Belladaire Academy of Athletes - Misfits - Maren Vivien Haase - E-Book

Belladaire Academy of Athletes - Misfits E-Book

Maren Vivien Haase

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Beschreibung

Delphine & Covey: Was, wenn aus einem Geheimnis Hoffnung wird?

Delphine Fleury galt schon immer als Ausnahmetalent im Turnen. Doch kaum jemand weiß, was sie aufgeben musste, um so stark und grazil zu wirken – und dass alles nur Fassade ist und sie in Wahrheit ihr eigenes Spiegelbild hasst. Covey Jenkins ist seit jeher fasziniert von der Schauspielerei. Für eine Rolle in einer Sportler-Biopic soll er einige Wochen an der Belladaire Academy trainieren, um seine Stunts zu perfektionieren. Delphine soll ihn dabei unterstützen. Schnell merkt Covey, dass es eigentlich Delphine ist, die Hilfe benötigt, um ihrem dunklen Geheimnis zu entfliehen – doch dafür muss er erst das Vertrauen der kühlen Schönheit gewinnen ...

Mit Playlist im Buch!

Die Belladaire-Academy-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: Belladaire Academy of Athletes – Liars
Band 2: Belladaire Academy of Athletes – Rivals
Band 3: Belladaire Academy of Athletes – Misfits

Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

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Buch

Delphine Fleury galt schon immer als Ausnahmetalent im Turnen. Doch kaum jemand weiß, was sie aufgeben musste, um so stark und grazil zu wirken – und dass alles nur Fassade ist und sie in Wahrheit ihr eigenes Spiegelbild hasst. Covey Jenkins ist seit jeher fasziniert von der Schauspielerei. Für eine Rolle in einem Sportler-Biopic soll er einige Wochen an der Belladaire Academy trainieren, um seine Stunts zu perfektionieren. Delphine soll ihn dabei unterstützen. Schnell merkt Covey, dass es eigentlich Delphine ist, die Hilfe benötigt, um ihrem dunklen Geheimnis zu entfliehen – doch dafür muss er erst das Vertrauen der kühlen Schönheit gewinnen …

Autorin

Maren Vivien Haase wurde 1992 in Freiburg im Breisgau geboren und absolvierte dort ihr Germanistikstudium. Schon als Kind stand für sie fest, dass sie all die Geschichten zu Papier bringen muss, die ihr im Kopf herumspuken. Sport wie auch das Hip-Hop-Tanzen mit ihrer Crew »Dope Skit« gehören genauso zu ihr wie stundenlange Serien- und Filme-Abende. Ihre Debütreihe um die New Yorker Tanzschule »Move District« wie auch die darauffolgende »Golden Oaks«-Dilogie eroberten auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste und begeisterten zahlreiche Leser*innen. Auf Instagram nimmt sie ihre über 50.000 Follower*innen täglich mit hinter die Kulissen ihres Schreiballtags.

Weitere Informationen unter: www.marenvivienhaase.de; www.tiktok.com/@marenvivienhaase; www.instagram.com/marenvivienhaase/

MAREN VIVIEN HAASE

BELLADAIRE ACADEMY

of Athletes

MISFITS

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2024 by Maren Vivien Haase

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

Redaktion: Melike Karamustafa

Umschlaggestaltung: Anke Koopmann | Designomicon

Umschlagmotive: Shutterstock.com (Larch_tree; mrs_kato; everydayfriday; ONYXprj; Chinnapong)

DK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30636-6

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.Deshalb findet sich am Ende eine Triggerwarnung.Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Maren Vivien Haase und der Blanvalet Verlag

Für Emily, weil du mich dazu ermutigt hast, die Belladaire Academy aufs Blatt zu bringen

Playlist

Scars To Your Beautiful – Alessia Cara

26 – Lauv

Midnight Rain – Taylor Swift

Matilda – Harry Styles

Diamonds – Rihanna

gold rush – Taylor Swift

Snow On The Beach – Taylor Swift (feat. More Lana Del Rey)

logical – Olivia Rodrigo

Homeward – Dermot Kennedy

Love Songs – Maggie Lindemann

The Archer – Taylor Swift

pretty isn’t pretty – Olivia Rodrigo

She Will Be Loved – Maroon 5

Vulnerable – Selena Gomez

i do it for you – Christina Perri

Wrong Direction – Hailee Steinfeld

Red (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Through the Dark – One Direction

Love Me More – Sam Smith

All 4 Nothing (I’m So In Love) – Lauv

London Boy – Taylor Swift

1

Delphine

Manche Menschen strahlten heller als die Sonne; wenn man sie ansah, ging einem das Herz auf und ein Grinsen zerrte an den Lippen. Und dann war da ich – Regen. Nicht mal ein Regenbogen oder eine untergehende Sonne hinter Wolken, die pastellfarbene Töne an den Himmel zauberte. Nichts davon. Nur Regen, wenn ich in den Spiegel sah und mir mein widerspenstiges hellbraunes Haar kämmte. Wieder und wieder strich ich es zurück, knotete einen Dutt, nur um festzustellen, dass eine Strähne heraushing oder ein paar Haare abstanden, sich ein Wirbel gebildet hatte.

Inakzeptabel, hörte ich die Stimme meiner Mutter, die sich in meinem Kopf eingenistet hatte.

Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Ich presste die Lippen aufeinander und zog mein Haargummi heraus, dann fing ich von vorne an, bis ich mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden war. Fürs Training würde es ausreichen.

Ich atmete durch, dann trat ich einen Schritt zurück, um mein Outfit noch mal durchzuchecken. Der schwarze Turnanzug schmiegte sich genauso figurbetont an meinen Oberkörper wie die kurze Shorts an meinen Hintern. Viel zu eng. Aber das gehörte beim Turnen nun mal dazu, wenn man nirgendwo hängen bleiben wollte, was ein großes Verletzungsrisiko barg. Langsam strich ich über meinen Bauch, der fester, und meine Hüften, die schmaler hätten sein können, und biss die Zähne aufeinander. Ich legte den Kopf schief, musterte mich von oben bis unten und bemerkte, wie sich die vertraute Faust um mein Herz schloss und fest zudrückte. Manchmal fragte ich mich, ob sie mich jemals loslassen oder irgendwann Taubheit einsetzen würde.

Als ich hörte, wie das Schloss der Badezimmertür klickte, schnappte ich mir, noch bevor die Tür aufschwang, rasch die weite dunkelgrüne Jogginghose mit dem Emblem der Belladaire Academy of Athletes und zog sie mir an. Keine Sekunde später kam meine Mitbewohnerin summend aus dem Bad, das zu dem Zimmer gehörte, das wir uns teilten. Nika hatte mich schon einige Male halb nackt gesehen, und auch im Training waren wir nur sehr leicht bekleidet, doch wenn es möglich war, versteckte ich mich lieber vor jedem drohenden urteilenden Blick.

Wieder sah ich an mir herunter und strich meine Jogginghose glatt, bevor meine Aufmerksamkeit durch die Spiegelung zu Nika glitt, die selig schmunzelnd das Deo von ihrer Kommode nahm, sich einsprühte und es dann in ihre Sporttasche wandern ließ. Ihr schwarzes Haar ergoss sich perfekt über ihre schmalen Schultern, und der grüne Sport-BH in Kombination mit der schwarzen Radlerhose stand ihr unfassbar gut. Sie trug fast immer ein Lächeln im Gesicht. Kein Wunder, immerhin hatte sie sich toll an der Academy eingelebt, sie hatte eine Clique, war erfolgreich im Fechten, führte eine glückliche Beziehung und sah zudem wunderschön aus.

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange und versuchte, den Kloß in meiner Kehle hinunterzuwürgen; es fühlte sich ähnlich an wie vorhin, als ich mit dem Früchtejoghurt zum Frühstück gekämpft hatte. Ja, ich gehörte an der Academy zu den besten Turnerinnen und war stolz darauf. Das war meine Priorität. Dennoch fehlte manchmal etwas. Viel zu oft wollte ich ein bisschen mehr wie Nika sein – das haben, was sie hatte – und ein bisschen weniger wie ich.

»Alles okay? Hab ich noch Zahnpastareste im Gesicht, oder warum schaust du so?«, fragte Nika, als sie bemerkte, dass ich sie wie eine hungrige Kannibalin anstarrte, und hob verwundert die Augenbrauen.

Rasch wandte ich den Blick ab und sah wieder an mir hinab. Ein schweres Gewicht legte sich auf meine Brust, doch ich ließ mir nichts anmerken und setzte meine übliche Miene eisiger Gleichgültigkeit auf. »Nein, alles super«, brummte ich und zupfte erneut meinen Turnanzug zurecht.

»Die letzte Woche war echt anstrengend, meine Muskeln killen mich, aber diese wird umso besser. Glasklare Sache, so klar wie die frisch geputzten Fenster unten in der Lobby. Wir trainieren nämlich für einen Wettkampf in Madrid, der bald ansteht, und ich bin in Kampflaune«, erzählte Nika fröhlich und grinste mich triumphierend an, bevor sie den Reißverschluss ihrer Tasche zuzog. »Was steht bei dir heute im Training an?«

»Einiges«, erwiderte ich ausweichend und vermied es dabei, sie anzuschauen, weil ich keine Lust auf Reden hatte; rasch packte ich die Trinkflasche, die auf meinem Schreibtisch stand, in meinen Rucksack. Ich wollte so schnell wie möglich hier raus.

