sorry … also … Ich hab irgendwie nicht hingesehen und … Tut mir echt leid!« Die Hitze breitete sich von meinen Wangen in meinem gesamten Körper aus, und mein Herz galoppierte.

Sie musterte mich abschätzig. »Wer bist du überhaupt?« Dann hob sie eine Hand, um mir zu signalisieren, dass sie noch etwas zu sagen hatte. »Ach, spar dir das. Interessiert mich sowieso nicht. Halt dich bloß fern von mir.« Schwungvoll drehte sie sich um und stolzierte mit zwei anderen Mädels davon.

In meiner Kehle bildete sich ein Kloß, und ich blinzelte einige Male, um mich zu beruhigen. Mein Herz pochte immer noch wie wild, und in mir keimte das Gefühl auf, dass dies der beschissenste Start überhaupt war.

»Verdammter Mist«, fluchte ich leise und versuchte, meine zitternden Finger unter Kontrolle zu bekommen. Darauf brauchte ich jetzt tatsächlich erst mal einen (leider antialkoholischen) Drink.

Ich fuhr mir durch die Locken, versteckte mich dahinter, während ich langsam ein- und ausatmete.

»Hi!«

Erschrocken zuckte ich zusammen und wandte mich der Person zu, die hinter mir stand. Eine junge Frau in knallblauem Kleid und mit genauso knallblauen Augen nickte mir zu, auf ihren rosa schimmernden Lippen zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. Sie trug ihr hellblondes Haar in einem hohen Pferdeschwanz, ihr Gesicht hatte eine markante Form, und ihre Haut war sonnengebräunt, als ob sie sich jeden Tag am Strand rekelte.

Mein Puls beschleunigte sich wieder. War ich ihr auf den Fuß getreten? Hatte ich sie irgendwie angerempelt oder sonst wie verärgert?

Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.

»Hi«, sagte ich leise und biss die Zähne aufeinander.

»Das war ganz schön fies.«

Meine Augen weiteten sich. »Ähm ja, es tut mir auch voll leid, ich meine, ich … ähm … Ich hab sie nicht …«

Sie lachte auf. »Nein, Quatsch. Nicht du. Das Mädel.«

Misstrauisch, weil ich Angst hatte, dass sie mich auf den Arm nahm und gleich bloßstellte, legte ich den Kopf schief. »Wie … ähm … Wie meinst du das?«

»Na, ich hab es doch gesehen. Sie hat viel zu krass reagiert, es ist ja noch nicht mal was auf ihr Kleid gekommen.« Sie zuckte mit den Schultern und ließ den Blick zu den Drinks schweifen, dann wieder zu mir und an mir herunter.

Erneut machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Ich hasste es, wenn mich außerhalb des Trainings Leute so genau musterten. Das verhieß nie etwas Gutes.

»Ich mag dein Kleid!« Ein Lächeln streifte ihre Lippen.

»Danke«, erwiderte ich und blinzelte ungläubig.

Ein Kompliment, das aufrichtig geklungen hatte. Keine Beleidigung. Ich hasste diese Unsicherheit. Ich hasste, was die letzten Jahre mit mir gemacht hatten. Ich hasste, was aus mir geworden war. Aber möglicherweise war dies meine Chance, Anschluss zu finden. Ich musste sie nur nutzen.

Überwinde dich, Nika. Trau dich. Du musst! Tu es! Jetzt!

Ich straffte die Schultern. »Dein Kleid ist auch richtig schön. Woher hast du das?«

Sie strahlte mich an. »Oh, danke! Das ist von Dolce & Gabbana, aber aus einer älteren Kollektion. Die neue ist irgendwie nicht so mein Geschmack.«

Meine Brauen huschten nach oben, und hätte ich gerade einen Schluck getrunken, wäre ich wohl daran erstickt. Das musste Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Euro gekostet haben. Hoffentlich fragte sie mich jetzt nicht, woher meines war. H&M würde wohl keinen besonders großen Eindruck machen.

»Echt megaschön«, erwiderte ich und lächelte, weil ich nicht wirklich wusste, was ich noch sagen sollte.

