Belladaire Academy of Athletes - Rivals - Maren Vivien Haase - E-Book

Belladaire Academy of Athletes - Rivals E-Book

Maren Vivien Haase

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Beschreibung

Lova & Luis: Was, wenn aus Konkurrenzkampf Liebe wird?

Als Lova Sandberg erfährt, dass auch Luis Fernández an der Belladaire Academy zugelassen wurde, hätte sie am liebsten wieder ihre Koffer gepackt und Südfrankreich den Rücken gekehrt. Denn sie und Luis verband einst nicht nur ihre Leidenschaft für Tennis – bis ihre Beziehung ein schlimmes Ende fand. Lova hat sich seither geschworen, Liebe und Sport nie wieder miteinander zu vermischen. Als ihr ein Platz im Elite-Kader der Academy in Aussicht gestellt wird, ist sie überglücklich. Einziger Haken: Auch Luis steht in der engeren Auswahl und will ihr den Platz auf keinen Fall kampflos überlassen. Möge der Bessere gewinnen, so heißt es doch? Aber was, wenn sich alte Gefühle in den Wettbewerb einmischen?

Mit Playlist im Buch!

Die Belladaire-Academy-Reihe bei Blanvalet:
Band 1: Belladaire Academy of Athletes – Liars
Band 2: Belladaire Academy of Athletes – Rivals
Band 3: Belladaire Academy of Athletes – Misfits

Alle Bände können auch unabhängig voneinander gelesen werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 564

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Buch

Als Lova Sandberg erfährt, dass auch Luis Fernández an der Belladaire Academy zugelassen wurde, hätte sie am liebsten wieder ihre Koffer gepackt und Südfrankreich den Rücken gekehrt. Denn sie und Luis verband einst nicht nur ihre Leidenschaft für Tennis – bis ihre Beziehung ein schlimmes Ende fand. Lova hat sich seither geschworen, Liebe und Sport nie wieder miteinander zu vermischen. Als ihr ein Platz im Elite-Kader der Academy in Aussicht gestellt wird, ist sie überglücklich. Einziger Haken: Auch Luis steht in der engeren Auswahl und will ihr den Platz auf keinen Fall kampflos überlassen. Möge der Bessere gewinnen, so heißt es doch? Aber was, wenn sich alte Gefühle in den Wettbewerb einmischen?

Autorin

Maren Vivien Haase wurde 1992 in Freiburg im Breisgau geboren und absolvierte dort ihr Germanistikstudium. Schon als Kind stand für sie fest, dass sie all die Geschichten zu Papier bringen muss, die ihr im Kopf herumspuken. Sport wie auch das Hip-Hop-Tanzen mit ihrer Crew »Dope Skit« gehören genauso zu ihr wie stundenlange Serien- und Filme-Abende. Ihre Debütreihe um die New Yorker Tanzschule »Move District« wie auch die darauffolgende »Golden Oaks«-Dilogie eroberten auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste und begeisterten zahlreiche Leser*innen. Auf Instagram nimmt sie ihre über 50.000 Follower*innen täglich mit hinter die Kulissen ihres Schreiballtags.

Weitere Informationen unter: www.marenvivienhaase.de; www.tiktok.com/@marenvivienhaase; www.instagram.com/marenvivienhaase/

MAREN VIVIEN HAASE

BELLADAIRE ACADEMY

of Athletes

RIVALS

Roman

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 2024 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2024 by Maren Vivien Haase

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

Redaktion: Melike Karamustafa

Covergestaltung: Anke Koopmann | Designomicon

Covermotive: Shutterstock.com (Larch_tree; mrs_kato; everydayfriday; ONYXprj; Chinnapong)

DK · Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-30300-6V002

www.blanvalet.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Deshalb findet sich am Ende eine Triggerwarnung.Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch.Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.

Maren Vivien Haase und der Blanvalet Verlag

Für Lucy,weil es die Belladaire Academy ohne dich nicht geben würde

Playlist

Vigilante Shit – Taylor Swift

Love Story (Taylor’s Version) – Taylor Swift

Breakfast – Dove Cameron

18 – One Direction

Look What You Made Me Do – Taylor Swift

Monsters – Ruelle

Kiss Me – Dermot Kennedy

The Great War – Taylor Swift

Six Feet Under – Billie Eilish

you broke me first – Tate McRae

this is me trying – Taylor Swift

Remember That Night? – Sara Kays

Rehab – Rihanna

All You Had To Do Was Stay – Taylor Swift

Rome – Dermot Kennedy

My Mind & Me – Selena Gomez

Try Again – DallasK & Lauv

NASTY (Extended Version) – Russ

(There’s Gotta Be) More To Life – Stacie Orrico

exile – Taylor Swift & Bon Iver

Too Good At Goodbyes – Sam Smith

Crying Over You – The Band CAMINO & Chelsea Cutler

This Love (Taylor’s Version) – Taylor Swift

1

LOVA

»Du kannst mich lieben, du kannst mich hassen, aber wenn es etwas gibt, das du nicht kannst, dann ist es, gegen mich zu gewinnen, Baby.« Ich schnalzte mit der Zunge und warf meiner besten Freundin ein diebisches Grinsen zu, während ich mir mit dem Handtuch über den Nacken wischte, bevor ich es zusammen mit dem Tennisschläger in meine schwarze Tasche schob.

»Du bekommst gleich eins auf den Deckel«, erwiderte Tanisha lachend und holte mit ihrem Schläger aus, als ob sie mir eins überziehen wollte.

Ich schwang mir die Tennistasche über die Schulter, lief zu ihr rüber und legte ihr einen Arm um die Taille. »Tut mir schreeecklich leid.« Meine Mundwinkel zuckten belustigt nach oben.

»Ganz bestimmt, Lova. Tut es dir so überhaupt nicht.« Sie schüttelte mit einem amüsierten Schnauben den Kopf und packte den Schläger in ihre Tasche. Ihre schwarzen Braids, die ihr bis zur Brust reichten, hatte sie im Nacken zusammengebunden. Bei diesen heißen Temperaturen kein Wunder – ich trug mein hellblondes Haar auch so gut wie immer in einem hohen Pferdeschwanz.

Wir sahen uns auf dem Sandplatz noch mal um, ob wir auch nichts vergessen hatten, dann steuerten wir die Tür an, die in den hohen silbernen Zaun eingelassen war, und traten auf den hellen Kiesweg.

Ich fächelte mir Luft zu, während wir von der letzten Trainingseinheit des Tages über den Campus zurück in Richtung Hauptgebäude liefen. Heute hatte mir nicht nur die glühend heiße Augustsonne Südfrankreichs zugesetzt, sondern mir auch noch meine Trainerin die Hölle heißgemacht. Immer wieder hatte sie uns getriezt, noch besser zu spielen und bis an unsere Grenzen zu gehen. Und im Anschluss hatte ich mich zu einem kurzen Feierabend-Match mit Tanisha überreden lassen, die in einer der anderen Gruppen trainierte.

Tanisha und ich waren im ersten Jahr unserer dreijährigen Ausbildung an einer der renommiertesten Sport-Akademien der Welt: der Belladaire Academy of Athletes, die ihren Sitz hoch oben in den Bergen Monacos hatte, mit perfektem Blick über die Stadt und das Meer, wo wir gerne die Wochenenden verbrachten. Vögel zwitscherten über unseren Köpfen, und Gesprächsfetzen wehten von den Leuten herbei, die links und rechts des Kiesweges auf der Wiese saßen und miteinander lachten.

Wir wichen aus, als uns zwei Turnerinnen in Bodysuits und kurzen Shorts lachend entgegenkamen, grüßten sie freundlich im Vorbeigehen und bogen dann Richtung Turnhalle ab, die sich wie die Tennisplätze weiter hinten auf dem Campus befand.

Belladaire hatte nicht nur die besten Coaches im Tennis zu bieten, sondern auch im Schwimmen, Fechten und Turnen. Wer hier trainiert wurde, dem stand mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zukunft als Profisportler bevor. Genau das, wovon ich schon mein ganzes Leben träumte. Die Nummer eins der Weltrangliste zu werden. Das erste Mal hatte ich mit fünf Jahren in meiner Heimat Schweden, genauer gesagt in Stockholm, auf einem Tennisplatz gestanden, und mit vierzehn war ich an die Côte d’Azur – gar nicht weit entfernt von Belladaire – in ein Tennis-Internat gezogen, um dort schließlich meinen Schulabschluss zu machen. Ich hatte alles zurückgelassen – meine Familie, meine Freunde und meine Heimat, um meinen Traum von einer professionellen Tennis-Karriere zu verwirklichen. Dennoch zog sich jedes Mal, wenn ich an Stockholm, meine Eltern und meine große Schwester dachte, mein Magen zusammen, und eine Flut Heimweh überrollte mich. Selbst nach all der Zeit hatte ich mich nicht daran gewöhnt, so viel von meiner Familie getrennt zu sein.

Tanisha lächelte mich an. »Hey, hast du Lust, morgen früh eine Extra-Trainingssession einzulegen? Vormittags ist die Hitze ja einigermaßen erträglich, und ich möchte noch an meinem Inside-Out-Schlag feilen.«

»Wolltest du da nicht mit deiner Familie telefonieren?«

Da Tanisha aus Nigeria kam, sah sie ihre Familie noch seltener als ich, dafür telefonierten sie aber recht häufig.

