Bergkristall - Folge 267 - Marianne Burger - E-Book

Bergkristall - Folge 267 E-Book

Marianne Burger

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Beschreibung

"Es wird Zeit, Franzl, dass ich dem Vater die Wahrheit sag", flüstert die junge Afra ihrem Franz zu, einem kräftigen Bursch mit krausem, braunen Haar und dunklen Augen. Doch ihre Stimme klingt besorgt und bebt ein klein wenig, denn noch weiß ihr jähzorniger Vater nichts davon, dass Afra Ziller und der Bittinger-Franz sich einig sind. "Erst am letzten Sonntag hat er wieder gesagt, dass der Haberthaler-Sepp aus Neureuthen ein Auge auf mich geworfen hätte und dass er bald herkommen will, um mir einen Antrag zu machen."

Franz nickt bedächtig. "Mei, Afra, zwingen kann dich der Vater ja net, den Sepp zu heiraten. Aber es wird einen harten Streit geben, wenn du ihm sagst, dass wir zwei uns einig sind. Dein Vater hasst alles, was Bittinger heißt."

Noch ahnen die beiden Verliebten nicht, was auf sie zukommt, denn bei einem Konflikt wird es nicht bleiben. Afras Vater und Sepp Haberthaler sind noch zu ganz anderem fähig ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Schwestern vom Ziller-Hof

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Anne von Sarosdy

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3572-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Schwestern vom Ziller-Hof

Durch Verleumdung gerät das Liebesglück zweier Madeln in Gefahr

Von Marianne Burger

„Es wird Zeit, Franzl, dass ich dem Vater die Wahrheit sag“, flüstert die junge Afra ihrem Franz zu, einem kräftigen Bursch mit krausem, braunem Haar und dunklen Augen. Doch ihre Stimme klingt besorgt und bebt ein klein wenig, denn noch weiß ihr jähzorniger Vater nichts davon, dass Afra Ziller und der Bittinger-Franz sich einig sind. „Erst am letzten Sonntag hat er wieder gesagt, dass der Haberthaler-Sepp aus Neureuthen ein Auge auf mich geworfen hätte und dass er bald herkommen will, um mir einen Antrag zu machen.“

Franz nickt bedächtig. „Mei, Afra, zwingen kann dich der Vater ja net, den Sepp zu heiraten. Aber es wird einen harten Streit geben, wenn du ihm sagst, dass wir zwei uns einig sind. Dein Vater hasst alles, was Bittinger heißt.“

Noch ahnen die beiden Verliebten nicht, was auf sie zukommt, denn bei einem Konflikt wird es nicht bleiben. Afras Vater und Sepp Haberthaler sind noch zu ganz anderem fähig …

Die Abendglocken läuteten im Tal von Tanners. Allenthalben hielten die Menschen in ihrer Arbeit inne, um das Ave-Maria zu beten. Auch die beiden jungen Leute, die droben, hoch über dem kleinen Dorf, in der Tannecker-Hütte beisammensaßen, falteten die Hände und sprachen jeder still für sich ihr Gebet, wie es Brauch war.

Als das Läuten verklungen war und der sanfte Abendwind ein leises Echo vom Felsmassiv des Tannerkogel zurückwarf, hob Afra Ziller langsam den Kopf und strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. Ihre blauen Augen suchten den breitschultrigen jungen Mann, der ihr gegenübersaß. Liebe und Zärtlichkeit lag in Afras Blick.

„Es wird Zeit, Franzl, dass ich dem Vater die Wahrheit sag“, sagte sie nun leise, doch ihre Stimme klang besorgt und bebte ein klein wenig. „Erst am letzten Sonntag hat er wieder so dahergeredet, dass der Haberthaler-Sepp aus Neureuthen ein Auge auf mich geworfen hätte und dass er bald herkommen will, um mir einen Antrag zu machen.“

Franz Bittinger, ein kräftiger Bursch mit krausem, braunen Haar und dunklen Augen, nickte bedächtig.

„Mei, Afra, zwingen kann dich der Vater ja net, den Sepp zu heiraten. Aber es wird einen harten Streit geben, wenn du ihm sagst, dass wir zwei uns einig sind. Dein Vater hasst alles, was Bittinger heißt.“

„Aber du kannst doch nix dafür, Franzl, dass mein Vater und der deine damals aneinander geraten sind, weil sie beide dasselbe Dirndl gerngehabt haben!“, ereiferte sich Afra Ziller.

Franz zuckte mit den breiten Schultern.

