Fly into my Soul - Maren Vivien Haase - E-Book
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Fly into my Soul E-Book

Maren Vivien Haase

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Beschreibung

Mackenzie und Brody: Sie verkörpert alles, was er hasst, und dennoch kann er sich ihrem Feuer nicht entziehen.

Für die Kooperation mit einer Sportmarke wird die erfolgreiche Tänzerin und Influencerin Mackenzie nach New York geschickt. Den Content für ihre Videos soll sie ausgerechnet im Move District einstudieren – ihrem ehemaligen Tanzstudio, das sie seit einem Eklat nicht mehr betreten hat. Auch ihre alte Clique ist wenig begeistert über das Wiedersehen und gibt Mackenzie keine Chance, ihre Sicht auf die damaligen Vorfälle zu schildern. Nur Brody, der ihr als Videograf für den Job zur Seite gestellt wird, weiß zum Glück von nichts. Denn Mackenzie mag den zurückhaltenden und kreativen Brody auf Anhieb. Allerdings gefällt Mackenzies Management gar nicht, dass die beiden miteinander anbandeln …

Mit Playlist im Buch!

Die »Move District«-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: Dance into my World
Band 2: Step into my Heart
Band 3: Fly into my Soul

Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 480

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Buch

Für die Kooperation mit einer Sportmarke wird die erfolgreiche Tänzerin und Influencerin Mackenzie nach New York geschickt. Den Content für ihre Videos soll sie ausgerechnet im Move District einstudieren – ihrem ehemaligen Tanzstudio, das sie seit einem Eklat nicht mehr betreten hat. Auch ihre alte Clique ist wenig begeistert über das Wiedersehen und gibt Mackenzie keine Chance, ihre Sicht auf die damaligen Vorfälle zu schildern. Nur Brody, der ihr als Videograf für den Job zur Seite gestellt wird, weiß zum Glück von nichts. Denn Mackenzie mag den zurückhaltenden und kreativen Brody auf Anhieb. Allerdings gefällt Mackenzies Management gar nicht, dass die beiden miteinander anbandeln …

Autorin

Maren Vivien Haase wurde 1992 in Freiburg im Breisgau geboren und absolvierte dort ihr Germanistikstudium. Schon als Kind stand für sie fest, dass sie all die Geschichten zu Papier bringen muss, die ihr im Kopf herumspuken. Das Hip-Hop-Tanzen mit ihrer Crew »Dope Skit« gehört seit über zwölf Jahren ebenso zu ihr wie YouTube und Instagram, wo sie regelmäßig über Serien, Bücher und Filme spricht.

Weitere Informationen unter: www.marenvivienhaase.de; www.youtube.com/marenvivien; www.instagram.com/marenvivienhaase/

Besuchen Sie uns auch auf www.instagram.com/blanvalet.verlagund www.facebook.com/blanvalet

MAREN VIVIEN HAASE

FLY INTO MY SOUL

MOVE DISTRICT BAND 3

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2022 by Maren Vivien Haase

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

© 2022 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Melike Karamustafa

Umschlaggestaltung: Sandra Taufer, München unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (wacomka, tomertu, Anna_Kim, Avesun, Jag_cz, Comaniciu Dan)

DN · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-27099-5V001www.blanvalet.de

Für alle, die im Tanzen ihr Zuhause gefunden haben

PLAYLIST

Fly – Nicki Minaj & Rihanna

Who You Are – Jessie J

Most Girls – Hailee Steinfeld

Lost In The Wild – Walk the Moon

Cut To The Feeling – Carly Rae Jepsen

Words As Weapons – Birdy

Falling Like The Stars – James Arthur

The Few Things – JP Saxe

New Romantics – Taylor Swift

Moment – Dagny

Damage – H.E.R.

I Saw Love – Forest Blakk

Somebody – Dagny

Dancing Under Red Skies – Dermot Kennedy

Electric – Alina Baraz feat. Khalid

Monster – Shawn Mendes & Justin Bieber

Grand Piano – Nicki Minaj

Should’ve Been Us – Tori Kelly

Truth Hurts – Lizzo

I Like Me Better – Lauv

Vielleicht sollte ich einfach abhauen, in ein Taxi steigen und zurück auf die andere Seite des Landes fliegen. Jetzt gleich. Oder war es dafür schon zu spät?

In meinem Magen zog sich etwas zusammen. Alles in mir zog sich zusammen. Ich hatte zwar eine Weile Zeit gehabt, um mich auf diesen Moment vorzubereiten (genau genommen die letzten drei Jahre), aber da ich eine Meisterin im Verdrängen war, hatte ich den Gedanken immer wieder beiseitegeschoben und mich lieber mit anderen Dingen beschäftigt. Schöneren Dingen. Horrorfilmen mit Axtmördern beispielsweise.

Doch nun stand ich hier. In New York. Vor dem Move District. Meiner alten Tanzschule. Die karminrote Fassade mit den drei Stockwerken erinnerte an eine Art Lagerhaus. In den oberen Etagen waren Bleiglas-Sprossenfenster eingelassen; darunter, oberhalb der automatischen Glastür, prangte der Schriftzug. Das minimalistische Move und direkt darunter District in geschwungener Schreibschrift, beide Wörter in einem Kreis miteinander verbunden. Mittlerweile war auch noch der Zusatz New York City hinzugekommen, der etwas oberhalb des Tanzschulnamens zu finden war. In den hohen Fensterscheiben, durch die ich in die Lobby sehen und ein paar Tänzer auf den Sofas sitzen sehen konnte, reflektierten die warmen Sonnenstrahlen des Spätsommernachmittags und kitzelten mich in der Nase.

So gerne ich früher für die täglichen Trainings hergekommen war, um anschließend stundenlang mit Freunden abzuhängen, so sehr wünschte ich mir in diesem Augenblick, an einem anderen Ort zu sein. Egal wo. Ich wollte nur nicht dieses Gebäude betreten müssen, das ich zwar mit einigen der schönsten Momente meines Lebens, aber eben auch mit einigen ziemlich unangenehmen Dingen verband, die mich bis heute nicht ganz losließen.

»Arghhh, das kann doch nicht so schwer sein«, brachte ich knurrend hervor und ballte die Hände zu Fäusten, während ich mein Gewicht von einem Bein aufs andere verlagerte.

Mein Herz trommelte gegen den Brustkorb, Hitze kroch mir den Hals hinauf. Ich versuchte, die sich anbahnende Übelkeit zurückzudrängen, und ließ den Blick die Straße hinabwandern, um mich abzulenken. Breite Gebäudefronten, Shops und Restaurants, wohin das Auge reichte. Die Menschen hetzten an mir vorbei, beschäftigt mit ihren eigenen Problemen, auf dem Weg nach Hause oder zu ihrem nächsten Termin, während ich nach wie vor wie festgewachsen dastand.

Gestern hatte ich noch in meinem Apartment in Los Angeles Kaffee getrunken, und jetzt befand ich mich vor der Höhle der Löwen und wartete darauf, von den Raubtieren verschlungen zu werden. Okay, vielleicht nicht ganz so extrem. Aber mit ein bisschen Pech stimmte die Richtung. Die nächsten Wochen würden eine Herausforderung werden. Natürlich freute ich mich über die Chance, mit einer der erfolgreichsten Sportmarken überhaupt zusammenzuarbeiten und sogar das Gesicht für deren neue Kampagne zu sein, jedoch hatte mir niemand gesagt, dass ich dafür zurück an meine alte Tanzschule musste.

Warum habe ich nicht lauter protestiert?, dachte ich und schob mir eine goldbraune Strähne hinters Ohr. Hätte ich Gina doch nur nicht davon erzählt, dass ich hier früher trainiert habe … Hätte, hätte, Fahrradkette.

Auch wenn ich gesagt hatte, dass ich lieber in einer anderen Tanzschule trainieren wollte, hatte mich vor zwei Tagen ihre Nachricht erreicht, dass sie mir für die Zeit des Drehs genau hier Räumlichkeiten angemietet hatte. Gina arbeitete bei der Sportfirma, für deren Kampagne ich nach New York geflogen war, und kümmerte sich um organisatorische Dinge – unter anderem darum, ein Studio zu finden, in dem ich mich auf die Drehs vorbereiten und trainieren konnte. Die Choreos für die Kampagne standen bisher noch nicht, aber für das Choreografieren und das Training hatte ich glücklicherweise auch noch ein bisschen Zeit.

Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie meine alten Freunde reagieren würden, wenn wir uns im Move District über den Weg liefen. Einerseits freute ich mich darauf, Olivia, Adaline, Austin, Dax und die anderen wiederzusehen, andererseits bekam ich allein bei dem Gedanken daran weiche Knie. Nach dem Eklat mit Austin und Dax war ich ohne ein Wort des Abschieds abgehauen, hatte nicht zurückgesehen, nur nach vorn, und mich so auch von den anderen distanziert. Inzwischen wünschte ich mir sehr, mich endlich mit ihnen auszusprechen, ihnen meine Seite der Geschichte zu erklären. Drei Jahre waren vergangen. Drei Jahre, in denen ich mich weiterentwickelt und eingesehen hatte, dass man manchmal Gras über etwas wachsen lassen musste, bevor man den ersten Schritt wagte. Ich vermisste meine alten Freunde. Die Zeit mit ihnen. Und ich hoffte, dass sie das in manchen Momenten möglicherweise auch taten.

Meine Mundwinkel hoben sich, als ich durch die Scheibe ein bekanntes Gesicht ausmachte, auf das ich mich ohne Sorge vor einer negativen Reaktion gefreut hatte. Adaline. Auch wir hatten uns seit meinem Umzug nach L.A. nicht mehr gesehen. Zwar hatten wir Kontakt gehalten, uns regelmäßig über Facetime auf den neusten Stand gebracht, aber das war nicht das Gleiche. Ihre karamellfarbenen Ringellocken reichten ihr mittlerweile bis zur Brust, eine voluminöse Löwenmähne, die ihr hübsches Gesicht einrahmte.

Auf ihren Zügen breitete sich ein strahlendes Lächeln aus, als sich unsere Blicke begegneten. Wie von der Tarantel gestochen, sprang sie von dem dunkelgrauen Sofa auf, auf dem sie gesessen hatte, und sprintete zur Tür.

Ich kam ihr entgegen und lächelte sie breit an. Gott, hatte ich sie vermisst!

»Es ist so schön, dich zu sehen!«, sagte sie, als sie mich mitten auf dem Bürgersteig in ihre Arme zog. Sofort stieg mir eine Wolke ihres typischen Vanille-Duftes in die Nase.

»Ich habe dich wahnsinnig vermisst.« Ich ließ sie los und grinste bis über beide Ohren.

»Endlich bist du wieder da. Glaub mir, in meinem Kopf habe ich schon eine lange Liste mit Dingen erstellt, die wir unternehmen müssen, solange du hier bist. Angefangen mit …«

»Einem Filmabend?«, vervollständigte ich ihren Satz, und als sie euphorisch nickte, musste ich kichern. »Jap. Geht mir auch so. Ich hoffe, mir bleibt neben den Drehs genug Zeit für alles andere, aber das kriegen wir schon hin. Ich freue mich unglaublich, wieder in New York zu sein.«

»Kein Wunder, ist ja auch die schönste Stadt der Welt! Mir hat dein hübsches Strahlen echt gefehlt.«

»Selber hübsch! Können wir bitte mal festhalten, dass du mit jedem unserer Videocalls – na ja, und jetzt unserem Treffen – immer toller aussiehst? Bald klopfen die Modelagenturen an.«

Zur Antwort schüttelte Adaline nur grinsend ihren Lockenkopf. »Du spinnst. Wie immer.«

»Sagt Beyoncés Doppelgängerin.« Ich lachte befreit; in ihrer Gegenwart fühlte ich mich gleich um einiges wohler.

»Wie sieht’s aus, wollen wir rein?«

Sofort kehrte das mulmige Gefühl zurück, und ich warf einen raschen Blick zur Tür und wieder zu Adaline. »Meinst du … Sind die anderen auch da?«

»Mackenzie, es sind drei Jahre vergangen. Mach dir keinen Kopf, in Ordnung?«

Ich nickte und fuhr mir durch die glatten goldbraunen Haare, die mir bis unter die Brust reichten. Alles in mir kribbelte. Dann atmete ich tief ein und aus. »Du hast recht. Die werden mich schon nicht teeren und federn.«

»Richtig! Und wenn doch, werfe ich mich wie ein Schutzschild vor dich. Außerdem habe ich Austin und Dax heute noch gar nicht gesehen. Keine Ahnung, wo die sich rumtreiben.«

Als ich Adaline die Namen der Jungs aussprechen hörte, zuckte ich kurz zusammen. Ja, es war viel Zeit vergangen. Und ja, Dax und ich hatten uns einvernehmlich getrennt. Trotzdem machte mich der Gedanke an unser erstes Aufeinandertreffen nervös. War Austin noch wütend auf mich, weil ich damals nach ihm mit seinem besten Freund zusammengekommen war? Würde er überhaupt mit mir sprechen? Von Adaline wusste ich, dass die beiden inzwischen glücklich mit ihren neuen Freundinnen waren, vielleicht würden sie mich also einfach in die Arme schließen und mir versichern, dass ich hier immer willkommen war? Na ja, Letzteres war wohl eher eine Wunschvorstellung. Aber träumen durfte man ja noch …

Adaline wandte sich beschwingt um, wobei ihr schwarzes T-Shirt, das ihr mindestens drei Nummern zu groß war, hin und her flatterte. Dazu trug sie eine kurze schwarze Radlerhose und ein Paar schwarze Sneakers. »Wie war dein Flug?«

Mit klopfendem Herzen folgte ich ihr zum Eingang der Tanzschule. Nachdem ich gestern Abend das Apartment bezogen hatte, das mir für die Zeit in New York zur Verfügung gestellt wurde, hatte ich auf Instagram noch eine Story mit einem kleinen Update gepostet, dass ich gut angekommen sei. Im Anschluss war ich todmüde ins Bett gefallen und hatte bis zum späten Vormittag durchgeschlafen.

»Echt gut. Die haben mir sogar einen Platz in der Businessclass gebucht. Superverrückt.«

»Wow, megacool! Wie ein richtiger Star eben.«

»Immer den Ball flach halten, ein Star bin ich echt nicht«, entgegnete ich lachend.

Sie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Ich will unbedingt dein Apartment sehen. In deiner Story gestern Abend dachte ich, ich fall vom Stuhl …«

Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Klar, du kannst vorbeikommen, wann immer du magst. Es ist echt … heftig. Direkt in Midtown, nahe des Bryant Park. Luxuriöser geht es kaum. Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich gestern Abend geschaut habe, als ich angekommen bin.«

»Das schreit nach einer Pyjama-Party!«

»Unbedingt!«, entgegnete ich grinsend und schob mir meinen Rucksack ein Stück höher auf die Schulter, bevor ich hinter Adaline durch die Glastür trat.

Mein altes Zuhause.

Im Alter von sieben Jahren hatte ich in dieser Tanzschule mit Ballett, Jazz und wenig später auch mit Hip-Hop angefangen. Nach der Schule war ich täglich hier gewesen und hatte mir den verdammten Arsch abtrainiert, um an den Punkt zu kommen, an dem ich mich heute befand. Es hatte mich viel Schweiß und mindestens genauso viele Tränen gekostet, aber es hatte sich gelohnt. Und nun stand ich hier im Eingangsbereich und fühlte mich, als ob ich nie weg gewesen wäre. Na ja, und zugleich auch total fehl am Platz.

Alles sah noch so aus wie früher. Hell, modern und doch heimelig. An der linken Seite befand sich der Check-in-Bereich, hinter dem heute ein Kerl mit Afro saß, den ich nicht kannte. Dahinter an der Wand hingen die Regale mit den vielen Pokalen und Trophäen, die wir bei Wettbewerben und Meisterschaften gewonnen hatten; in den vergangenen Jahren waren offensichtlich noch einige hinzugekommen. Daneben Regale und Garderobenstangen mit den Merchandise-Produkten der Tanzschule: Shirts, Hoodies, Jogginghosen, Caps und sogar Socken und Rucksäcke. Früher hatte ich in diesen Klamotten gelebt und fast nichts anderes getragen. Mir fiel auf, dass sich die Schnitte und Prints verändert hatten; sie sahen total cool aus. Bevor ich zurück nach L.A. flog, musste ich mich auf jeden Fall mit der neuen Kollektion eindecken. Direkt neben dem Check-in befand sich eine Tür, die in den Teambereich führte. An den Wänden der lichtdurchfluteten Eingangshalle hingen Monitore, auf denen Tanzvideos ohne Ton liefen, während aus den Boxen, die in den Ecken unter der Decke angebracht waren, sanft Miguels »Adorn« scholl. Auf den dunkelgrauen Sofas und Sesseln saßen Tänzer und weitere an den kleinen Tischen, die in ihren Notizen herumkritzelten.

Ein Lächeln zupfte an meinen Mundwinkeln.

Genau wie damals.

Hinten rechts führte ein langer Flur zu den acht Trainingssälen, in denen ich, abgesehen von zu Hause, die meiste Zeit meines Lebens verbracht hatte.