Sie schüttelte den Kopf. »Denen ist was dazwischengekommen. Meine Brüder melden sich dafür wahrscheinlich gegen Abend. Davor hab ich Zeit.«

»Klar, dann machen wir das. Falls ich nicht wieder die ganze Nacht diese neue Serienkiller-Doku auf Netflix schaue. Die ist so gut. Heute musst du mitgucken!«, entgegnete ich, während ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie zwei Tennisspieler aus unserem Team in weißen Shorts und T-Shirts tuschelnd an uns vorbeihetzten.

»Gib es endlich auf, Lova.« Sie lachte warm. »Ich schau jede Komödie mit dir, aber mittlerweile solltest du wissen, dass ich alles, was gruseliger als Pretty Little Liars ist, nicht vertrage.«

Ich hob beschwichtigend die Hände. »Okay, okay. Wir wollen ja nicht, dass du Albträume bekommst. Heute Abend richte ich mich nach dir, auf was hast du Lust?«

In ihren Augen blitzte etwas auf. »Der neue Film mit Covey Jenkins ist gerade rausgekommen. So ein Liebesdrama. Wir könnten runter an die Küste ins Freiluftkino von Monaco fahren.«

»Liebesdrama.« Ich schnaubte amüsiert, weil ich an mein eigenes Leben denken musste. Wohl eher mein eigenes nicht vorhandenes Liebesleben. »Na schön. Für dich immer, Lieblingszimmermitbewohnerin«, gab ich grinsend zurück und stieß sie mit der Schulter an, während wir uns dem riesigen Anwesen, das vor uns in den Himmel ragte, näherten.

Das Hauptgebäude von Belladaire, in dem neben unseren Zimmern auch die Eingangshalle, Mensa, Gym, Gemeinschaftsräume und die Büros untergebracht waren, glich einer Art Palast aus Zeiten der Renaissance mit zwei Flügeln – ganz im Gegensatz zur hochmodernen verglasten Schwimmhalle, die sich am anderen Ende des Campus befand. Wer zum ersten Mal auf dem Academy-Gelände war und die Eingangshalle betrat, dem klappte in der Regel der Kiefer hinunter. Auch wenn Belladaire in Bezug auf Sport und Technik auf dem modernsten Stand war, liebte ich, dass die Academy dennoch im klassischen Stil der französischen Riviera gehalten war. Geschwungene Fensterbögen und Erker, beige Fassaden, Marmor, wohin das Auge reichte. Luxuriös, edel, ein bisschen protzig und dennoch ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühlte. Vor allem deshalb, weil ich hier von so vielen anderen Menschen umgeben war, die meine Leidenschaft für Sport teilten. Manchmal kam es mir vor, als ob ich durch eine hellere, freundlichere Version Oxfords lief. Nur mit deutlich mehr Sonne und Meer.

»Lova, Tanisha!«, hörte ich plötzlich jemanden rufen und hob den Kopf, um Nika und Meilin, beide ihre großen Rucksäcke mit dem Fecht-Equipment über den Schultern, lächelnd auf uns zukommen zu sehen.

Nika war seit Semesterbeginn im März Teil unserer Clique und die einzige Deutsche in unserer Runde. Sie hatte philippinische Wurzeln, dunkle lange Haare und hohe Wangenknochen. Wir hatten einen holprigen Start mit ihr gehabt, aber mittlerweile gehörte sie zu meinen besten Freundinnen. Meilin kam aus Peking; sie war ein wenig später durch Nika zu unserem Freundeskreis gestoßen, da sie im selben Fecht-Team wie Nika trainierte. Auf ihren Wangen zeichnete sich eine leichte Röte ab, als sie Tanishas Blick begegnete. Ich hatte die starke Vermutung, dass sie in sie verknallt war. Ein Lächeln lag auf ihrem hellen Gesicht, das von den feinen Strähnen ihres schwarzen Bobs eingerahmt wurde.

»Hey, wie war euer Training?«, fragte ich und drückte die beiden kurz, dann liefen wir auf die hohen Türen des Hauptgebäudes zu.

»Gut. Anstrengend.« Meilin lächelte leicht und warf Tanisha einen weiteren Blick zu, den diese mit einem breiten Grinsen erwiderte.

»Glaub ich. Wir können wenigstens kurze Sachen anziehen, aber ihr müsst ja eingehen in eurer Montur«, gab ich zurück und verzog mitleidig das Gesicht.

Nika nickte und wischte sich über die Stirn. »Das kannst du glauben. Ich krepiere noch in dem Anzug. Südfrankreich, August und so viele Klamotten. Üble Kombination. Da haben es Ambrose und Aaron von uns allen wohl am besten.«

»Stimmt. Als Schwimmer hat man in dem Fall das große Los gezogen«, sagte ich und musste schmunzeln. »Wo hast du ihn denn gelassen?«

Nika und Ambrose waren seit einigen Monaten ein Paar, was mich unglaublich für die beiden freute. Es hatte einiges an Drama zwischen den beiden gegeben, doch jetzt waren sie total glücklich miteinander.

»Der ist schon oben in seinem Zimmer, glaub ich, und trifft uns dann später beim Abendessen in der Mensa.«

Meilin stemmte sich gegen die breiten Türen, und wir betraten das Foyer von Belladaire. Sofort legte sich eine Gänsehaut auf meinen Körper, die von der Kühle der riesigen Halle herrührte. Über unseren Köpfen zierte ein Kronleuchter die hohe Decke. Von links hörte ich, wie ein Mädchen mit nassen Haaren einem anderen »Wir sehen uns beim Essen« zurief, sich dann bei einem Kerl unterhakte und den breiten Flur zur Mensa ansteuerte. Zwei Tennisspieler lehnten an einer der Marmorsäulen und schlugen mit einem weiteren Typ ein, der sich gerade zu ihnen gesellte, während daneben zwei Betreuerinnen die aufwendig verzierte Holztreppe nach oben zu den Zimmern der Sportlerinnen und Sportler stapften. Am anderen Ende der Halle befand sich der Welcome Desk, über dem das Wappen der Academy an der Wand hing. Vor den Aufzügen warteten gerade drei Mädels in Joggingshorts und Sport-BHs darauf, dass die Türen aufgingen.

»Was steht eigentlich am Wochenende an?«, kam es von Tanisha, als wir die geschwungene breite Treppe in die erste Etage hinaufstiefelten, die in einen Männer- und einen Frauen-Flügel aufgeteilt war.

Auch wenn die Academy quasi eine Ausbildung nach der Schule ersetzte und wir alle volljährig waren, gab es eine strikte Trennung, was die Schlafräume anging. Das hinderte uns jedoch nicht daran, nachts in den anderen Flügel zu schleichen und heimlich Partys zu feiern. Man musste nur wissen, wie man das Personal und die Überwachungskameras austrickste – oder bestach.

»Ich hätte ja gesagt, wir fahren morgen nach Cannes auf eine Party oder …« Weiter kam ich nicht, da Nika heftig den Kopf schüttelte.

»Auf keinen Fall, ich muss immer noch die von letzter Woche verdauen, und später treffe ich mich mit Ambrose, sorry. Nächstes Mal bin ich wieder dabei.«

»Wir könnten zum Strand?«, schlug Meilin ein wenig unsicher vor und sah dabei Tanisha an. Obwohl wir uns jetzt schon einige Monate kannten, hatte sie ihre Schüchternheit noch nicht komplett abgelegt, vor allem nicht, wenn es um Tanisha ging. Manche Menschen brauchten ein wenig länger, um aufzutauen, und das war auch okay so.

»Strand klingt super«, erwiderte ich, als wir auf unserem Stockwerk ankamen und über den hellen Marmorboden den Gang zu unseren Zimmern entlangliefen, vorbei an zwei laut lachenden Schwimmerinnen, deren unverwechselbarer Chlorgeruch zu uns herüberschwebte.

»Ich bin auch dabei.« Nika klatschte vergnügt in die Hände, bevor sie vor ihrer Tür stehen blieb. »Wir sehen uns in ’ner Stunde in der Mensa, Leute.« Damit hielt sie ihr Sportarmband, das nicht nur der Schlüssel zu vielen Räumlichkeiten war, sondern mit dem auch unsere Leistung getrackt wurde, an den Sensor und betrat ihr Zimmer.

Nika wohnte mit Delphine zusammen, einer Turnerin, die sich von uns, und eigentlich auch allen anderen Menschen, weitestgehend fernhielt. Sie galt als eine der besten Sportlerinnen von Belladaire, es war sogar schon in den Medien über sie berichtet worden, seitdem wir an der Academy trainierten, doch irgendwie kam niemand so richtig an sie heran; nicht einmal Nika. Aber vielleicht taute die Eiskönigin von Belladaire ja irgendwann doch noch auf.

»Bis später«, rief ich Nika über die Schulter zu, während wir weiterliefen, an Fensterbögen entlang, durch die man durch die erhöhte Lage der Academy in den Bergen immer wieder einen Blick aufs Meer erhaschen konnte.

»Bis gleich«, sagte Meilin leise, als wir bei ihrem Zimmer ankamen, und schenkte uns ein Lächeln, das Tanisha und ich erwiderten.