»Wie heißt du eigentlich?«

Dankbar lächelte ich sie an. »Nika, und du?«

»Lova. Freut mich!«

Ich schnappte mir einen Drink mit Minze, Mango, Sellerie und Gurke und nippte daran. Meine Augen weiteten sich, als ich die leichte Süße schmeckte.

»Mich auch.«

In diesem Moment trat ein Mädel mit schwarzen Braids, die ihr bis zur Taille reichten, zu uns. »Wir wollten rüber zum Springbrunnen und da kurz chillen, bevor die Rede von Mathilda Belladaire losgeht, kommst du?« Dann wanderte ihr Blick von Lova zu mir. »Hey, dich kenne ich noch nicht! Ich bin Tanisha, und du?«

Ich schluckte, während ich merkte, wie meine Handflächen zu schwitzen begannen.

»Das ist Nika«, kam mir Lova zuvor. »Woher bist du eigentlich?«

Ich blinzelte einige Male, dann riss ich mich zusammen und verzog die Lippen zu einem Lächeln. »Aus Deutschland. Und ihr?«

»Ich komme aus Schweden«, sagte Lova und machte Anstalten, rüber zum Springbrunnen zu laufen, der sich in der Mitte des Hofs befand. Nach ein paar Schritten wandte sie sich halb zu mir um und bedeutete mir mit einem Winken mitzukommen.

Wie ferngesteuert folgte ich ihr und dem anderen Mädchen. Ich wollte mich nicht aufdrängen, aber durch das Winken wirkte es so, als ob es okay für sie war, wenn ich einfach mitkam. Es fühlte sich noch etwas unwirklich an, und ich hatte Angst, jeden Moment irgendwas Dummes zu sagen und sie damit gegen mich aufzubringen. Ich musste alles dafür tun, dass sie mich mochten. Dies war meine Chance, Freundschaften zu schließen.

»Und ich aus Nigeria«, fügte Tanisha hinzu. »Wir sind beide im Tennis-Team.«

Gemeinsam liefen wir auf ein Mädel mit roten Haaren und einen Kerl zu, der wie ein typischer Surfer-Boy aussah. Die beiden unterhielten sich gerade, sahen jedoch auf, als wir bei ihnen ankamen.

»Das ist Nika aus dem …« Lova warf mir einen fragenden Blick zu. »Was für einen Sport machst du eigentlich?«

Ich lächelte unsicher. »Fechten.«

Das rothaarige Mädchen mir gegenüber mit der ultrahellen makellosen Haut musterte mich aus zusammengekniffenen Augen von oben bis unten.

Unbehagen breitete sich in mir aus. Ich straffte die Schultern, versuchte, selbstbewusst zu wirken, obwohl ich mich lieber verstecken wollte. So wie die ganzen letzten Jahre.

»Und woher kommst du?«

»Deutschland.«

»Deutschland, mein Nachbarland«, entgegnete der Kerl. Er war braun gebrannt und hatte goldenes Haar, das etwas länger war und ihm diesen locker-lässigen Look verlieh. Sein hellblauer Anzug komplettierte den schicken Surfer-Look perfekt. »Ich bin Hugo und komme von hier, also genauer gesagt aus Nizza.«

»Wie toll.« Etwas Besseres fiel mir als Erwiderung nicht ein. Rasch sah ich weg – wobei mein Blick an der immer noch skeptisch dreinblickenden Frau mir gegenüber hängen blieb.

»Robyn«, sagte sie und legte ein Lächeln auf, das jedoch nicht bis zu ihren Augen reichte. »Ich bin Turnerin wie Hugo. Aus Schottland.«

Ich nickte verlegen. »Freut mich.«

»Du warst die letzten Wochen noch nicht hier, oder? Und auch bei keinem anderen Intensive?«, wandte sich Tanisha neugierig an mich.

»Nein, leider nicht. Und ihr?«

»Klar waren wir dabei.« Robyn verengte schon wieder misstrauisch die Augen, worauf mich Kälte durchfuhr. »Wir kennen uns alle seit Jahren und sind bei jedem Intensive im Sommer und Winter am Start.«

Die Intensives waren zweiwöchige Sportcamps, für die man als Sportler auch mal vom Schulunterricht befreit wurde und an denen jeder teilnehmen konnte, der noch zur Schule ging, aber schon mal einen Vorgeschmack auf die Academy bekommen wollte. Zwei Wochen hartes Training in der jeweiligen Sportart und sonstige Gruppenaktivitäten sowie Übernachtungsmöglichkeiten in Belladaire standen dabei auf dem Programm. Die Camps kosteten Unsummen, weshalb sie für mich nie infrage gekommen waren. Demnach war also klar, dass diese Leute den ein oder anderen Euro auf dem Konto hatten.