»Mackenzie!« Ein Mädchen mit blondem Pferdeschwanz kam auf mich zugelaufen, wahrscheinlich um die fünfzehn Jahre jung. »Hey, kannst du … Können wir ein Foto machen?«

Selbst nach all der Zeit waren Situationen wie diese für mich immer noch total seltsam und zugleich eine Ehre. Gut, hier in der Tanzschule hingen einige Poster mit meinem Gesicht darauf, und durch meine Rolle in dem Tanzfilm und die Tatsache, dass ich mir in den letzten Jahren einen Namen in der Tanzszene gemacht hatte, musste ich irgendwie damit rechnen, dass ich erkannt wurde. Dennoch würde ich nie verstehen, warum fremde Leute ein Foto mit mir machen wollten. Ich war doch nur Mackenzie. Ein normaler Mensch, der mit einer Tüte Chips im Bett lag, Serien schaute, die heißen Kerle darin anhimmelte und sich danach darüber ärgerte, dass die ganze Matratze voller Krümel war.

»Hey! Klar, sehr gerne«, antwortete ich und lächelte das Mädchen an. »Wie heißt du?«

»Katie.« Ihre Augen leuchteten, als sie ihr Handy aus der Jackentasche zog und vor uns in die Luft hielt, um ein Selfie zu machen.

Ich bemerkte, wie ihre Hand zitterte. »Komm, ich mach das«, sagte ich und blinzelte sie freundlich an. Dann legte ich meinen freien Arm um sie und machte ein paar Fotos von uns. »Okay, und jetzt noch mit Grimasse, ja?«

Katie lachte und steckte mich damit an. Wir verzogen unsere Gesichter, und auf einmal wirkte sie schon viel entspannter.

Nach einer weiteren Bilderreihe gab ich ihr schließlich das Smartphone zurück.

»Danke! Voll cool, dass du hier bist. Wirst du auch Classes geben?«

Ich wollte gerade antworten, als Dan aus der Tür zum Teambereich trat und mir zuvorkam. »Klar macht sie das!«

Grinsend schüttelte ich den Kopf. »Na, wenn der Chef das sagt, muss es wohl so sein.«

»Ich freue mich schon. Dann muss ich unbedingt deinen Instagram-Account im Auge behalten, falls du was bekannt gibst«, sagte Katie und nickte begeistert. »Danke noch mal für das Foto.«

»Klar, total gerne. Schön, dass du Hallo gesagt hast. Hat mich echt gefreut. Wir sehen uns bestimmt bald wieder.« Ich schenkte ihr noch ein Lächeln, dann wandte sie sich ab und lief zu ihren Freunden, die auf dem Sofa saßen und uns neugierig beobachteten.

Mein Blick huschte durch den Eingangsbereich, und sofort fiel mir auf, dass jedes Augenpaar auf mich gerichtet war. Die meisten Gesichter kannte ich nicht, aber das würde sich bestimmt bald ändern.

»So viel zum Thema ›Ich bin kein Star‹«, sagte Adaline kichernd.

»Sei bloß still«, entgegnete ich lachend und boxte ihr leicht in den Bauch, bevor ich mich dem Chef des Move District zuwandte. »Dan, echt toll, dich wiederzusehen!« Ich fiel dem braunhaarigen Kerl Anfang vierzig um den Hals. »Ich sag’s dir, die Tanzschulen in L.A. können nicht mit deiner mithalten.«

Wir lösten uns voneinander, und ein breites Grinsen legte sich auf sein Gesicht. »Ich habe dich die ganze Zeit auf Instagram und YouTube verfolgt. Und der Tanzfilm … Da hast du echt abgeliefert. Hey, Adaline.«

Adaline nickte ihm kurz freundlich zu. »Hi.«

Wärme schoss mir in die Wangen. Sein Kompliment bedeutete mir viel, immerhin hatte meine Karriere hier bei ihm seinen Anfang genommen. »Das freut mich, danke. Geht’s dir gut?«

»Alles beim Alten. Das mit den Classes war übrigens ernst gemeint. Ich kann dir noch einige Slots anbieten, du kannst dich voll und ganz austoben. Wir könnten ein paar tolle Sachen starten. Du könntest dich zum Beispiel mit ein paar Leuten zusammentun und Tanzvideos für Instagram drehen; ich kann dir unsere Kameraleute zur Verfügung stellen, die haben es echt drauf. Dann hast du Content für deinen Kanal. Und im Gegenzug machst du ein bisschen Werbung für uns. Das wär’s doch, oder?«

»Ich muss meinen Zeitplan checken, aber es wäre echt cool, die eine oder andere Class zu unterrichten, und Videos drehe ich auch gerne«, entgegnete ich und nickte dankbar.

»So viele du willst. Schreib mir einfach, wann und welcher Saal, und ich trag dich ein. Hast du eigentlich schon unser neues Merchandise gesehen? Nimm dir gerne, was du haben willst, und poste darüber ein bisschen was auf Instagram, wenn es dir gefällt. Das Zeug würde sich auf deinem Account sicher gut machen.«

Ich lachte. »Danke für das Angebot, aber ist echt kein Problem, das zu bezahlen. Dafür gebe ich gerne Geld aus.«

»Okay, überleg es dir einfach. Ich muss jetzt wieder ins Büro, aber wir setzen uns bald zusammen und planen ein paar Aktionen, ja? Das kann echt groß werden. Fühl dich wie zu Hause, Mackenzie.« Mit diesen Worten zwinkerte er mir noch mal zu und verzog sich mit schnellen Schritten nach hinten in die Büroräume.

»Der gute Dan, immer auf Werbung für seine Tanzschule aus«, murmelte Adaline.

»Ach, ist doch in Ordnung. Ich kann’s ja verstehen. Immerhin habe ich bei ihm mit dem Tanzen angefangen; er war so was wie mein erster Mentor. Ich mache gerne ein bisschen Werbung für ihn.«

»Das freut ihn sicher. Lass dich nur nicht ausbeuten!«

»Nein, nein, keine Sorge. Aber sag mal, hat sich hier irgendwas verändert? Alles sieht noch genauso aus wie vor drei Jahren.« Neugierig ließ ich noch einmal den Blick durch den Raum wandern.

Adaline überlegte und zog dabei ihre dunklen Augenbrauen zusammen. »Nicht viel, aber wir können gerne mal ’ne Runde drehen, wenn du magst.«

»Unbedingt!«

»Deine Eltern und Jamie sind in L.A. geblieben, oder?«, fragte sie, als wir an den dunkelgrauen Sofas vorbei in den breiten Flur liefen, von dem aus rechts und links die Säle abgingen. Durch große Fenster neben den Türen konnte man in die Räume hineinsehen.

»Ja. Sie sind echt glücklich dort. Jamie ist jetzt auf der Highschool und gar nicht so begeistert davon, dass Mom an der gleichen Schule unterrichtet. Und Dad arbeitet nach wie vor im Vertrieb.«

»Jamie ist so groß geworden, krass. Schön, dass sich deine Familie in Los Angeles wohlfühlt.«

»Total. Ich bin immer noch sehr dankbar, dass sie den Schritt damals mit mir zusammen gemacht haben. Allein wäre ich, glaube ich, echt aufgeschmissen gewesen.«

Als mir mein Management vor gut drei Jahren ans Herz gelegt hatte, nach Los Angeles zu ziehen, um meine Karriere voranzutreiben, waren meine Eltern und mein kleiner Bruder mitgekommen. Sie wollten für mich da sein. Und ich war ihnen extrem dankbar dafür, denn den Gedanken, sie zu verlassen und womöglich nur noch ein paarmal im Jahr zu sehen, hatte ich damals kaum ertragen. Ich lebte in meinem eigenen Apartment und sie in ihrem, dennoch sahen wir uns normalerweise mehrmals die Woche.

»Dann hatte es doch echt etwas Gutes. Auch wenn ich mir natürlich wünschen würde, dass du nie wieder zurückmusst …«

»Das dauert doch noch«, sagte ich und hakte mich bei ihr unter, während wir an einer Reihe Poster vorbeiliefen. Auf ein paar von ihnen war ich sogar allein abgebildet, auf anderen in Gruppen; und dann gab es glücklicherweise auch sehr viele, auf denen ich gar nicht drauf war. »Lass uns die Zeit genießen, die wir haben, und nicht daran denken, dass ich irgendwann wieder nach L.A. muss, okay?«

Adaline nickte und bemühte sich um eine fröhliche Miene.

Ich warf einen Blick durch die Glasscheibe, an der wir gerade vorbeikamen. Ein paar Jugendliche tanzten eine Jazz-Choreo, während der Trainer durch den Saal rief, dass sie mehr Power geben sollten. Ein Fenster weiter fand das Training einer kleinen Gruppe statt, die gemeinsam ein Hip-Hop-Stück choreografierte.