In unserem gemeinsamen Zimmer angekommen sprang Tanisha unter die Dusche, während ich mich aufs Bett fallen ließ und einen Blick auf mein Handy warf. Ein paar Benachrichtigungen von Instagram sowie eine von Netflix, die mir mitteilte, dass die neue Serienkiller-Doku abrufbar war. Der perfekte Start ins Wochenende. Dazwischen sprang mir eine Nachricht meiner Trainerin ins Auge, die erst vor ein paar Minuten eingetroffen war.

Coach Lopez: Hey Lova, kannst du noch mal kurz ins Büro von Coach Thomas kommen? Jetzt sofort, wenn möglich. Merci.

Was sollte ich denn dort? Thomas war der Head-Coach des Tennisbereichs der Academy; ein Weltklassespieler, der jahrelang die Weltrangliste der Männer angeführt hatte. Eine Maschine im Körper eines Menschen.

Keine Ahnung, ob die Nachricht etwas Gutes oder Schlechtes bedeutete. Hatte ich in letzter Zeit Mist gebaut? Eigentlich nicht. Ich fuhr mir über den Nacken, während sich in meiner Magengegend ein mulmiges Gefühl ausbreitete. Mit gerunzelter Stirn tippte ich rasch eine Antwort.

Lova: Klar, bin schon auf dem Weg.

2

LUIS

»Nur noch knapp drei Wochen bis zum Semester-Auftakt-Turnier in Cannes.« Ich verzog das Gesicht und stellte meinen leeren Smoothie-Becher auf dem hölzernen Beistelltisch vor mir ab. »Ich hätte eigentlich gesagt, dass ich locker ins Finale komme, aber nachdem Coach Thomas diese Woche andauernd meine Volleys kritisiert hat, bin ich mir echt unsicher.«

Ambrose runzelte die Stirn. »Du bist einer der Stärksten bei euch im Team. Was soll da schiefgehen?«

Ich lehnte mich auf dem braunen Ledersofa zurück, auf dem mein bester Freund und zugleich Mitbewohner und ich uns vor nicht mal zwei Minuten niedergelassen hatten.

Im riesigen Gemeinschaftsraum, der sich im ersten Stock des Hauptgebäudes von Belladaire befand, gab es etliche Chillout-Bereiche, wo man es sich in seiner trainingsfreien Zeit gemütlich machen konnte. Trotz der Sonnenstrahlen, die durch die geschwungenen Fenster brachen, sowie des riesigen Kronleuchters an der stuckverzierten Decke strahlte der Raum aufgrund der schweren Samtvorhänge in dunklem Grün und der massiven Holzmöbel eher die Atmosphäre eines Geheimbundverstecks oder eines Casinos aus. Um diese Tageszeit, kurz vor dem Abendessen, scharten sich kaum Studierende um die Tischkicker und Billardtische. Nur einige wenige saßen vor den Computern oder zockten am großen Flatscreen ein Tennis-Game. Vermutlich waren die meisten Leute noch auf ihren Zimmern und machten sich fürs Essen oder eine Freitagabend-Party unten in der Stadt fertig.

Ich nickte. »Du hast recht. Schätze, ich sollte mir einfach nicht so einen Kopf machen und mich drauf konzentrieren, die nächsten Trainings durchzuziehen. Vielleicht buche ich mir zusätzlich ein paar Privatstunden.«

»Gute Idee«, entgegnete Ambrose und fuhr sich über das kurz geschorene schwarze Haar bis in den Nacken. »Immerhin hast du noch drei Wochen für die Vorbereitung. Außerdem hast du mir erst gestern erzählt, dass sich dein Aufschlag in den letzten Monaten krass verbessert hat.«

»Stimmt auch wieder.« Ein Schmunzeln zuckte über meine Lippen.

Allein wenn ich daran dachte, wie sich, sobald ich auf dem Platz stand, mein Puls beschleunigte und das Adrenalin durch meinen Körper schoss, kam ich aus dem Grinsen nicht mehr heraus. Ich liebte es, den rasanten Bällen hinterherzujagen und den Aufprall vom Ball auf meinen Schläger durch mein Handgelenk bis hinauf in den Arm zu spüren. Bei jedem Ass schlug mein Herz höher, und ich fühlte mich wie unter Strom. Für nichts und niemanden in meinem Leben hatte ich jemals solch eine Leidenschaft empfunden.

Na ja, für fast niemanden.

»Und während du an deinem Volley feilst, lass ich mich von meinem Coach anschreien. Zum Glück hört man das unter Wasser nicht.« Ambrose lachte, und ich schüttelte grinsend den Kopf.

»Übernächste Woche steht bei dir der erste Wettkampf an, oder?«

»Richtig. Der Monaco Cup. Wenn ich – ich zähle übrigens auf deinen Support – unter die ersten drei komme, qualifiziere ich mich damit für die Französischen Meisterschaften.«

»Klar, ich bin definitiv am Start, um dich anzufeuern. Aber wenn du mit deinem Bruder trainierst, dann bekommt ihr das sicher hin. Aaron tritt auch an, oder?«

»Jap«, erwiderte er und zuckte dann mit den Schultern. »Bei der Videoanalyse hab ich ganz gut abgeschnitten. Aber ich muss den Coach noch mal nach ein paar Tipps fragen. Mit meiner Beinarbeit im Kraul bin ich bisher nicht wirklich zufrieden. Morgen früh trainiere ich mit Aaron; mal sehen, ob er mir hilfreiches Feedback geben kann.«

Ambrose und sein zwei Jahre älterer Bruder Aaron hatten in der Vergangenheit ein eher angespanntes Verhältnis gehabt, daher freute ich mich umso mehr für die beiden, dass sie sich mittlerweile ausgesprochen und wieder angenähert hatten. Ambrose war einer der loyalsten Menschen, die ich kannte, er hatte in der Vergangenheit nur die eine oder andere falsche Entscheidung getroffen – so wie ich. Vielleicht verstanden wir uns deshalb so gut.

»Klingt doch nach einem guten Plan.« Ich grinste ihn aufmunternd an und fuhr über die leichten Stoppeln an meinem Kinn. »Morgen früh wollte ich auch auf den Platz oder ins Gym, je nachdem, wonach mir ist.«

»Wann stehst du auf?«

Ich zog die Brauen zusammen, während ich kurz überlegte. »Schätze gegen sieben.«

»Perfekt, dann können wir zusammen frühstücken.«

»Auf jeden Fall.« Mein Blick zuckte zur Uhr. Viertel vor sechs, was bedeutete, dass unsere Mensa ihre Pforten erst in einer Viertelstunde öffnen würde. »Was meinst du, sollen wir schon mal zur Kantine gehen? Vielleicht machen sie für uns ja früher auf, wenn du Emma von der Essensausgabe nett zuzwinkerst.« Meine Mundwinkel zuckten nach oben, als Ambrose amüsiert die Augen verdrehte.

Ich erhob mich und schnappte mir meinen Pappbecher. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Ambrose etliche Blicke auf sich zog, während er ebenfalls aufstand und nach seinem Becher griff. Zwei Mädels auf einem der Sofas rissen die Augen auf und tuschelten miteinander, als wir an ihnen vorbei durch den Saal schlenderten, und ein Grüppchen von vier Leuten, die am Tischkicker standen, durchlöcherte uns förmlich mit neidischen Blicken. Es war immer wieder unterhaltsam, diese Szenen mitanzusehen; wobei ich mich zum tausendsten Mal fragte, warum es Ambrose eigentlich nicht unangenehm war, dauernd im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Als einer der beiden Kennedy-Brüder gehörte er zu den Stars der Academy – und genoss es sichtlich. Die Mischung aus seinem guten Aussehen, dem Ruf, einer der besten Schwimmer hier zu sein, und seiner Beziehung mit Nika sorgte dafür, dass jedes Mal, wenn er einen Raum betrat, etliche Kiefer herunterklappten. Ich stand abseits vom Tennisplatz weniger gerne im Mittelpunkt und hielt meinen Freundeskreis eher klein. Immerhin wusste man nie, wem man wirklich trauen konnte und wer einen am Ende hinterging. Das wollte ich nicht schon wieder erleben. Einmal reichte völlig aus.

Ich warf den Becher in den Müll und schob meine blaue Cap zurecht, die ich wie fast immer falsch herum auf meinen dunkelbraunen Locken trug.

Ambrose drückte die Tür zum Gang auf, dann traten wir hinaus in den Flur, um die Mensa anzusteuern, die sich im Erdgeschoss des Academy-Gebäudes befand.

»Ich würde dich ja zum Essen zu uns an den Tisch einladen, aber dann würde mich Lova sicher einen Kopf kürzer machen. Sorry. Morgen setze ich mich wieder zu dir.«

»Schon okay. Ich halte auch lieber einen Sicherheitsabstand zwischen uns ein. Bin mit ein paar Jungs vom Tennis-Team verabredet, wir sehen uns dann einfach später im Zimmer. Oder ich winke dir von unserem Tisch aus zu.« Lachend bog ich mit ihm um die Ecke und wich ein paar Mädels in Tennisklamotten aus, die sich angeregt über ihr Vorhandspiel unterhielten. Als eine von ihnen im Vorbeigehen zu uns herübersah, lächelte sie erst mich, dann Ambrose an und fuhr sich durch ihr kurzes blondes Haar.