„Na ja, seinerzeit wollte es der Ziller-Beatus halt net einsehen, dass die Malli Fastel ihm eine Abfuhr erteilt hat – ihm, dem größten Bauern im Dorf! Dein Vater hat’s bis heute noch net verwinden können, dass sie den bettelarmen Holzfäller Ferdl Bittinger genommen hat!“

„Aber es hilft ja nix, sagen muss ich es ihm doch“, murmelte Afra, und ihre Finger nestelten unruhig am Samtmieder.

„Und dann ist da noch etwas, Afra, das wir bedenken müssen“, fuhr Franzl fort und seufzte, „dass meine Mutter so wunderlich geworden ist, seitdem der Vater gestorben ist, das ist auch so eine dumme Sache. Ich weiß wohl, dass man sie drunten im Dorf eine alte Hexe schimpft, obwohl sie doch gar nix Böses tut, sondern, im Gegenteil, den Leuten hilft, wenn Mensch oder Vieh krank ist.“

Afra blickte Franz verständnisvoll an und nahm seine Hand.

„Aber weil sie seit Vaters Tod nimmer zur Kirche geht, ist sie dem Pfarrer ein Dorn im Auge, und man heißt sie eine! Sogar die Leute, denen sie geholfen hat, wollen beim helllichten Tag nix mit meiner Mutter zu schaffen haben. Nur bei Dunkelheit trauen sie sich auf den Bittinger-Hof, wenn sie Hilfe brauchen.“

Afra Ziller nickte stumm, sie hatte Angst vor der Unterredung mit ihrem Vater, die sich jetzt nicht mehr länger aufschieben ließ. Der alte Ziller war ein Despot, auf seinem Hof galt kein anderes Gesetz außer seinem Wort, und wehe dem, der sich widersetzte!

Ihre Schwester Vroni hatte den Jäger Schorsch Brunner auserkoren, und damit war Beatus Ziller einverstanden, denn der Brunner war im Dorf überall beliebt, und in Kürze würde er zum Oberjäger ernannt werden. Das bedeutete eine kräftige Gehaltsaufbesserung und eine schöne Dienstwohnung im Forsthaus am Tannerkogel. Und später würde Schorsch Brunner sogar Forstmeister werden.

Franzl Bittinger erhob sich und trat zu dem Mädchen. Er legte behutsam seine großen, warmen Hände um ihr Gesicht und sah ihr tief in die Augen.

„Schau doch net so traurig drein“, raunte er. „Du musst auch ein bisserl Gottvertrauen haben, dann wird sich schon alles einrenken! In zehn Monaten wirst du achtzehn Jahre alt, dann kann dir der Vater nix mehr aufzwingen, und du kannst heiraten, wen du willst … Wenn du mich bis dahin noch lieb hast“, setzte er leise hinzu.

„Wie kannst du nur so was Dummes sagen?“, flüsterte Afra. Ihre Augen schimmerten feucht, sie schmiegte sich fest an seine Brust. „Nie im Leben könnte ich einen anderen lieb haben als dich, das weißt du doch ganz genau!“

Er atmete auf und küsste sie zärtlich.

„Dann wird auch alles gut werden, Afra. Ich bring dich jetzt heim.“

Dann gingen sie langsam, Hand in Hand, den schmalen, steilen Pfad nach Tanners hinunter. Kurz vor dem Dorf blieben sie am Wegkreuz stehen, und der junge Mann zog Afra noch einmal in seine Arme.

„Behüt dich Gott, Dirndl! Wann kommst du wieder hinauf zur Hütte?“

„Sobald ich kann, Franzl. Vergiss mich net, gelt? Und gib acht auf dich!“

„Das tu ich, du brauchst dich net sorgen“, sagte er lachend und küsste sie noch einmal, ehe sie hastig davonlief.

Franz Bittinger fuhr sich durch das krause Haar und stieß einen Seufzer aus. Herrgott, es ist aber auch alles über Kreuz auf dieser Welt!, dachte er grimmig. Die Vroni, Afras ältere Schwester, würde ihren Jäger heiraten und eine brave, tüchtige Försterin werden, und der alte Ziller-Bauer gab dem Paar seinen Segen dazu.

Aber wenn der Alte erfuhr, dass die Afra ausgerechnet ihn, den Sohn seines Erzfeindes, heiraten wollte – mei, dann würde Beatus Ziller außer sich vor Wut geraten! Schon mehr als einmal hatte der Franzl seiner Afra angeboten, dass er selbst hinuntergehen wollte zum Ziller-Hof, um ein ernstes Wörterl mit ihrem Vater zu reden.