»Okay, ähm …«, murmelte sie. »Ich gehe dann mal los, oder soll ich auf dich warten?«

»Nein«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.

»Dann sehen wir uns heute Abend.« Sie schob sich ihre Tasche mit dem Fechtequipment auf die Schulter. »Hab einen schönen Tag!«

Ein Stich ins Herz.

»Bis dann«, entgegnete ich kühl und atmete tief durch, als unsere Zimmertür hinter ihr ins Schloss fiel.

Wieso war sie dermaßen nett zu mir, obwohl ich mich ihr gegenüber so abweisend verhielt, und das schon seit wir beide unser Studium auf Belladaire begonnen hatten und Zimmermitbewohnerinnen waren? Was fand sie an mir? Ich verstand es einfach nicht. Womöglich würde ich es auch nie verstehen, denn alles, was ich sah, wenn ich mich im Spiegel betrachtete, war eine verbitterte unfreundliche junge Frau, die in allem ein wenig besser hätte sein können. In optischer, menschlicher und sportlicher Hinsicht.

In meiner Kehle brannte es, ich fuhr mir übers Gesicht und rollte die Schultern zurück. Es brachte nichts, in Selbstmitleid zu versinken, wenn ich gleich in der Turnhalle alles geben musste. Daher schloss ich für einen kurzen Moment die Augen, atmete noch mal tief durch und schob sämtliche Gedanken, die nichts mit dem Sport zu tun hatten, so gut es ging beiseite. Dann griff ich nach meiner Tasche und machte mich auf den Weg zum Training.

Während ich den Flur des Mädchentrakts und die Eingangshalle der Academy durchquerte, blickte ich starr geradeaus, vermied jeden Blickkontakt und gab mir die größte Mühe, das Getuschel hinter meinem Rücken zu ignorieren. Was nicht hieß, dass ich es nicht hörte.

»Schau mal, die hält sich echt für was Besseres, so wie die queenmäßig den Gang entlangschreitet.«

»Immer die Nase gen Himmel gereckt und keinen Kontakt zur Außenwelt, weil wir für sie vermutlich nur das Fußvolk sind. Die ist dermaßen arrogant.«

»Klar, sie ist die beste Turnerin auf Belladaire, aber das ist doch kein Grund, so eingebildet zu sein.«

Nur weil ich ihnen nicht zeigte, was ihre Worte in mir bewegten, hieß das nicht, dass sie nicht wehtaten. Aber ich hatte mich mittlerweile damit abgefunden und konzentrierte mich auf meine Turnkarriere. Und wenn das den Leuten nicht passte, dann konnten sie mich kreuzweise. Spätestens auf dem Siegertreppchen würden wir uns wiedersehen – oder eben nicht.

Ich beeilte mich, so schnell wie möglich zur Turnhalle zu kommen, die sich auf dem mittleren Teil des Campus hinter der Fechthalle in der Nähe der Tennisplätze befand. Jedes Mal, wenn ich über die weißen Kieselsteinwege zwischen Grasflächen und Palmen, die sich im Wind wiegten, durch die sorgsam gepflegte Gartenanlage mit den rund gestutzten Büschen zum Training lief, fühlte ich mich, als ob ich träumte. Selbst nach einem Jahr hatte ich mich noch nicht daran gewöhnt, an einer der renommiertesten Sportakademien weltweit studieren zu dürfen. Wer hier das dreijährige Profisportprogramm absolvierte, dem stand eine verheißungsvolle Zukunft bevor. Einer der großen Vorteile hier auf Belladaire war, dass wir geschlechterübergreifend auch mit den Männern trainierten, sodass wir voneinander profitieren konnten. Das harte Training gepaart mit wertvollen Connections in die Sportbranche war mehr wert als all die teuren Luxuskarren in der Tiefgarage zusammen.

Die meisten Athletinnen und Athleten auf Belladaire besaßen mehr Geld, als sie in ihrem Leben jemals ausgeben könnten, doch zu ihnen gehörte ich definitiv nicht. Ich wünschte es mir, denn das hätte einige Probleme gelöst, doch ich konnte nur hier studieren, weil ich durch meine außerordentliche sportliche Leistung während der Schulzeit ein Stipendium erhalten hatte. Ein Stipendium, das in ein paar Monaten auslaufen würde, da es nur einen Teil der Kosten abdeckte – wodurch ich nach der Hälfte des Studiums ein weiteres Problem auf meiner Liste zu verzeichnen hatte. Mir war ein Betrag zugesichert worden, der allerdings nicht ausreichte, um die Gesamtkosten bis zum Ende meiner Zeit auf Belladaire abzudecken. Ein sogenanntes Teilstipendium. Noch ein halbes Jahr, bis ich entweder auf der Straße stand oder meine Seele an den Teufel verkaufen musste, um mir die teuren Studiengebühren leisten zu können. Ich hatte keine Ahnung, was im September sein würde. Ein Gedanke, bei dem mir jedes Mal ein unangenehmer Schauer über den Rücken lief.

Ich zog die Tür zu den Turnhallen auf, durchquerte den langen hellen Flur, von dem aus die vier Trainingshallen zu erreichen waren, lief vorüber an den Glaskästen mit den Trophäen und Auszeichnungen und steuerte die Umkleide an, wo ich meine Tasche in meinem Schließfach deponierte. Ein paar andere Mädels musterten mich, während ich den Spind schloss; energisch straffte ich die Schultern, verließ die Umkleide und steuerte Halle 2 an. Kaum dass die Hallentür hinter mir ins Schloss gefallen war, legte sich ein Schalter in mir um. Innere Ruhe. Hier konnte ich hinter mir lassen, was mich belastete. Ein magischer Ort, der seit meinem ersten Turntraining im Alter von vier Jahren Schmetterlinge in meinem Bauch flattern ließ. Im besten Sinne. Sobald mir der vertraute Geruch von Gummi und Vlies, Magnesia und Deo in die Nase stieg, war ich zu Hause. Es gab nur mich und das Training, alles um mich herum blendete ich aus.

Während ich an Balken und Stufenbarren vorbei zum rechten Hallenrand lief, wo ein paar Bänke standen, sah ich, wie zwei meiner Teamkolleginnen – Robyn und Tilda – ein Stück daneben auf dem Boden mit Faszienrollen arbeiteten. Während Tilda ihren hinteren Oberschenkel massierte, widmete sich Robyn ihrem Rücken. Als sie auf mich aufmerksam wurden, hielten sie kurz inne, tauschten grinsend einen Blick, bevor sie miteinander zu flüstern begannen. Die beiden waren für ihre Tratschereien bekannt.

Ich ignorierte sie und legte meine Flasche, mein Tape und die Riemchen, die dafür sorgten, dass ich keine Blasen bekam und mein Handgelenk und Griff stabilisiert waren, auf einer Bank ab.

Nachdem auch die restlichen Mädels und Jungs eingetrudelt waren – insgesamt waren wir in unserem Jahrgang zu zehnt –, wärmten wir uns gemeinsam auf: lockeres Einlaufen mit Parcours und koordinative Übungen, Stretching und zum Abschluss unser Trainingsritual, ein Handstandwettbewerb, bei dem geschaut wurde, wer ihn am längsten halten konnte. Bis auf wenige Tage, an denen ich nicht ganz in Form gewesen war, hatte ich immer die Nase vorn gehabt, so auch heute.

»Gut«, rief Swetlana Fjodorov in die Runde und klatschte einmal in die Hände. Sie war die hauseigene Turntrainerin auf Belladaire und für unsere Gruppe zuständig. Ihr graues Haar war kurz, kaum länger als fünf Zentimeter, und ihr Gesichtsausdruck vermittelte in der Regel den Eindruck, wir seien zu nicht mehr in der Lage, als einen Purzelbaum zu schlagen. Sie stammte aus der ehemaligen Sowjetunion und hatte früher jahrelang zu den Topturnerinnen weltweit gehört. Es war eine Ehre, von ihr trainiert zu werden. Auch wenn sie sehr streng war, hatte man bei ihr immer das Gefühl, in guten Händen zu sein. »Verteilt euch in Gruppen auf die Geräte, die heute auf eurem Plan stehen. Nach der Hälfte des Trainings wechseln wir einmal durch. Also alles wie immer.«

Rasch steuerte ich das riesige Mattenquadrat an, das sich in der Mitte der Halle befand. Meine Schwerpunkte lagen auf dem Stufenbarren und Bodenübungen; heute würde ich mich besonders auf Letzteres konzentrieren.

Erst turnte ich mich mit einer Aufwärmkür warm – Rolle, Rad, Rondat, Flickflack. Das Übliche, bevor ich mich mit ein paar anderen Übungen befasste, die anspruchsvoller waren und die ich unbedingt in meine neue Kür einbinden wollte. Diese trainierte ich nun schon seit einigen Wochen, um damit in drei Wochen beim Europa-Cup in Turin anzutreten. Sofort blendete ich die Welt um mich herum aus, konzentrierte mich nur auf mich und meine Leidenschaft, die mein Herz höherschlagen ließ. Vergaß alles, ließ mich fallen und fühlte mich frei. Frei von den fiesen Gedanken in meinem Kopf und den Sprüchen der anderen.