Ich erwiderte ihr Lächeln, dachte mir aber nichts weiter dabei. Für Frauen hatte ich aufgrund der vielen Trainingseinheiten aktuell keinen Kopf, und außerdem gab es da immer noch einen kleinen Teil meines Herzens, der einer gewissen Schwedin gehörte. Auch wenn ich mir geschworen hatte, sie nie wieder in mein Leben zu lassen.

»Ich fühle mich manchmal wie das Kind geschiedener Eltern, Luis. Das macht echt keinen Spaß. Es wäre viel schöner, wenn ihr miteinander auskommen würdet.«

»Du tust mir ja fast leid«, konterte ich und kassierte einen gespielt bösen Blick von ihm, als wir an einigen Statuen aus Stein und Gemälden ehemaliger Sportler in vergoldeten Bilderrahmen vorbeiliefen. Julie Durand, Giuseppe Marino und einige andere, die in ihren jeweiligen Sportarten zu den erfolgreichsten Athleten und Athletinnen der Welt gehörten. »Wie dem auch sei … Gehst du später noch mit Nika weg?«

Er nickte, in seinen Augen glitzerte Vorfreude. »Jap, wir wollten in eine Bar, die unten im Zentrum am Wasser neu eröffnet hat. Da soll es super ausgefallene Drinks geben, und der Ausblick aufs Meer ist garantiert auch nicht schlecht.«

»Geht ihr allein aus, oder kommen die anderen aus der Clique mit?«, fragte ich, während wir die geschwungene dunkle Holztreppe hinunter ins Erdgeschoss liefen, die mit ihren geschnitzten Verzierungen an ein Relikt aus einem alten herrschaftlichen Anwesen erinnerte.

»Ne, ne, wir bleiben zu zweit. Nach der anstrengenden Trainingswoche, während der wir so gut wie nie alleine waren, muss ein bisschen Zweisamkeit sein.«

Unten angekommen liefen wir den breiten Flur entlang, der uns zur Mensa führte. Hier und da liefen Studierende an uns vorbei, die anscheinend genau wie wir nicht schnell genug zum Essen kommen konnten.

»Verstehe. Zweisamkeit.« Ich hob vielsagend eine Braue.

In Ambrose’ dunklen Augen blitzte etwas Teuflisches auf, doch gerade als er einen Konter loslassen wollte, vibrierte mein Handy in der Tasche meiner Joggingshorts.

Ich zog es rasch hervor und lugte aufs Display. Eine Nachricht meines Coaches.

Coach Thomas: Luis, komm doch noch mal kurz rüber ins Büro. Danke, bis gleich!

Verdutzt zuckte ich mit dem Kopf zurück und warf Ambrose einen verwirrten Blick zu. »Ähm, irgendwie muss ich noch mal zum Coach. Der will was bequatschen.«

»Hast du mal wieder Scheiße gebaut?«

Ich blähte amüsiert die Nase und blieb vor der Tür zur Mensa stehen. »Wenn jemand von uns Scheiße baut, dann bist das in der Regel du. Ich wüsste nicht, was los sein sollte. An einem Freitagabend. Nach dem Training.«

»Bin gespannt, was du berichtest. Halt mich auf dem Laufenden, Mann.«

»Mach ich. Wir sehen uns später.«

Wir schlugen noch mal ein, dann betrat Ambrose die Kantine, während ich mich auf den Weg zum Office machte.

Seltsame Sache.

3

LOVA

Das Büro unseres Head-Coaches befand sich im Erdgeschoss des rechten Flügels. Mit einem flauen Gefühl im Magen lief ich den leeren Flur von der Eingangshalle aus entlang, vorbei an Statuen berühmter Tennisspielerinnen und -spieler, die hier noch vor einem Jahrzehnt ausgebildet worden waren, und Steinsäulen, bog um die Ecke und näherte mich der dunkelbraunen Tür aus Holz. Das goldene Schild mit der feinen Gravur zeigte an, dass es sich um das Büro von Coach Thomas handelte. Ich atmete tief durch, dann klopfte ich. Mir war immer noch unklar, weshalb ich hergerufen worden war, aber solange ich nichts verbockt hatte, hatte ich auch nichts zu befürchten, oder?

»Herein!«, drang es dumpf durch die Tür, die quietschte, als ich sie öffnete.

»Hi, ich …« Abrupt verharrte ich im Türrahmen. Ich blinzelte einige Male, als mein Herz aussetzte. Nur für einen Schlag. Allerdings einen ziemlich langen. Nur um anschließend doppelt so schnell loszugaloppieren.

Der hat mir gerade noch gefehlt.

Mit zusammengebissenen Zähnen blickte ich in braune Augen, die mir vertrauter waren, als ich mir wünschte. Die mir einst ein Zuhause gewesen und jetzt nichts weiter waren als eine dunkle Erinnerung an schmerzhafte Zeiten. Meine Brust zog sich zusammen. Hass und Wut brodelten durch meine Glieder, und ich verkrampfte mich.

Anscheinend hatte der ehrenwerte Luis Matteo Fernández genauso wenig mit mir gerechnet wie ich mit ihm. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augen geweitet. Wie damals schon trug er seine dunkelblaue Cap verkehrt herum auf seinen dunkelbraunen Locken. Früher war sie beige gewesen – das wusste ich so genau, weil ich diejenige gewesen war, die sie ihm vor fünf Jahren geschenkt hatte. Eine steile Falte zwischen seinen vollen Brauen, die sich von Sekunde zu Sekunde tiefer in seine Stirn grub. Mittlerweile lag ein leichter Bartschatten auf seiner sonnengebräunten Haut, doch seine Züge hatten sich seit damals kaum verändert. Wirkten inzwischen nur etwas älter, reifer. Es war dasselbe schmale Gesicht mit den langen Wimpern und ausgeprägten Wangen- und Kieferknochen. Dem eindringlichen Blick. Ich hatte ihn lange Zeit nicht mehr in meine Nähe gelassen, und das würde sich so schnell auch nicht ändern. Hoffte ich zumindest. Obwohl wir beide auf Belladaire Tennis spielten, war es uns die letzten Monate gelungen, uns aus dem Weg zu gehen; nicht zuletzt, weil wir glücklicherweise in verschiedenen Teams spielten. Doch jetzt, wo ich mich im selben Raum befand wie er, legten sich Wut und Schmerz um mein Herz wie ein dunkler Mantel. Eine Erinnerung daran, wie viel er mir bedeutet hatte und wie wenig ich anscheinend ihm. Das hatte ich auf die harte Tour lernen müssen.

»Schön, dass du so schnell kommen konntest. Setz dich doch«, unterbrach Coach Thomas das Piepsen in meinen Ohren, holte mich zurück in die Realität. In meinem Kopf schwirrten die Gedanken, doch ich versuchte, mich von dem Arschloch Luis unbeeindruckt zu geben.

Ich riss mich von Luis’ Anblick los, und auch er wandte sich auf dem braunen Ledersessel vor dem sperrigen Schreibtisch aus dunklem Holz wieder Coach Thomas zu. Es war ihm eindeutig anzumerken, dass er genau wie ich lieber woanders gewesen wäre als zusammen mit mir in diesem Raum. Mit gestrafften Schultern ging ich auf den freien Sessel neben ihm zu.

Hinter dem Schreibtisch saß unser Head-Coach, der Leiter des Tennisbereichs der Academy, die Finger miteinander verschränkt und nach vorne gelehnt. Mittlerweile blitzten graue Strähnchen in seinen braunen Haaren auf, die er zurückgegelt hatte, und auch die Falten auf seiner Stirn machten sich bemerkbar. Durch den dunkelgrünen Jogginganzug, den das Emblem von Belladaire schmückte und den er fast immer trug, wirkte er jedoch deutlich jünger als Anfang fünfzig.

Coach Lopez stand hinter ihm, ebenfalls in einem dunkelgrünen Jogginganzug, die karamellfarbenen Locken hochgebunden, und nickte mir freundlich zu. Sie war ungefähr im gleichen Alter wie Thomas, vielleicht etwas jünger und trainierter als manche Studentin hier.

Das Büro wirkte durch die dunklen Einbauregale, die bis zur Decke reichten und auf denen Tennis-Lektüre, aber auch Ordner, alte Notizbücher, Medaillen und Trophäen ihren Platz hatten, eher düster. Ein bisschen so, als ob hier gleich eine Pokerrunde unter Mafiosi stattfinden würde. Es roch nach Reinigungsmittel und Holz. Insgesamt eine Atmosphäre, die einen beim ersten Betreten fast ein wenig einschüchterte.

Mit versteinerten Zügen ließ ich mich auf den Sessel neben Luis sinken, bedachte ihn jedoch mit keinem einzigen Blick. Das Leder knarzte unter meinem Gewicht. Dann überschlug ich die Beine und fixierte Coach Thomas. Immerhin wollte ich so schnell wie möglich rausfinden, was ich an einem Freitagabend in seinem Büro gemeinsam mit meinem verhassten Ex-Freund, dem ich nichts als die Pest an den Hals wünschte, zu suchen hatte. Ich biss die Zähne aufeinander, mein Magen zog sich zusammen. Je eher ich hier wieder rauskam, weg von Luis, desto besser.