Aber jedes Mal hatte Afra fast entsetzt abgewehrt, weil sie ihren Vater genau kannte und wusste, wie fürchterlich er war, wenn ihn der jähe Zorn packte. Afra hatte Angst, dass ihr Vater dem Franzl etwas antun würde. Darum wollte sie lieber selbst mit ihrem Vater reden, und der Franzl hoffte nur, dass es glimpflich ausgehen würde.

Franz Bittinger war ein Holzfäller wie sein verstorbener Vater, und die schwere Arbeit in den Wäldern machte ihm Spaß. Er war sogar vom elterlichen Hof fortgezogen, als er seinen Dienst als Holzfäller antrat, und hatte sich in der kleinen Tannecker-Hütte häuslich eingerichtet.

Droben hauste er nun schon seit langer Zeit ganz allein, kochte sich sein Essen recht und schlecht, tat seine Arbeit, und Bertl Mühringer, der alte Haumeister, hatte ihm versprochen, dass er ihn im nächsten Frühjahr zum Vorarbeiter machen würde. Freilich, es hätte ihm auch Freude gemacht, auf einem so großen Hof wie dem von Beatus Ziller zu schaffen. Aber ehe der Ziller-Bauer ausgerechnet ihn auf seinem Hof duldete, eher würde der Tannerkogel Beine kriegen und über die Grenze ins Tirolerische hineinmarschieren!

Franz Bittinger wandte sich langsam zum Gehen. Seine sorgenvollen Gedanken weilten bei dem geliebten Dirndl, das nun dem Vater ihr Geständnis ablegen würde. Herrgott, wenn er sie schlägt, wenn er sie auch nur mit einem Finger anrührt, ich dreh dem Alten den Kragen um!, schwor sich Franzl und ballte unwillkürlich die kräftigen Fäuste. Auf dem Rückweg zur Tannecker-Hütte hinauf schlug Franzl einen kleinen Bogen und gelangte nach einer Weile zum Bittinger-Hof.

Eigentlich war es ja kein richtiger Bauernhof, nur ein kleines, windschiefes Häusl, und im Stall standen bloß zwei Milchkühe und etliche Schweine. Als Franzls Vater noch lebte, hatte er neben seiner Arbeit in den Forsten von Tanners noch etliche Morgen Land bewirtschaftet. Doch als ein Blitzschlag den Bittinger buchstäblich aus heiterem Himmel traf und ihn tötete, verkaufte Malli Bittinger das Land an einen Nachbarn, entließ ihr Gesinde und behielt nur den alten Wastl, der auf dem Bittinger-Hof seit mehr als zwanzig Jahren schaffte.

„Die Bittinger-Malli, die tickt net mehr sauber, seit ihr Mann vom Blitz erschlagen worden ist“, tuschelten sich die Leute drunten im Dorf hinter vorgehaltener Hand zu.

Und so ganz Unrecht hatten sie wohl nicht, denn die Malli, zu jener Zeit noch ein stattliches Weiberl, stets einfach und schlicht, aber reinlich und ordentlich gekleidet, gab seither gar nichts mehr auf sich. Es war, als sei die Bittinger-Malli mit ihrem Mann gestorben – und die Frau, die da umherschlurfte, in schmutzigen Sachen, mit strähnigem Haar und ungewaschenem Gesicht, war nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Sie alterte schnell, die Malli, tiefe Falten hatten sich in ihr einst so hübsches Gesicht eingegraben, ihre Augen hatten den fröhlichen Glanz verloren. Vergeblich hatte Franz versucht, seine Mutter aus ihrer dumpfen, starren Trauer herauszureißen. Alles gute Zureden schien wirkungslos an ihr abzuprallen.

Als dann, etliche Tage nach Bittingers Beerdigung, der Herr Pfarrer heraufgestiegen war, um der Witwe Trost zuzusprechen, hatte Malli Bittinger ihn vom Hof gejagt.