»Irgendwie fühlt es sich gut an, wieder hier zu sein.«

Adaline lehnte ihren Kopf an meine Schulter und lächelte. »Das ist doch das Wichtigste.«

Nach ein paar Schritten blieben wir abrupt stehen, als direkt vor uns eine Tür aufschwang. Ein Kerl trat in den Flur, die Hände in den Hosentaschen vergraben und den Blick über die Schulter gerichtet, sodass er uns erst nicht sah. Doch in der nächsten Sekunde wandte er sich zu uns um, und ich blickte in zwei obsidianfarbene Augen. Das breite Grinsen verschwand von seinem Gesicht und machte Platz für Verwunderung.

Die kurz rasierten schwarzen Haare, dieser dunkle Blick …

»Dax! Oh … hey«, sagte ich und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass mir das Herz bis zum Hals pochte.

Er starrte mich an, blinzelte ein paarmal, dann öffnete er den Mund. »Hey … Ich hab schon gehört, dass du …«

»Gehen wir jetzt eigentlich noch ’nen Burger essen, oder was?«

Oh nein, oh nein, nein, nein.

Hinter Dax tauchte ein weiteres überaus bekanntes Gesicht in der Tür auf, das noch auf ein Handy schaute, dann aber den Blick hob und meinem begegnete. Verwuschelte hellbraune Haare, grüne Augen und ein verschmitztes Lächeln, wie es mir so bisher kein zweites Mal untergekommen war.

Oh Gott, das wird ja immer besser.

Ich hätte schwören können, dass mein Gesicht farblich mittlerweile einer saftigen Erdbeere glich, so heiß fühlte es sich an.

Bevor ich zu einer Begrüßung ansetzen konnte, tauchten hinter den beiden zwei Mädels auf. Eines mit hellblauen Haaren und niedlicher Stupsnase, das andere blond und mit buschigen dunklen Augenbrauen. Beide sahen mich erstaunt an.

Der Kiefer des Kerls mit dem nun nicht mehr ganz so verschmitzten Lächeln mahlte, als er einen Schritt näher trat.

Ich räusperte mich und blinzelte ihn an. »Hi, Austin.«

»Mackenzie.« Austin legte den Kopf schief. Seine Lippen umspielte ein angedeutetes Lächeln, das ich nur zu gut von früher kannte. »Wir sind davon ausgegangen, dass du erst nächste Woche hier sein wirst.«

»Das Training beginnt erst am Montag, aber morgen findet schon die erste Besprechung beim Kunden statt«, entgegnete ich und spürte, wie mir dabei immer wärmer wurde. Nervös blickte ich zwischen ihm und Dax hin und her. Olivia und das blonde Mädchen, das Austins neue Freundin sein musste (Adaline hatte sie mir am Telefon beschrieben), hatten inzwischen zu den Jungs aufgeschlossen und starrten mich an.

»Hey, Olivia.« Ich verzog die Lippen zu einem Lächeln und hob die Hand, um ihr zuzuwinken.

Oh Gott, wieso winke ich ihr? Befinden wir uns etwa auf einem Kreuzfahrtschiff, das auf große Weltreise geht?

Hastig nahm ich die Hand herunter.

»Hey«, sagte sie und nickte mir zu. Ihr Blick huschte zwischen mir und den Jungs hin und her. »Schön, dich zu sehen!« Sie wirkte weder wütend noch abweisend.

Ich atmete erleichtert aus und knetete meine eiskalten Hände. »Finde ich auch.« Dann schaute ich zu dem anderen Mädchen. Austin war gerade dabei, den Arm um ihre Schultern zu legen, und sie rückte ein wenig näher an ihn heran; dabei musterte sie mich neugierig. »Hey, ich bin Mackenzie«, sagte ich und grinste, während ich ihr meine Hand hinhielt.

Sie ergriff sie und hob einen Mundwinkel. »Jade, hey.«

Ich hatte irgendwie angenommen, dass es mir einen Stich versetzen würde, Austin mit seiner neuen Freundin zu sehen. Allerdings sahen die beiden echt süß zusammen aus, und das mit uns war sowieso schon lange her – und ich über ihn hinweg.

Jade ließ meine Hand wieder los, und ich trat einen Schritt zurück.

»Bist du heute angekommen?« Dax verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere und kratzte sich ein wenig verlegen im Nacken, aber abgesehen von der leichten Nervosität, die er ausstrahlte, schien er kein Problem damit zu haben, dass ich wieder zurück war.

»Gestern Abend. Hey, es ist wirklich schön, euch nach der ganzen Zeit mal wieder zu sehen …«

Gerade als ich weitersprechen wollte, hörte ich Dans Stimme in meinem Rücken. »Seid ihr euch also direkt begegnet! Das große Wiedersehen, und ich bin live dabei.«

Oh, wow. Noch peinlicher konnte es heute vermutlich nicht mehr werden …

»Wie schön. Alte Freunde treffen aufeinander. Endlich seid ihr wieder vereint. Wie sieht’s aus, Mackenzie könnte doch ein Video für ihren Instagram-Account mit euch aufnehmen? Selbstverständlich hier in der Tanzschule.« Dan lachte und kam neben uns zum Stehen. »Und immer Move District markieren, ja?«

Ich lächelte ihn gequält an und nickte. »Mal sehen, ich will niemandem die Zeit stehlen oder so. Keine Umstände wegen mir.«

»Ach, nimm dir die Räume, so oft und wann du willst. Austin, Adaline oder Olivia helfen dir bestimmt gerne mit den Sälen. Sie können im Notfall mit ihren Classes in einen der kleineren umziehen.«

Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie Austin und Olivia einen kurzen Blick tauschten, woraufhin mir ein wenig unbehaglich zumute wurde. »Nein, nein, alles gut. Echt gar kein Problem, ich gehe einfach in die Räume, die frei sind, dann muss niemand wegen mir auf sein Training verzichten oder in einen anderen Saal wechseln.«

Dan lachte erneut und klopfte Dax auf die Schulter. »Alles klar. Wende dich jederzeit an mich, Dax oder Austin, wenn wir was für dich tun können, nicht wahr, Jungs?«

Noch bevor einer der beiden etwas sagen konnte, entgegnete ich rasch: »Danke für das Angebot.«

Die Mienen der beiden Jungs verrieten, dass sie sich in der Situation unwohl fühlten. Adaline hatte mir zwar berichtet, dass Dax und Austin sich nach ihrem großen Streit damals nach Dax’ Unfall vertragen hatten, und dem ersten Eindruck nach schien selbst Austin nicht mehr wütend auf mich zu sein, das hieß aber noch lange nicht, dass sie Interesse an einer erneuten Freundschaft mit mir hatten.

Als Dan wieder verschwunden war, nahm ich all meinen Mut zusammen. »Adaline hat mir schon erzählt, dass ihr die Leitung der Tanzschule übernehmt. Total cool.«

»Ja«, entgegnete Dax und nickte. »Eine tolle Chance.«

»Ähm … « Mein Herz trommelte gegen meinen Brustkorb. Auch wenn das Aufeinandertreffen angenehmer lief, als ich befürchtet hatte, konnte ich meine Nervosität einfach nicht abstellen. »Kann ich mir vorstellen. Und solange ihr es nicht verbockt … Also nicht, dass ihr das tun werdet, aber … Ähm … Ich …«

Oh Gott, Mackenzie, was tust du hier? Halt die Klappe, halt einfach die Klappe und versuch nicht, lustig zu sein.

»Ach, wie auch immer, das wird super«, bemühte ich mich, aus dem Fettnäpfchen zu retten, doch ich hatte das Gefühl, dass es dafür bereits zu spät war.

Ohrenbetäubende Stille.

Jap, zu spät.

Während Dax betreten auf den Boden sah und leicht nickte, huschten Olivias und Jades Blicke zu Austin, der seine Wangen aufblähte, die Luft entweichen ließ und die Stirn runzelte.

Ich versuchte, Ruhe zu bewahren, spielte an den silbernen Ringen an meinen Fingern herum und presste die Lippen aufeinander.

»Wollen wir langsam los?«, wandte sich Dax an Austin und die Mädels, bevor er mir einen Wimpernschlag lang in die Augen sah. Ein kurzer Moment, der dafür sorgte, dass ich mich an unsere gemeinsame Zeit erinnerte. Die Zeit, in der es uns beiden verdammt beschissen gegangen war und wir versucht hatten, uns gegenseitig aus unseren Löchern zu helfen. Nur leider war dieser Versuch gehörig in die Hose gegangen … Dann schaute er Olivia an und nahm ihre Hand.

Adaline hatte mir berichtet, dass es Dax inzwischen viel besser ging als noch vor ein paar Monaten, und ich freute mich für ihn. Ich wusste genau, wie er damals nach seinem Unfall gegen seine inneren Dämonen angekämpft und immer wieder verloren hatte.