Der Coach lächelte mich reserviert und doch freundlich an. »Sandberg, deine Trainerin hat dich aus einem bestimmten Grund hierher bestellt.« Sein Blick wanderte zu Luis. »Und dich, Fernández, wollte ich auch sehen, weil dich die Thematik ebenso betrifft.«

Neugierig zog ich die Brauen zusammen und richtete mich ein Stück auf, nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass der Volltrottel neben mir sich ein wenig nach vorne lehnte. Als sein Blick zu mir huschte, machte mein Herz einen Satz, doch ich ignorierte ihn weiter und starrte auf den von Serena Williams unterschriebenen Tennisball, den Coach Thomas in einem kleinen Glaskasten auf seinem Schreibtisch platziert hatte. Daneben lagen etliche Notizhefte und Spielbücher, in denen er so wie die meisten unserer Trainer und Trainerinnen Strategien und Zusammenfassungen notierte, sowie sein geschlossener Laptop.

»Da Catherine sich verletzt hat und vorerst nicht nach Belladaire zurückkehren wird, ist ein Platz im Elite-Team frei geworden.« Er machte eine dramatische Pause. »Wie ihr wisst, ist es eine besondere Ehre, Teil davon zu sein, und jedes Mitglied hat sich seinen Platz hart erkämpft. Nur, wer dauerhaft abliefert und zu den Besten der Besten im Tennis-Team der Academy gehört, darf darauf hoffen, es hineinzuschaffen.« Seine Mundwinkel zuckten nach oben. »Und ihr beiden seid aktuell die Stärksten im Tennisbereich.«

Das Elite-Team. Die Stärksten.

Meine Augen weiteten sich, Adrenalin rauschte durch meine Adern. Bedeutete das etwa …?

Coach Thomas war nicht nur der Tennis-Head-Coach der Academy, ehemaliger Profi und Trainer vieler Spielerinnen und Spieler, die in den Top 50 der aktuellen Weltrangliste rangierten. Nein. Er leitete zudem das sogenannte Elite-Team, das es schon seit etlichen Jahren gab. Wer Teil davon war, gehörte zu den besten Spielerinnen und Spielern auf Belladaire und wurde von Coach Thomas stark gepusht. Es bedeutete viele Extra- und Privattrainings, sogar teilweise von Gast-Coaches, beste Connections in die Tennis-Branche; und alle aus dem Elite-Team schafften es später an die Spitze des Profisports. Insgesamt bestand das Team lediglich aus sechs Leuten aus den drei Tennis-Jahrgängen.

Passiert das gerade wirklich?

Ich fühlte mich wie eingefroren, mein Puls klopfte immer lauter in meinen Ohren, während ich meine zitternden Finger ins Leder bohrte. Ich wartete voller Hoffnung darauf, dass die Worte über seine Lippen kamen, auf die ich seit meiner Jugend hinfieberte. Die ich mehr hören wollte als alles andere. Dass sich das harte Training, all die investierte Zeit, nun auszahlte.

»Ich will mich kurzfassen und euch nicht zu lange auf die Folter spannen. Ein Platz ist frei. Lova, Luis, ihr spielt auf dem gleichen Level; auf Anhieb will und kann ich mich gar nicht für eine oder einen von euch entscheiden, dafür benötige ich noch ein bisschen Zeit.«

Mein Herz raste, mir wurde heiß. Ich bemerkte, wie Luis zu mir sah, und wie aus Reflex trafen sich unsere Blicke. Ein Schauer glitt mir über den Rücken. Er biss die Zähne aufeinander und fixierte mich für einen Moment; in seinen Augen lag alles, was ich hasste. Alles, was ich in den letzten drei Jahren keine einzige Sekunde vermisst hatte. Und doch zuckte ein Kribbeln durch meinen Körper, weil er sich gerade mal eine Armlänge von mir entfernt befand und zugleich weiter weg schien als jemals zuvor. Ich verengte die Augen und warf ihm den kältesten Blick zu, den ich auf Lager hatte, dann wandte ich mich wieder ab.

»Ihr zwei seid in der engeren Auswahl. In fünf Wochen, bei der Feier meines zwanzigjährigen Trainer-Jubiläums an der Academy, werde ich meine Entscheidung verkünden, wer von euch beiden ins Elite-Team kommt. Und bis dahin strengt ihr euch besser an. Ich sage das nicht, um euch Angst zu machen, sondern um euch einen Motivationsschub zu geben. Nutzt die kommende Zeit und diese Chance. Ich weiß nicht, wann ich danach wieder jemanden ins Team holen werde. Wenn ihr nicht alles gebt, quasi um euer Leben spielt, dann könnt ihr den Platz vergessen.«

Während mein Herz immer schneller schlug, lächelte mich Coach Lopez aufmunternd an.

»Das heißt«, hörte ich plötzlich Luis’ tiefe Stimme. Er räusperte sich und richtete sich ein Stück auf. »Wir trainieren unabhängig voneinander in verschiedenen Teams, und die Entscheidung wird aufgrund von …«

Coach Thomas schüttelte den Kopf. »Ganz so einfach ist das nicht, Fernández. Ja, eure Performance messe ich wie gehabt an eurer Leistung im Training, an Turnierergebnissen, dem Fitnesslevel, eurem Einsatz und Feuer, Statistiken über Statistiken, aber ihr zwei …«, eine dramatische Pause, in der ich die Luft anhielt, weil ich hoffte, dass es bei diesen Kriterien blieb, »ihr werdet ab Montag gemeinsam trainieren.«

Gänsehaut breitete sich über meinen Körper aus, während ich das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Gemeinsam.

Nein.

Nein.

Nein.

Es kam mir vor, als ob ich mich in einer Blase befand. Als ob ich nicht ganz anwesend war, fast wie in Trance. Nein. Nein. Nein. Nein. Nein. Das durfte nicht sein. Ich krallte meine Finger noch fester ins Polster des Sessels und schluckte. Mir wurde heiß. Ich versuchte, seine Worte zu realisieren, auch wenn ich mir wünschte, sie wären nicht wahr. Genau wie das, was Luis damals getan hatte. Wie die Worte, die er mir vor drei Jahren an den Kopf geschmettert hatte.

»Aktuell bist du noch in der Trainingsgruppe von Coach Lopez, Sandberg. Kommende Woche wirst du in meine versetzt, sodass ich dich im direkten Vergleich mit Luis sehen kann. Freut euch also auf intensive Trainings, und macht es dem anderen nicht zu leicht.«

»Ich kann nicht mit ihr …«, platzte Luis heraus, doch er wurde sofort unterbrochen.

»Gibt es ein Problem?«

Luis verstummte, sammelte sich. »Ist das nicht unfair? Ich meine, ich bin ihr, was die Körperkraft angeht, um einiges überlegen.«

»Was soll das denn heißen?« Ich verlagerte mein Gewicht zur Seite und warf ihm einen harten Blick zu. »Hast du etwa Angst, gegen mich zu spielen, weil es dir peinlich wäre, gegen ein Mädchen zu verlieren?«

Ein genervtes Stöhnen glitt ihm über die Lippen, dann fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht. »Ich bin der Letzte, der ein Problem damit hat, gegen eine Frau zu verlieren.« Sein Blick wanderte zu mir und hielt meinen eiskalt fest. Dann hob er herausfordernd eine Braue. »Und das weißt du ganz genau.«

Am liebsten hätte ich ihm meinen Schläger um die Ohren gehauen. Was dachte dieser Totalschaden auf zwei Beinen eigentlich, wer er war? Hulk? Hielt er sich für was Besseres, nur weil sein Bizeps größer war? Dafür hatte ich eine ausgefeiltere Technik, und die würde ich ihn spüren lassen. Ich würde ihm zeigen, dass er nicht die geringste Chance gegen mich hatte. Und dann würde ich mich für all den Schmerz revanchieren, den er mir zugefügt hatte.

Ich setzte ein gespielt freundliches Lächeln auf und klimperte mit den Wimpern. »Tja, dann stell dich schon mal darauf ein, dass das nicht nur ein Mal vorkommen wird.«

»Ich sehe schon, das wird ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen«, kam es in diesem Moment von Coach Thomas, dann lachte er. »Sandberg ist genauso gut wie du, sonst würde sie jetzt nicht hier sitzen. Wie bereits gesagt, stellt euch auf eine harte Zeit ein, in der jedes Training und jedes Turnier zählt.«

Ich atmete tief durch. »Danke für die Chance. Ich weiß sie wirklich zu schätzen«, sagte ich ehrlich. In all dem emotionalen Aufruhr hatte ich bisher noch gar nicht richtig realisiert, dass ich mit einem Fuß im Elite-Team stand. Jetzt musste ich mit dem anderen Fuß nur noch Luis aus dem Rennen kicken und mit großen Schritten an ihm vorbeiziehen.

»Von meiner Seite natürlich auch ein großes Danke. Ich freue mich sehr und … und werde mich definitiv reinhängen.« Luis’ Kiefer spannte sich an. Ich konnte erkennen, wie sich ein leichter Schweißfilm auf seiner Stirn gebildet hatte. Hoffentlich aus Angst.

»Gut. Dann sehen wir uns Montag auf dem Platz.« Der Coach nickte uns zu.

Ich warf Luis noch mal einen vernichtenden Blick zu, dann stand ich auf. Er tat es mir gleich.