»Die Sommercamps sind am besten«, raunte mir Lova zu. »Da entführt uns Hugo an den Wochenenden immer auf die Jacht seiner Eltern. Wir hier waren in den letzten fünf Jahren fast alle immer dabei und haben uns angefreundet.«

Na toll, eine Jacht war also auch noch im Spiel … Da konnte ich mit meinem klapprigen Fahrrad in Deutschland, das jede Woche aufs Neue einen Platten hatte, leider nicht mithalten.

»Dann habt ihr … Also ist keine von euch Stipendiatin, oder?«

Allgemeines Kopfschütteln und verneinendes Brummen, nur Robyn verdrehte die Augen. »Ne, definitiv nicht.«

»Robyn, sei nicht so sassy«, ermahnte Lova sie. »Kann ja sein, dass Nika ein Stipendium hat.«

»Ne, ne«, winkte ich schnell ab.

»Aha, also eine von uns.« Ein breites Grinsen legte sich auf Hugos Züge. »Wo bist du denn die letzten beiden Wochen gewesen, da du ja offensichtlich nicht bei dem Intensive warst?«

Alle Blicke richteten sich auf mich. Wenn ich ihnen jetzt verriet, dass ich die letzten Wochen in einem winzigen Zimmer im Tiefparterre gehaust und mir den Arsch abgearbeitet hatte, um so viel Geld zu verdienen, wie sie vermutlich normalerweise an einem Abend verprassten, würden sie vermutlich nichts mehr mit mir zu tun haben wollen. Möglicherweise machten sie sich sogar über mich lustig oder … Schlimmeres.

Du wirst nie zu uns gehören. Denkst du ernsthaft, dass dich hier irgendjemand mag? Alle finden dich scheiße. Alle. Oh, heulst du jetzt? Pff, du bist nichts als ein wertloses Stück Scheiße …

Mein Puls schoss in die Höhe. Ich blinzelte einige Male, um mich zu beruhigen, krallte meine Finger in den Saum meines Kleides.

Lova und Tanisha wirkten nett, und auch wenn Robyn und Hugo eher einen überheblichen Eindruck machten, musste das nicht zwingend bedeuten, dass sie es darauf anlegten, mich fertigzumachen.

Nicht noch mal. Ich will das nicht noch mal durchmachen.

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange, während ich mein Gewicht aufs andere Bein verlagerte. »Ähm«, fing ich an. »Ich …«

Überleg dir was, Nika, irgendwas. Eine gute … Ausrede.

»Also … Ich konnte leider nicht dabei sein, weil …« Ich schluckte. »Meine Eltern und ich waren noch auf Reisen.«

»Auch cool, aber du hast echt was verpasst. Bei einer von den Partys in der Schwimmhalle haben vier Leute miteinander rumgemacht. Gangbang oder so, keine Ahnung. Das war echt verrückt.« Lova lachte auf. »Wo wart ihr denn im Urlaub?«

Was klingt teuer? Was klingt danach, als ob ich es wert bin, dass man mit mir befreundet sein möchte?

»Dieses Mal waren wir auf den Malediven.«

Scheiße, Nika, wo reitest du dich da gerade rein? Das ist keine Ausrede und auch kein bisschen Flunkerei. Sondern eine verdammt krasse Riesenlüge.

Lügen war scheiße. Und auf lange Sicht gesehen war es vermutlich vor allem nicht besonders gut durchzuhalten. Aber keine Freunde zu haben, war noch beschissener. Und Leute, die mich in ihren Kreis aufnahmen, waren nach dem, was ich in den letzten Jahren durchgemacht hatte, alles, was für mich zählte.

»Oh, wie schön«, sagte Tanisha begeistert. Ihre braunen Augen strahlten mich geradezu an; in dem knallorangen Kleid sah sie bildhübsch aus. »Da war ich vor zwei Jahren. Mir kamen die drei Wochen damals viel zu kurz vor.« Sie lachte.