„Lass mich in Ruhe mit deinen damischen Sprüchen, die mir gar net helfen!“, hatte Malli ihm mit sich überschlagender Stimme nachgeschrien, als Pfarrer Sirnthaler zu Tode erschrocken seine Soutane raffte und schleunigst das Weite suchte. „Wenn er so ist, der Herrgott, wenn er brave, rechtschaffene Leute so hart straft, und zu denen hält, die ein Sündenleben führen – dann will ich nix mehr wissen von einem solchen Herrgott! Wenn du dich noch mal auf meinem Hof blicken lässt, hetz ich den Hund auf dich!“

Hochwürden Antonius Sirnthaler hatte sich eiligst entfernt, und während er atemlos zu Tal gekeucht war, hatte er ein Vaterunser und ein Ave-Maria für die arme Seele der Malli Bittinger gebetet und den Herrn angefleht, er möge ihren verwirrten Geist klären und ihr die Einsicht schenken, dass Gottes Wege unerforschlich waren. Aber die Malli war nicht zur Einsicht gekommen, sehr zum Kummer des hochwürdigen Herrn.

Nie mehr hatte sie sich an den Sonn- und Feiertagen in der Kirche blicken lassen, nie mehr war sie zur Beichte gegangen. Der Pfarrer hatte lange mit sich gekämpft, denn er hatte ganz schlicht und einfach Angst, noch einmal zum Bittinger-Hof hinaufzusteigen. Er hatte jedoch versucht, Mallis Sohn, dem Franzl, ins Gewissen zu reden. Flehentlich hatte der hochwürdige Herr aber den jungen Burschen gebeten, doch mit seiner Mutter zu reden.

„Tut mir wirklich leid, Hochwürden, aber ich kann da gar nix machen!“, hatte der Franzl bedrückt erwidert. „Meine Mutter ist wie verwandelt, seit mein Vater tot ist. Ich kenn sie bald selbst nimmer wieder, ja, manchmal fürchte ich mich gar vor ihr, wenn sie so seltsam daherredet! Und darum bin ich jetzt fortgegangen von daheim und hab mich in der Tannecker-Hütten eingerichtet, da hab ich meine Ruhe.“

Wohl oder übel hatte sich der Pfarrer von Tanners damit abfinden müssen, dass in seiner kleinen Gemeinde ein schwarzes Schaf lebte, das sich außerhalb der Gemeinschaft stellte und dem Herrgott Hohn sprach.

Als Hochwürden dann im Laufe der Zeit gewisse Gerüchte zugetragen worden waren, die besagten, dass die Bittinger-Malli übernatürliche Kräfte besäße, dass sie es verstand, kranke Menschen oder Tiere mit Salben, Kräutern und geheimnisvollen Sprüchen wieder gesundzumachen, wollte der hochwürdige Herr dies erst gar nicht glauben. Erst als sein alter Freund, der Bürgermeister Alois Siegrist, ihn eines Abends besuchte, erfuhr Hochwürden Näheres.

Entsetzt musste der Pfarrer feststellen, dass die Malli tatsächlich irgendwelche heidnischen Bräuche zelebrierte, und es waren wirklich schon einige Kranke –und auch kranke Tiere – angeblich durch die Bittinger-Malli geheilt worden!

„Ich bin der Herr, dein Gott – du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ Diesen Text hatte der Pfarrer am folgenden Sonntag in seiner Predigt gewählt.

Gewaltig hatte er gegen den Aberglauben gewettert, er hatte den dickschädeligen Bauern eingehämmert, dass es schwere Sünde sei, wenn sie Gottes Gebot missachteten und in heidnischem Aberglauben Zuflucht und Heilung suchten.

Aber es hatte alles nichts genutzt. Heimlich und verstohlen, im Schutze der Dunkelheit, suchten die Bauern nach wie vor die Malli Bittinger auf, wenn Mensch oder Tier erkrankt war. Und nach wie vor ging das Gerücht in Tanners um, dass die Malli über geheimes Wissen verfügte.

Während Franzl Bittinger sich nun dem elterlichen Hof näherte, kamen ihm die zornigen Worte des Pfarrers in den Sinn, der ihn vor einiger Zeit nochmals wegen seiner Mutter zur Rede gestellt hatte.

„Mei, Hochwürden“, hatte Franz Bittinger ihm schlicht erwidert, „damit hab ich gar nix zu tun! Ich hock droben in der Tannecker-Hütte, ich tu meine Arbeit und scher mich weiter um gar nix! Was die Mutter tut, das ist net meine Sache, Hochwürden, und von mir würde sie sich sowieso nix sagen lassen! Da kann ich Ihnen leider net helfen.“

Als Franzl durch den kleinen Vorgarten schritt, in dem würzig duftende Kräuter blühten, vernahm er das laute Bellen des Hundes, den seine Mutter sich nach dem Tod seines Vaters angeschafft hatte.