»Sandberg, bleibst du noch kurz? Fernández, du kannst schon mal gehen.«

»Ähm, okay.« Langsam ließ ich mich zurück aufs Polster sinken.

»Bis Montag«, sagte Luis noch und entfernte sich in Richtung der Tür.

Ich ignorierte ihn, und doch wusste ich, dass er mich anschaute. Früher war er es gewesen, der mich als Einziger wirklich gesehen hatte. Mich. Lova Sandberg. Und heute wünschte ich mir nichts sehnlicher, als ihn nie wiedersehen zu müssen.

Verkrampft blickte ich geradeaus. Im nächsten Wimpernschlag fiel die Tür hinter ihm zu, und ich atmete so schwer aus, als ob sich gerade ein Felsbrocken in Form eines verhassten Spaniers von meiner Brust gelöst hätte.

»Ich habe mich mit Coach Lopez besprochen, natürlich ist es schade, dass du nicht mehr mit ihr trainieren wirst, aber sieh es als Chance«, begann Coach Thomas.

Coach Lopez nickte zustimmend. »Das ist richtig. Du hast die Möglichkeit, ins Elite-Team zu kommen. Nutze sie. Du wärst seit Anastasia Poulos vor zehn Jahren die jüngste Frau, die es je ins Team geschafft hat. Aktuell bist du mit Luis gleichauf, aber ich sehe großes Potenzial in dir, und wenn ihr gemeinsam trainiert, pusht euch das noch mal mehr. Das wird große Klasse«, sagte sie und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. »Ich bin sehr stolz auf dich.«

Man hätte meinen können, dass ihre Worte Erleichterung bei mir auslösten, doch alles, was ich empfand, war mehr Druck.

Druck, alles zu geben.

Druck, noch mehr zu trainieren.

Druck, mich nicht unterkriegen zu lassen.

Druck, besser als Luis zu sein, und das jederzeit.

»Danke«, sagte ich leise. »Wie gesagt weiß ich diese Chance sehr zu schätzen und werde alles geben. Das verspreche ich.«

»Schön. Genieß dein letztes freies Wochenende, ab nächster Woche kommt eine harte Zeit auf dich zu.«

Ich nickte, stand auf und wandte mich zur Tür. »Bis Montag.«

Nachdem ich das Büro verlassen hatte, lehnte ich mich gegen die kühle Marmorwand im Flur und atmete tief durch.

»Heilige Scheiße«, entglitt es mir leise, während ich mir über das erhitzte Gesicht fuhr.

Ich konnte nicht fassen, dass ich meinem Traum ein Stück näher gekommen war und damit zugleich einen solchen Dämpfer erhalten hatte. Training mit Luis. Der pure Albtraum. Das konnte nur in die Hose gehen. Na ja … für ihn. Nicht für mich. Denn die Genugtuung, gegen mich zu gewinnen, würde ich ihm sicher nicht verschaffen.

Unwillkürlich betastete ich die goldene Kette mit dem kleinen Tennisschläger-Anhänger, die an meinem Handgelenk baumelte und die ich schon seit meiner Kindheit trug. Meine Eltern hatten sie mir geschenkt, nachdem ich mein erstes Turnier gewonnen hatte. Je länger ich daran herumspielte und an meine Familie dachte, die mich von Schweden aus allzeit anfeuerte, desto mehr verlangsamte sich mein Puls.

Ich würde versuchen, Luis weiterhin so gut es ging zu ignorieren, um Mord und Totschlag zu vermeiden. Aber falls er es darauf anlegte, würde er in den nächsten Wochen eine ganz andere Seite an mir kennenlernen. Eine Seite, von der er sich wünschte, sie nie herausgefordert zu haben.

4

SECHS JAHRE ZUVOR

LOVA

Der erste Tag in einer neuen Schule war immer nervenaufreibend, doch ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie aufgeregt ich war. Vor allem, weil dieser Tag nicht nur eine neue Schule, sondern ein ganz neues Leben hier auf dem Tennis-Internat am Rand von Nizza bedeutete. Die meisten Schülerinnen und Schüler kannten sich schon, ich war die Neue, die erst einmal von allen Seiten angeglotzt werden würde.

Im Sekretariat hatte man mir einen Stundenplan in die Hand gedrückt; glücklicherweise hatte ich genug Zeit eingeplant, um mich zu orientieren, sodass ich nicht zu spät kommen würde.

Ich spazierte den hellen, beinahe steril wirkenden Gang mit den Glasvitrinen entlang, in denen Bilder von Tennis-Teams, Turnieren und Profispielerinnen und -spielern hingen. Daneben Trophäen und Medaillen. In meiner Brust breitete sich Wärme und auf meinem Gesicht ein Grinsen aus, weil ich wusste, dass die nächsten Jahre großartig werden würden. Nicht unbedingt der Schulunterricht, dafür aber das Training auf dem Platz.

Etliche Schülerinnen und Schüler kamen mir mit Rucksäcken auf den Schultern entgegen und verschwanden in den Klassenräumen, während ich die Nummern neben den Türen las.

213, 214, 215 … ah, 216!

Ich straffte die Schultern, dann betätigte ich die Klinke, spürte das kühle Metall unter meinen Fingern. In diesem Raum würde ich heute meine erste Stunde Mathe haben. Rasch trat ich ein.

Im nächsten Herzschlag richteten sich sämtliche Blicke auf mich.

Ich setzte ein leichtes Lächeln auf, obwohl augenblicklich mein Puls in die Höhe schoss, bevor ich mir nervös auf die Unterlippe biss.

Ein Schritt vor den anderen, nur nicht stolpern.

Die anderen Mädels und Jungs widmeten sich schnell wieder ihren Gesprächen. Sie unterhielten sich auf Englisch – die Sprache, auf der auch der Unterricht abgehalten werden würde, was für mich aber kein Problem war. Ich hatte bereits in der Schule in Stockholm Englischunterricht gehabt, und meine Eltern hatten mit meiner Schwester und mir häufig auch zu Hause Englisch gesprochen.

Nur nicht anmerken lassen, wie aufgeregt du bist, Lova. Zeig Selbstbewusstsein. Auch wenn es nur gespielt ist. Das wissen die ja nicht. Fake it ’till you make it.

Ich räusperte mich und schaute mich um, dann steuerte ich einen freien Platz ganz rechts am Fenster in der zweiten Reihe an und ließ mich auf den Holzstuhl sinken.

Geschafft. Ich würde diesen ersten Tag schon irgendwie überleben.

Nach nicht mal zwei Minuten betrat die Lehrerin den Raum und begrüßte uns. Ihr graues Haar war kurz, und mit ihrem kühlen Gesichtsausdruck wirkte sie ziemlich ernst. Als sie auf mich zusteuerte, lächelte ich sie freundlich an.

»Wer bist du denn?« Sie musterte mich.

»Hallo, ähm … Ich bin neu hier. Lova Sandberg. Das ist mein erster Tag.«

Ein weiterer fragender Blick, während die anderen uns still beobachteten. »Sicher, dass du hier richtig bist? Musst du nicht in die Klasse von Mademoiselle Rouchet?«

Ich schluckte. Meine Augen weiteten sich, während mein Herz immer schneller klopfte. »Ähm … Ich … Sind Sie das nicht? Auf meinem Plan stand Raum 216.« Rasch kramte ich in meinem Rucksack nach dem Stundenplan und …

Verdammt.

»Ups, ich muss in Raum 316. Tut mir leid, ich …« In Sekundenschnelle packte ich mit einem Puls von mindestens hundertachtzig alles zusammen, schob meinen Block und das Mäppchen in den Rucksack.

Nein, nein, nein, nein.

»Ist das einfach ein Stockwerk obendrüber oder … im anderen Flügel?« Meine Finger zitterten vor Aufregung und Verlegenheit. Erst als ich mich umsah, bemerkte ich, dass alle Schülerinnen und Schüler um die fünfzehn sein mussten, also mindestens ein Jahr älter als ich.

Oh Gott. Wieso passiert mir das? Wieso an meinem ersten Tag?

»Ich kann dich hinbringen«, hörte ich plötzlich eine warme Stimme, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog, ein paar Tische weiter.

Schwarze Locken, dunkle Augen und ein strahlendes Lächeln auf den Lippen. Sofort füllte sich mein Brustkorb mit Wärme. Er war echt süß. Meine Wangen fingen gerade wahrscheinlich Feuer. Hinter ihm tuschelten ein paar andere Jungs und Mädels, und ich hörte Wortfetzen, die nach »Uhhh!« und »Luis ist verliebt« klangen, doch das braun gebrannte Gesicht mit dem Grinsen ließ sich nicht beirren.

»Aber schnell, ja?«, bemerkte die Lehrerin, woraufhin er nickte und aufstand, ohne den Blick von mir zu lösen.

Als er mir die Tür aufhielt, streiften sich für einen Moment unsere Schultern, und ich zuckte zusammen, nur um ihn kurz darauf schüchtern anzulächeln. Er sah so gut aus. Viel besser als die Jungs auf meiner alten Schule in Schweden. In meinem Brustkorb flatterte etwas.