Während mir Austin noch mal zunickte, lächelten mich die beiden Mädels verhalten an. Vermutlich wollten sie sich nicht einmischen. Jade kannte mich ja nicht mal. Daher hoffte ich irgendwie darauf, dass Olivia unsere frühere Freundschaft nur verdrängt und nicht komplett vergessen hatte. Ich lächelte sie an, und im nächsten Augenblick bogen sie schon um die Ecke.

»Wow. Das war …«

»Ziemlich seltsam«, vervollständigte ich Adalines Satz und schluckte.

»Ach, Quatsch! Ein wenig vielleicht, aber nach all den Jahren ist das ja ganz normal. Und wie du siehst, war keiner sauer auf dich – genau wie ich es prophezeit habe.« Sie zwinkerte mir zu und legte mir einen Arm um die Schultern.

»Ich wünsche mir einfach nur, dass wir beim nächsten Wiedersehen nicht so verkrampft miteinander reden und es lockerer zwischen uns ist«, sagte ich mit einem gequälten Lächeln.

»Das wird schon, glaub mir.«

Ich nickte. »Hoffen wir’s.«

Am darauffolgenden Morgen machte ich mich auf den Weg zum ersten Meeting mit Blanks.

Das Firmengebäude der Sportmarke, für die ich nach New York gekommen war, befand sich nur unweit meines Apartments in Midtown. Ich freute mich auf die Zusammenarbeit, da die Gespräche am Telefon vielversprechend geklungen hatten. Außerdem fühlte ich mich geehrt, dass ihre Wahl auf mich gefallen war. Normalerweise suchten sich Firmen wie Blanks typische Fitness-Influencer aus. Ich postete auf meinen Kanälen dagegen mehr Tanzvideos und kleine Einblicke in meinen Alltag. Ich versuchte, nicht zu viel Privates zu zeigen, da ich auch noch ein Leben außerhalb der sozialen Medien haben wollte; die Leute mussten nicht jedes kleine Detail über mich wissen. Mein Management hängte sich echt rein und hatte mir in der Vergangenheit schon viele tolle Zusammenarbeiten mit großartigen Firmen ermöglicht, und dafür war ich wirklich dankbar. Sie verhalfen mir zu der Karriere, die man sich als Content Creator nur wünschen konnte, und im Gegenzug versuchte ich, meinen Job jeden Tag aufs Neue so zu machen, dass jeder zufrieden war.

Eine Weile, nachdem mich mein Management unter Vertrag genommen hatte, war mir erst so richtig bewusst geworden, dass das, was man auf Instagram zeigte, in den seltensten Fällen viel mit dem echten Leben gemein hatte. Aber so lief es nun mal, und irgendwie war das doch sowieso ein offenes Geheimnis. Manchmal fühlte ich mich dabei ein wenig wie Hannah Montana. Auf der einen Seite eine vermeintlich perfekte Mackenzie für die Öffentlichkeit, die immer lächelte und sich in ihrem Job professionell verhielt, und auf der anderen Seite eine andere Mackenzie, die in ihrer Freizeit mit unordentlichen Haaren und viel lieber in schlabbrigen Jogginghosen statt hautenger Fitnesskleidung herumlief.

Während ich in der hellen Lobby auf einem der nachtblauen Sofas saß und darauf wartete, dass mich jemand abholte, scrollte ich durch meine Mails und beantwortete ein paar Nachrichten, die in den letzten Minuten hereingeflattert waren. Immer wieder kamen Leute in Businesskleidung durch die große Drehtür und liefen zum Empfang, hinter dem eine Dame mit Headset stand. Ihre Schritte hallten auf dem Marmorboden. An den Wänden hingen riesige Bilderrahmen mit Plakaten der letzten Kampagnen. Wenn ich mir vorstellte, dass womöglich auch mal eins von mir hier hängen würde, füllte sich mein Herz mit Stolz. Ich freute mich auf die Kooperation und war gespannt, mit wem ich in den nächsten Wochen zusammenarbeiten würde.

Rasch hörte ich noch eine Nachricht auf meiner Mailbox ab, die von meiner Managerin Tracy stammte. »Hey, Schätzchen, ruf mich doch später zurück. Ich habe einen neuen Kooperationspartner für dich an Land gezogen. Noch will ich nicht zu viel verraten, aber ein kleiner Hinweis: Danach strahlen deine Zähne mit den Sternen um die Wette.« Sie lachte. »Alles klar, wir reden später, bis dann.«

Ich nahm das Handy vom Ohr und tippte eine kurze Antwort, dass ich mich nach dem Meeting bei ihr melden würde. Auch wenn sie mir oft tolle Kooperationspartner vermittelte, gefielen mir nicht alle. Hoffentlich bestand sie nicht auf dieses Zeug, mit dem man vielleicht künstlich die Zähne aufhellte, das gleichzeitig jedoch echt schädlich war. Aber darum würde ich mich später kümmern.

»Mackenzie! Guten Morgen, wir haben miteinander telefoniert«, rief eine Frau mit Pausbacken und blondem Bob, die gerade aus einem der drei Fahrstühle gestiegen war und nun auf mich zukam. Sie war etwas kleiner als ich; mit meinen gut ein Meter siebzig überragte ich sie bestimmt um einen ganzen Kopf. »Amanda Robbins. Aber bitte nenn mich Amanda.«

»Ah, schön, dich kennenzulernen. Freut mich!« Rasch stand ich auf, gab ihr zur Begrüßung die Hand und schob mein Smartphone in meine schwarze Tasche. Dann folgte ich ihr in einen der Fahrstühle.

Amandas Lächeln war herzlich und wirkte ehrlich.

»Die anderen sind schon im Konferenzraum. Bist du denn gut in New York angekommen? Gefällt dir das Apartment?« Sie betätigte einen der oberen Knöpfe, woraufhin sich die silbernen Türen des Aufzugs schlossen.

»Ja, danke, die Wohnung ist wunderschön! Ich glaube, das wird eine echt tolle Zeit.«

»Schön, wenn es dir dort gefällt. Fühl dich ganz wie zu Hause. Die anderen freuen sich auch schon sehr darauf, deine Bekanntschaft zu machen.«

Ich strich die Ballonärmel meiner hellblauen Bluse glatt, die ich zu einer eng anliegenden schwarzen Stoffhose kombiniert hatte. Zum Glück gab es im Apartment einen Steamer. Wie ein aufgescheuchtes Huhn hatte ich alle Schränke durchforstet, bis ich ihn endlich gefunden hatte.

Als wir die dreiundzwanzigste Etage erreichten, öffneten sich die Türen des Fahrstuhls mit einem leisen Pling. Amanda lief voraus und zückte ihren Mitarbeiterausweis, um den Bürobereich hinter einer verglasten Tür betreten zu können. Die Tür schwang auf, und wir durchquerten den breiten Flur, an dessen weißen Wänden weitere Kampagnen-Poster hingen.

»Okay, hier geht’s rein«, sagte Amanda.

Ich straffte die Schultern und folgte ihr in den Konferenzraum, der sich hinter der hellgrauen Tür verbarg. Er musste sicherlich um die siebzig Quadratmeter groß sein; mit dem langen weißen Tisch und den silbernen Metallstühlen wirkte er ziemlich minimalistisch – wie frisch aus einer Interior-Design-Zeitschrift, die sich auf skandinavische Einrichtung spezialisiert hatte. Rund um den Tisch saßen einige Leute an Laptops und Tablets, vor ihnen standen Getränke und Teller mit frischem Obst.

Ich lächelte freundlich in die Runde und setzte mich auf einen der freien Stühle neben Amanda. »Guten Morgen.«

»Mackenzie, darf ich dir alle vorstellen?« Als ich nickte, fuhr sie direkt fort. »Hier haben wir zum einen unsere Regisseurin, die sicherstellt, dass alle Videos, die wir mit dir aufnehmen, unseren Erwartungen entsprechen. Mia Sanchez.«

Eine Frau, ungefähr Mitte vierzig mit schwarzem Dutt und Brille auf der Nase, nickte mir zu und lächelte. »Freut mich.«

»Mich auch.«

»Daneben unser freier Kameramann, Brody Turner. Ihm wird noch ein Assistent zur Seite stehen.«

Unwillkürlich blickte ich in ein Paar meerblaue Augen, das mich unter dichten dunklen Wimpern misstrauisch musterte. Brody musste in meinem Alter sein, vielleicht ein oder zwei Jahre älter. Seine kräftigen dunkelbraunen Augenbrauen hatten die gleiche Farbe wie sein Dreitagebart und das dichte Haar. An den Seiten war es etwas kürzer als oben, und es stand ein wenig verwuschelt in alle Richtungen ab. Das dunkelgrün karierte Hemd, das er bis zu den Ellenbogen zurückgeschoben hatte, offenbarte seine athletischen Unterarme. Er hatte es aufgeknöpft, sodass sein weißes T-Shirt darunter zu sehen war.