Für heute hatte ich mir zum Ziel gesetzt, den Doppelsalto gestreckt hinzubekommen, der eher zu den fortgeschritteneren Übungen gehörte und mit einigen Tücken verbunden war. In den letzten Trainings hatte ich ihn immer wieder ausprobiert, die entsprechenden Vorübungen gemacht und war jedes Mal gescheitert, doch heute wollte und würde ich ihn schaffen.

Ich holte tief Luft. Dann rannte ich los, stieß mich nach einem Rondat hart in die Matte, brachte Brust und Hüfte nach oben und hinten, während ich meinen gesamten Körper, besonders jedoch den Po, anzuspannen versuchte, um eine gerade Haltung zu bewahren – was allerdings nicht ganz klappte.

»Shit«, entfuhr es mir, nachdem ich den zweiten Salto verhauen hatte und unsauber aufgekommen war.

»Körperspannung!«, rief mir meine Trainerin von der Seite aus zu.

Ich probierte es noch mal.

Und noch mal.

Und noch mal.

Und dann … klappte es.

Nach meiner Landung atmete ich erleichtert aus, während ich in der Endpose verharrte. Jegliche Anspannung fiel von mir ab. Ein aufgeregtes Kribbeln flutete meine Glieder, setzte meinen gesamten Körper unter Strom. Mein Brustkorb hob und senkte sich schnell, während mein Herz wie wild pochte.

Nach ein paar Sekunden nahm ich die Arme herunter und lief zurück zur Bank, auf der meine Wasserflasche stand. Mir entging nicht, dass sich sämtliche Blicke auf mich gerichtet hatten; und ich hörte, wie meine Teamkolleginnen tuschelten. Aber es war ein anderes Tuscheln als zuvor auf den Gängen.

»Wow.«

»Unglaublich.«

»Ich hoffe, ich bekomme das auch irgendwann so hin wie Delphine.«

Doch die einzige Person, die mir ein offenes Kompliment machte, war meine Trainerin. Mit einem anerkennenden Nicken kam sie auf mich zu. »Guter Anfang, Delphine. Wenn du noch ein bisschen an der Spannung im unteren Rücken arbeitest, kann das solide werden. Weiter so.«

»Danke«, gab ich zurück und trank einen Schluck. »Ich gebe mein Bestes.«

»Gut, ich erwarte nichts anderes von dir.« Dann beugte sie sich etwas näher zu mir und senkte die Stimme. »Hör zu, ich hab eine Anfrage reinbekommen, diesmal von einem Sportsender aus England. Die haben dich bei der letzten Meisterschaft in London gesehen und möchten dich für ihre Dokureihe über junge Sporttalente interviewen. Hast du Interesse?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«

»Du kannst nicht jedes Interview absagen. Das ist eine tolle Chance, noch bekannter zu werden und positive Aufmerksamkeit auf dich zu lenken, auch um Sponsoren zu gewinnen.«

Sponsoren und die damit verbundene Finanzspritze hätte ich zwar gut gebrauchen können, doch auf die Aufmerksamkeit konnte ich verzichten. Sie war genau das, was ich nicht wollte. Genau das, was ich unbedingt vermeiden musste.

Mit pochendem Herzen hielt ich den Blick meiner Trainerin fest. »Keine Interviews, keine Fotos, keine Statements. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass diese Interviews für meine Karriere wichtig sind, es kommt doch auf meine sportliche Leistung an; darüber werden die Sponsoren sicher auch auf mich aufmerksam. Daher würde ich lieber darauf verzichten.«

Swetlana runzelte die Stirn. Es war ihr anzusehen, dass es ihr lieber gewesen wäre, hätte ich zu allem Ja und Amen gesagt. Sie wollte immer mehr aus uns herausholen, uns in die Öffentlichkeit bringen, um selbst vom Ruhm zu profitieren, und hatte hohe Erwartungen; doch ich scheute nicht davor zurück, ihr auch zu widersprechen, wenn ich das Gefühl hatte, dass mich ihre Methoden – wie mich in den Medien zu präsentieren, um die Academy gebührend zu vertreten – auf sportlicher Ebene nicht weiterbrachten. Wenn es ums Turnen ging, vertraute ich ihr, aber von diesem ganzen Öffentlichkeitsmist wollte ich die Finger lassen.

Sie seufzte. »Okay. Dann sag ich ihnen ab. Auch wenn ich vermutlich nie verstehen werde, warum du so erpicht darauf bist, dich von der Presse fernzuhalten.«

»Danke.« Ich nickte, während sich mein Puls wieder etwas beruhigte. Gespielt gleichgültig zuckte ich mit den Schultern. »Mein Fokus liegt auf dem Sport und nicht darauf, im Fernsehen oder in Magazinen aufzutauchen. Ich will diesen Medienrummel nicht.«

Was genau dahintersteckte, durfte sie nicht erfahren. Niemand durfte das. Um mein Geheimnis zu wahren, würde ich alles tun, was in meiner Macht stand.

2

Covey

»Ich bin ehrlich: Du kannst von Glück reden, dass sie dich nicht direkt gekickt haben.« Zwischen Prestons Augenbrauen hatte sich eine steile Falte gebildet. Er wirbelte seinen Whiskey im Glas, während er unruhig mit den Fingern über die Armlehne des cognacfarbenen Designerledersessels strich. Die braunen Haare sorgsam nach hinten gegelt, einen beigen Anzug von Armani an und ein Pokerface aufgelegt, wirkte er ein wenig wie ein britischer Leonardo DiCaprio in The Wolf of Wall Street.

Preston hatte vor gut fünf Jahren Potenzial in mir und meinem Schauspiel gesehen und mich als Agent unter seine Fittiche genommen. Er lebte auch in London, unterstützte mich, indem er mir zu Rollen verhalf, mir Ratschläge gab und den Rücken stärkte – und das zu jeder Tages- und Nachtzeit. Tja, und genau jetzt hatte er den vermutlich schwierigsten Job von allen: meinen Arsch zu retten. Naja, oder mir dabei zumindest so gut unter die Arme zu greifen, wie es ihm möglich war. Auch wenn mir das aktuell wie ein verdammtes Ding der Unmöglichkeit erschien.

An meinen Schläfen hatten sich Schweißtropfen gebildet. Mein Körper stand unter Strom. Es war einer dieser Tage, an denen ich am liebsten liegen geblieben wäre, aber hey, the show must go on. Unruhig lief ich in meiner grauen Jogginghose und dem schwarzen Shirt vor Preston in meinem Londoner Apartment auf und ab in der Hoffnung, dass das alles nur ein beschissener Albtraum war, aus dem ich gleich aufwachen würde.

»Was hat die Produktion denn genau gesagt, als du gestern mit ihnen telefoniert hast?«, erwiderte ich, während ich verzweifelt versuchte, Ruhe zu bewahren, auch wenn mir mein Herz bis zum Hals schlug.

Ich hielt inne und fing Prestons Blick auf. Meine nackten Zehen versanken in dem überteuerten Kaschmir-Seide-Teppich mit dem orientalischen Muster, den mir Sally, eine Interior Designerin, die mir von ein paar Leuten aus Hollywood empfohlen worden war, bei meinem Umzug vor einem Jahr in das Vier-Zimmer-Apartment in Kensington mit den Worten »Das ist der letzte Schrei und verleiht deiner Wohnung das gewisse Etwas« besorgt hatte. Ein wirklicher Unterschied zu denen vom Discounter-Möbelhaus war mir zwar nicht aufgefallen, aber nett anzusehen war er trotzdem, und außerdem passte er hervorragend zum allgemeinen Look meiner Wohnung. Aus den Fenstern hier im dritten Stock hatte man einen tollen Ausblick auf die piekfeinen Vorgärten der Reihenhäuser und die teuren Autos, die vor den weißen Fassaden mit Steinsäulen parkten. Durch den Stress der letzten vier Jahre, in denen ich zwischen den Drehs nur so hin und her gehetzt und dadurch nahezu keine Zeit für Privates geblieben war, hatte ich Sally beauftragt, alle Räume zeitlos, modern und gemütlich einzurichten. Zu den seltenen Gelegenheiten, zu denen ich mich in meinen vier Wänden aufhielt, wollte ich mich wohlfühlen. Zudem verfügte ich mittlerweile über das nötige Kleingeld, um mir ihre Dienste leisten zu können. Was nicht immer so gewesen war, weswegen ich es heute umso mehr zu schätzen wusste.

Preston starrte grimmig zurück. Kein Wunder. Der ganze Raum stank nach Verzweiflung und Reue.

»Die haben gesagt, dass dein kleiner Auftritt bei Saturday Night Live noch ein Nachspiel haben wird. Cornelius klang alles andere als begeistert, als er gesehen hat, wie du dich vorgestern aufgeführt hast.« Sein Blick zuckte zur Apple Watch an seinem Handgelenk. »Dauert wohl nicht mehr lang, bis wir von ihm hören. Er meinte, er ruft uns zwischen vier und fünf an …«

Cornelius war der Produzent meines neuen Films, für den die Dreharbeiten in acht Wochen am Set in LA starten würden. Nach dem SNL-Eklat hatte ich mich direkt in ein Flugzeug geschwungen und war zurück nach London geflogen, um dort meine Ruhe zu haben und etwas unterzutauchen. Ich hatte versucht, den Kopf mit Lesen, Joggen und Krafttraining im Gym frei zu bekommen, war jedoch auf ganzer Linie gescheitert. Nicht nur das schlechte Gewissen zehrte an mir, sondern auch die Müdigkeit – der Jetlag hatte zugeschlagen. Vermutlich würde ich mich selbst nach all den Jahren hin- und herfliegen nie daran gewöhnen.