»Ja, ähm … kann ich verstehen. Wir waren vier Wochen dort. Und ich hätte auch noch länger bleiben können.«

Es war nur eine kleine Notlüge, um nicht erneut verurteilt und mies behandelt zu werden. Nur eine kleine Notlüge, die sie sowieso wieder vergessen würden. Solange ich mich nicht weiter darin verstrickte, würde alles gut werden. Oder?

Ja. Definitiv. Es war okay. Immerhin würde es dabei bleiben. Ich würde in keine Spirale geraten. Zumindest redete ich mir das ein. Zu groß war die Hoffnung darauf, eine Gruppe von Leuten gefunden zu haben, die mich mit offenen Armen aufnahm. Dafür musste ich eben nur ein bisschen mehr so sein wie sie.

3

Ambrose

»Das Gurken-Minz-Wasser schmeckt gar nicht mal so übel. Kipp ein bisschen Wodka rein, und du hast fast einen Moscow Mule.« Ich nahm einen Schluck, während Luis und ich vom Büfett aus Richtung Gartenanlage liefen, die sich an den Hof hinter der Academy anschloss und wo bereits einige Grüppchen standen und sich unterhielten; auch meine Clique entdeckte ich dazwischen. Kies knirschte unter unseren Sohlen.

»Wirkt sich bestimmt super auf deinen Monatsreport aus. Athlete of the Month ist dir sicher«, konterte Luis mit einem Augenzwinkern.

Er war nicht nur mein Mitbewohner in Belladaire, sondern auch mein bester Freund. Wir hatten uns vor Jahren bei einem der Intensives kennengelernt. Als klar gewesen war, dass wir beide die dreijährige Ausbildung an der Akademie antreten würden, hatten wir sofort beschlossen, uns ein Zimmer zu teilen. Während ich zum Schwimm-Team gehörte, war Luis ein Tennis-Ass.

»Das gleiche ich im Training wieder aus, glaub mir.«

Schnaubend schüttelte er den Kopf. Dabei wackelten seine dunkelbraunen Locken. Normalerweise verbargen sie sich unter einer Snapback, doch die wäre auf dieser Party wohl fehl am Platz gewesen. Wir liefen an ein paar Grüppchen von Kommilitonen unseres Alters vorbei. Alle steckten heute in ihren teuersten Klamotten, um bei der Willkommensfeier für die Neuankömmlinge direkt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Da nahm ich mich in meinem weißen Hemd und dem Anzug, in dem mir viel zu warm war, nicht aus; allerdings war es mir um Welten wichtiger, morgen im ersten Training allen zu zeigen, mit wem sie es bei Ambrose Kennedy zu tun hatten – oder zumindest den wenigen, die mich noch nicht kannten. Als wir durch die Gruppen hindurchliefen, wandten sich die meisten zu uns um. Manche rissen die Augen auf, anderen klappte der Kiefer herunter. Es war unterhaltsam, was für eine Wirkung meine bloße Anwesenheit hier hatte.

»Glaub ich dir aufs Wort«, entgegnete Luis lachend, dann deutete er vage nach rechts. »Da drüben stehen ein paar Tennis-Leute, bei denen schau ich mal kurz vorbei.«

»Du weißt schon, dass du Lova nicht ewig aus dem Weg gehen kannst, oder?«

»Es ist der erste Tag, Mann. Ich tu, was ich kann, um Drama zu vermeiden, und ehrlich gesagt hab ich nicht den geringsten Bock auf sie.«

»Nach allem, was zwischen euch passiert ist, verständlich.«

»Wir sehen uns später«, rief er mir noch hinterher, und ich nickte ihm zu.

Ich lief weiter, unter Lampions hindurch, die kreuz und quer über den Hof und einen Teil der Wiese gespannt waren, vorbei an ein paar Statuen und großen Lautsprechern, aus denen sanfte klassische Musik scholl, auf das Grüppchen zu, das direkt neben dem Springbrunnen stand und sich unterhielt. Robyn und Hugo lächelten, als ich neben ihnen stehen blieb und Robyn locker einen Arm um die Schultern legte.