Brody lächelte nicht. Ganz im … Gegenteil? Auf mich wirkte er verschlossen und ernst. Skepsis lag in seinem Blick, als wir uns erneut direkt anschauten, trotzdem konnte ich nicht wegsehen. Im Bruchteil einer Sekunde schossen Blitze durch meinen Körper. Die Luft fühlte sich auf einmal wie elektrisch geladen an. Ich blinzelte ihn an und biss mir unmerklich auf die Lippe.

»Hi.« Mehr sagte er nicht.

Ich lächelte. »Freut mich.«

Daraufhin erntete ich ein Nicken. Kein Lächeln. Nicht mal ein Mundwinkel zuckte für eine Millisekunde nach oben. Nichts. Stattdessen bedachte er mich mit einem intensiven Blick, bevor er sich wieder abwandte und auf seinem Stuhl zurücklehnte. Seltsam. Vielleicht war er heute einfach nur mit dem falschen Fuß aufgestanden.

»Gut, dann sitzen hier noch Josh Graham, der sich um dein Make-up und deine Haare kümmern wird, und Liza Hill, die während des Drehs für die Outfits zuständig ist.«

Ein rothaariger Typ um die dreißig mit Paillettenjacke und falschen Wimpern sowie eine Frau mit hellblonder Pixie-Frisur und riesigen Kreolen strahlten mich an.

Ich musste grinsen und fühlte mich bei ihnen sofort gut aufgehoben. »Hey, freut mich!«

»Mich auch«, entgegnete Liza, und Josh fügte hinzu: »Ist das deine Naturhaarfarbe? Wow!«

Rasch fuhr ich mir durch die glatten goldbraunen Haare und legte sie mir lächelnd über die Schulter. »Ja, das ist meine echte Haarfarbe. Danke! Ich mag deine Jacke.«

Ein breites Grinsen stahl sich auf sein Gesicht.

»Gut, und mich kennst du ja bereits, Amanda Robbins, Leiterin der Kampagne.«

Ich holte tief Luft. »Es freut mich wahnsinnig, hier zu sein und dieses Projekt mit euch umsetzen zu können. Es ist mir wirklich eine Ehre.«

»Wir freuen uns auch schon sehr auf die Arbeit mit dir, Mackenzie. Ich würde sagen, wir sprechen noch mal kurz alles durch. Das meiste hatten wir ja bereits am Telefon geklärt, aber mir war es wichtig, dass du unser Team vor dem ersten Dreh kennenlernst«, sagte Amanda und vertiefte sich für einen Moment in ihren Laptop.

Währenddessen ließ ich den Blick noch einmal von Gesicht zu Gesicht huschen und blieb an den grünblauen Augen hängen, die mich wieder skeptisch musterten. Ich verzog meine Lippen zu einem Lächeln, doch Brody behielt seinen reservierten Gesichtsausdruck bei, ohne die geringste Regung zu zeigen. Moment … Verengte er seine Augen jetzt sogar etwas? Irritiert beobachtete ich ihn. Auch wenn er verschlossen wirkte, nicht arrogant, aber ernst, konnte ich nicht leugnen, dass er ein hübsches Gesicht hatte. Kantig. Mit einem Lächeln hätte er allerdings noch besser ausgesehen.

»Die verschiedenen Dreh-Locations stehen fest, wir werden nächste Woche Mittwoch am Times Square beginnen.«

Ich nickte. »Das wäre dann für …«

»I feel connected«, vervollständigte sie meinen Satz. »Da dort viele Leute sein werden, passt das unseres Erachtens sehr gut.«

Die Kampagne lief unter dem Motto »Through dancing I feel connected«, »fearless« und der letzte Begriff würde »free« sein. Passend zu jedem Gefühl gab es verschiedene Locations, an denen ich in der neuen Kollektion von Blanks tanzen sollte, während das Kamerateam mich filmte.

»Hört sich gut an. Um die Choreo kümmere ich mich in den nächsten Tagen. Wollt ihr sie vorab sehen?«

Amanda schüttelte den Kopf. »Da vertrauen wir dir voll und ganz. Schick uns gerne eine Info, sobald du was hast, damit wir wissen, was uns erwartet, aber du wirst das sicher toll machen. Wir haben uns nicht grundlos für dich entschieden, ich hoffe, das weißt du.«

Ein Lächeln umspielte meine Lippen. »Ja, das hattest du bei unserem ersten Telefonat erwähnt. Und ich freue mich wirklich darüber, die erste Tänzerin zu sein, die eure Marke repräsentieren darf.«

»Es wurde höchste Zeit, wenn du mich fragst. Tanzen verbindet doch«, entgegnete sie euphorisch. »Egal, woher du kommst, wie du aussiehst oder wie gut du bist …«

»Es spielt keine Rolle«, vervollständigte ich ihren Satz und schlug erschrocken eine Hand vor den Mund. »Oh, tut mir leid, ich wollte dich nicht unterbrechen.«

Sie winkte ab. »Nein, nein, schon gut. Fahr ruhig fort!«

Erleichtert, sie nicht verärgert zu haben, atmete ich aus. Immerhin saß eine der mächtigsten Frauen dieser Firma vor mir.

»Du brauchst dafür kein sperriges Equipment«, fuhr ich fort. »Und du musst auch nicht gut sein, denn letzten Endes kann wirklich jeder Mensch tanzen und damit seine eigene Geschichte erzählen. Sich damit ausdrücken. Und jeder versteht es, auch wenn er oder sie eine ganz andere Sprache spricht als du.«

»Und genau deshalb sitzt du hier.«

Vor Vorfreude bekam ich eine Gänsehaut. »Das wird eine tolle Zeit.«

»Da bin ich mir sicher«, entgegnete sie und lehnte sich zurück. »Mittwochmorgen trefft ihr euch alle hier und werdet dann gemeinsam zum Times Square fahren. Ich bin froh, dass ich dir so ein kompetentes Team an die Seite stellen kann.«

Wieder sah ich mich in der Runde um. Während das restliche Team mich mindestens genauso freundlich angrinste wie ich sie, blieb es bei einer Ausnahme. Diese Ausnahme saß regungslos auf seinem Stuhl, kritzelte auf seinem Tablet herum und warf mir über den Tisch hinweg immer wieder kurze Blicke zu.

Moment … Verdreht er da gerade die Augen?

Ich war mir nicht sicher, ob Brody mich verunsichern wollte, einfach nur keinen Bock hatte oder heute schlecht gelaunt war. In einem geschäftlichen Meeting konnte er doch nicht einfach die Augen verdrehen. Er hatte es unauffällig gemacht und wahrscheinlich auch nicht beabsichtigt, dass es jemand merkte. Ha! Da hatte er die Rechnung ohne mich gemacht.

Als ich nicht mehr wegsah, legte er den Kopf schief und zog die Augenbrauen zusammen, sagte jedoch nichts. Nach ein paar Sekunden wandte er sich wieder seinem Tablet zu, auf dem er sich weiter Notizen machte.

Während sich die anderen noch austauschten, fiel mir ein, dass ich noch gar keine Behind-the-scenes-Aufnahme vom Meeting für meine Story gemacht hatte. Teil meines Deals mit Blanks war es, dass ich auch immer wieder Einblicke in den Entstehungsprozess der Kampagne auf Instagram postete. Daher war ich mir sicher, dass die anderen kein Problem damit haben würden, wenn ich rasch mein Handy zückte und ein paar Selfies und Fotos vom Raum machte, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Natürlich achtete ich darauf, dass niemand von den anwesenden Leuten auf meinen Bildern zu sehen war.

Nachdem ich die Fotos gemacht und kurz durchgeschaut hatte, verstaute ich das Handy zufrieden in meiner Tasche.

Als ich aufsah, blieb mein Blick an dem unsympathischen Kameramann hängen, der tatsächlich schon wieder die Augen verdrehte. Was war denn bitte bei dem los? Als ich ihn mit schief gelegtem Kopf anstarrte, hob er lediglich eine Augenbraue und schnaubte verächtlich.

Ich hatte kein Problem damit, wenn mich Leute nicht mochten. Es jedem recht zu machen war so gut wie unmöglich. Allerdings wollte ich nicht, dass die Zusammenarbeit unter einem schlechten Stern stand, immerhin machte er die Aufnahmen und kümmerte sich bestimmt auch um den Schnitt. Wenn man das Gefühl hatte, dass der Typ, der hinter der Kamera stand, keinen Bock auf einen hatte, verunsicherte das, und zwar sehr. Klar, ich würde mich zusammenreißen und das Beste daraus machen, aber es gab optimalere Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Als Brody dann auch noch direkt nach dem Meeting, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, schnell aus dem Raum verschwand, fragte ich mich ernsthaft, ob er ein Problem mit mir persönlich hatte. Oder war er einfach nur ein verschlossener Kerl, der keinen Bock auf seinen Job hatte?

Jeden Morgen nach dem Aufwachen schnappte ich mir mein Handy, scrollte durch Mails und Instagram, beantwortete Nachrichten und checkte meine Horoskop-App. Viele hielten das vielleicht für Quatsch, glaubten nicht an Sterne und das Universum, was ich auch vollkommen akzeptierte. Für mich funktionierte es allerdings, und ich mochte es, frühmorgens zu schauen, wie mein Tag wohl werden würde. Selbst wenn mir prophezeit wurde, dass er in die Hose gehen würde, ließ ich ihn mir nicht vermiesen und nahm das stattdessen als Ansporn, mich besonders reinzuhängen und die Sterne zu überlisten. Denn auch die lagen mal falsch.

Es war zwar bereits kurz nach neun, das ganze Loft jedoch stockduster, da ich am vergangenen Abend die Jalousien heruntergelassen hatte. Einzig und allein mein grelles Handydisplay durchbrach die Dunkelheit. Langsam schälte ich mich aus dem Bett, warf mir eine graue Sweatjacke über und stiefelte um das gepolsterte Gestell herum, um den Knopf an der Wand zu betätigen und Licht ins Apartment zu lassen.

Heute würde ein guter Tag werden. Nach dem Frühstück wollte ich mir Gedanken zur ersten Choreografie für den Dreh am Times Square machen und später noch ein paar neue Tanzclips in meine Story posten.

Als die Jalousien nach oben fuhren und es sofort hell im Raum wurde, grinste ich zufrieden angesichts der Weite, die sich vor mir ausbreitete. Ich konnte es immer noch nicht fassen, dass mir Blanks ein Loft zur Verfügung gestellt hatte, das sich, nur so am Rande, im zwanzigsten Stockwerk befand. Es war riesig, wie ein U geschnitten, und nach außen beinahe komplett verglast mit Scheiben, die von der Decke bis zum Boden reichten. Die gesamte Wohnung – die bis auf das Bad aus einem einzigen Raum bestand – war mit hellem Parkett ausgelegt; hier und da gab es ein paar cremefarbene Teppiche. Na ja, genau genommen, waren es zwei Räume. Das Schlafzimmer und den offenen Wohnbereich teilte eine Glastrennwand mit schwarzem Gitterrahmen, wie man es oft auf Pinterest sah.

Ich schlüpfte in die flauschigen Socken mit den vielen kleinen Füchsen, die Sonnenbrillen auf ihren Nasen trugen, schnappte mir mein Handy und verband es per Bluetooth mit den Lautsprechern, die überall in der Wohnung eingebaut waren. Dann startete ich »Modern Loneliness« von Lauv und trat den Weg in die Küche an, vorbei an den Sofas und Sesseln und dem riesigen Fernseher (darauf musste ich demnächst unbedingt ein paar Filme schauen). Der offene Kochbereich war weiß mit goldenen Akzenten und schmalen Regalen aus hellem Holz; davor erstreckte sich eine Kücheninsel mit Barhockern. Außerdem gab es einen weißen Esstisch mit passenden Stühlen, von dem aus man einen umwerfenden Ausblick auf die Skyline von Manhattan genoss. Das gesamte Apartment war schlicht und minimalistisch gehalten, schon luxuriös, aber trotzdem noch so, dass man sich wohlfühlte und nicht das Gefühl hatte, in einem kalten, charakterlosen Glaskasten zu sitzen. Auch wenn meine Wohnung in Los Angeles ganz anders aussah, eher dunkle Erdtöne und weniger Weiß, würde ich mich hier in den nächsten Wochen zu Hause fühlen.

Rasch ließ ich mir einen doppelten Cappuccino mit Hafermilch aus der Kaffeemaschine; vorher streute ich etwas Zimt in die Tasse, dessen Duft sich mit dem Kaffeearoma vermischte und meine Nase umspielte.

Mmmh, lecker!

Während der Kaffee dampfend in die beige Blanks-Tasse lief, tänzelte ich zur Musik hin und her, um wach zu werden. Dann schnappte ich mir den Cappuccino, machte es mir auf einem der gepolsterten Hocker an der Seite der Kücheninsel bequem, klappte meinen Laptop auf und überflog meinen Posteingang.

»Oh, oh. Mal sehen …« Ich stöhnte leise auf, weil ich genau wusste, dass mich nun ein Haufen Arbeit erwartete; ich kümmerte mich viel lieber um die kreative Arbeit, die Videos und Fotos, statt ellenlange Antworten zu tippen. Aber das gehörte nun mal auch dazu.

Als Erstes öffnete ich eine Mail meines Managements, die eigentlich nur aus einer Liste mit Firmen bestand, die mit mir eine Kooperation auf Instagram eingehen wollten. Einige coole Marken, die ich mochte und mit denen ich mir eine Zusammenarbeit gut vorstellen konnte, waren dabei. Klar, zum Tanzen passten die meisten nicht allzu gut, aber mittlerweile war mein Account eine Mischung aus Themen wie Tanzen, Fitness, Ernährung und Pflegeprodukten. Mein Management hatte mir geraten, mich breiter aufzustellen, und das war ja nun nicht unbedingt verwerflich, solange ich hinter den Marken stand, diese keine schlechten Werte vermittelten und ich sie weiterempfehlen konnte. Ich war meinem Management dankbar, dass es mir immer wieder so tolle Zusammenarbeiten ermöglichte. Diese Liste hier sah gut aus. Einiges an Fitness-Food und Gesichtscremes, die ich zuvor schon benutzt und selbst für gut befunden hatte. Besser als dieser komische Zahnaufheller, den Tracy gestern auf meiner Mailbox angedeutet hatte. Ich war nicht mehr dazu gekommen, sie zurückzurufen, daher musste ich das später noch nachholen.

Ich öffnete eine neue Mail und begann eine Nachricht an meine Managerin zu tippen.

Hey, Tracy, hoffe, dir geht’s gut. Ich schaue das die Tage mal genauer durch. Ich denke, der Shop mit den Sport-Snacks und die Avocado-Gesichtscreme wären super. Was meinst du dazu? Danke fürs Schicken!

Dann setzte ich noch ein paar Grüße darunter, schickte die Mail ab und zückte mein Handy. Rasch öffnete ich Instagram, machte ein Foto von meiner Cappuccino-Zimt-Mischung und postete es mit einem »Guten Morgen!« in meine Story. Anschließend sperrte ich den Bildschirm wieder, legte das Smartphone beiseite und nahm einen großen Schluck aus meiner Tasse.

Niemals hätte ich damals, als ich nach L.A. gezogen war, gedacht, dass ich irgendwann mit Social Media meinen Lebensunterhalt verdienen könnte. Angefangen hatte alles mit ganz normalen Tanzvideos von Classes im Move District, Workshops oder Auftritten, bis meine Followerzahl irgendwann superschnell gewachsen war und ich, auf den Wunsch meiner Abonnenten hin, auch mehr von meinem Alltag gezeigt hatte. Ich hatte immer mehr Lust bekommen, noch mehr zu teilen, und dann irgendwann jeden Tag Videos und Fotos aus dem Tanzsaal und meinem Leben gepostet, bis eines Tages mein jetziges Management aus L.A. auf mich zugekommen war. Ich sei ihnen aufgefallen, und sie sähen großes Potenzial in mir; ihrer Meinung nach stünde mir eine große Zukunft bevor, da ich die Ausstrahlung eines Stars hätte. Erst hatte ich darüber gelacht, doch bei meinem ersten Telefonat mit Tracy war ich ins Träumen gekommen. Alles hatte sich so vielversprechend angehört, und das Team war wirklich nett gewesen, sodass ich nicht lange gezögert und einen Vertrag mit ihnen unterschrieben hatte. Als dann die ganze Austin-Dax-Sache passiert war und ich mich unglaublich allein gefühlt hatte, hatte mir mein Management empfohlen, nach L.A. zu ziehen, um meine Karriere gezielt voranzutreiben. Da mich hier nichts mehr gehalten hatte, war ich nur wenige Wochen später in ein Flugzeug gestiegen und auf die andere Seite des Landes gezogen. Und jetzt … jetzt war ich wieder hier.

Das Klingeln meines Smartphones riss mich aus meinen Gedanken. Ich räusperte mich, dann tippte ich auf das grüne Symbol, um das Gespräch entgegenzunehmen.

»Hey, Tracy. Ich wollte dich sowieso noch zurückrufen.«

»Liebes, hallo. Die Kooperationen mit den Snacks und der Creme gehen klar. Ich hatte schon im Voraus mit den Firmen gesprochen, sie schicken dir die Produkte. Post und Story für die Snacks nächste Woche Donnerstag und die Gesichtscreme dann die Woche drauf am Mittwoch. Das Briefing leite ich dir auch gleich weiter, dann kannst du dich Montag an die Produktion der Inhalte machen, mir schicken, und ich lasse das dann absegnen.«

»Okay, gerne. Könnten wir es auch um ein paar Tage verschieben? Ich glaube, Montag wird es eng bei mir«, entgegnete ich und trommelte mit den Fingern auf der Arbeitsfläche herum.

»Nein, die Daten stehen. Das kriegst du schon hin. Ich weiß doch, dass du mich nicht enttäuschst.«

Ich überlegte. »In Ordnung, ich schaffe das schon.«

»Sag ich doch. Die Kunden werden deinen Content sicher lieben. Und in den nächsten Tagen schaust du dir dann auch noch die zweite Liste mit Partnern durch, die ich dir gerade vor einer Minute hinterhergeschickt habe, ja? Die Firma mit den Zahnaufhellern hat auch großes Interesse geäußert.«

In den letzten Jahren hatte es sich eingebürgert, dass mir Tracy allerhand Kooperationen zuspielte und ich sie in den meisten Fällen annahm. Ein paar Firmen auf dieser Liste sagten mir allerdings nicht zu, und ich wünschte mir irgendwie, dass Tracy mir gar nicht erst solche Kooperationen vorschlug, da ich mich jedes Mal rechtfertigen musste, wenn ich eine von ihnen nicht annehmen wollte. Auf Dauer war das ziemlich unangenehm, weil ich es meinem Management recht machen wollte. Immerhin waren sie es, die damals an mich geglaubt hatten.

»Ich versuche, es bis Mittwoch zu schaffen. Mit Blanks habe ich jetzt einiges zu tun und …«

»Ach, das machst du schon, ich glaube an dich«, sagte sie lachend. »Die angebotenen Honorare sind echt gut. Ich habe dir meine Favoriten markiert und die Verträge bereits fertig gemacht.«

»Okay, ich guck mir die Liste an«, sagte ich und öffnete währenddessen das Dokument. Ich scrollte schnell die Seite herunter, um mir einen Überblick zu verschaffen. »Du hast echt viel darauf markiert. Vielleicht können wir, solange ich in New York bin, eher weniger neue Deals eingehen? Ich würde die Zeit hier auch ganz gerne ein bisschen mit meinen Freunden und in der Tanzschule verbringen.«

Tracy seufzte, und ich hörte, wie sie während unseres Gesprächs auf ihrer Tastatur herumhämmerte. »Mackenzie, weniger Deals bedeutet auch weniger Geld. Ich bin dafür, dass wir mindestens genauso viele wie sonst pro Monat annehmen. Überleg mal, wenn du jetzt hart arbeitest, kannst du die Kohle ansparen; und desto mehr Kunden du hast, desto größer ist die Chance, dass ein paar davon auch langfristig mit dir kooperieren wollen.«

Ich zögerte und fuhr mir durchs Haar, während ich die Liste wieder schloss und meinen Laptop zuklappte. »Vielleicht sind ein paar gute Produkte dabei … Ich seh mir mal an, was du markiert hast und …«

»Genau! Und schau doch auch mal, ob du dich nicht mit ein paar anderen Influencern aus New York connecten kannst, um euch gegenseitig zu markieren und deine Reichweite zu steigern. Das wäre super – so könnten wir deine Preise wieder etwas erhöhen.«

»Mit Influencern habe ich hier nicht so viel zu tun, allerdings mit ein paar anderen Tänzern. Die haben nicht so viele Follower, aber …«

»Schau aber bitte, dass das nicht überhandnimmt und du dich eher an die reichweitenstarken Leute hältst, ja?« Bevor ich etwas erwidern konnte, fuhr sie schon fort. »Ach, ich bekomme gerade einen Anruf rein. Wir hatten ja alles geklärt. Ich höre dann in den nächsten Tagen von dir. Hab einen schönen Tag, Süße, Küsschen.«

»Bye, Tracy, danke, du auch!« Ich legte auf und widmete mich wieder meinem Kaffee.

Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, dass mein Management die grundlegenden Angelegenheiten in geschäftlicher Hinsicht für mich regelte. Mir war bewusst, dass es ihnen nicht nur darum ging, mich als Marke aufzubauen und meine Karriere zu pushen, sondern auch darum, Geld mit mir zu verdienen. Doch solange ich nicht schlecht behandelt wurde, hatte ich keinen Grund, mich zu beschweren. Ganz im Gegenteil. Hätte Tracy damals nicht an mich geglaubt, hätte ich zum Beispiel nie die Rolle in dem Tanzfilm bekommen. Sie wollte nur mein Bestes. Daran hielt ich fest.

Rund um die Uhr lief Musik. Das war in meinem Leben schon immer so gewesen und hatte sich nur noch verstärkt, seit ich mich nach der Highschool komplett dem Tanzen gewidmet hatte. Wenn ich nicht gerade trainierte, tänzelte ich durch die Wohnung und freestylte zur Musik. So auch an diesem Nachmittag.

Der nächste Song meiner Playlist begann, »Karma« von Mahalia, und sofort fühlte ich, wie er meinen Körper mitriss. Ich grinste breit, während ich mein Smartphone auf der Kommode vor der Fensterfront an die Scheibe lehnte und die Kamera öffnete. Das Hellblau des wolkenlosen Himmels stellte die perfekte Lichtquelle für eine kleine Videosession dar. Schnell lockerte ich meine glatten Haare auf und blickte im Display in meine haselnussbraunen Augen. Durch das dauerhaft sonnige Wetter in L.A. war meine Haut noch leicht gebräunt, und ein paar Sommersprossen tanzten auf meiner schmalen Nase.

Erst machte ich ein paar Selfies, um zusätzlichen Content für einen späteren Zeitpunkt zu haben. Auch wenn Instagram eigentlich dafür stand, unmittelbare Aufnahmen zu posten, war es kein Geheimnis, dass die meisten ihre Fotos und Videos vorproduzierten, um einen Vorrat an gutem Material zu haben. Anschließend drehte ich die Musik etwas auf, startete die Videoaufnahme und lief ein paar Schritte rückwärts, sodass ich bis zu den Knien auf dem Video zu sehen war. Dann ließ ich meinen Körper das tun, was er wollte. Ich dachte nicht weiter darüber nach, bewegte mich zu den Beats, Lyrics, dem Rhythmus und den Sounds. Ganz entspannt freestylte ich, ließ den Song durch meine Glieder fließen und mich darin fallen. Wenn ich tanzte, fühlte ich mich von allem befreit. Sorgen und Probleme hörten auf zu existierten, bis der Song endete.

Ich tanzte noch ein wenig durch den Wohnbereich des Lofts, stoppte nach ein paar weiteren Liedern die Aufnahme auf dem Handy und legte es weg, um Teile des Videos später noch in meine Instagram-Story zu posten.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und beschloss, ein wenig frische Luft zu schnappen. Nachdem ich den Tag bisher mit dem Beantworten von Mails und Nachrichten, Herumgetanze, Storys produzieren und Videoschnitt verbracht hatte, musste ich dringend vor die Tür. Außerdem wollte ich mir etwas zu essen besorgen, mein Magen knurrte schon seit ein paar Stunden.

Ich schlüpfte in meine schwarze Jeans, zog mir ein türkisfarbenes Cordhemd über das weiße Shirt und band meine Haare zu einem lockeren Pferdeschwanz, dann verließ ich mein Apartment.

Es hatte schon begonnen zu dämmern, Menschenmengen hasteten auf dem Bürgersteig an mir vorbei, während Taxen um die nächste Ecke jagten. Kurz überlegte ich, ob ich mir einen Hot Dog am Stand direkt vor meiner Nase kaufen sollte, entschied mich dann aber anders und lief in die Richtung, die mich früher oder später zum Madison Square Park führen würde. Vielleicht holte ich mir einfach eine dieser leckeren Salat-Bowls mit Kichererbsen und Avocado und dem ganzen anderen gesunden Kram. Ein paar Vitamine schadeten nicht, nachdem ich mir mittags beinahe eine ganze Tafel Schokolade reingepfiffen hatte, da ich bisher nicht zum Einkaufen gekommen war.

Auf meinem Account hatten Fast Food und Süßigkeiten nichts verloren. Das hatte ich sehr schnell lernen müssen. Tracy hatte mir von Anfang an eingebläut, dass ich ein gewisses Image verkörperte, zu dem es nicht passte, dass ich mich ungesund ernährte. Die perfekte Instagram-Mackenzie postete Gemüse und Obst. Fitness- statt Schokoriegel. Das war meine Marke, mein Job. Sportlich zu sein und gesund zu leben, zu jeder Tages- und Nachtzeit, und selbst wenn meine Laune noch so schlecht war.