»Du hast ihm aber erklärt, dass das ein Ausrutscher war, oder?« Ich starrte ihn an. Mein Kiefer mahlte. »Ich muss diese Rolle behalten. Ich meine, ja, SNL war … Es ist etwas aus dem Ruder gelaufen, aber der Part könnte meinen endgültigen Durchbruch bedeuten. Ich könnte für den Oscar nominiert werden, das dürfen die mir nicht wegnehmen.«

»Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du dich komplett besäufst, um dich anschließend in einer Live-TV-Show wie ein Arschloch aufzuführen. Du hast herumgeschrien, Kameras umgestoßen, Leute angepöbelt. Wegen dir musste die Show zum ersten Mal seit zig Jahren gestoppt werden. Denkst du ernsthaft, dass das einfach so hingenommen wird?«

»Fuck.« Ich setzte meine Brille ab, fuhr mir übers Gesicht und durch die knapp fünf Zentimeter langen blonden Haare, dann ließ ich mich in den zweiten Sessel neben Preston fallen, taxierte die seltsam geformte weiße Steinvase mit den grünen Stängeln darin, die in der Ecke neben dem großen Fernseher stand und mich verhöhnte. Oder zumindest bildete ich mir das bei ihrem Anblick ein.

Nervös rieb ich mir über die Oberschenkel. Natürlich war es keine Glanzleistung gewesen, betrunken im SNL-Studio aufzukreuzen. Ausschnitte aus der Sendung hatten sich noch während der Aufnahme der Show wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet. Auf News-Seiten, Instagram, TikTok … überall waren diese dämlichen Clips zu sehen, wie ich mich herumtorkelnd wie ein abgehobener Vollidiot aufspielte. Nur dass keiner wusste, wie es überhaupt dazu gekommen war. Keine Sau hatte auch nur den Hauch einer Ahnung, wie es an diesem Abend wirklich in mir ausgesehen hatte. Nicht mal Preston hatte mich nach dem Warum gefragt, aber vermutlich war das auch besser so. Und nun musste ich mit den Folgen leben.

Prestons Handy klingelte.

Mein Herzschlag setzte aus, nur um anschließend noch schneller loszugaloppieren. Ich sah zu Preston, der erst aufs Display starrte und dann zu mir.

»Bereit?«

Ich nickte.

Er hob ab und schaltete direkt den Lautsprecher ein.

»Cornelius! Schön, dass du dich meldest. Wie ist das Wetter in Los Angeles? Was …«

»Spar dir die aufgesetzte Freundlichkeit, Preston. Covey ist der Schauspieler, nicht du«, herrschte die Stimme des Produzenten aus dem Hörer, woraufhin mein Agent die Lippen aufeinanderpresste. Wir wechselten einen kurzen Blick.

Fuck.

»Apropos, ist er auch da?«

Ich räusperte mich. »Ja, ich bin da. Hallo, Cornelius.«

»Gut, dann können wir direkt zur Sache kommen«, entgegnete er und atmete schwer aus. »Dein beschissenes Verhalten bei SNL wirft ein ganz übles Licht auf unsere Produktion, Covey. Alle hier sind außer sich, die Produktion, Redaktion, Werbepartner. Ein paar deiner Co-Stars haben sich auch beschwert und einige Geldgeber überlegen, dich abzusägen, da bin ich ehrlich.«

Doppel-Fuck.

Ich vergrub die Finger im Polster des Sessels, schluckte, während mir der Puls in den Ohren rauschte. »Es tut mir wirklich leid. Mein Verhalten ist unentschuldbar, aber gibt es denn keinen Weg, das wiedergutzumachen? Ich meine, ich würde alles tun. Alles, was ihr wollt. Alles, was nötig ist. Bitte, Cornelius«, flehte ich und ließ den Kopf in den Nacken sinken. »Ich will die Rolle des Wiktor Krasnov unbedingt spielen; und du hast nicht umsonst genau mich dafür angefragt, erinnerst du dich noch?«

Ein Seufzen. »Das ist mir bewusst. Dieses Fehlverhalten war vielleicht ein Ausrutscher, aber dennoch nicht zu entschuldigen. Auch wenn du sonst der charmante Showman bist, rettet dich das nicht aus der Scheiße, in die du dich katapultiert hast. Ich halte dich nach wie vor für die perfekte Besetzung. Deine bisherigen Rollen sind deinem schauspielerischen Talent nicht gerecht geworden, das habe ich dir schon vor Monaten gesagt, als Preston und ich deine Verträge ausgehandelt haben. Aber das, was du dir da geleistet hast … Es stimmt nicht überein mit unserer Vision und der ganzen Message des Films. Weißt du, Junge, wenn’s um einen düsteren Film im Euphoria-Stil gehen würde, könnte man deinen Auftritt vielleicht als Marketing-Gag verkaufen, dann hättest du nur noch wie der eine Kerl in der zweiten Staffel ins Studio pissen müssen; aber wir sprechen hier vom Biopic Wiktor Krasnovs. Er war einer der erfolgreichsten Turner aller Zeiten, der sich in seinem bisherigen Leben keinen einzigen Skandal geleistet hat. Ein Saubermann, der sich eher die Hände abhacken würde, als sich so einen Fauxpas zu erlauben.«

Ich schluckte. Alles drehte sich. Meine Beine zitterten. Ich wollte nicht den Boden unter den Füßen verlieren. Nicht schon wieder.

Ich fixierte das Filmskript auf dem schwarzen Beistelltisch neben meinem Sessel, das ich die letzten Tage noch studiert hatte, dann sah ich kurz zu Preston, der die Lippen kräuselte. »Sag mir, wie ich das wiedergutmachen kann, Cornelius. Bisher habe ich nie Mist gebaut, und …«

»Ja, ja«, fuhr er mir dazwischen. »Wir wissen alle, dass du der charmante Brite bist, der jeden und jede mit seinem Lächeln um den Finger wickelt. Bisher hat die Presse noch nicht allzu oft negativ über dich berichtet, aber damit wird jetzt Schluss sein. Dein strahlendes Grinsen allein wird dir aus der Sache nicht raushelfen.«

»Ich bin bereit, Schadensbegrenzung in jeder Hinsicht zu betreiben. Wie gesagt, ich mache alles, wirklich alles, Cornelius!«

»Das klingt doch schon mal vielversprechend. Ich nehme an, es wird dich demnach freuen zu hören, dass ich bereits Rücksprache mit unserem PR-Team gehalten habe; sie haben sich was überlegt, das mit etwas Glück klappen könnte. Die Aktion erfordert ein wenig mehr Einsatz auf der Überzeugungsebene, aber so wie ich dich kenne, Jenkins, sollte das kein Problem …«

»Jetzt mal Klartext, was erwartet ihr von Covey?«, kam es von Preston, der genervt die Augen verdrehte und mich dann wieder ansah.

»Du musst bis zum Drehstart in acht Wochen deinen Ruf aufpolieren. Positive Schlagzeilen generieren. Damit die Presse was anderes hat, über das sie berichten kann, als den SNL-Vorfall. Die müssen dich hinterher mehr vergöttern als je zuvor. Wenn du das hinbekommst, bleibt dir die Rolle erhalten.«

Mir stockte der Atem. »Aber … An was hast du gedacht?«

Ein höhnisches Lachen drang durch den Hörer und kroch mir bis ins Mark. Ich wechselte einen alarmierten Blick mit Preston. »Schön, dass du fragst, Covey. Wir haben eine tolle Idee.«

Preston kniff die Brauen zusammen, während ich nervös auf meiner Lippe herumkaute. »Und die wäre?«

»In der Presse wird oft über dich und deine wechselnden Affären geschrieben, das sind häufig Leute aus Hollywood, die selbst mal ihren Ruf aufpolieren sollten, aber … Wie dem auch sei, du musst dich in die richtige Gesellschaft begeben, Kleiner. Menschen mit Saubermann-Image, die dir zudem noch bei deiner Rolle helfen können, sodass der Presse deutlich gemacht wird, dass es sich bei dir nicht um einen Aufreißer handelt, wie sie bisher dachten, sondern um einen hochkarätigen Schauspieler, dessen Fokus auf der Arbeit liegt – und auf Menschen, die ein ähnliches Mindset haben.«

»Okay«, entgegnete ich vorsichtig. »Ja, ich … Es gibt da bestimmt die ein oder andere Person, mit der ich mal wieder abgelichtet werden könnte?«

»Sagt dir der Name Delphine Fleury etwas?«

Ich überlegte kurz, dann machte es Klick. »Ja. Ich bin bei meiner Recherche auf YouTube über sie gestolpert. Das ist doch diese Turnerin aus Frankreich, die gerade einen Titel nach dem anderen abräumt, oder?«

»Ganz genau. Was weißt du über sie?«

»Nicht viel. Außer ein paar Videos von Wettkämpfen hab ich kaum was über sie gefunden. Wird sie nicht als aufstrebender Turnstar gehandelt?«

In den vergangenen Monaten hatte ich mir etliche Dokus, Videos, Zeitungsartikel und was ich sonst über den Turnsport finden konnte, reingezogen, um mich auf meine Rolle vorzubereiten.