„Bist du stad, Teifi!“, rief er laut und dachte gleichzeitig bei sich, dass dies der einzig richtige Name für diesen Hund war.

Wie ein schwarzer Höllenteufel sah er aus, und ein Teufel war er auch, wenn ein Fremder auf den Hof kam. Seine Herrin, die Malli, liebte der Hund abgöttisch und gehorchte ihr aufs leiseste Wort. Wastl, den alten, graubärtigen Knecht, duldete er, und um den Franzl machte der Teifi einen großen, respektvollen Bogen. Als der Hund die Stimme des jungen Bittinger vernahm, hörte er sofort auf zu bellen und kroch winselnd hinter den Kachelofen in der Küche.

Malli schlurfte in Filzpantoffeln zur Tür und riss sie auf, um argwöhnisch hinauszuspähen. Als sie ihren Sohn herankommen sah, zog sie sich in die Küche zurück und hockte sich auf die Ofenbank.

„Grüß Gott, Mutter“, sagte der Franzl, als er über die Schwelle trat. „Wie geht’s dir so?“

„Frag net so blöd“, knurrte die Malli und wischte sich mit dem Ärmel über die Nase. „Hock dich her und trink einen Enzian! Selbstgebrannt ist er, klar und rein, net verpanscht wie das elendige Gesöff, das sie dir im Wirtshaus drunten verkaufen!“

Mein Gott, die Mutter ist doch jetzt erst fünfzig Jahre alt, dachte Franzl bei sich, aber sie schaut aus, als wär sie mindestens sechzig oder noch mehr! Er blickte sich in dem Raum um, während Malli Bittinger zum Wandschrank schlurfte, um eine bauchige Flasche und zwei Gläser hervorzuholen.

Herrgott, wie sah es hier aus! Die schöne Wandvertäfelung aus Zirbelkiefer war unter einer gleichmäßig dunkelgrauen Schicht von Staub und Dreck verschwunden. Den Gardinen vor den Fenstern merkte man es kaum noch an, dass sie einstmals blütenweiß gewesen waren, und um das geschnitzte Kruzifix im Herrgottswinkel spann sich ein Genist von grauen Spinnweben. Das alte, wunderschöne Kupfergeschirr auf dem hölzernen Wandbord über dem Herd hatte allen Glanz verloren, und die Herdplatte war schwarz von Ruß.

Franzl schrak zusammen, als die Mutter das Stamperl Enzian vor ihn auf den Tisch stellte. Nur zögernd hob er das Glas und führte es zum Mund. Überrascht stellte er fest, dass das Gebräu ausgezeichnet schmeckte. Malli Bittinger leerte ihr Glas in einem Zug, setzte es auf den Tisch zurück und wischte sich den Mund.

„Wohl soll’s dir bekommen, Franzl“, kicherte sie und schenkte abermals die Gläser voll. „Na, jetzt sag mir, was dich hertreibt zu dieser Stunde! Du hast doch was auf dem Herzen, das merk ich schon!“

Franz Bittinger fühlte sich sehr unbehaglich. Es kam ihm so vor, als sei diese unheimlich wirkende, kleine, verrunzelte Frau in dem notdürftig zusammengeflickten Kittel gar nicht seine Mutter, sondern irgendeine Fremde.

„Mutter, hör mich an“, begann er schwerfällig, nestelte seine Tabakspfeife aus der Joppentasche und stopfte sie sorgfältig. „Es ist jetzt schon bald sieben Jahr her, seit der Vater vom Blitz erschlagen wurde, und du bist doch noch net alt, bist gerade eben fünfzig Jahre alt! Du könntest doch noch mal in den Ehestand eintreten, ein neues Leben beginnen, wieder ein rechter Christenmensch werden wie vorher! Ich …“

„Was soll das heißen?“, fiel ihm die Malli ins Wort. Ihre kleinen, stechenden Äuglein musterten ihren Sohn flink. Dann lachte sie krächzend auf. „Wie redest du denn mit mir? Hat der Pfarrer dich aufgehetzt, dass du mir ins Gewissen reden sollst?“

„Geh, Mutter, ich hab’s nur gut gemeint, aber wenn du net willst, dann ist’s deine eigene Sache, ich misch mich net ein.“ Er zögerte, holte tief Luft und fuhr dann fort: „Aber schön ist’s halt auch net, wenn man mich im Dorf allerweil so komisch anschaut. Na ja, und wenn ich heirate, dann gibt’s auch ein großes Gefrett.“