»Was hab ich verpasst?« Mein Blick wanderte von Gesicht zu Gesicht. Robyn und Hugo, die miteinander tuschelten, Lova, die Luis genervt hinterhersah, und Tanisha, die sich mit … »Wen haben wir denn da? Ein neues Gesicht?« Ich legte den Kopf schief und musterte das Mädchen mir gegenüber, das krampfhaft den Drink in ihrer Hand umklammerte. Sie war recht groß, um die einsachtzig vermutete ich, und somit nur etwa fünfzehn Zentimeter kleiner als ich, hatte hohe Wangenknochen und die dunkelsten Augen, die ich je gesehen hatte. Sie standen etwas weiter auseinander und funkelten mich an. Ihr dunkles Haar floss wie Zartbitterschokolade über ihre Schultern und reichte bis zu ihren Brüsten, die in dem schwarzen Kleid mit tiefem Ausschnitt außerordentlich gut zur Geltung kamen.

Meine Mundwinkel zuckten nach oben, während ich ihren durchtrainierten Körper in Augenschein nahm – wobei ihre sportliche Figur unter den ganzen Leistungssportlerinnen nicht gerade eine Ausnahme bildete. Dennoch, sie war definiert und hatte schöne Kurven. Ihre gebräunten Beine glänzten seidig in der Nachmittagssonne. Als ich ihr wieder in die Augen blickte, stutzte ich. Irgendwie kam sie mir bekannt vor. Allerdings hatte ich keine Ahnung, woher. Vermutlich hatte ich sie in den vergangenen Jahren bereits bei einem der Intensives gesehen.

»Das ist Nika aus Deutschland«, stellte Tanisha sie mir vor.

»Ach, Nika aus Deutschland.« Ich streckte ihr meine Hand hin. »Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen. Ambrose aus Los Angeles.«

Als sich unsere Hände berührten und sie zudrückte, hatte ich das Gefühl, etliche Funken damit zwischen uns zu entfachen. Ihr Blick mit meinem verschränkt, intensiv und gespannt, bis wir uns voneinander lösten und sie einen Schritt zurücktrat.

»Freut mich auch.« Ihre Stimme klang honigweich. Wie wir alle sprach sie Englisch, allerdings mit leichtem Akzent. »Ambrose aus Los Angeles.«

»Kennen wir uns? Von einem Intensive oder so?«

Ihre Augen weiteten sich. »Äh … nein, ich bin zum ersten Mal hier.«

»Tatsächlich?« Ich zog die Brauen zusammen und strich mir über die kurz geschorenen Haare. »Du kommst mir total bekannt vor. Auch Schwimmerin?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich fechte. Du verwechselst mich bestimmt mit jemandem, ich … hab ein Allerweltsgesicht.«

Ein Grinsen streifte meine Züge. »Wenn jemand kein Allerweltsgesicht hat, dann du.«

»Ambrose, bring sie doch nicht direkt am ersten Tag in Verlegenheit«, kicherte Robyn und boxte mir leicht in die Seite.

»Ich? Niemals. Hab ich dich etwa in Verlegenheit gebracht?«

Nika schluckte und schüttelte den Kopf. Dann flackerte etwas in ihren Augen auf und sie straffte die Schultern, als ob sie sich dafür wappnen würde, in einen Kampf zu ziehen. »Um mich in Verlegenheit zu bringen, musst du noch ’ne Schippe drauflegen.« Eine ihrer Brauen huschte nach oben.

Ich schnaubte amüsiert. »Nichts leichter als das.« Ich konnte den Blick nicht von ihr lösen. Einerseits, weil da etwas in ihren Augen lag, das mir eine amüsante Zeit mit ihr prophezeite, andererseits, weil ich tatsächlich hätte schwören können, dass ich sie schon mal irgendwo gesehen hatte.

»Alles klar, dann hätten wir das auch geklärt«, riss mich Hugo von Nika los. »Wir haben uns gerade, bevor du herstolziert bist und uns unterbrochen hast, darüber unterhalten, dass wir an einem der nächsten Wochenenden zu einer der Partys runter ins Zentrum von Monaco wollen. Bist du dabei?«

»Ich bin doch nicht stolziert«, sagte ich und lachte. »Klar, auf jeden Fall.«

»Schon klar, du hast alle Blicke auf dich gezogen, weil du dich so wahnsinnig zurückhaltend und schüchtern gibst.« Robyn verdrehte die Augen.