»Das liegt daran, dass sie online quasi unsichtbar ist. Die Kleine hat nicht mal einen Instagram-Account und ist allgemein extrem pressescheu. Interviews lehnt sie kategorisch ab.«

»Und was heißt das jetzt für mich?« Ich tauschte einen weiteren, diesmal leicht verwirrten, Blick mit Pres, der jedoch ebenso überrascht schien wie ich.

»Wir haben alles in die Wege geleitet. Sie lebt und trainiert aktuell an der Belladaire Academy of Athletes in Monaco. Wir haben ihr eine Anfrage geschickt – mit der Bitte, dich zu coachen.«

»Coachen? Aber sollte das Turntraining nicht nächste Woche hier in London losgehen? Mit Igor?«

Für einen kurzen Moment hielt mein Agent den Lautsprecher zu und raunte mir ein »Hör dir erst mal an, was er zu sagen hat« zu, was ich mit einem genervten Brummen quittierte.

»Ursprünglich ja. Aber wir von der Produktion und dem PR-Team haben entschieden, dass Delphine Fleury übernehmen soll. Die Presse wird begeistert sein«, entgegnete Cornelius euphorisch. »Sie ist eine unnahbare, aber dafür umso diszipliniertere französische Schönheit mit exzellenter Reputation, die zu den besten Sportlerinnen der jungen Generation gehört. Wenn du dich mit ihr ablichten lässt, färbt ihr guter Ruf garantiert auf dich ab. Außerdem soll sie Single sein. Du musst mit Sicherheit nur ein-, zweimal zwinkern und ein paar Komplimente raushauen, dann hast du sie um den Finger gewickelt. Wenn beim Training oder privat Fotos von euch beiden geschossen werden und die Öffentlichkeit spekuliert, dass ihr vielleicht sogar ein Paar seid, wäre das die perfekte Publicity für unseren Film. Die perfekte Romanze – und die perfekte Ablenkung von deinem SNL-Skandal. Da sie bisher so wenige Infos über sich preisgegeben hat, werden sich die Medien auf eure Story stürzen wie Geier. Die werden hoffen, über dich an Interviews mit ihr zu kommen oder dass du sie zu Veranstaltungen mitnimmst.«

Mir klappte der Kiefer herunter. Hektisch versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Das war doch fucking absurd. »Gibt es keine andere Möglichkeit? Ist sie mit dem Fake-Dating überhaupt einverstanden?«

»Das werden wir bald sehen. Du solltest beten, dass sie das Coaching übernimmt, immerhin hängt deine Karriere davon ab. Im Zweifel muss sie von ihrem Glück, zudem zur Aufwertung deines Images beizutragen, ja nichts erfahren.«

»Ist das nicht moralisch ziemlich zweifelhaft, sie in die Öffentlichkeit zu zerren, wenn …«

Schallendes Lachen. »Moralisch zweifelhaft! Covey, Covey … Wenn du mit einer moralisch weißen Weste leben willst, hast du dir den falschen Job ausgesucht, das sollte dir nach einigen Jahren in der Filmbranche klar sein.«

Ich spürte, wie sich ein ganzer Felsbrocken an Bedenken auf meinen Brustkorb schob. Nervös knetete ich meine Hände. »Aber …« Hilfesuchend warf ich Preston einen Blick zu, der diesen lediglich mit einem Schulterzucken quittierte und »Klingt doch halb so schlimm, die willigt sicher ein« flüsterte.

Nicht mal auf die Pfeife war Verlass, na super.

»Kein Aber. Du schaffst das. Ohne Delphine und die passende Publicity keine Rolle. Das ist mein letztes Wort.«

Mein Körper fühlte sich wie betäubt an. Ich kam nicht mehr aus der Sache raus, wenn ich meiner Karriere kein abruptes Ende bescheren wollte.

Ich räusperte mich, setzte meine Brille wieder auf die Nase. »Nur zur Sicherheit: Wenn ich das durchziehe, habe ich die Rolle weiterhin?«

»Unter Vorbehalt, ja. Gesetzt den Fall, du leistest dir keine erneuten Publicity-Vollausfälle und hast bald eine hübsche Turnerin am Arm. Leg dich ins Zeug. Falls die Aktion nichts bringt, bist du raus. Dann suchen wir Ersatz. Du hast es in der Hand. Ich melde mich bei Preston mit den Details, sobald wir eine Rückmeldung von der Akademie erhalten haben. Und bis dahin hältst du den Ball flach, Covey. Keine Ausrutscher mehr. Wir hören uns.«

In meinen Ohren piepste es. Das Letzte, was ich wollte, war, eine unschuldige Person in mein persönliches Chaos reinzuziehen. Und dennoch blieb mir kein anderer Ausweg, um meine Karriere zu retten. Ich musste wohl oder übel tun, was das Produktionsteam von mir erwartete. Ohne Rücksicht auf eventuelle Kollateralschäden.

3

Delphine

Ich wollte nach dem Vormittagstraining gerade den Flur des Turnhallenkomplexes verlassen, als mich Swetlana aufhielt. »Delphine, eine Sekunde.«

Ich drehte mich zu meiner Trainerin um und sah sie mit schief gelegtem Kopf an. »Ja?«

»Ich weiß, du hast gleich Theorieunterricht und dann Mittagspause, aber Mathilda Belladaire will dich sehen. Du sollst zu ihr ins Büro kommen.«

Ich blinzelte sie ungläubig an. »Ähm, mich? Was … Aber wieso? Hab ich was falsch gemacht?«

Mathilda Belladaire hatte einst die Tennis-Weltrangliste angeführt und im Anschluss an ihre Profikarriere vor gut zwanzig Jahren die Belladaire Academy gegründet. Alle kannten sie, alle fürchteten sie. Nicht, weil sie besonders unfreundlich oder herrisch war, sondern weil sie allein für die Meilensteine, die sie in ihrer Karriere erreicht hatte, bewundert und respektiert wurde. Ich hatte bisher noch nie persönlich mit ihr gesprochen. Warum sie mich jetzt auf einmal in ihrem Büro sehen wollte, war mir schleierhaft.

»Ich habe keine Ahnung. Aber du solltest sie nicht warten lassen. Nur ein gut gemeinter Rat …«

»Okay, danke«, murmelte ich irritiert und schob mir meine Tasche, die ein Stück heruntergerutscht war, zurück auf die Schulter. »Dann bis heute Nachmittag«, verabschiedete ich mich und lief die letzten paar Schritte zur Glastür, um nach draußen zu gelangen.

Was zur Hölle wollte die Leiterin von Belladaire von mir? Mir schossen etliche Szenarien durch den Kopf: Würden die Semestergebühren erhöht werden? Reichte mein Teilstipendium nicht mehr aus? Hatte es womöglich einen Fehler gegeben und ich musste jetzt schon aus eigener Tasche blechen? Oder ging es um die Interviews, die ich dauernd verweigerte? Die Liste ging endlos weiter und mit ihr auch das Gedankenchaos.

Nervös hetzte ich über den hellen Kiesweg an den Tennisplätzen vorbei, wo gerade zwei Typen die Schläger schwangen. Die Märzsonne die vom wolkenlosen blauen Himmel fiel, hatte bereits ungewöhnlich viel Kraft und kitzelte auf meinen nackten Armen. Sobald es sommerlich heiß wurde, würde ich mich noch häufiger als gewöhnlich in der Turnhalle verkriechen, während die meisten meiner Mitstudentinnen jede freie Sekunde abseits des Trainings nutzten, um ins kühle Wasser zu kommen. Ich dagegen liebte Regen und Kälte. Mir graute jetzt schon vor den steigenden Temperaturen und den verurteilenden Blicken, wenn ich statt meiner Jogginghose Shorts trug, weil es anders nicht auszuhalten war. Ich wäre an einer Sportakademie in den Highlands vermutlich besser aufgehoben gewesen, aber die beste lag nun mal in Monaco an der französischen Riviera und nicht in Schottland.

Nachdem ich den mit hellen Marmorplatten gefliesten Gang des Hauptgebäudes entlanggelaufen war, blieb ich vor der dunkelbraunen Holztür mit den geschnitzten Details stehen. Ich blickte noch einmal an mir herunter, zupfte meine Jogginghose zurecht, zog sie etwas weiter nach oben in die Taille und atmete tief durch. Egal, was auf mich zukam, ich würde das schaffen.

Bevor ich mir weitere Horrorszenarien zusammenfantasieren konnte, klopfte ich an.

Durch die Tür drang ein dumpfes: »Oui«.

Rasch trat ich in den kleinen Vorraum, wo Mathilda Belladaires Assistent an einem dunklen Holzschreibtisch saß und mich freundlich anlächelte. »Kann ich dir helfen?«

»Ja, ich soll zu Madame Belladaire. Delphine Fleury«, entgegnete ich und schluckte. Mein Mund war ganz trocken vor Aufregung.

»Ah, ja, natürlich.« Der Kerl mit den hellblonden Haaren und dem breiten Grinsen nickte in Richtung einer weiteren hohen Holztür. »Sie wartet schon auf dich.«

»Danke.« Mit gestrafften Schultern lief ich auf die dunkle Tür zu, öffnete sie behutsam und trat in das riesige, lichtdurchflutete Büro.

Mitten im Raum stand ein großer Schreibtisch aus Glas, der mindestens zwei Meter lang sein musste. Hinter ihm saß Mathilda und starrte wie hypnotisiert auf den Bildschirm ihres iMacs. Die knallrote Statementbrille hatte die gleiche Farbe wie ihre kurzen Nägel und schmeichelte ihrem herzförmigen Gesicht, das ein hellbrauner Bob rahmte.

Ich räusperte mich. »Sie wollten mich sprechen?«, fragte ich auf Französisch, da sie wie ich aus Frankreich stammte und wir uns somit nicht auf Englisch unterhalten mussten, wie es sonst an der Academy üblich war.

Rasch hob sie das Kinn, musterte mich, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem herzlichen Lächeln. »Delphine, bitte, setz dich.« Sie wies mit ihrer feingliedrigen Hand auf einen der beiden Metallstühle, die vor ihrem Schreibtisch standen.

Ich nickte und lief an den hohen Einbauregalen mit den Preisen vorbei, die sie in ihrer Karriere eingeheimst hatte. Neben Tennisbällen in Glaskästen, eingerahmten Urkunden und Fotos ließen sich dort auch etliche Bücher finden. An den Wänden hingen weitere Artikel und Bilder, die sie im Laufe ihrer Karriere bei Turnieren oder sportlichen Events zum Teil mit anderen Spielerinnen und Spielern zeigten.

Meine Hände fingen an zu schwitzen, als ich mich auf das kühle Metall des Designerstuhls sinken ließ und die Beine überkreuzte. Wie sie da so auf ihrem Stuhl thronte, mit der Ausstrahlung von Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada, nur deutlich freundlicher, flößte sie mir gehörig Respekt ein. Dennoch versuchte ich, ruhig sitzen zu bleiben und mir nicht anmerken zu lassen, wie mein Puls beschleunigte.

»Danke, dass du gekommen bist. Tut mir leid, dass ich dich vom Theorieunterricht abhalte, aber du bist ja sehr fleißig und holst den Stoff sicher schnell auf«, sagte sie und faltete ihre Hände auf der Glasplatte.

»Ja, das kriege ich hin.«

»Du erbringst nicht umsonst eine herausragende Leistung.« Sie lächelte, warf noch mal einen Blick auf den Bildschirm ihres Computers, dann sah sie wieder zu mir. »Du fragst dich sicher, was ich von dir möchte, oder?« Als ich nickte, fuhr sie fort: »Ich habe eine Anfrage bekommen, die dich betrifft …«

Bitte nicht noch ein Interview.

Ich seufzte leise und wappnete mich innerlich.

»Eine Filmproduktionsfirma hat sich an uns gewendet. Es geht um ein Biopic über Wiktor Krasnov, das groß in Hollywood verfilmt wird, vielleicht hast du schon davon gehört. Es freut uns natürlich sehr, dass es die Biografie eines Turners, dessen Sport hier unterrichtet wird und den ich sogar schon einmal bei einer Gala kennenlernen durfte, auf die große Leinwand schafft.«

Vermutlich wussten alle Menschen, die turnten, dass dieser Film bald gedreht werden würde. Schon jetzt wurde heftig die Werbetrommel dafür gerührt, nicht zuletzt da er auf einer Biografie beruhte, die monatelang die Bestseller-Listen weltweit angeführt hatte. Das hatte ich zumindest mal im Training bei Robyn und Tilda aufgeschnappt. Bei solchen Produktionen standen die Chancen fifty-fifty, ob die Geschichte einer Person am Ende authentisch dargestellt oder doch nur für viel Show überdramatisiert wurde und der Wahrheitsgehalt gen null ging.

»Ja, ich habe schon davon gehört.«

»Die Dreharbeiten haben noch nicht begonnen, die Produktion befindet sich derzeit in der Vorbereitung. Und da kommst du ins Spiel.«

»Ich?« Verwirrt kniff ich die Brauen zusammen und legte den Kopf schief.

»Die Produktion möchte, dass der Lead-Schauspieler im Voraus von dir gecoacht wird, um perfekt auf die Rolle vorbereitet zu sein. Das ist eine große Sache, Delphine. Für dich, aber auch für die Academy.«

Mir klappte der Kiefer herunter. Was. Zur. Hölle.

»Von mir? Aber … Warten Sie, welcher Schauspieler ist denn gemeint?«

»Covey Jenkins. Ich habe noch keinen seiner Filme gesehen, aber er scheint nicht ganz unbegabt zu sein.«

Keine Ahnung, wer der Kerl war. Ich hatte seinen Namen noch nie gehört. Das konnte aber auch gut daran liegen, dass ich mich aus den sozialen Medien heraushielt und offensichtlich keinen seiner Filme gesehen hatte, da mein Fokus auf dem Sport lag. In meiner Freizeit griff ich lieber zu meinem Strickzeug oder einem Buch, statt mit perfekt aussehenden Stars aus Hollywood konfrontiert zu werden. Oder ich schaute mir zum zwanzigsten Mal meine Comfort-Serie Gilmore Girls an.

Ich blickte mich unauffällig um, weil ich das Gefühl hatte, komplett verarscht zu werden. Das konnte doch nur ein Witz sein. Als mir – oh Wunder! – keine versteckte Kamera auffiel, richtete ich mich ein Stück auf. »Meinen Sie das ernst?«

»Sonst hätte ich dich nicht herbestellt. Die Bezahlung ist übrigens sehr gut. Ich habe gesehen, dass dein Stipendium Ende des Semesters ausläuft. Dein Honorar läge bei fünfzigtausend Euro und würde die weiteren Kosten zumindest für fast ein Jahr decken. Und es wäre, wie gesagt, äußerst gut für die Reputation der Academy, aber auch für deine. Langfristig brauchst du Sponsoren, und die stehen auf solche öffentlichkeitswirksamen Aktionen«, entgegnete sie und sah mich eindringlich an. »Was sagst du?«

Ich war vollkommen überfordert, öffnete nur immer wieder den Mund und schloss ihn wie ein an Land gestrandeter Fisch. »Ich fühle mich geehrt, aber so ein Coaching ist doch extrem zeitintensiv, oder?«

»Vermutlich, aber wir würden natürlich darauf achten, dass dein Training nicht zu kurz kommt. Die Produktion hat übrigens explizit nach dir gefragt, das war nicht meine Idee, auch wenn ich nur unterschreiben kann, dass du dafür perfekt geeignet bist.«

»Woher kennen die mich?« Auf einmal fiel mir das Atmen schwer. Ich vermied öffentliche Auftritte, und trotzdem wusste eine Filmproduktion, wer ich war? Das war genau die Art Aufmerksamkeit, die ich um jeden Preis vermeiden wollte.

»Na, weil du eine unserer besten Turnerinnen bist, nehme ich an. Das Training soll möglichst schon in den nächsten Tagen beginnen, die Zeit drängt wohl etwas.«

Das zusätzliche Geld würde mir einiges an Sorgen nehmen, doch war es das wert? Trotz allem bestand die Gefahr, dass meine Leistung litt. Zudem bedeutete die Gegenwart eines berühmten Schauspielers an der Academy garantiert jede Menge Medienrummel, womöglich sogar Paparazzi.

»Wäre es möglich, dass ich ein wenig Bedenkzeit erhalte?«, erkundigte ich mich vorsichtig.

»Dass du über so ein tolles Angebot noch nachdenken musst, wundert mich. Mir ist bereits zu Ohren gekommen, dass du jegliche Interviewanfragen ablehnst, daher wollte ich auch persönlich über das Coaching-Angebot mit dir sprechen – um dir nahezulegen, es anzunehmen. Denk an die wunderbare Aufmerksamkeit, die du durch all das erlangen könntest und die auch der Academy zugutekommt. All die Sponsoren, die du an Land ziehen könntest.« Sie tippte sich mit einem ihrer schlanken Finger ans Kinn. »Aber gut. Lass es dir durch den Kopf gehen und gib mir bis heute Abend Bescheid. Du kannst mir einfach eine kurze E-Mail schreiben.«

Ich nickte wie in Trance und stand auf. »Mach ich. Danke.«

»Gut, dann hören wir nachher voneinander. Bedenke, dass man so eine Chance in der Regel nur einmal im Leben bekommt, Delphine. Nutze sie.« Sie lächelte mich ermutigend an und schob sich die Brille zurecht. »Hab noch einen schönen Tag.«

»Danke, gleichfalls«, erwiderte ich, bevor ich mich abwandte.

Als ich kurze Zeit später wieder im Flur der Academy stand, atmete ich zischend aus und lehnte mich gegen eine der hellen Marmorsäulen, die den Gang säumten. Der kühle Stein half etwas gegen die Hitze, die vor Aufregung in mir aufgestiegen war. Doch mir war noch immer ganz flau im Magen. Natürlich fühlte ich mich von der Anfrage geehrt, aber vermutlich würde mir die Aktion eher den letzten Nerv rauben als helfen.

Um die Neuigkeiten zu verdauen, brauchte ich unbedingt Zeit für mich. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass die Theoriestunde schon in vollem Gange war. Ich wollte nicht als Nachzüglerin dort erscheinen und unnötige Aufmerksamkeit auf mich ziehen, daher steuerte ich den Wohntrakt an.

Kaum dass ich die Tür zu meinem Zimmer mithilfe des Sensors an meinem Gummiarmband, das nicht nur Schlüssel für etliche Räumlichkeiten war, sondern auch unsere Leistung und Gesundheit trackte, geöffnet hatte, hörte ich ein leises Fluchen aus dem Inneren.

Meine Mitbewohnerin saß in Jogginghose und Top auf ihrem Bett und rieb sich mit angespanntem Gesichtsausdruck den Knöchel. Ihre Freundin Lova hockte in einem rosa-weißen Sportoutfit neben ihr und hatte mitfühlend die Unterlippe vorgeschoben. Sie trug ihr hellblondes Haar zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, ihre Haut war leicht gebräunt, und ihre Augen strahlten blau wie ein wolkenloser Himmel. Kurz gesagt, sie sah wunderschön aus. Wie immer.

Während ich meine Sneaker abstreifte und an der Holzkommode vorbei zu meinem Schreibtisch lief, warf ich den beiden einen raschen Blick zu. »Hi.«

»Hey«, brummte Nika, zwischen deren Brauen die tiefste Falte prangte, die ich je gesehen hatte. »Hab vorhin eine Stufe verfehlt und bin umgeknickt, falls du dich fragst, warum wir hier sitzen wie zwei nasse Säcke.«

»Hmm, doof«, entgegnete ich und presste die Lippen aufeinander, um nicht das zu tun, was ich eigentlich tun wollte. Beispielsweise zu sagen, dass es mir für sie leidtat. Oder nachzufragen, wie lange sie nicht trainieren konnte. Mich zu erkundigen, ob sie nur heute aussetzen oder eine längere Pause einlegen musste. Jedes Gespräch mit ihr und ihren Freundinnen ließ in mir nur noch mehr das Gefühl wachsen, ihre Freundschaft zu wollen, dabei war es doch genau das, was niemals passieren durfte. Sie hinter meine Maske blicken zu lassen, war schließlich alles, was ich tagtäglich zu vermeiden versuchte.

»Und warum bist du nicht im Theorieunterricht?«, kam es von Lova. Bisher hatten wir bis auf kurze Hallos, wenn sie Nika abholte oder besuchte, nur einmal richtig miteinander gesprochen. Doch dieses eine Mal vor ein paar Monaten, als sie sich mir notgedrungen anvertraut hatte, weil Nika nicht da gewesen war, hatte sich nicht nur in meinen Kopf, sondern auch in mein Herz gebrannt. Es war schön gewesen, hatte sich gut angefühlt, und dennoch hatte ich meine Grenzen ziehen müssen. Auch wenn ich mir gute Freundinnen und Freunde wünschte, kam das für mich nicht infrage. Ich durfte keine Freundschaften führen, wenn ich nicht wollte, dass sich die Geschehnisse von damals wiederholten.

»Hatte ein Gespräch.« Ich stellte meine Tasche neben dem Schreibtisch ab und ließ mich mit dem Rücken zu den Mädels auf den Stuhl davor sinken.

»Und, hast du später noch was Schönes vor?«, kam es von Nika.

»Ne«, murmelte ich, während ich die Stricknadeln und das noch unförmige dunkelrote Wollknäuel zur Seite schob, an dem ich heute Abend weiterarbeiten wollte.

Die Pullis, Schals, Socken, Decken und anderes, das ich in meiner Freizeit strickte, verkaufte ich über meinen Etsy-Shop, um mir etwas Geld dazuzuverdienen. Und um meine Hände beschäftigt zu halten, wenn sie etwas anderes tun wollten. Aber in diesem Moment stand kein neuer Pulli auf dem Plan, sondern ausführliche Recherche.

Nika und Lova fingen an, über ihre Verletzung zu sprechen, doch ich blendete ihre Stimmen aus.

Ich zog meinen Laptop heran und klappte ihn auf, dann öffnete ich einen Browser und suchte nach …

Ja, nach wem denn eigentlich? Wie hatte der Name dieses Schauspielers noch gelautet? Casey? Corey? Bevor ich mich dumm und dämlich rätselte, googelte ich einfach den Namen des Turners, dessen Leben verfilmt wurde, und stieß so auf den Film und den Namen des Schauspielers.

Covey Jenkins.

Als Erstes ploppten verschiedene Film- und Serienposter von Liebesschnulzen und Teeniekomödien auf, in denen er anscheinend mitgewirkt hatte.

Ich wählte die Google-Bildersuche und …

Oh … Oh … Mhm, okaaaay!

Covey Jenkins musste ungefähr in meinem Alter sein, vielleicht etwas älter, und auf den Fotos machte er eine verdammt gute Figur. Ich klickte eines an und vergrößerte es in einem neuen Fenster, woraufhin ich schlucken musste. Covey auf dem roten Teppich, schwarzer Anzug, dunkelgraues Hemd, das sich wie angegossen an seinen definierten Körper schmiegte. Sein mittelblondes Haar war perfekt unperfekt nach hinten gestylt, während ihm eine einzelne Strähne kommaförmig in die Stirn fiel. Auf seinem Gesicht ein strahlendes Grinsen, bei dem ich fast erblindete. Perfekte Zähne, blaue Augen und ein schmales, markantes Gesicht mit leichtem Bartschatten. Okay, ja, der Typ sah gut aus … Aber das war doch sowieso Voraussetzung, um es in Hollywood zu etwas zu bringen, oder nicht?

»Oh. Mein. Gott. Delphine!«, quiekte Lova in meinem Rücken. »Geilst du dich gerade an Covey Jenkins auf?«

Ich klickte schnell auf das X oben im Browser, um das Fenster zu schließen, was es nicht wirklich besser machte, denn nun erschien die Bildersuche und somit eine Seite, die aus etlichen Miniatur-Coveys bestand. Na super.

»Ähm … Nein, definitiv nicht.«

»Oh, doch! Wir sehen das doch«, kam es amüsiert von Nika. »Aber hey, tu dir keinen Zwang an, der Kerl ist optisch echt ’ne 12 von 10.«

»Wenn da nicht dieser Vorfall gewesen wäre«, murmelte Lova. »Seitdem ist sein Image ja leider etwas angeschlagen. Scheint, als ob er ein ziemlicher Angeber ist.«

Langsam drehte ich mich zu ihnen um und hob eine Braue. »Was für einen Vorfall meint ihr?«

»Ach, jetzt, wo es um die pikanten Details deines Celebrity-Crushs geht, sprichst du plötzlich mit uns«, erwiderte Lova sarkastisch und grinste mich frech an. Als ich genervt aufstöhnte, fuhr sie allerdings ernster fort: »Hast du gar nichts davon mitbekommen? Das war die letzten Tage auf sämtlichen Social-Media- und Gossip-Seiten zu lesen. Samstagnacht stand er sogar auf Platz eins der X-Trends weltweit.«

Ich schüttelte den Kopf. »Da treib ich mich nicht rum.«

Nika schnaubte. »Google mal nach Covey Jenkins, Saturday Night Live und … Ach, das reicht sicher schon.«

Meine Finger flogen über die Tastatur. Keine zwei Sekunden später aktualisierten sich vor mir die Suchergebnisse mit einer langen Liste an Videoausschnitten, Artikeln und Bildern, die mich neugierig machten.

SNL-Skandal: Covey Jenkins (23) außer Rand und Band!

Alkohol rafft sie alle dahin: Covey Jenkins’ Absturz steht kurz bevor

Wenn Arroganz einen Namen hätte, würde er »Jenkins« lauten

C. Jenkins vollkommen abgehoben

Eine Headline schlimmer als die andere.

Ich entschied mich für eines der Videos, und nach einer kurzen Werbeanzeige erschien der Typ auf dem Bildschirm – in schicker schwarzer Hose und weißem Shirt, jedoch eindeutig sturzbesoffen. Womöglich sogar zugedröhnt? Diese Hollywood-Leute koksten sich doch bestimmt öfter die Seele aus dem Leib, als dass sie nüchtern waren.

Man wurde direkt ins Geschehen geworfen und sah, wie Covey vor dem Moderator auf und ab lief, sich durchs helle Haar fuhr und einen starren Blick drauf hatte. »Ihr Arschlöcher denkt auch echt, ihr kennt mich, oder? Oder? Oder?«, schrie er ins Publikum, torkelte durch das Studio und schubste die Kamera weg, dann tigerte er wieder auf der Bühne hin und her, strich sich übers Gesicht, schüttelte den Kopf, die Augen geweitet. Als Nächstes richtete er den Blick kurz Richtung Decke, bevor er sich dem Moderator zuwandte. »Niemand kennt mich! Alle wollen nur … Ihr könnt mich alle mal! Nichts seid ihr. Nichts! Und ich bin alles. Ihr seht das nicht? Wow! Macht mal die Augen auf!« Er lachte bitter. »Keiner kann es mit mir aufnehmen!« Es folgten Beleidigungen und allerhand Schimpfwörter in Kombination mit … Moment, warf er da eine Tasse mit seinem Gesicht durch den Raum? Gefolgt von seinem … Gürtel? Dann wurde die Aufnahme abrupt abgebrochen, und ich starrte auf einen schwarzen Bildschirm.

Ich schüttelte den Kopf. »Was ist das denn für ein Vollidiot?«

»Ist echt ein Wunder, dass du davon noch nichts mitbekommen hast. Normalerweise wirkt er immer total entspannt und cool, aber da ist er echt ein bisschen abgedreht«, sagte Lova und seufzte.

»Ich frag mich, ob er nach dem Auftritt die Rolle in dem Biopic behalten darf«, fügte Nika hinzu.

»Darf er«, sagte ich leise, mehr zu mir selbst als zu den Mädels, und bereute es im nächsten Augenblick schon wieder, weil ich ihnen eigentlich nichts von meinem Gespräch mit Mathilda erzählen wollte.

»Woher weißt du das?«

»Nur so ein Gefühl«, erwiderte ich und schüttelte den Kopf, dann schloss ich das Video und lehnte mich mit vor der Brust verschränkten Armen zurück.

Wenn es etwas gab, das ich ganz und gar nicht mochte, dann waren es arrogante Menschen, die sich für etwas Besseres hielten. Was für eine Ironie, dass es genau der Charakterzug war, den die Leute mir zuordneten. Sie hielten mich für eingebildet, weil ich mich von allen fernhielt und eine kühle Fassade zur Schau trug. Es versetzte mir einen Stich, weil ich natürlich nicht wollte, dass man mich für eine selbstsüchtige Person hielt, aber mir blieb keine andere Wahl, als diese Rolle zu spielen. Nur so würde niemals jemand versuchen, eine Freundschaft mit mir aufzubauen.

Ich starrte auf den Laptopbildschirm. Das Honorar, das mir die Produktion anbot, hatte ich bitter nötig, aber was ich nicht brauchte, war mediale Aufmerksamkeit und Ablenkung von meinem Training. Covey schien menschlich ein Idiot zu sein. Sicher verfolgten ihn ständig Paparazzi und gierten nach einer Story über ihn, denn anscheinend lieferte der Kerl genug Stoff und die Leute interessierten sich auch noch dafür.

Übelkeit stieg in mir auf, aber vielleicht war das auch nur mein Magen, der nach etwas Essbarem verlangte. Dieses Video und das Gespräch mit den Mädels bestätigte nur meine Vermutung und verfestigte mein Vorhaben, mir diesen Volltrottel definitiv nicht aufzuhalsen.

Ich klappte den Laptop zu und zog mein Handy aus der Tasche, um eine E-Mail zu tippen.

Liebe Madame Belladaire,

es tut mir leid, aber ich werde den Coachingjob für Covey Jenkins nicht übernehmen. Ich bin mir sicher, dass die Produktion einen tollen Ersatz findet. Danke dennoch für die Chance.

Freundliche Grüße,

Delphine Fleury

Rasch drückte ich auf Senden und sperrte mein Handy. Ein wenig weh tat es schon, dass ich mir die Kohle einfach so durch die Lappen gehen ließ. Allerdings war kein Geld der Welt es wert, mir freiwillig diesen irren Trottel ans Bein zu binden.

4

Covey

Gedankenverloren blätterte ich durch mein Skript, ich hatte mich schon den ganzen Tag nicht richtig konzentrieren können. Mit der freien Hand spielte ich mit einem dünnen Faden, der sich aus der Naht meines dunklen Ledersofas gelöst hatte, während im Hintergrund das Ticken meiner Wanduhr zu hören war, die rechts neben dem hohen Bücherregal mit all den Biografien, Fantasyromanen und Klassikern an der Wand hing. Ich las die Sätze, die Dialoge, die Regieanweisungen, doch nichts davon blieb länger als zwei Sekunden hängen. Eigentlich hätte ich bereits vor Stunden das Handtuch werfen können, aber was hätte ich stattdessen gemacht? Mir weiter darüber den Kopf zerbrochen, ob meine angeknackste Karriere noch zu retten war?

Mir entfuhr ein genervtes Stöhnen. Wenn das so weiterging, würde ich diesen Text niemals auswendig lernen. Falls ich die Rolle überhaupt behalten durfte.

Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und checkte das Display, ob sich Preston oder Cornelius endlich gemeldet hatten. Unser Telefonat lag inzwischen fast vierundzwanzig Stunden zurück. Da ich TikTok und Instagram seit Samstag zu ignorieren versuchte, hatte ich die Benachrichtigungen ausgeschaltet; doch was half das, wenn dafür mein Nachrichteneingang explodierte?

Katy: Hey, wie geht’s dir? Hast du Lust, dem ganzen Drama für ein paar Stunden zu entkommen? ;)

Brielle: Brauchst du Ablenkung? xoxo

Alana: Lange nichts von dir gehört … Hab SNL gesehen. Falls du dir die Sorgen wegtrinken willst, melde dich!

Penelope: Lust auf Party heute Abend? Bist du gerade überhaupt in LA???

Nach der Saturday-Night-Live-Eskalation war ich Sonntag direkt zurück nach London geflogen, da mich die meisten in einem der Hotels in den Hollywood Hills vermuteten und ich meine Ruhe wollte. Die Mädels, die mir geschrieben hatten, waren alle süß; wir waren das ein oder andere Mal miteinander ausgegangen, mit einigen hatte ich auch schon eine Nacht verbracht, doch keine der Beziehungen war über Oberflächlichkeiten hinausgegangen. Es interessierte sie nur der Schauspieler Covey Jenkins, der in der Öffentlichkeit stand und ihnen womöglich zu etwas Fame verhelfen konnte. Das hatte sich bei allen von ihnen recht schnell, nachdem zwischen uns etwas gelaufen war und ich über andere Themen als das Showbusiness hatte reden wollen, herausgestellt. Manchmal war ich es einfach leid, über das glamouröse Hollywoodleben zu sprechen, wenn es doch so viel mehr gab, das mich umtrieb.

In diesem Moment begann mein Handy zu vibrieren, und Prestons Name erschien auf dem Display. Hoffentlich hatte er News bezüglich der Turnerin für mich, damit ich meine Koffer packen und so schnell wie möglich nach Südfrankreich fliegen konnte.

Mein Puls beschleunigte sich, und ich atmete einige Male tief durch, bevor ich den Anruf annahm.

»Hey, Pres. Gibt’s was Neues?«, kam ich ohne große Umschweife zum Punkt.

»Covey, hi! Ist kompliziert, bin dran«, entgegnete er.

Ich richtete mich gespannt auf. »Hat sie sich denn gemeldet?«

Ein Brummen. »Die Leiterin hat der Produktion die Rückmeldung gegeben, dass Miss Fleury das Coaching nicht übernehmen will.«

Verdammte Scheiße.

Das durfte nicht wahr sein, das durfte nicht passieren.

Ich verlagerte mein Gewicht nach vorn, fuhr mir nervös mit einer Hand in die Haare. »Was? Wieso?«

»Frag mich nicht. Cornelius und ich haben eben telefoniert, er hat die Sache jetzt auf uns abgewälzt. Nach ihrer Absage sollen wir noch mal versuchen, das Mädel dazu zu kriegen, dich zu trainieren.«

Kälte kroch mir über den Rücken. Ich stieß hart die Luft aus und fuhr mir übers Gesicht, schob mir die Brille zurecht. Dann stand ich auf, lief vor dem Sofa auf und ab. »Aber … wie?«

»Ehrlich gesagt bin ich da gerade selbst etwas überfragt. Ich hab eben locker ’ne Stunde mit der Leiterin telefoniert, um sie dazu zu bewegen, noch mal mit dieser Delphine zu reden, aber sie weigert sich.«

Ich hielt inne. Meine Hände schwitzten, während es in meiner Brust wie wild trommelte. »Sie muss zusagen, Pres. Sie muss! Ich … Ich brauche diese Rolle. Wenn sich die Produktion gegen mich wendet und mich feuert, dann werde ich die nächsten Jahre keinen einzigen Job mehr bekommen. Höchstens irgendwelche billigen Werbespots für Viagra oder so. Dann wird dieser verfickte Skandal über mir hängen wie eine Gewitterwolke und jedes Mal einschlagen, wenn ich für eine Rolle vorspreche.« Selbst ich konnte die Verzweiflung in meiner Stimme hören.

Fuck. Was würde ich die nächsten Wochen tun, wenn dieser Fall wirklich eintrat? Den ganzen Tag darüber nachgrübeln, wie es zu meinem Verhalten in der Show hatte kommen können? Nein danke, das würde ich nicht noch mal ertragen.

Übelkeit brannte in meinem Magen. Ich ballte meine Hand zur Faust und verkrampfte die andere um mein Smartphone, während ich einen Punkt an der weißen Wand fixierte.

»Und was machen wir jetzt?«

Mein Agent seufzte. »Nach dem Telefonat habe ich es noch mal bei ihrer Trainerin probiert, aber die hat mich genauso abgewimmelt. Und du weißt, wie hartnäckig ich sein kann …«

»Hast du auch mit Delphine selbst gesprochen?«

»An die komm ich nicht ran. Ich hab keine Nummer von ihr, und natürlich geben sie die auch nicht raus. Ich hab versucht, sie auf anderen Wegen rauszufinden, aber keine Chance. Ich hab nur eine E-Mail-Adresse gefunden, die aber nicht mehr aktuell ist. Da kommt immer eine Fehlermeldung zurück.«