Während wir den Gang entlangliefen, spürte ich, wie die Hitze in meinen Wangen etwas nachließ. Mittlerweile waren alle in ihren Klassenzimmern verschwunden, auf den Gängen war es still. Nur unsere Schritte hallten über den hellen Boden. Ich spielte an dem goldenen Armband herum, das an meinem Handgelenk baumelte, was mich glücklicherweise ein wenig beruhigte.

»Schönes Armband«, sagte er. »Steht dir.«

Ich erwiderte sein strahlendes Lächeln. »Danke. Das haben mir meine Eltern geschenkt, als ich mein erstes Turnier gewonnen habe.«

»Dann muss es dir viel bedeuten, oder? Auch weil es dich vermutlich an zu Hause erinnert.«

In meiner Kehle bildete sich ein Kloß, weil ich so weit weg von meiner Familie war und sie jetzt schon vermisste. Ich schluckte hart. »Mhm.« Mehr bekam ich nicht heraus.

Ein mitfühlender Ausdruck trat auf sein Gesicht, als könnte er gut nachvollziehen, was ich empfand. »Lova, oder?«, versuchte er mich abzulenken.

Ich nickte. Unsere Blicke trafen sich, und sofort flatterten etliche Schmetterlinge durch meinen Körper. »Genau. Ich bin gerade aus Schweden hergezogen. Und du?«

»Luis. Ich war letztes Jahr der Neue aus Spanien.« Ein Grinsen zupfte an seinen Lippen, während er mich aufmerksam betrachtete. Er hatte wunderschöne Augen, dunkel und mit dichten Wimpern, für die ihn sicher viele Menschen aus Neid verfluchten.

Ich lachte leise auf. »Und, hast du einen Tipp für mich, wie man als Neue die erste Woche übersteht? Ich bin jetzt schon überfordert, wie du vielleicht gemerkt hast.«

Er führte mich durch ein Treppenhaus die Stufen hinauf und hielt mir ein Stockwerk höher erneut die Tür auf, die zum Flur mit den Klassenzimmern führte. Wieder zerrte ein Lächeln an meinen Lippen. Besonders, als ich im Vorbeigehen seinen Duft, eine Mischung aus Vanille und Holz, einatmete und bemerkte, wie er mich aufmerksam musterte. Nicht wie einer von diesen Psychos aus Horrorserien, die ich heimlich schaute, sondern voller Zuneigung und Interesse. Als ob er mich mochte, obwohl er mich doch noch gar nicht wirklich kannte.

»Am besten, du suchst dir direkt eine coole Person, die dir alles zeigt und dich herumführt. Das Gelände ist ziemlich groß, manchmal kommt es einem wie ein Labyrinth vor.« Er schmunzelte und fuhr sich durchs Haar. »Dein Glück, dass du gleich in der ersten Stunde auf mich gestoßen bist.«

Ich schnaubte belustigt. »Du hältst dich für cool?«

»Na klar. Auch wenn ich es vielleicht nicht mit dir aufnehmen kann. Du könntest möglicherweise noch cooler sein als ich. Ich hab einen Radar dafür.«

Ist das … Flirtet er mit mir?

Erneut kroch mir Röte in die Wangen, und ich lachte leise. »Ich bin definitiv cooler als du. Das steht außer Frage.«

»Das tat weh, Lova.« Schmerzverzerrt verzog er das Gesicht und schüttelte gespielt traurig den Kopf.

Die Art, auf die er meinen Namen aussprach, ließ erneut Schmetterlinge durch meinen Körper flattern. Ich verdrehte grinsend die Augen, dann trafen sich wieder unsere Blicke, und einer seiner Mundwinkel zuckte nach oben.

»Wir sind da.« Er deutete auf die Tür mit der Nummer 316.

Auch wenn ich schnell in den Unterricht kommen wollte, um keinen schlechten ersten Eindruck zu hinterlassen, hätte ich hier noch ewig mit ihm stehen und reden, ihn ansehen können.

»Danke fürs Bringen. Du hast was gut bei mir!« Luis hatte mir ein wenig von meiner Aufregung genommen. Ich fühlte mich nun um einiges entspannter und ruhiger. Wohler. »Und danke, dass du meinen ersten Tag schon jetzt ein bisschen besser gemacht hast.«

Seine Lippen verzogen sich zu einem strahlenden Lächeln, als ob er sich aufrichtig über meine Worte freute. »Mehr als gerne.« Er blickte kurz auf seine weißen Sneakers hinab, dann wieder in meine Augen. So viel Wärme und dieses süße Funkeln in seinen. »Und denk dran, falls dich eine coole Person herumführen soll …«

»Dann weiß ich, an wen ich mich wenden kann.« Ich kicherte. »Oder eben gerade nicht.«

Seine Augen weiteten sich, dann lachte er. »Hey! Ich zeig dir noch, wie cool ich bin.«

»Da bin ich ja mal gespannt. Falls wir uns überhaupt wieder über den Weg laufen.«

Hoffentlich. Hoffentlich. Hoffentlich.

»Spätestens beim Essen in der Kantine sehen wir uns bestimmt. So groß ist das Internat auch nicht. Außerdem weiß ich jetzt, in welche Klasse du gehst.«

Ich hob die Brauen. »Das klingt ganz schön bedrohlich. Muss ich mir Sorgen machen?«

Mit seinen geschwungenen Lippen formte er ein tonloses O, als er sich seiner Worte bewusst wurde. »Ups, ähm, so war das nicht …«

»Entspann dich.« Ich grinste in mich hinein.

Luis schnaubte und fuhr sich durchs Haar. »Entspann dich, sagt sie an ihrem ersten Tag zu mir.« Dann lachte er. »Mit dir sollte man sich nicht anlegen, das merke ich jetzt schon.«

»Wer weiß, wer weiß. Na ja, ich muss jetzt rein«, entgegnete ich und lächelte ihn erneut an. »Vielleicht laufen wir uns ja ganz zufällig später noch mal über den Weg.«

»Ja, vielleicht.« Er wandte sich zum Gehen. »Hab einen schönen ersten Tag.«

»Danke, bis dann!«

Während ich die Hand auf die Klinke legte, lief er davon. Doch bevor ich sie herunterdrückte, drehte ich mich noch einmal zu ihm um. Und genau in diesem Moment tat er das Gleiche.

Wir mussten beide grinsen.

Die Schmetterlinge in meinem Körper spielten verrückt, und ich wusste, dass dies ein Moment war, den ich niemals vergessen würde. Der Anfang von etwas, was sich jetzt schon unfassbar richtig anfühlte.

5

LUIS

Fuck. Das durfte doch echt nicht wahr sein.

Während mir mein Herz noch bis in den Hals schlug, ich mich wie betäubt fühlte, machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Essen würde ich heute vermutlich sowieso nicht mehr herunterbekommen, stattdessen musste ich jetzt erst einmal die News verdauen.

Nachdem ich die Tür hinter mir zugeknallt hatte, fiel mein Blick auf Ambrose, der in seinem Sessel saß.

»Wie war’s? Was hat er gesagt?« Ambrose richtete sich auf dem Sessel ein Stück auf und legte sein Handy beiseite.

Unser Zimmer war recht groß, na ja, definitiv groß genug für zwei Typen, die die meiste Zeit mit Training beschäftigt waren. Zwei Betten an gegenüberliegenden Wänden; jeder hatte einen großen Schreibtisch mit Regalen darüber, einen Kleiderschrank und eine Kommode, aber auch genügend Platz für zwei gemütliche dunkelblaue Sessel, auf denen wir gerne abhingen. Wie die anderen Studierenden hatten wir auch ein eigenes Bad, das recht geräumig war und in dem es sogar eine Badewanne gab. Auf dem Internat war alles viel kleiner gewesen. Das einzige Problem bestand im Mini-Kühlschrank, den Ambrose und ich uns teilten. Zu viel Essen, zu wenig Platz. Wir hatten schon herumgescherzt, uns zwei dieser riesigen amerikanischen Geräte mit Eisfächern ins Zimmer zu stellen, aber die Leitung der Academy hätte uns dahingehend vermutlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Unsere persönliche Note, was die Einrichtung anging, fiel eher spartanisch aus. Über meinem Schreibtisch hingen ein paar Zeichnungen, die ich angefertigt hatte, Urkunden und Fotos mit meiner Familie. Ambrose’ Deko beschränkte sich auf alles, was mit dem Schwimmsport zu tun hatte, einzig und allein Nika hatte es geschafft, sich mit einem Foto an seiner Wand zu verewigen.

Ich stieß hart die Luft aus und fuhr mir übers Gesicht, während ich mich gegen meinen Schreibtisch lehnte und die Beine überkreuzte. »Es war … gut und schlecht zugleich.« Ich sah ihn an. »Was machst du überhaupt noch hier? Bist du nicht verabredet?«

»Ich hab noch ein bisschen Zeit, bis ich mich mit Nika treffe, und dachte, ich warte auf dich, weil ich vor Neugier vermutlich sonst draufgegangen wäre. Also, hau raus – was ist passiert?«

»Der Coach hat mir eröffnet, dass er mich fürs Elite-Team in Betracht zieht und …«

»Was? Okay, krass. Heftig. Und vor allem: mehr als verdient. Das sollten wir eigentlich feiern, statt hier wie zwei Lappen herumzusitzen«, fiel Ambrose mir ins Wort und stolperte dabei fast über seine eigenen Worte, weil sie viel zu schnell aus ihm herausgeschossen kamen.