»Lag an Luis.«

Lova entfuhr ein Lachen, worauf sie sich hastig eine Hand vor den Mund schlug. »Sorry, aber … ganz sicher lag das nicht an der Pfeife.«

Wir lachten los, und nach kurzem Zögern stimmte Nika mit ein.

»Vor der Party müssen wir auf jeden Fall noch shoppen gehen«, sagte Tanisha. »Ich will mir an dem Abend unbedingt ein heißes Model oder eine Schauspielerin anlachen.«

»Trifft sich gut, ich wollte mir die neue Fendi Bag anschauen.« Robyns Augen blitzten. Das taten sie jedes Mal, wenn es um den neusten Designer-Release ging.

»Kommst du auch mit?«, wandte sich Tanisha an Nika.

»Klingt gut«, entgegnete Nika, und ihr Blick huschte von einem zum anderen. »Muss mal schauen, ob es zeitlich passt, wegen Training und so …«

»Das kriegen wir sicher hin.« Robyn fixierte sie herausfordernd. »Hast du ’ne Präferenz, was den Store betrifft?«

»Ähm«, Nika verlagerte das Gewicht aufs andere Bein. »Das meiste Geld lasse ich vermutlich bei … Balenciaga und … Valentino.«

»Klingt nach einem guten Plan.« Lova klatschte vergnügt in die Hände.

Ich legte den Kopf schief und musterte Nika erneut. Ihr markantes Gesicht und die angespannten Züge. »Aber in Monaco warst du sicher schon mal. In Saint-Tropez? Oder in Cannes?«

»Nein, wie gesagt … Mein erstes Mal an der Côte d’Azur. Wir haben uns noch nie gesehen. Ganz sicher.«

Ihr eindringlicher Blick lag auf mir, während ich weiterrätselte, woher ich dieses Mädchen mit den dunklen Augen kannte, das mir schon jetzt den Atem raubte.

4

Nika

»Euch muss bewusst sein, dass ihr die zehn besten Fechterinnen und Fechter seid, die wir aus Hunderten Bewerbungen ausgewählt haben. Allerdings sollte euch das auch nicht zu Kopfe steigen, aber dafür haben wir ja die Mindset Classes im Rahmen des Theorieunterrichts.« Melanie Duboir nur gegenüberzustehen war schon eine große Ehre, aber das nächste Jahr von ihr trainiert zu werden, das war noch mal eine ganz andere Sache. Mit ihren knapp fünfzig Jahren hatte sie eine sagenhafte Karriere hinter sich, etliche Wettbewerbe gewonnen und natürlich auch bei den Olympischen Spielen die ein oder andere Medaille eingeheimst. Und jetzt stand sie hier. Vor mir. Nika Blum, neunzehn und ein kleines bisschen starstruck.

Wir befanden uns in der Fechthalle, die von außen vielleicht wie ein kleines Schloss mit altem Gemäuer aussah und auch von innen mit den dunklen Gängen an eine Art Geheimbund-Treffpunkt erinnerte, jedoch mit der neusten Technik und dem besten Equipment ausgestattet war. Als ich vom Hauptgebäude hergelaufen war, vorbei an den Tennisanlagen und der Turnhalle inmitten weitläufiger Grünflächen, hatte ich auf ein Neues realisiert, dass ich ab sofort tatsächlich hier lebte. An einem Ort, an dem altehrwürdig und hochmodern aufeinanderprallten und mich in eine ganz andere Welt fernab von Deutschland katapultierten.

In unsere Fecht-Montur gehüllt, die Maske unterm Arm und in der Hand den Säbel, das Florett oder den Degen, lauschten wir der ernsten Stimme Melanie Duboirs. Die Academy nahm pro Jahrgang zehn Sportlerinnen und Sportler pro Team auf; zu den angebotenen Sportarten zählten Turnen, Schwimmen, Tennis und Fechten. Normalerweise fielen alle paar Wochen Wettkämpfe an, doch im Laufe des ersten Semesters würden wir zunächst eine Art Bootcamp absolvieren, bevor es dann in wenigen Monaten zu verschiedenen regionalen, nationalen und internationalen Meisterschaften ging. Wenn wir gut genug waren, wurden wir sogar zur Qualifikation für die Olympischen Spiele zugelassen und durften dort unser Glück versuchen. Bei welchen Turnieren wir antreten würden, hing ganz von unserer Leistung im Training ab, aber auch von der Planung der Coaches. In der nächsten Zeit konzentrierten wir uns aber erst einmal auf die optimale Vorbereitung, produktives Training und noch härteres Feedback. Einerseits vermisste ich die vielen Wettkämpfe, an denen ich während meiner Schulzeit teilgenommen hatte, jetzt schon, doch die Strategie hatte sich auf Belladaire bewährt, und ich vertraute darauf, dass unsere Coaches die richtige Entscheidung für uns trafen.

Während ich mich umsah, stellte ich fest, dass die meisten meiner Teamkollegen ihr Kinn gereckt hatten und den anderen immer wieder Seitenblicke zuwarfen. Vermutlich checkten sie ihre Mitstreiter ab und versuchten, die jeweilige Leistung einzuschätzen. Gerade beim Fechten, wo man im Duell gegeneinander antrat, war es von Vorteil zu wissen, wie das jeweilige Gegenüber tickte. Man nannte es nicht umsonst das Schach auf der Planche. Auch wenn wir ein Team waren, würden wir in Zukunft womöglich hin und wieder gegeneinander antreten. Eine Mischung aus Arroganz, Überlegenheit und Skepsis lag in der Luft, doch darunter mischte sich auch eine mir nur allzu vertraute Brise Selbstzweifel. Trotz allem hoffte ich, dass wir früher oder später zu einer Einheit, einem richtigen Team, wurden – wie zu einer zweiten Familie, da ich meine Eltern jetzt schon ziemlich vermisste. Auch wenn ihnen durch ihre Jobs im Supermarkt und als Lagerarbeiter in einer Lebensmittelproduktion nicht viel Geld zur Verfügung stand, um mir finanziell unter die Arme zu greifen, unterstützten sie mich dafür umso mehr mit ihrer Zuneigung und motivierenden Worten.

»Gestern Abend habt ihr bereits eine Führung durch Belladaire bekommen, ihr solltet euch also auskennen; daher erwarte ich, dass ihr immer pünktlich beim Training erscheint und nicht weniger als hundert Prozent gebt. Ich vermerke euren Fortschritt hier in der Leistungsübersicht«, sagte sie und tippte auf das Tablet in ihrer Hand. »Darauf könnt ihr zugreifen, aber wie das mit dem Armband funktioniert, erkläre ich euch gleich noch mal genauer. Ich setze voraus, dass ihr die Academy und den Verhaltenskodex ernst nehmt, euch gesund ernährt und regelmäßig das Gym und die Physio besucht. Wir haben genug Ärzte, die euch unterstützen, falls Verletzungen auftreten. Ich erwarte, dass jeden Monat eine Person von euch zum Athlete of the Month von Belladaire gekürt wird. Nichts Geringeres streben wir hier an.«

»Da hat sie die Rechnung aber nicht mit den Kennedys gemacht«, hörte ich ein Mädel mit kurzem blondem Pixie Cut einem anderen mit ernstem Ausdruck auf dem Gesicht hinter vorgehaltener Hand zuraunen. Als sie meinen fragenden Blick bemerkte, grinste sie nur. »Aaron Kennedy holt sich den Titel fast jeden Monat, und jetzt, wo sein jüngerer Bruder neu an der Academy ist, wird das wohl ’ne Sache zwischen den beiden …«

»Was gibt es da zu tuscheln?«, hallte Duboirs Stimme herüber, ihr Blick war eisig.

Meine Teamkollegin sah rasch wieder zu unserer Trainerin, und auch ich richtete den Blick zurück nach vorn. Shit, ich hatte nicht gleich am ersten Tag negativ auffallen wollen.

Aaron Kennedy. Die Kennedys. Brüder. Neu an der Academy.