Ich hob eine Hand. »Warte. Ich freu mich, ja. Aber ich bin nicht der Einzige. Da gibt es noch eine weitere Person, die du womöglich recht gut kennst und gegen die ich die nächsten Wochen ins Rennen um den Platz im Team gehen darf.«

»Ähm …« Als ich eine Braue hob, machte es offensichtlich klick bei ihm, Erkenntnis zeichnete sich in seinen Augen ab. »Sag jetzt nicht, dass du von Lova redest.«

»Doch. Und ich hab keine Ahnung, wie das werden soll. Ab Montag trainiert sie bei uns in der Gruppe mit, also werde ich sie tagein, tagaus sehen. Super, oder?«

Ambrose strich sich nachdenklich über die Oberschenkel. »Puh, okay. Das … Das ist ’ne Nummer. Und, wie sehr willst du ihr den Hals umdrehen?«

»Es wird hart. Nicht nur, weil sie gut ist …« Schmerz fuhr mir durch die Glieder, geradewegs in mein Herz. »Ich muss das erst mal verarbeiten«, sagte ich leise und schüttelte den Kopf. »Bisher konnten Lova und ich uns an der Academy ganz gut aus dem Weg gehen. Ich war einfach nur froh, dass wir in verschiedenen Trainingsgruppen waren. Keine Ahnung, was sonst passiert wäre …«

»Das wirst du dann ab Montag rausfinden.«

Ich verzog das Gesicht. »Danke fürs Erinnern.« Mir entfuhr ein genervtes Stöhnen, und ich presste mir die Fäuste auf die Augen, bis ich Sterne sah. Ich wollte sie nicht dauernd sehen. Ich wollte nichts von ihr wissen. Nie, nie wieder. Aber das ließ sich jetzt wohl nicht mehr vermeiden.

Verteidigend hob er die Hände. »Sieh es positiv: Immerhin ist das ein krasser Schritt für deine Karriere.«

»Ja«, murmelte ich. »Stimmt schon. Ich freue mich ja auch total darüber, nicht falsch verstehen. Diese Chance … Ich muss sie nutzen und alles dafür tun, gegen Lova zu gewinnen und ins Team zu kommen.« Nachdenklich fuhr ich mir übers Kinn. »Es wird hart, aber am Ende wird es sich mehr als lohnen.«

»Absolut.« Ambrose erhob sich aus dem Sessel und lief rüber zu seiner dunklen Holzkommode. Rasch öffnete er sie und kramte darin herum. »Versuch, dich aufs Spiel und deinen Traum zu konzentrieren und weniger auf Lova. Vielleicht hilft das ja.«

»Ich hoffe es«, erwiderte ich und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl sinken, lehnte mich nach hinten und begann, mich von Seite zu Seite zu drehen.

Mein bester Kumpel förderte derweil ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Hose aus seinem Schrank zutage und legte beides aufs Bett, bevor er ein Paar Socken aus der Kommode nahm und anfing, sich umziehen.

»Ich würde alles dafür tun, nicht mit Lova in einem Team zu sein. Sie nicht jeden Tag sehen zu müssen und …« Ihre Nähe zu spüren und an all die Dinge erinnert zu werden, die vorgefallen sind. Die nicht nur mich gezeichnet haben, sondern auch sie.

»Ihr geht es bestimmt nicht viel besser, falls dich das aufheitert«, gab Ambrose zu bedenken und presste die Lippen aufeinander, als er sein Hemd zuknöpfte und in die Hose steckte.

Ich fuhr mir über den Nacken. Eigentlich wollte ich keinen einzigen Gedanken an sie verschwenden. An diesen Menschen, den ich so unsagbar hasste, dass es manchmal wehtat. »Nicht wirklich, aber … Egal, ich muss damit klarkommen, es führt kein Weg dran vorbei. Dieses Team ist alles, was ich … was wir wollten. Aber wir können es nicht beide schaffen. Ich muss mich jetzt reinhängen und hoffen, dass der Coach sich für mich entscheidet. Nein, ich weiß, dass er es tun wird. Sie sollte sich warm anziehen.« Ein unangenehmer Schauer kroch mir über den Rücken. In meinem Herz pochte nicht nur Schmerz, sondern auch Wut, als ihr Gesicht vor meinem inneren Auge aufflackerte.

»Du schaffst das, ich weiß es«, sagte Ambrose, doch ich konnte die Sorge in seiner Miene erkennen.

Es fühlte sich an, als ob eine Tonne Tennisbälle an mir hing, mich herunterzog. »Lova aus dem Weg zu gehen wird ab sofort unmöglich. Wenn sie denkt, dass ich sie gewinnen lasse, hat sie sich allerdings geschnitten. Ich bin nicht mehr der Luis von damals, der sie …« Geliebt hat, dachte ich, sprach es aber nicht aus, weil Ambrose es wusste. Ich ließ die Worte ungesagt im Raum hängen. Wie eine dicke Gewitterwolke, die in absehbarer Zeit Blitze abfeuern würde.

»Ich glaube nicht, dass sie das denkt, Luis.«

Ich hob den Kopf. »Hat sie in der letzten Zeit mal was über uns gesagt?«

»Willst du das wirklich hören?«

Ja. Ja. Ja.

Aber würde es mir guttun? Klares Nein.

»Vermutlich nicht. Ich muss versuchen, das Beste daraus zu machen. Gegen sie gewinnen. Vielleicht trainieren wir ja nur im selben Team, aber spielen nicht direkt gegeneinander.«

Ambrose schnaubte amüsiert und schlüpfte in seine schwarzen Gucci-Loafer. »Klar. Natürlich. Ihr werdet euch sicher so gut wie nie begegnen, nur so ungefähr …« Er tat, als ob er nachdachte, indem er sich mit einem Finger an den Kiefer tippte. »Jeden Tag von morgens bis abends? Wochenendtraining inklusive.«

Ich verdrehte die Augen, schnappte mir ein Paar Socken, das neben einem Stapel frisch gewaschener Wäsche auf dem Schreibtisch lag, und warf es nach ihm. »Spar dir deine dummen Sprüche. Wenn ich an sie denke, bekomme ich schon genug schlechte Laune.«

»Ich will dich nur aufheitern, okay?« Charmant zwinkerte er mir zu. »Und das ist mir soeben gelungen. Schau, das ist ja fast schon ein richtiges Grinsen. So kenn ich dich.«

»Na gut, ich versuche, nicht so viel daran zu denken. Vielleicht wird das erste Training am Montag ja gar nicht so übel.«

Es musste nicht eskalieren. Das musste es wirklich nicht, wenn es nach mir ging. Nur, wenn sie es darauf anlegte …

»Das ist die richtige Einstellung. Ich schätze, sie will genauso wenig Stress wie du.«

Kopfschüttelnd fixierte ich einen Punkt an der Wand. »Ich will einfach nur Tennis spielen. Und sie am Ende besiegen.«

»Natürlich.« Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. »Streng dich an, sie ist mit allen Wassern gewaschen.«

»Schon klar. Ich … Ich hab ewig nicht mehr mit ihr gespielt«, flüsterte ich und zog die Brauen zusammen, trommelte auf der Tischplatte herum, während Ambrose sein Portemonnaie in die hintere Hosentasche schob und zu einem Flakon griff, der auf der Kommode stand, um sich in eine Wolke aus Parfüm zu hüllen. »Sie wird es mir nicht leicht machen. Das hat sie früher schon nicht getan, und das wird sie heute erst recht nicht tun. Könnte interessant werden.«

»Ganz sicher. Wann habt ihr eigentlich das letzte Mal miteinander gesprochen?«

»Seit damals kein einziges Wort mehr.«

Wir hatten uns vor drei Jahren getrennt. Drei Jahre, in denen ich mehr als nur einmal an sie hatte denken müssen. Und jedes Mal hatte es mir einen Stich versetzt. So krass verletzt, auf eine solche Art hintergangen zu werden, das hinterließ Spuren.

»Ich sag’s, wie es ist, Luis.« Ambrose hielt inne und fixierte mich. »Du musst da durch, auch wenn es wehtut. Gib dein Bestes, und kratzt euch, wenn möglich, nicht die Augen aus. Ja, es könnte übel werden. Vielleicht wird es aber auch gar nicht so schlecht. Und falls durch den Druck … gewisse Dinge bei dir hochkommen …« Ich schluckte schwer, weil ich genau wusste, worauf er anspielte. Weil er mein Geheimnis kannte. »Dann sprich mit mir, okay?«

Die Hände zu Fäusten geballt wandte ich den Blick ab. »Ja, ähm … Danke.«

»Im Ernst, ich bin für dich da.«

»Musst du nicht langsam zu Nika?«

Da war er wieder – mein Schutzmechanismus. Ablenkung. Ich trug mein Herz zwar auf der Zunge, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Ambrose wusste genau, wo die Grenzen lagen. Er überschritt sie selten, und wenn, dann nur, um mir zu helfen. Dafür war ich ihm dankbar, aber manchmal wollte ich keine Hilfe, wollte nicht darüber nachdenken oder gar darüber sprechen. Und an einem Tag wie heute ganz sicher nicht.

Er nickte und warf noch mal einen prüfenden Blick in den Spiegel. »Jap, ich mach mich jetzt auf den Weg.«