Hatte das Mädel von Ambrose gesprochen? Ob er einen Bruder hatte, war beim Gespräch gestern bei der Willkommenszeremonie nicht erwähnt worden. Gut, ich hatte sowieso nicht besonders viel mit ihm reden wollen, damit meine Tarnung nicht aufflog. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, dass ich ihn vergangene Woche noch in Saint-Tropez bedient hatte, schnürte sich mir die Kehle zu. Offensichtlich erinnerte er sich glücklicherweise nicht mehr an unser Aufeinandertreffen, und dabei würde es hoffentlich bleiben. Nachdem ich mich gestern im Laufe des Nachmittags in eine Notlüge nach der anderen verstrickt hatte, gab es kein Zurück mehr. Ich wollte nicht schon wieder ein gefundenes Fressen für Menschen sein, die sich über andere stellten und sie runtermachten. Zwar bekam ich beim Gedanken an meine kleinen Flunkereien Magenschmerzen und vor allem ein schlechtes Gewissen, aber ich glaubte fest daran, dass das immer noch besser war, als erneut durch die Hölle gehen zu müssen. Vor aller Augen. Hier würde es nicht so laufen. Hier konnte ich sein, wer ich sein wollte. Frei von den schrecklichen Ereignissen der letzten Jahre. Meinem bisherigen Leben.

Das Mädchen mit den gemeißelten Zügen neben mir blickte starr nach vorn, keine Regung auf ihrer Miene, bis Madame Duboir ihre Rede beendet hatte und wir eine kurze Pause machten, bevor es ans Aufwärmen ging.

Ich atmete tief durch und nahm all meinen Mut zusammen, um sie anzusprechen. Immerhin teilten wir schon mal dieselbe Leidenschaft.

»Hey, ich bin Nika«, sagte ich leise zu ihr, während wir am Rand der Halle standen und einen Schluck tranken.

Ihre Miene blieb unverändert, aber immerhin warf sie mir einen kurzen Blick zu. »Meilin.«

»Freut mich.« Ein unsicheres Lächeln streifte meine Lippen. »Warst du … Warst du schon bei dem Intensive dabei, oder ist das dein erster Tag?«

»Erster Tag. Hab ein Stipendium, das gilt nicht für das Intensive.«

»Dann bin ich nicht die Einzige, die hier noch kein Training hatte. Hast du …«

Sie wandte sich zum Gehen. »Ich stretche mich schon mal. Man sieht sich.«

Ich hasste es, freundschaftliche Körbe zu kassieren. Sie taten nicht weniger weh als die irgendwelcher Typen, bei denen man sein Glück versuchte. »Klar, ähm … bis später.«

Sie nickte mir noch mal zu und zog anschließend ab, um sich aufzuwärmen. Ließ mich zurück mit einem faden Geschmack im Mund.

In eine Radlerhose und das übergroße dunkelgrüne Shirt der Academy gehüllt, steuerte ich am Mittag die Mensa an, die sich im Hauptgebäude befand. Meine Schritte hallten über den dunklen Marmorboden, während ich den breiten Flur entlanglief. Vorbei an geschwungenen Fensterbogen, durch die die Sonne helle Lichtkegel an die dunklen Wände warf. Hier und da kamen mir Leute entgegen oder liefen vor mir her, verweilten an den Fenstern und genossen den Ausblick auf die Gartenanlage. Bereits vom Flur aus konnte ich Teller klappern hören, Gelächter und Stimmen, die einander zu übertönen versuchten.

Rasch fischte ich mein Handy aus der Hosentasche, um meiner Freundin Anna ein kleines Update zu schicken.

Nika: Hatte gerade mein erstes Training und danach eine Stunde Theorie. War so interessant! Zum Glück schreiben wir keine Klausuren, das Training wird bestimmt hart genug. Ich hab mich auch getraut, eins der Mädels aus dem Team anzusprechen, aber einen Korb kassiert … Kannst du nicht einfach herziehen und mit mir abhängen?

Anna: Klingt mega nice! Was macht ihr in der Theorie? Und wieso keine Klausuren? Hätte ich ja auch gerne … Hmmm, superschade, dass die aus deiner Gruppe dir ’nen Korb gegeben hat. Tut mir echt leid! Ich hoffe nur, dass sie trotzdem nett ist. Wenn dich jemand anrührt, kriegt er es mit mir zu tun haha.

Nika: