Biblische Ältestenschaft - Alexander Strauch - E-Book

Biblische Ältestenschaft E-Book

Alexander Strauch

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Beschreibung

Biblische Ältestenschaft ist seit 30 Jahren das Standardwerk zur biblischen Lehre über Ältestenschaft: der gemeinschaftlichen pastoralen Leitung einer Gemeinde durch eine biblisch qualifizierte, vom Geist eingesetzte Ältestenschaft. Das Buch hat ein weltweites Erwachen zu diesem oft vernachlässigten und missverstandenen Thema bewirkt. Die Neuausgabe wurde umfassend überarbeitet und erweitert. Alle, die solide Bibelexegese lieben, werden dankbar dafür sein. Jede neutestamentliche Stelle zum Thema wird sorgfältig erklärt und interpretiert, sodass die biblischen Autoren selbst zu Wort kommen. Alle Schlüsselfragen werden angesprochen, neueste bibelwissenschaftliche Erkenntnisse werden dabei beachtet. So dient dieses Handbuch als Kommentar, Ressource und Lehrbuch zur Förderung von Ältesten als Hirten. Es wird auch in den kommenden Jahren das Standardwerk sein.

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Seitenzahl: 809

Veröffentlichungsjahr: 2025

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ALEXANDER STRAUCH

BIBLISCHEÄLTESTENSCHAFT

Handbuch für schriftgemäßeGemeindeleitung

Alexander Strauch

Biblische Ältestenschaft

Handbuch für schriftgemäße GemeindeleitungÜberarbeitete und erweiterte Neuausgabe

Best.-Nr. 275537 (E-Book)ISBN 978-3-98963-537-1 (E-Book)

Titel des amerikanischen Originals:Biblical Eldership

Restoring the Eldership to its Rightful Place in the Local Church© 2023 by Alexander Strauch. All rights reserved.Published by Lewis and Roth PublishersColorado Springs, Colorado 80909

Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet:

Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.

Außerdem wurden verwendet: EU – Einheitsübersetzung (Ausgabe 2016), LUT – Lutherbibel (Ausgabe 2017), MENG – Menge Bibel (Ausgabe 2020), NeÜ – Neue evangelistische Übersetzung, NGÜ – Neue Genfer Übersetzung, NLB – Neues Leben. Die Bibel, SLT – Schlachter Bibel (Ausgabe 2000), ZB – Zürcher Bibel.

1. Auflage (E-Book)

© 2025 Christliche Verlagsgesellschaft mbH

Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg

[email protected]

Übersetzung: Svenja Troeps

Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft mbHUmschlagmotiv: © IStock.com/UfimtsevaV

Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: [email protected]

Inhalt

Abkürzungen

Vorwort

Einführung

Wiederherstellung der neutestamentlichen Ältestenschaft

1. Neue Leitungsprinzipien

2. Pastorale Leitung als Hirten

3. Gemeinsame Leitung

4. Qualifizierte Leitung

5. Leitung durch Männer

Die ersten christlichen Ältesten laut Lukas

6. Die ersten Ältesten mit jüdisch-christlichem Hintergrund

7. In jeder Gemeinde Älteste einsetzen

Ein letzter Auftrag

8. Paulus’ letzte Aufforderung an die Ältesten von Ephesus: Folgt meinem Vorbild!

9. Hütet die Gemeinde Gottes!

10. Gott, Finanzen und die Versorgung der Schwachen

Wer sind die Aufseher in Philippi?

11. Aufseher und Diakone in der Gemeinde in Philippi

Biblische Qualifikationen für Aufseher

12. Untadelig und Mann einer Frau

13. Nüchtern, … nicht geldliebend

14. Dem eigenen Haus gut vorstehen, … ein gutes Zeugnis von Außenstehenden haben

15. Erprobung der Kandidaten – Handauflegung durch die Ältesten

Doppelter Ehre würdig

16. Älteste, die gut vorstehen

17. Älteste, die in Wort und Lehre arbeiten

Älteste schützen und zurechtweisen

18. Die Unschuldigen schützen; die Schuldigen zurechtweisen

19. Aufruf zum mutigen Gehorsam und Hilfe zur Ernennung qualifizierter Ältester

Biblische Qualifikationen für Älteste

20. Älteste einsetzen, wie ich dir geboten hatte

21. Untadelig als Ehemann und Vater

22. Die biblischen Qualifikationen für Gottes Hausverwalter

23. Mit der gesunden Lehre ermahnen und Widersprechende überführen

Gottes Herde auf Gottes Weise hüten

24. Petrus ermahnt und ermutigt die Ältesten

Für die Kranken beten

25. Ist jemand krank? Er rufe die Gemeindeältesten

Die Ältesten lieben, ehren und ihnen gehorchen

26. Die Ältesten ganz besonders achten

27. Sie wachen über eure Seelen

28. Die Beziehung zwischen den Ältesten und der Gemeinde verstehen

29. Wie die Hirten-Ältestenschaft funktionieren kann

30. Das Wichtigste in Kürze

ANHANG

„J. N. Darby und die Ältestenfrage“ von Alexander Strauch

Endnoten

Namensverzeichnis

Themenverzeichnis

Bibelstellenverzeichnis

Verzeichnis griechischer Begriffe

Danksagung

Abkürzungen

1. Altes Testament

1. Mose

1Mo

2. Mose

2Mo

3. Mose

3Mo

4. Mose

4Mo

5. Mose

5Mo

Josua

Jos

Richter

Ri

Rut

Rt

1. Samuel

1Sam

2. Samuel

2Sam

1. Könige

1Kö

2. Könige

2Kö

1. Chronik

1Chr

2. Chronik

2Chr

Esra

Esr

Nehemia

Neh

Ester

Est

Hiob

Hi

Psalmen

Ps

Sprüche

Spr

Prediger

Pred

Hohelied

Hl

Jesaja

Jes

Jeremia

Jer

Klagelieder

Kla

Hesekiel

Hes

Daniel

Dan

Hosea

Hos

Joel

Joe

Amos

Am

Obadja

Ob

Jona

Jon

Micha

Mi

Nahum

Nah

Habakuk

Hab

Zefanja

Zef

Haggai

Hag

Sacharja

Sach

Maleachi

Mal

2. Neues Testament

Matthäus

Mt

Markus

Mk

Lukas

Lk

Johannes

Joh

Apostelgeschichte

Apg

Römer

Röm

1. Korinther

1Kor

2. Korinther

2Kor

Galater

Gal

Epheser

Eph

Philipper

Phil

Kolosser

Kol

1. Thessalon.

1Thes

2. Thessalon.

2Thes

1. Timotheus

1Tim

2. Timotheus

2Tim

Titus

Tit

Philemon

Phim

Hebräer

Hebr

Jakobus

Jak

1. Petrus

1Petr

2. Petrus

2Petr

1. Johannes

1Jo

2. Johannes

2Jo

3. Johannes

3Jo

Judas

Jud

Offenbarung

Offb

3. Bibelübersetzungen und -übertragungen

ELB – Elberfelder Bibel (Ausgabe 2006)

EU – Einheitsübersetzung (Ausgabe 2016)

LUT – Lutherbibel (Ausgabe 2017)

MENG – Menge Bibel (Ausgabe 2020)

NeÜ – Neue evangelistische Übersetzung

NGÜ – Neue Genfer Übersetzung (NT und Psalmen)

NLB – Neues Leben. Die Bibel

SLT – Schlachter Bibel (Ausgabe 2000)

ZB – Zürcher Bibel

4. Weitere Bücher

ACT

Ancient Christian Texts (Alte christliche Texte)

BAUER

Bauer, Walter & Aland, Kurt & Aland, Barbara: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6. völlig neu bearb. Auflage, Berlin, New York, 1988

BCBC

Believers Church Bible Commentary

BDAG

Bauer, Walter: A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature, 3. Ausg.; Übers. W. F. Arndt und F. W. Gingrich, überarbeitet und herausgegeben v. Frederick William Danker (Chicago: University of Chicago, 2000)

BNTC

Black’s New Testament Commentary

BTCP

Biblical Theology for Christian Proclamation

CCE

Christ-Centered Exposition

CNTC

Calvin’s New Testament Commentaries

EDNT

Balz, Horst & Schneider, Gerhard (Hg.): Exegetical Dictionary of the New Testament

EGGNT

Exegetical Guide to the Greek New Testament

EGT

Expositor’s Greek Testament

HNTC

Holman New Testament Commentary

ICC

The International Critical Commentary

ITC

The International Theological Commentary on the Holy Scripture of the Old and New Testament

IVPNTCS

InterVarsity Press New Testament Commentary Series

L&N

Louw, Johannes P. & Nida, Eugene A.: Greek-English Lexicon of the New Testament, 2. Ausg.

LCL

Loeb Classical Library

LSJGL

Liddell, H. G. & Scott, R.: Greek-English Lexicon, 9. Ausg.

MNTC

Moffatt New Testament Commentary

NAC

New American Commentary

NICNT

New International Commentary on the New Testament

NIDNTTE

New International Dictionary of New Testament Theology and Exegesis, 2. Ausg.

NIGTC

New International Greek Testament Commentary

NSBT

New Studies in Biblical Theology

NTC

New Testament Commentary

NTT

New Testament Theology

REC

Reformed Expository Commentary

TDNT

Kittel, G. & Friedrich, G. (Hg.): Theological Dictionary of the New Testament; dt. siehe TWNT

TLNT

Spicq, C. & Ernest, J. D. (Übers. & Hg.): Theological Lexicon of the New Testament

TNTC

Tyndale New Testament Commentary

TWNT

Kittel, G. & Friedrichs, G. (Hg.): Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament (Stuttgart: Kohlhammer, 1990)

WBC

Word Biblical Commentary

ZECNT

Zondervan Exegetical Commentary on the New Testament

Vorwort

Der weise König Salomo schrieb einst: „Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren ermüdet den Leib“ (Pred 12,12). Ich möchte hinzufügen, dass das Überarbeiten eines Buches ebenso ermüdend ist. Der vorliegende Band ist (im Englischen) die vierte Auflage dieses Buches, allerdings die zweite große Überarbeitung (1995, 2023). Weshalb aber eine neue Überarbeitung?

Biblische Ältestenschaft wird von Tausenden von Gemeinden weltweit als Lehrbuch für die Ausbildung von Ältesten verwendet. Wie jedes Lehrbuch musste auch dieses im Laufe der Zeit aktualisiert werden.

Ein weiterer Grund für diese Neubearbeitung ist, dass seit der ersten Ausgabe von Biblische Ältestenschaft aus dem Jahr 1995 viele hervorragende Kommentare veröffentlicht wurden. Für den Teil dieses Buches, der sich primär mit der Auslegung von Bibelstellen befasst, war eine Auseinandersetzung mit diesen Kommentaren wichtig, um einen fundierten Beitrag zu den Themen Gemeindeleitung und Ältestenschaft leisten zu können. In diesem Buch wird jede neutestamentliche Stelle über Älteste aufgegriffen, sorgfältig ausgelegt und erläutert. Mein Ziel ist, dass das Neue Testament die Grundlage für unsere Praxis bildet und sie prägt. Biblische Ältestenschaft basiert auf der Überzeugung, dass die von Gott eingegebene Schrift ausreicht, um die Ordnung und Leitung unserer Gemeinden zu regeln.

Da ich seit 1995 mit Hunderten von Gemeindeleitern gesprochen habe, weiß ich ziemlich gut, welche Fragen und Themen sie beschäftigen. In dieser überarbeiteten Fassung kann ich viele dieser Fragen präziser beantworten.

Die ursprünglichen Merkmale, die das Buch Biblische Ältestenschaft einzigartig machten, bleiben erhalten. An der theologischen Ausrichtung des Buches hat sich nichts geändert – nur die Auslegung der relevanten Bibeltexte wurde verbessert, und es enthält mehr praktische Vorschläge, wie Älteste ihrer Verantwortung für die Gesamtgemeinde nachkommen können.

Wie dieses Buch zu verwenden ist

Biblische Ältestenschaft versteht sich als Lehrbuch und Nachschlagewerk, das Fragen zu den Texten der Heiligen Schrift zum Thema Ältestenschaft umfassend beantwortet. Lassen Sie sich von der Heiligen Schrift belehren und Ihre Gedanken dahingehend prägen, was Gott über dieses Thema sagt.

Um Ihnen bei Ihrem Selbststudium zu helfen, habe ich einen Studienführer1 mit Fragen zu jedem Kapitel vorbereitet. Der Studienführer gliedert die Kapitel in überschaubare Einheiten. Dieser Studienführer kann einzeln oder in einer Gruppe bearbeitet werden.

Es gibt auch einen Leitfaden für Lehrer2 mit Antworten auf alle Fragen im Studienführer für jeden, der eine Gruppe leitet. Ich empfehle den Gruppenleitern auf jeden Fall, diesen Leitfaden zu Rate zu ziehen, um sicherzustellen, dass die Fragen richtig beantwortet werden.

Auf der Internetseite www.gesunde-gemeinden.de findet man aus dem Englischen übersetzte Podcasts zum Thema. Diese Podcasts können Ihnen beim Verständnis des Inhaltes des Buches helfen, da für manche Leser unbekannte Konzepte erläutert werden. Außerdem sind dort praktische Vorschläge für eine effektive Arbeit als Ältester zu finden.

Auf der englischen Internetseite www.biblicaleldership.com findet man Podcasts in englischer Sprache zu jedem Kapitel dieses Buches. Diese Podcasts können – sofern man Englisch versteht – beim Durcharbeiten der einzelnen Kapitel helfen. Zu den vielen Ressourcen auf der englischen Webseite gehört auch „The School of the Shepherds“, ein Online-Schulungskurs für aktive und zukünftige Älteste. Dieser Kurs ist eine Ergänzung zu dem Buch Biblische Ältestenschaft. Wir haben auch eine ausführliche Bibliografie zu diesem Thema für Interessierte bereitgestellt. Mögen diese Hilfsmittel nicht den Leib „ermüden“, sondern Nahrung und Freude für den Geist darstellen.

Einführung

„Damit du … in jeder Stadt Älteste einsetzen solltest.“Titus 1,5

Als ich ein Konzert in einer Gemeinde besuchte, bekam ich eine aufschlussreiche Lektion in Sachen Ekklesiologie. Im Foyer dort bemerkte ich eine auffällige Präsentation mit den Porträts und Namen des leitenden Pastors und seiner Assistenzpastoren. Die Bilder waren in einer Pyramide angeordnet, mit dem Pastor an der Spitze. Seine drei Assistenzpastoren befanden sich in der zweiten Reihe, und darunter bildeten die übrigen Mitarbeiter der Gemeinde die Basis der Pyramide. Weiter hinten im Gebäude, in einem angrenzenden Flur, sah ich eine weitere Glasverkleidung mit den Bildern und Namen der Ältesten der Gemeinde. Ich dachte: Was für ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Ältesten verdrängt wurden und in der Gemeinde kaum noch sichtbar sind! Die Leitungsstruktur dieser Gemeinde entspricht nicht der neutestamentlichen Vorstellung von Gemeindeleitung.

Wiederherstellung und Klarstellung

Tausende von Gemeinden auf der ganzen Welt werden durch irgendeine Form von Ältestenschaft geleitet, weil man der Meinung ist, dass dies der biblischen Lehre entspricht. Man hat das richtig erkannt. Leider haben viele dieser Gemeinden eine falsche oder unzureichende Auffassung von der biblischen Lehre über Älteste. Sie haben Leiter, die sie Älteste nennen, aber im Vergleich mit den biblischen Texten muss man feststellen, dass sie nicht wie biblische Älteste handeln.

Vorstandsälteste gegenüber Hirtenältesten

Wenn viele Christen den Begriff „Gemeindeältester“ hören, denken sie an einen offiziell gewählten Vorstand, ehrenamtliche Verantwortungsträger oder einflussreiche Personen innerhalb der Ortsgemeinde. Sie denken an Älteste als Funktionsträger, Spendenbeschaffer, Entscheidungsbefugte oder Berater des Pastors. Ich nenne sie „Vorstandsälteste“. Viele Christen erwarten von ihren Gemeindeältesten gar nicht, dass sie die Heilige Schrift lehren oder sich wie Hirten um einzelne Geschwister kümmern, obwohl ihre eigenen Bibeln genau das lehren.

Man muss nicht Griechisch können oder einen theologischen Abschluss haben, um zu verstehen, dass das Konzept von Vorstandsältesten unvereinbar ist mit der neutestamentlichen Lehre von der Ältestenschaft.

Biblische Älteste

Nach dem Neuen Testament tragen die Ältesten gemeinsam die Verantwortung für die gesamte Gemeinde. Sie lehren das Wort, schützen die Gemeinde vor Irrlehrern, ermahnen und ermutigen die Gläubigen mit gesunder Lehre, beten mit den Kranken und beurteilen Lehrfragen. In biblischen Begriffen ausgedrückt heißt das, dass Älteste die Gemeinde hüten, beaufsichtigen, leiten, verwalten und für sie sorgen. Ich nenne sie deswegen auch gern Hirtenälteste oder Älteste als Gemeindeleiter.3

Biblische Ältestenschaft ist für die örtliche Gemeinde zu wichtig, um sich in solch verwirrenden und unbiblischen Gemeindetraditionen zu verheddern. Dieses Buch soll dazu beitragen, die biblische Lehre von der Ältestenschaft als gemeinsam Verantwortliche für die gesamte Gemeinde wiederherzustellen und präzise zu beschreiben – eine Leitung durch ein Team von biblisch qualifizierten und durch den Geist berufenen Ältesten.

In den folgenden Kapiteln könnten Sie Lehren und Prinzipien entdecken, die Ihnen vielleicht nicht so vertraut sind und die Sie daher womöglich als radikal empfinden mögen. Vielleicht lernen Sie neue Begriffe kennen und vermissen gleichzeitig vertrautes Vokabular und gängige Traditionen Ihrer Denomination. Das ist beabsichtigt, denn ich möchte, durch Gottes Gnade, die Worte und Lehren von Jesus, Paulus, Petrus, Jakobus und Lukas, wie sie im Neuen Testament aufgezeichnet sind, möglichst präzise beschreiben. Wir wollen das Wesen und die Praxis der neutestamentlichen Ältestenschaft verstehen – deshalb trägt das Buch den Titel Biblische Ältestenschaft.

Wenn wir gemeinsam die Heilige Schrift erforschen, sollten wir auf die Stimme des Heiligen Geistes hören, der durch den Text zu uns spricht. Wenn wir an die göttliche Inspiration der Schrift glauben (2Tim 3,16-17; 2Petr 1,20-214), dann muss die Schrift das letzte Wort haben und die Autorität dafür sein, wie unsere Kirchen und Gemeinden funktionieren und geleitet werden sollen.

Eine durch und durch biblische Lehre

Dass mehrere biblisch qualifizierte Älteste die Verantwortung für die gesamte Gemeinde tragen, ist eine durch und durch biblische Lehre. Das wird in dem Teil des Buches, der sich mit Auslegungsfragen beschäftigt (Kapitel 6–28), mehr als deutlich. Ich bin sicher, dass Sie die sorgfältige Exegese der Heiligen Schrift sehr aufschluss- und lehrreich finden werden. Jemand, der die Bibel ernst nimmt, sollte sich immer über eine treue Auslegung der Heiligen Schrift freuen.

Da die Gesamtleitung durch qualifizierte Älteste eine durch und durch biblische Lehre ist, sollte sie nicht ignoriert oder durch geschickte Neuinterpretation aufgehoben werden. Die Ältestenschaft ist nicht, wie manche behaupten, „ein neues und subversives Konzept, das das Leben der Gemeinde bedroht“5 oder gar eine Irrlehre, die man tunlichst vermeiden sollte. Diejenigen, die so etwas behaupten, haben sich nie ernsthaft damit auseinandergesetzt, was die Bibel über den Ältestendienst zu sagen hat (Älteste werden im Alten Testament über 100-mal erwähnt), oder sie lassen sich durch ihre konfessionellen Traditionen blenden (die viel zu oft Vorrang vor der Heiligen Schrift haben).

Offenkundig biblisch

Die Hauptmerkmale der Ältestenschaft werden von den Autoren des Neuen Testaments klar dargelegt. J. Alec Motyer, ehemaliger Rektor des Trinity College in Bristol, England, beschreibt das wahre Wesen des Neuen Testaments und stellt fest:

Ganz anfänglich, in den Zeiten der Apostel, war es üblich, in jeder Gemeinde Älteste einzusetzen. Im Neuen Testament findet man noch nicht einmal eine Andeutung, dass die Gemeinde jemals eine andere örtliche Leitung als die der Ältestenschaft bräuchte – oder auch nur wollen oder dulden sollte.6

Aus der Heiligen Schrift erfahren wir, dass das Neue Testament (1) die Existenz von Ältesten in zahlreichen Gemeinden dokumentiert, (2) Anweisungen bezüglich der Ältesten gibt und (3) den Ältesten persönlich Anweisungen gibt. Tatsächlich enthält das Neue Testament mehr Anweisungen zum Thema Ältestenschaft als zu anderen wichtigen Gemeindethemen wie dem Abendmahl, dem Sonntag, der Taufe oder den Geistesgaben.

Mehrere Ältesten als festes Prinzip in den ersten Gemeinden

Ein kurzer Überblick über die neutestamentlichen Aussagen zu diesem Thema ist hilfreich. Im Neuen Testament wird in fast allen neu gegründeten Gemeinden eine Leitungsverantwortung durch ein Ältestengremium erwähnt. Diese lokalen Gemeinden waren über ein weites geografisches Gebiet mit großer kultureller Vielfalt verteilt. Man beachte das durchgängige Muster von Gemeindeleitung durch mehrere Älteste, wie es im Neuen Testament dokumentiert ist.

• Älteste gab es in den Gemeinden in Judäa und Umgebung (Apg 11,30; Jak 5,14-15).

• Älteste leiteten die Gemeinde in Jerusalem (Apg 15,1-29; 21,17-26).

• Bei den von Paulus gegründeten Gemeinden findet man eine Leitung durch mehrere Älteste in den Gemeinden von Derbe, Lystra, Ikonium und Antiochia (Apg 14,23), in der Gemeinde in Ephesus (Apg 20,17; 1Tim 3,1-7; 5,17-25), in der Gemeinde in Philippi (Phil 1,1) und in den Gemeinden auf der Insel Kreta (Tit 1,5).

• Laut dem 1. Petrusbrief, der einen geografisch weit verzweigten Empfängerkreis vorweist, gab es in den Gemeinden im gesamten nordwestlichen Kleinasien Älteste: Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien (1Petr 1,1; 5,1-5).

• Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es in den Gemeinden in Thessalonich (1Thes 5,12) und Rom Älteste gab (Hebr 13,17).

Anweisungen an die Gemeinden in Bezug auf Älteste

Das Neue Testament enthält nicht nur Beispiele von Gemeinden, die von Ältesten geleitet wurden, sondern auch ausdrückliche Anweisungen an diese Gemeinden, wie sie für die Ältesten sorgen, sie schützen, sie zurechtweisen, einsetzen, wiederherstellen, ihnen gehorchen und sie berufen sollen. Die Apostel wollten, dass diese Anweisungen ernst genommen und befolgt werden.

• Jakobus weist die Kranken an, die Ältesten der Gemeinde zu rufen (Jak 5,14).

• Paulus weist die Gemeinde in Ephesus an, besonders die Ältesten finanziell zu unterstützen, die „in Wort und Lehre arbeiten“ (1Tim 5,17-18).

• Paulus gebietet der Ortsgemeinde, Älteste vor falschen Anschuldigungen zu schützen, in Sünde gefallene Älteste öffentlich zurechtzuweisen und gefallene Älteste zu rehabilitieren (1Tim 5,19-22).

• Paulus belehrt die Gemeinde über die richtigen Qualifikationen für den Ältestendienst (1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9).

• Der Gemeinde in Ephesus sagt Paulus, dass jemand, der den Wunsch hat, Ältester zu werden, ein schönes Werk begehre (1Tim 3,1).

• Paulus weist die Gemeinde an, die Qualifikationen der Ältestenkandidaten zu prüfen (1Tim 3,10; 5,22-25).

• Petrus weist die jungen Männer der Gemeinde an, sich den Ältesten der Gemeinde unterzuordnen (1Petr 5,5).

• Der Schreiber des Hebräerbriefs weist seine Leser an, den Anführern/Ältesten zu gehorchen und sich ihnen unterzuordnen (Hebr 13,17).

• Paulus lehrt, dass die Ältesten der Ortsgemeinde als Verwalter, Leiter, Ausbilder und Lehrer dienen (Tit 1,7; 1Thes 5,12; Tit 1,9).

• Paulus weist die Gemeinde an, ihre Ältesten anzuerkennen, zu lieben und mit ihnen in Frieden zu leben (1Thes 5,12-13).

Direkt an die Ältesten gerichtete Anweisungen und Ermahnungen

Paulus, Petrus und Jakobus geben auch den Ältesten unmittelbare Anweisungen:

• Jakobus fordert die Ältesten auf, für Kranke zu beten und sie mit Öl zu salben (Jak 5,14).

• Petrus beauftragt die Ältesten unmittelbar mit der Aufgabe, sich um die Geschwister der Ortsgemeinde zu kümmern und sie zu leiten (1Petr 5,1-2).

• Petrus warnt die Ältesten davor, herrschsüchtig aufzutreten (1Petr 5,3).

• Petrus verspricht den Ältesten, dass sie bei der Wiederkunft des Herrn Jesus „den unverwelklichen Siegeskranz der Herrlichkeit empfangen“ werden (1Petr 5,4).

• Petrus ermahnt die Ältesten, sich in Demut zu kleiden (1Petr 5,5).

• Paulus erinnert die Ältesten in Ephesus daran, dass der Heilige Geist sie in der Gemeinde als Aufseher eingesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten (Apg 20,28).

• Paulus ermahnt die Ältesten, die Gemeinde vor falschen Lehrern zu schützen (Apg 20,28) und auf die ständige Bedrohung durch deren falsche Lehren zu achten (V. 31).

• Paulus erinnert die Ältesten daran, fleißig zu arbeiten, den Schwachen zu helfen und wie der Herr Jesus Christus großzügig zu sein (Apg 20,35).

• Paulus ermahnt die Ältesten, in Frieden mit der Gemeinde zu leben (1Thes 5,13).

Wenn man bedenkt, dass eines der Merkmale des Neuen Testaments (im Vergleich zum Alten Testament) darin besteht, dass man detaillierte Vorschriften und Regeln für die Abläufe des Gemeindelebens vergeblich sucht, überrascht es umso mehr, wie viel Aufmerksamkeit den Ältesten gewidmet wird. „Deshalb“, schreibt der Theologe Jon Zens, „müssen wir uns ernsthaft mit der Lehre von der Ältestenschaft befassen; sie springt uns aus den Seiten des Neuen Testaments förmlich entgegen, und doch ist sie in Verruf geraten und wird insgesamt in den Gemeinden nicht praktiziert“7.

Drei Kernelemente biblischer Ältestenschaft

Zu Beginn unserer Analyse stechen aus den Seiten des Neuen Testaments drei Merkmale einer biblisch definierten Ältestenschaft deutlich hervor: (1) verantwortliche pastorale Leitung, (2) gemeinsame Leitung (Pluralität) und (3) qualifizierte Leitung. Ich werde hier nur kurz auf diese Punkte eingehen. In den Kapiteln 2 bis 5 wird jedes dieser drei Themen ausführlicher behandelt.

Pastorale Leitung durch Älteste

Ein wesentliches Merkmal biblischer Ältestenschaft ist, dass sie die Verantwortung für die Gemeinde trägt. In einem letzten persönlichen Treffen von Paulus und den Ältesten von Ephesus erinnerte Paulus die Ältesten daran, dass der Heilige Geist sie als „Aufseher“ eingesetzt hatte, mit dem ausdrücklichen Ziel, die Gemeinde Gottes zu hüten/leiten.

Habt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines eigenen Sohnes. (Apg 20,28)

In seinem Brief befiehlt Petrus den Ältesten der Gemeinden in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien, die Herde Gottes zu hüten:

Die Ältesten, die unter euch sind, ermahne ich als Mitältester … Hütet die Herde Gottes bei euch, indem ihr nicht gezwungen, sondern freiwillig Aufsicht übt. (1Petr 5,1-2; SLT)

Da die beiden bedeutendsten Apostel die Ältesten – und keine andere Person oder Gruppe – beauftragt haben, die Herde Gottes zu hüten, kann man daraus schließen, dass die Ältesten nach biblischen Maßstäben für die Aufsicht über die einzelne Herde verantwortlich sind, die Gott ihnen zugewiesen hat (vgl. 1Petr 5,3).

Darüber hinaus sollen die Ältesten in ihrer Arbeit von einer Gruppe qualifizierter Diakone, also von „qualifizierten Assistenten“, unterstützt werden (Phil 1,1; 1Tim 3,8-13; siehe Kapitel 11).

Als Hirte leiten

Für die Apostel bedeutet Leitung, dass man wie ein Hirte leitet. Anders als man Leitung aus der Wirtschaft oder im Geschäftsleben kennt, bedeutet dies, dass man die Heilige Schrift lehrt, vor Irrlehrern schützt, evangelisiert, seelsorgerlich tätig ist, sich um die vielen praktischen Bedürfnisse der Herde kümmert und den Menschen ein Leben in Christus vorlebt.

Die Leitung als Hirte verbindet auf wunderbare Weise die Konzepte von Autorität und Leitung mit Opferbereitschaft, liebevoller Fürsorge und sehr persönlichen Beziehungen. Mehr noch, sie orientiert sich am Leben des „Guten Hirten“, der bereitwillig sein Leben für die Schafe gab (vgl. Joh 10,11).

Timothy Witmer, Autor des Buches The Shepherd Leader (dt. etwa: Der Leiter als Hirte), traf den Nagel auf den Kopf, als er schrieb: „Sie werden sehen, dass das Konzept ‚Hirtendienst‘ das Herzstück des biblischen Bildes von Leiterschaft ist.“8

Gemeinsam ausgeübte Leitung durch Älteste

Die gemeinsame Leitung, auch Pluralität der Leiterschaft genannt, sollte für einen Christen, der die Bibel kennt, kein neues Konzept sein. Während der gesamten alttestamentlichen Geschichte des Volkes Israel war dies eine grundlegende Leitungsstruktur.

Jesus gab uns eine gemeinsam ausgeübte Leitung

Aber noch bedeutender ist, dass unser Herr selbst das erste Führungsteam ernannte. Eine immens wichtige und oft übersehene Tatsache ist, dass unser Herr nicht einen einzelnen Mann zum Leiter seiner Gemeinde ausgebildet und ernannt hat. Jesus gab uns mit den zwölf Aposteln eine plurale Leitung – nicht einen leitenden Apostel, der von elf Assistenten begleitet wird, sondern zwölf Apostel, die alle gleichermaßen Apostel sind und als Einheit zusammenarbeiten, um die erste christliche Gemeinschaft zu leiten und zu lehren. Jesus Christus gab der Gemeinde eine gemeinsam ausgeübte Leitung.

Die Apostel gaben uns eine gemeinsam ausgeübte Leitung

Das Neue Testament zeigt, dass die Aufsicht über die ersten Gemeinden einem Ältestenrat übertragen wurde. Wie die zwölf Apostel bildeten auch die Ältesten ein kollektives Leitungsgremium.

Sowohl zu Beginn als auch am Ende des Dienstes von Paulus ernannte er ein Team von qualifizierten Ältesten (oder wies andere dazu an), um die von ihm gegründeten Gemeinden zu leiten (Apg 14,23; Tit 1,5). Auf der Ebene der Ortsgemeinden zeigt das Neue Testament eindeutig ein einheitliches Muster gemeinsam ausgeübter pastoraler Leitung. Daher ist die Leitung durch ein Team von Ältesten eine biblisch begründete Praxis.

John Murray, einer der Gründungsprofessoren des Westminster Theological Seminary, der außerdem ein angesehener Theologe und Bibelkommentator war, formulierte es so: „Pluralität wird auf den Seiten des Neuen Testaments ganz großgeschrieben, und Singularität trägt das Siegel der Missachtung dessen, was Christus eingesetzt hat.“9 Mit anderen Worten: Die Führung der Gemeinde durch eine Einzelperson („Singularität“) zeigt, dass man die von Christus eingesetzte Leitung durch ein Ältestengremium, d. h. durch mehrere Hirten, missachtet.

Gleichheit und funktionale Vielfalt innerhalb der Ältestenschaft

Obwohl alle Ältesten denselben Dienst10, denselben Titel und dieselbe Hirtenaufgabe haben, gibt es zugleich eine große Vielfalt an geistlichen Begabungen, Lebenserfahrungen und der individuellen Führung durch den Herrn bei jedem einzelnen Ältesten. Nicht alle Ältesten einer Ältestenschaft sind in gleichem Maße zeitlich verfügbar oder besitzen die gleichen rhetorischen Fähigkeiten, Führungsqualitäten, biblischen Kenntnisse oder die gleiche Lehrbegabung.

Die Schrift offenbart, dass es Unterschiede zwischen den Ältesten gibt, ohne dass eine formelle Hierarchie oder ein weiterer Dienst geschaffen wird:

Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre gewürdigt werden, besonders die in Wort und Lehre arbeiten. Denn die Schrift sagt: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“, und: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert“. (1Tim 5,17-18)

Älteste, die gut leiten, und besonders diejenigen, die viel Fleiß und Mühe in Predigt und Lehre investieren, verdienen „doppelte Ehre“, was auch eine finanzielle Entschädigung einschließen kann. Die Schrift ermöglicht eine funktionale, auf Gaben basierende Vielfalt innerhalb der Ältestenschaft, ohne ein offizielles Amt zu schaffen, das den anderen Ältesten übergeordnet ist.

Somit findet man beim Ältesten-Konzept sowohl die Gleichheit der Positionen (Parität) als auch die funktionale Vielfalt der Begabungen. So können Älteste einer Gemeinde und dem Ältestenteam in Teilzeit dienen, manche vielleicht auch in Vollzeit. Die Gleichheit des Dienstes und die funktionale Verschiedenheit der Begabungen zeigt sich ganz deutlich bei den zwölf Aposteln (Petrus, Jakobus und Johannes heben sich als die führenden Köpfe unter ihren Mitaposteln ab, und von diesen dreien insbesondere Petrus). In Kapitel 3 werden Gleichheit und funktionale Vielfalt innerhalb der Ältestenschaft und des Apostelamtes ausführlicher erläutert.

Qualifizierte Leitung durch Älteste

Eine biblische Ältestenschaft erfordert nach biblischen Kriterien qualifizierte Älteste. Das Neue Testament lässt in diesem Punkt keine Missverstände aufkommen. Tatsächlich enthält das Neue Testament viel mehr Anweisungen, die die Qualifikationen für Ältestenschaft betreffen, als zu jedem anderen Aspekt der Ältestenschaft.

Die Listen der Qualifikationen

1. Timotheus 3,1-7

Titus 1,6-9

1. Petrus 5,1-5

1. untadelig

1. untadelig

1. nicht aus Zwang

2. Mann einer Frau

2. Mann einer Frau

2. freiwillig

3. nüchtern

3. Kinder sind gläubig [oder treu, vgl. SLT]

3. nicht aus schändlicher Gewinnsucht

4. besonnen

4. nicht eigenmächtig

4. bereitwillig

5. anständig

5. nicht jähzornig

5. nicht herrschend

6. gastfrei

6. nicht dem Wein ergeben

6. als Vorbild der Herde

7. lehrfähig

7. nicht ein Schläger

 

8. kein Trinker

8. nicht schändlichem Gewinn nachgehend

 

9. kein Schläger

9. gastfrei

 

10. milde

10. das Gute liebend

 

11. nicht streitsüchtig

11. besonnen

 

12. nicht geldliebend

12. gerecht

 

13. steht dem eigenen Haus gut vor … hält Kinder in Unterordnung

13. heilig

 

14. nicht ein Neubekehrter

14. enthaltsam

 

15. ein gutes Zeugnis von Außenstehenden

15. hält an dem der Lehre gemäßen zuverlässigen Wort fest

 

 

• ist fähig, mit der gesunden Lehre zu ermahnen

 

 

• ist fähig, Widersprechende zu überführen

 

Die Dienste in Gottes Gemeinde sind keine Ehrenämter, die an Personen vergeben werden, die die Gemeindeveranstaltungen treu besucht haben oder die schon im Seniorenalter sind. Es sind auch keine Sitze in einem Vorstand, die von einem bestimmten Freundeskreis, wohlhabenden Spendern oder charismatischen Persönlichkeiten besetzt werden. Es sind auch keine Dienste, die nur mit Bibelschulabsolventen besetzt werden könnten. Der Dienst des Gemeindeältesten steht grundsätzlich allen Männern offen, die die biblischen Qualifikationen erfüllen. In Kapitel 5 werden wir uns mit der biblischen Lehre über die durch Männer ausgeübte Leitung im eigenen Haus und in der Gemeinde befassen.

Gemeinden, die gern den Ältestendienst einführen wollen, begehen oft den Fehler, dass sie Männer einsetzen, die nach biblischen Maßstäben nicht dazu qualifiziert sind. Da es oft einen großen Mangel an Hirten und Leitern gibt, besteht die Versuchung, unqualifizierte und unvorbereitete Männer mit in die Gemeindeleitung hineinzunehmen. Aber das ist eine altbekannte Strategie für Misserfolg und zieht langfristige Probleme nach sich.

Eine Einordung

Im Folgenden werde ich kurz fünf bekannte Sichtweisen über Gemeindeleitung auflisten (auch als Kirchenordnung, Kirchenstruktur oder Kirchenrecht bezeichnet). Dies soll darstellen, wie sich das Konzept einer Gemeindeleitung durch mehrere Älteste im Gesamtgefüge des weltweiten Leibes Christi einordnen lässt und wie es zu anderen Ansichten über Gemeindeleitung passt. Dabei orientiere ich mich an der ausgezeichneten Gliederung aus dem Buch Perspectives on Church Government: Five Views of Church Polity, herausgegeben von Chad O. Brand und R. Stanton Norman.11 Die fünf Ansichten lauten:

1. „Die nur von einem einzelnen Ältesten geleitete Gemeinde: Das biblische Zeugnis für eine kongregationale/Ein-Ältester-Gemeindeordnung“

2. „Die presbyterianisch geleitete Gemeinde: Presbyterianische Leitung“

3. „Die von den Mitgliedern geleitete Gemeinde: Kongregationale Leitung“

4. „Die von einem Bischof geleitete Gemeinde: Die bischöfliche oder anglikanische Leitung – bekräftigt, abgewogen und verteidigt“

5. „Die von mehreren Ältesten geleitete Gemeinde: Die Pluralität der Ältesten als das von Christus eingesetzte Mittel der Gemeindeleitung“

Wie aus dem Titel hervorgeht, wird in Biblische Ältestenschaft die Sicht vertreten, dass die Gemeinde von mehreren Ältesten geleitet werden soll. Von den oben genannten fünf Positionen ist diese Sicht der Gemeindeleitung die am wenigsten bekannte oder praktizierte. Obwohl sie vielen unbekannt ist und von einigen als zu radikal abgelehnt wird, ist diese Sichtweise mehr als jede andere tief in den Worten und der Theologie der Heiligen Schrift verankert. Das wird im Laufe des Auslegungsteils dieses Buches (Kapitel 6–28) mehr als deutlich werden.

Keine andere Ansicht wird von so vielen direkten Aussagen der Heiligen Schrift gestützt wie die Ansicht, dass es mehrere Älteste in einer Gemeinde geben soll. In der Tat gibt es acht Kernstellen, die sich direkt mit der Position, den Aufgaben und der Autorität der Gemeindeältesten befassen (Apg 14,23; 20,17-38; Phil 1,1; 1Tim 3,1-7; 5,17-25; Tit 1,5-9; Jak 5,14-15; 1Petr 5,1-5). Diese acht zentralen Lehrtexte sollten der Ausgangspunkt für das Verständnis der biblischen Lehre von der Gemeindeleitung sein.

Ich habe mich immer gewundert, wie leichtfertig die klaren, eindeutigen Aussagen der Schrift über Älteste mit den Worten beiseitegeschoben werden, sie seien für die heutige Zeit irrelevant. Oder sie werden auf geschickte Weise so uminterpretiert, dass etwas völlig anderes herauskommt, als die klaren Aussagen der Texte der Heiligen Schrift tatsächlich sagen.

Während meines Theologie-Studiums an einem Bibelseminar wurde mein wachsendes Interesse an diesem Thema energisch infrage gestellt. In einem Kurs über Gemeindeordnung wurde die Idee einer von Ältesten geleiteten Gemeinde hartnäckig abgelehnt, ja, sogar verhöhnt. In einer Vorlesung fragte ich den Professor: „Aber was machen Sie mit all den biblischen Texten, in denen von Ältesten im Plural die Rede ist?“

Zu meinem Erstaunen antwortete er prompt: „Dass es zahlreiche Texte über Ältestenschaft gibt, bedeutet nichts!“ Ich dachte mir (hatte aber nicht den Mut, es zu sagen): „Nun, wenn zahlreiche Textpassagen über Älteste nichts bedeuten, was bedeutet dann eigentlich etwas? Vielleicht Ihre nicht vorhandenen Texte über einen ordinierten Klerus?“

Es wurde schnell deutlich, dass die Sicht einer brüderlichen Gesamtleitung durch ein Gremium qualifizierter Ältester an dem Bibelseminar rundweg als Irrlehre abgelehnt wurde, als zu radikal und nicht praktikabel.

Obwohl es sich eigentlich um ein konservatives theologisches Seminar handelte, hatten Dozenten und Studenten gleichermaßen die grundlegenden Prinzipien der Bibelauslegung (Hermeneutik) aufgegeben: Die klaren, zentralen Lehrtexte haben Vorrang vor sekundären, unklaren, nicht eindeutigen Passagen.12 Die acht zentralen Lehrtexte über die Gemeindeleitung durch qualifizierte Älteste wurden als irrelevant beiseitegeschoben. Dagegen wurde den nicht eindeutigen, unklaren, sekundären Passagen Vorrang vor den zentralen Lehrtexten eingeräumt. Das ist schlechte Hermeneutik.

Diese und ähnliche Erfahrungen bestärkten mich jedoch in meiner zunehmenden Überzeugung, dass Ältestenschaft eine biblisch fundierte Lehre ist, die von den meisten Gemeinden entweder ignoriert oder so uminterpretiert wird, dass sie in ihre eigenen vertrauten konfessionellen Traditionen passt.

Ich hoffe, dass dieses Buch uns helfen wird, die biblische Lehre von der Gemeindeleitung durch ein Gremium biblisch qualifizierter, vom Geist berufener Ältester präziser zu verstehen. Oder, wie Albert N. Martin es auf den Punkt brachte: „Der normale biblische Entwurf für Leitung sind mehrere biblisch qualifizierte Leiter, die in echter Parität und realistischer, harmonischer, funktionaler Vielfalt zusammenarbeiten.“13

Gott wird durch die Bemühungen seines Volkes geehrt, wenn biblische Lehren, die lange Zeit ver- oder missachtet wurden, wiederentdeckt und erneuert werden, um so im Gehorsam gegenüber seinem göttlich inspirierten Wort zu leben.

Die einzigartigen Lehren Jesu Christi über Leiterschaft

Bevor wir untersuchen, was der Geist Gottes über die verantwortlich leitende Ältestenschaft sagt, müssen wir zunächst die charakteristischen neuen Leitungsprinzipien untersuchen, die Jesus Christus gelehrt hat: Demut, Dienstbereitschaft, brüderliche Gleichheit und christusähnliche Liebe. Wir bezeichnen diesen Führungsstil oft als „dienende Leiterschaft“. Um christliche Leitung zu verstehen und zu wissen, wie Älteste als Leitungsteam zusammenarbeiten sollen, müssen wir die unserer Kultur so gegenläufige Lehre Jesu über „dienende Leiterschaft“ untersuchen. Wir wenden uns nun diesen erstaunlichen und zeitlosen Prinzipien zu.

Wiederherstellung der neutestamentlichen Ältestenschaft

1

Neue Leitungsprinzipien

Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, dass auch ihr tut, wie ich euch getan habe.Johannes 13,14-15

Stellen Sie sich vor, ein Bestseller-Autor schreibt einen Roman über das Leben eines perfekten Menschen. Dieser perfekte Mensch ist frei von Fehlern, Lastern, schweren Sünden, Charakterschwächen, unangenehmen Eigenarten und egoistischen Wünschen. Jedes Wort, das er sagt, ist perfekt, jede Entscheidung ist vollkommen, jede Reaktion auf andere Menschen ist perfekt. Ein solcher Roman wäre sonderbar. Keiner würde die Existenz eines solch perfekten Menschen ernst nehmen.

Aber genau so jemanden stellen die vier Evangelien-Schreiber der Welt vor: eine vollkommen perfekte Person – den unvergleichlichen Herrn Jesus Christus. Er allein ist sündlos, fehlerlos und hat einen einwandfreien Charakter. Er lebte im vollkommenen Gehorsam gegenüber Gott und dem Gesetz Gottes.

Als der vollkommene Sohn Gottes ist er der einzige vollkommene Lehrer, der jemals auf dieser Erde gelebt hat. Denken Sie mal darüber nach! Alle anderen Lehrer sind unvollkommen und erzählen in irgendeiner Weise manchmal etwas Falsches. Jesus hat niemals ein falsches Wort gesagt, ungenaue Informationen weitergegeben oder sich in irgendeiner Weise geirrt. Darum heißt er „Treu und Wahrhaftig“ und „das Wort Gottes“ (Offb 19,11.13).

Deshalb sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder … denn einer ist euer Meister, der Christus“ (Mt 23,8.10). Alle treuen christlichen Lehrer lehren nur das, was ihr Lehrer, Jesus, gelehrt hat (vgl. Mt 28,19-20), und was er gelehrt hat, wurde im Neuen Testament offenbart.

Die Menschen, die Jesus Christus sahen und hörten, waren vor allem darüber erstaunt, dass seine Lehre „neu“ war und mit „Vollmacht“ gesprochen wurde. Markus berichtet, dass die Menschen „überrascht und erschrocken“ waren, sodass „sie sich gegenseitig fragten: ‚Was ist das? Eine neue Lehre mit göttlicher Vollmacht?‘“ (Mk 1,27; NeÜ). Der Inhalt seiner neuen Lehre könnte mit „neuem Wein“ verglichen werden, der in „neue Schläuche“ gefüllt wurde (Mt 9,17).

Eine der interessantesten und revolutionärsten aller neuen Lehren Christi war, wie er die traditionelle Führungspyramide umkehrte, bei der die Menschen an der unteren Basis der Pyramide dem Leiter an der Spitze dienen. In Christi Reich sind Führungspositionen und die Ausübung von Autorität mit Demut, Dienstbereitschaft, Brüderlichkeit und der Liebe Christi verbunden. Diese neue, der Kultur entgegengesetzte Lehre liefert die grundlegenden Prinzipien für unser Nachdenken über neutestamentliche Älteste und christliche Leitung im Allgemeinen.

Jesus lehrte nicht nur eine neue Palette von Tugenden und Grundsätzen für das Verhältnis zwischen Leitern und Nachfolgern, er prangerte auch kühn die religiösen Lehrer seiner Zeit an, die ihre Autorität missbrauchten und ihre Religiosität öffentlich zur Schau stellten. Jesus verbot seinen Nachfolgern, sich wie die „Könige der Heidenvölker“ zu verhalten, die ihre Autorität und Macht über das Volk für ihre eigenen egoistischen Ziele missbrauchten. Zu seinen Jüngern sagte er: „Ihr aber sollt nicht so sein“ (Lk 22,26; SLT).

Jesus gab uns aber nicht nur neue Grundsätze für die Beziehung zwischen Leitern und Nachfolgern und verbot uns, uns wie weltliche Herrscher zu verhalten – er gab uns mit den zwölf Aposteln auch eine Leitung auf der Grundlage von Pluralität. Und damit werden wir uns nun befassen.

Die Ausbildung der Zwölf

Gleich zu Beginn seines öffentlichen Wirkens wählte Jesus eine Gruppe von zwölf Männern aus, die er ausbilden wollte. Er tat dies, damit sie nach seinem Weggang seinen Dienst und sein Lehren fortsetzen konnten. In einem Kommentar über die „höchste Bedeutung … der Ausbildung der Zwölf“, schreibt A. B. Bruce in seinem klassischen Werk The Training of the Twelve:

Der große Gründer des Glaubens wollte nicht einfach Jünger hinter sich sammeln, sondern Männer um sich haben, die er ausbilden konnte, um andere zu Jüngern zu machen. Sowohl aus seinen Worten als auch aus seinen Taten können wir erkennen, dass er diesem Teil seines Werkes, der in der Ausbildung der Zwölf bestand, höchste Bedeutung beimaß. Im hohepriesterlichen Gebet [Joh 17,6] z. B. spricht er von der Ausbildung, die er diesen Männern gegeben hatte, als wäre sie der Schwerpunkt seines eigenen irdischen Dienstes gewesen. Und das war sie in gewissem Sinne auch. Die sorgfältige, gewissenhafte Ausbildung der Jünger stellte sicher, dass der Einfluss des Lehrers auf diese Welt von Dauer sein würde.14

Übersehen Sie nicht diesen offensichtlichen, aber bedeutenden Punkt: Jesus Christus hat nicht einen einzelnen Mann erwählt und ausgebildet, der seinen Platz einnehmen oder König oder Herrscher über sein Volk sein soll. Stattdessen erwählte Jesus ein Team von zwölf Männern und bildete jeden einzelnen sorgfältig aus, damit sie die neu gegründete Familie von Brüdern und Schwestern gemeinschaftlich leiten und belehren.

Jesus Christus gab uns das Konzept von Pluralität auf Führungsebene.a Aber Jesus hat nicht nur das erste christliche Leitungsteam eingesetzt, sondern er vermittelte diesen Männern auch die Grundsätze, die für eine effektive Zusammenarbeit als christliche Brüder notwendig sind.

Die Herzen und den Sinn der Jünger verändern

Beim Lesen der vier Evangelien wird deutlich, dass die zwölf Jünger wirklich in keiner Weise dafür bereit waren, ohne Jesus weiterzumachen. Sie hatten ein völlig falsches Wertesystem und ein verkehrtes Verständnis vom Reich Gottes. Sie verhielten sich nicht anders als die sich selbst dienenden römischen und jüdischen Herrscher ihrer Zeit. Sie stritten sich ständig darüber, wer von ihnen der „Größte“ oder „Erste“ sei. Wer würde neben Jesus in dessen herrlichem Königreich die höchsten Throne einnehmen? Wer hätte Anspruch auf den Platz unmittelbar neben Jesus am Tisch? Wer war der Chef? Sie wetteiferten untereinander um den ersten Platz und die höchsten Ehren.

Mit ihren bisherigen Denkweisen wäre eine weitere Zusammenarbeit als Brüderteam zum Scheitern verurteilt gewesen. Ohne die neuen, von Jesus eingeführten Verhaltensgrundsätze und ohne die Kraft des Heiligen Geistes wären die zwölf Jünger dazu verdammt gewesen, sich zu streiten und zu spalten.

Um ihre egozentrische Einstellung zu verändern und sie darauf vorzubereiten, als effektives Führungsgremium harmonisch zusammenzuarbeiten, definierte Jesus ihre Vorstellungen von Größe und Leitung auf eine Weise neu, die allem, was sie bisher erlebt hatten, völlig zuwiderlief.

Wenn wir uns eingehend mit dem Thema Ältestenschaft befassen möchten, müssen wir uns zunächst mit den beispiellosen Lehren unseres Herrn Jesus Christus über Demut, demütige Dienstbereitschaft, brüderliche Gleichheit und christusähnliche Liebe beschäftigen. Diese Grundlagen muss man richtig verstehen. Denn sie sind das Fundament für alles andere, was wir in diesem Buch besprechen werden.

1. Demut

Der größte Leiter und Lehrer, der jemals auf dieser Erde gelebt hat, beschrieb sich selbst als sanftmütig15 und demütig16:

Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und „ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. (Mt 11,28-30)

Wie sich Jesus selbst offenbart, steht in direktem Gegensatz zu den hochmütigen, rücksichtslosen religiösen Anführern seiner Zeit, mit ihren unterdrückenden, von Menschen gemachten Regeln. Jesus offenbart hier auf außergewöhnlicher Weise, dass sein Herz sanftmütig und bescheiden (demütig) ist. Seine Sanftmut und Demut kann man daran erkennen, dass sich Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu ihm hingezogen fühlten – Männer und Frauen, Junge und Alte, Reiche und Arme, Mächtige und Unterdrückte. Zu ihnen sagte er: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen!“

Frauen und Kinder fühlten sich in seiner Nähe wohl. Mütter wollten, dass er ihre Kinder berührte und segnete. Jesus war zugänglich, verständnisvoll und demütig, niemals arrogant oder selbstherrlich. Er aß und trank mit den Unberührbaren der Gesellschaft, mit Menschen, mit denen die religiöse Führungsschicht niemals verkehrt hätte. Der Person des Herrn Jesus Christus merkte man sein liebenswürdiges Wesen und seine sanfte Herzenshaltung deutlich an. Und dieser Charakter sollte genauso durch uns hindurchstrahlen.

Wie Jesus, dessen Vorbild wir nacheifern wollen, sollten wir als Leiter und in allen unseren Beziehungen zu unseren Brüdern und Schwestern sanftmütig und demütig sein. Verwechseln Sie jedoch Sanftmut und Demut nicht mit Schwäche, Passivität oder Furchtsamkeit. Kein Mensch auf dieser Erde hatte einen stärkeren moralischen Charakter, mehr Mut, Selbstbeherrschung und intellektuelle Kraft als der Herr Jesus Christus. Doch gleichzeitig war er sanft und demütig. Ein solch ausgewogener Charakter ist das Zeichen wahrer Größe. Als sanftmütiger und demütiger Herr lehrte er seine Jünger, gegenüber ihren Mitmenschen als demütige Diener aufzutreten.

Wer ist der Erste und Größte? Markus 9,33-37

Das erste Mal, dass sich die Jünger darüber stritten, wer von ihnen der „Größte“ sei, war unmittelbar nach der Leidensvorhersage Jesu über seinen erniedrigenden Tod durch die Hand böser Menschen (vgl. Mk 9,30-32). Jesus spricht von seiner Kreuzigung, aber sie können nur an sich selbst und ihre eigene Stellung innerhalb der Gruppe denken. Wie wenig sie doch die Gesinnung ihres Herrn verstanden hatten:

Und sie kamen nach Kapernaum, und als er im Hause war, fragte er sie: Was habt ihr unterwegs besprochen? Sie aber schwiegen; sie hatten nämlich auf dem Weg miteinander darüber gesprochen, wer der Größte sei. Und er setzte sich, rief die Zwölf, und er spricht zu ihnen: Wenn jemand der Erste sein will, soll er der Letzte von allen und aller Diener sein. Und er nahm ein Kind und stellte es in ihre Mitte; und er nahm es in seine Arme und sprach zu ihnen: Wer eins von solchen Kindern aufnehmen wird in meinem Namen, nimmt mich auf; und wer mich aufnehmen wird, nimmt nicht mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.(Mk 9,33-37; vgl. Mt 18,1-4; Lk 9,46-48)

Die Jünger waren vollends mit der Frage beschäftigt, wer der „Größte“ oder „Erste“ unter ihnen sei. Sie wollten wissen, welchen Status sie innerhalb ihrer Gruppe hatten, wie die Leute sie individuell sahen und wer unter ihnen den ersten Platz einnehmen würde.

Das Paradoxon

Jesus beantwortete diese uralte Frage mit dieser inzwischen berühmten paradoxen Aussage: „Wenn jemand der Erste sein will, soll er der Letzte von allen und aller Diener sein“ (Mk 9,35).

Hier beginnt Jesus, das Denken seiner Jünger über Größe, Leitung, Jüngerschaft und das Zusammenleben in der Gemeinschaft der Nachfolger Christi zu verändern. Als meisterhafter Lehrer verwendet Jesus eine Sprachfigur, die man Paradoxon nennt. Das ist eine Aussage, die der allgemeinen Erfahrung widerspricht oder sogar absurd erscheint, aber eine tiefere Wahrheit vermittelt.17

Diese Letzter-Erster-Aussagen scheinen der vorherrschenden Meinung zu widersprechen, aber im Reich Christi sind sie zutiefst wahr. „Markus benutzte das Paradoxon, um seine Leser aufzurütteln und herauszufordern, von der gängigen Meinung abzuweichen, dass Dienen und Autorität unvereinbar seien.“18

Jesus behauptet, dass wahre Größe nicht dadurch erreicht wird, dass man nach einer Vorrangstellung strebt oder nach der Macht greift, sondern durch eine demütige, sich selbst zurücknehmende Haltung des Dienens „allen“ gegenüber – selbst gegenüber der niedrigsten Person, einer Person ohne Status oder Macht, wie etwa einem kleinen, in der Gesellschaft unbedeutenden, unselbstständigen Kind. Im Reich Christi ist also Größe oder Vorrang eine Belohnung für Demut im Diesseits, für selbstlosen Dienst an allen und für großzügige Hingabe.

Der Kampf um den ersten Platz: Markus 10,32-45

Die Bibel verschweigt nicht, dass die zwölf Apostel egoistisch waren und Machtkämpfe austrugen. Jakobus und Johannes dachten nur an sich selbst und baten Jesus um die beiden mächtigsten Positionen im Reich Gottes: „Gib uns, dass wir einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen in deiner Herrlichkeit!“ (Mk 10,37).

In seinem zeitlosen Werk Das Kreuz: Zentrum des christlichen Glaubens reflektiert John Stott die Ironie dieses Berichts: „Jakobus und Johannes wollen in Macht und Herrlichkeit auf Thronen sitzen; Jesus weiß, dass er in Schwäche und Schande am Kreuz hängen muss. Der Gegensatz ist enorm.“19

Ihre Bitte löste sofort einen Konflikt unter den anderen Jüngern aus, wie es egoistischer Ehrgeiz immer tut. Markus berichtet: „Und als die Zehn es hörten, fingen sie an, unwillig zu werden über Jakobus und Johannes“ (V. 41). Sie waren empört, weil sie für sich selbst purpurne Gewänder, elfenbeinerne Throne und goldene Kronen haben wollten. Sie waren alle „Mitglieder im Club der Egoisten“20.

Die Verheißung von Leid und Tod

Jesus antwortete auf die Bitte der Brüder um einen Thron mit den Worten: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet.“ Er konnte ihnen keine hohen Throne versprechen, aber Leid und Verfolgung: „Den Kelch, den ich trinke, werdet ihr trinken, und mit der Taufe, mit der ich getauft werde, werdet ihr getauft werden“ (V. 39).

Durch die Verwendung der Metaphern des Kelchs und der Taufe verwies Jesus auf sein Leiden und seinen Tod. Indem sie den Kelch annahmen, würden sie Anteil an Jesu Leiden haben und dann wie er von dieser Christus hassenden Welt zurückgewiesen werden. Sie verstanden nicht, dass nach Gottes Plan das Leiden der Herrlichkeit vorausgeht, das Kreuz der Krone, der Verlust der Belohnung und das Dienen dem Herrschen.

Das beste Beispiel für das Paradoxon von absoluter Autorität und dem demütigen „aller Diener sein“ ist unser Herr Jesus Christus: „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (V. 45). Der Tod Jesu am Kreuz ist der größte Ausdruck von Demut, Dienstbereitschaft und Liebe – und damit von wahrer Größe.

2. Demütige Dienstbereitschaft

Nur wenige Stunden vor seiner Kreuzigung vollzog Jesus bei dem Passahmal etwas Unvorstellbares: Wie ein niedriger, einfacher Sklave bückte er sich und wusch die schmutzigen Füße seiner Jünger:

[Jesus steht] – im Bewusstsein, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben und dass er von Gott ausgegangen war und zu Gott hinging – von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich. Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, die Füße der Jünger zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. …

Als er nun ihre Füße gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, dass auch ihr tut, wie ich euch getan habe. (Joh 13,3-5.12-15)

Auf die unvergesslichste Art und Weise veranschaulichte Jesus dramatisch alles, was er seine Jünger über Demut, Liebe, aufopfernden Dienst und Größe gelehrt hatte, indem er ihnen die Füße wusch.

Die Logik des Berichts ist kristallklar: Wenn der, der als „Lehrer und Herr“ gepriesen wird, sich demütig dazu herablässt, seinen Jüngern die Füße zu waschen, dann sind auch die Jünger „schuldig“, einander die Füße zu waschen, sich also demütig um die Interessen und das Wohlergehen der anderen zu kümmern, anstatt miteinander um Macht und Geltung zu kämpfen.

Was Jesus tat, war eine völlige Umkehrung all dessen, was kulturell akzeptiert war; es schockierte die Jünger zutiefst. Wie konnten sie sich noch darüber streiten, wer als der Größte gelten sollte, wenn derjenige, der wirklich der Größte war, sich bückte, um die schmutzigen Füße seiner Schüler zu waschen?

Hier sehen wir, dass das Symbol unseres Herrn das Handtuch des Dieners ist, nicht das Gewand des Klerikers. Mit den Worten von John Stott:

Das Symbol authentischer christlicher Führung ist nicht die purpurne Robe eines Kaisers, sondern die raue Schürze eines Sklaven; nicht ein Thron aus Elfenbein und Gold, sondern ein Wasserbecken zum Waschen der Füße anderer.21

Nur wenn wir dem Vorbild unseres dienenden Herrn folgen, haben wir die Hoffnung, in Einheit zu leben und zusammenzuarbeiten. „Wenn ihr dies wisst, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut!“ (Joh 13,17)

Seid nicht wie die Herrscher der Welt: Lukas 22,24-27

Nachdem unser Herr das Herrenmahl eingesetzt hatte, begannen die Jünger, in der Gegenwart Christi erneut darüber zu streiten, wer unter ihnen „für den Größten zu halten sei“. Wenn ich nicht die Sündhaftigkeit des menschlichen Herzens kennen würde, hätte es mich vielleicht schockiert. Aber das tut es nicht. Lukas schildert den Bericht in meisterhafter Weise so:

Es entstand aber auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen für den Größten zu halten sei. Er aber sprach zu ihnen: Die Könige der Nationen herrschen über sie, und die Gewalt über sie üben, lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch sei wie der Jüngste und der Führende wie der Dienende. Denn wer ist größer, der zu Tisch Liegende oder der Dienende? Nicht der zu Tisch Liegende? Ich aber bin in eurer Mitte wie der Dienende. (Lk 22,24-27)

Als Reaktion auf den Disput der Jünger forderte Jesus sie auf, sich nicht wie die „Könige der Nationen“ zu verhalten, die über das Volk „herrschen“, oder wie die, „die Gewalt über sie üben“, und sich als „Wohltäter“ brüsten. Mit Nachdruck ermahnte Jesus: „Ihr aber nicht so!“

Jesus legt fest, dass in seinem Reich der „Größte“ zum „Jüngsten“ der Gruppe wird (einer ohne Status oder Macht). Der „Führende“ soll wie der „Dienende“ sein, nicht mehr als ein Kellner, ein einfacher Sklave, der an den Tischen bedient.

Jesus als jemand, der an den Tischen bedient

Jesus macht diese erstaunliche Selbstaussage: „Denn wer ist größer, der zu Tisch Liegende oder der Dienende? Nicht der zu Tisch Liegende? Ich aber bin in eurer Mitte wie der Dienende“ (Lk 22,27). Jesus ist das beste Beispiel für freiwillige Unterordnung. Er, der oberste Lehrer und Herr, dient freiwillig den Gästen bei Tisch (vgl. Lk 12,37). Die Jünger sollen dem dienstbereiten Jesus nacheifern, nicht den „Könige[n] der Nationen“ oder den reichen „Wohltäter[n]“ dieser Welt.

3. Brüderliche Gleichheit

Seinen schärfsten Tadel richtet Jesus an die religiöse Elite seiner Zeit. Niemand hat jemals den wahren Kern religiöser Heuchelei und die Hässlichkeit des religiösen Stolzes so entlarvt wie unser Herr Jesus Christus (Mt 23,1-33). Mit der denkbar schärfsten Sprache kritisierte Jesus die Priester und Schriftgelehrten seiner Zeit öffentlich für ihre Habgier, ihren Stolz und ihren Machtmissbrauch (Mt 23,13-33). Sie verwandelten den Tempel in Jerusalem in eine Geldmaschine, um sich selbst zu bereichern (Mk 11,15-19). Sie verschlangen die Häuser der Witwen (Lk 20,47). Sie waren „geldliebend“ (Lk 16,14). Sie benutzten die Menschen, um ihren eigenen, von Hochmut geprägten Status zu erhöhen. Sie legten den Menschen strenge Regeln auf und hielten sie so in geistlicher Knechtschaft.

Seid nicht wie sie: Matthäus 23,1-12

Jesus war völlig anders als diese religiösen Anführer, und er warnte seine Jünger eindringlich davor, sich wie sie zu verhalten:

Dann redete Jesus zu den Volksmengen und zu seinen Jüngern und sprach: Auf Moses Lehrstuhl haben sich die Schriftgelehrten und die Pharisäer gesetzt. … Alle ihre Werke aber tun sie, um sich vor den Menschen sehen zu lassen; denn sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten groß. Sie lieben aber den ersten Platz bei den Gastmählern und die ersten Sitze in den Synagogen und die Begrüßungen auf den Märkten und von den Menschen Rabbi genannt zu werden. Ihr aber, lasst ihr euch nicht Rabbi nennen! Denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder. … Der Größte aber unter euch soll euer Diener sein. Wer sich aber selbst erhöhen wird, wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigen wird, wird erhöht werden. (Mt 23,1-12)

Die Schriftgelehrten und Pharisäer stellten sich scheinheilig über das Volk und grenzten sich so bewusst von den Menschen ab. Sie polierten ständig ihr Image auf. Sie strebten nach Ehrentiteln, Ehrenkleidern und Ehrenplätzen bei Festen und in den Synagogen. Sie liebten das Lob der Menschen (Mt 6,1-2.5.16). Kurz gesagt, sie waren religiöse Heuchler, die das Volk benutzten und ausbeuteten (Joh 7,49; 9,34).

Ihr seid alle Brüder

Im Gegensatz dazu verbietet Jesus seinen Jüngern, sich gegenseitig „Rabbi“ zu nennen. Sie sollen sich nicht in einer Weise erheben, die ihre engen brüderlichen Beziehungen schmälern würde, und sich auch nicht die einzigartige Stellung anmaßen, die allein Christus und der Vater über alle Gläubigen haben. Wie Jesus gesagt hat: „Ihr aber, lasst ihr euch nicht Rabbi nennen! Denn einer ist euer Lehrer, ihr alle aber seid Brüder.“ Diese wichtige Aussage hilft als Erklärung dafür, warum die Verfasser des Neuen Testaments hochtrabende heilige Titel oder hierarchische Strukturen für den Leib Christi und das Haus Gottes vermieden haben.

4. Christusähnliche Liebe

Nachdem Jesus den Jüngern im Obersaal die Füße gewaschen hatte, gab er ihnen ein neues Gebot:

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Joh 13,34-35; vgl. 15,12)

Man kann das christliche Leben, die Evangelisation, das Leben in der Gemeinde und die christliche Führungsrolle nicht wirklich verstehen, ohne gründlich über das „neue Gebot“ nachgedacht zu haben.

Jesus hat nicht einfach gesagt: „Liebt einander.“ Das wussten sie bereits. Er sagte etwas viel Weitreichenderes: Liebt einander, „wie ich euch geliebt habe“. Jesus machte sein eigenes Vorbild der selbstlosen, aufopfernden Liebe am Kreuz zum neuen Maßstab der Liebe. Benjamin B. Warfield bringt dieses neue Liebesprinzip auf den Punkt, als er schreibt: „Selbstaufopfernde Liebe wird so zum Wesen des christlichen Lebens.“22

Die Jünger sollten sich nun gegenseitig mit der gleichen selbstlosen, aufopfernden Liebe lieben, die Jesus ihnen vorgelebt hatte. Sie sollten bereit sein, füreinander zu sterben (1Jo 3,16). Ohne diese Art von Liebe würden sie sich unweigerlich in Konfessionen aufspalten – die Petrus-Konfession, die Jakobus-Konfession, die Philippus-Konfession usw.

Ohne göttliche Liebe würden sie nicht in Demut handeln, sich nicht gegenseitig die Füße waschen oder einander dienen. Sie würden untereinander um den „ersten“ Platz kämpfen, um Throne und Purpurgewänder und um pompöse Titel, so wie es die weltlichen Führer damals taten und heute noch tun.

Ein christliches Leitungsteam kann nur dann effektiv zusammenarbeiten, wenn die Liebe Gottes durch jedes seiner Mitglieder zu den anderen gelangt. Liebe ist die geheime Zutat für alle erfolgreiche Teamarbeit. Der Grund dafür ist offensichtlich. Liebe „tut nicht groß … sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern … sie erträgt alles … sie erduldet alles“ (1Kor 13,4-7).b So sagt die Schrift: „Alles bei euch geschehe in Liebe“ (1Kor 16,14).

Das Machtmenschen-Führungsmodell oder das Modell des christusähnlichen Dieners

Wo immer Sie in der Welt unterwegs sind, werden Sie auf das Machtmenschen-Führungsmodell stoßen. Dieses Modell ist gekennzeichnet durch einen selbstbezogenen Leitungsstil, der alle Macht in einer Person konzentriert und echte Transparenz und Rechenschaftspflicht ablehnt.

Bei diesem Führungsmodell geht es darum, Macht auszuüben, Reichtum zu erwerben und sich selbst zu profilieren. Es zielt darauf ab, zu kontrollieren, zu dominieren und zu manipulieren. Machtmenschen sind diktatorisch und autoritär. Sie lehnen jegliches Konzept einer gemeinsamen Führung strikt ab. Solche Machtmenschen wollen loyale Untergebene, keine Kollegen. Sie behaupten vielleicht, den Menschen zu dienen, aber das sind nur leere Behauptungen und Mittel zum Zweck.

Das Diotrephes-Syndrom

Das neutestamentliche Beispiel für einen Machtmenschen in der Gemeinde ist Diotrephes. Diotrephes ist der klassische, autokratische Gemeindeleiter, der narzisstische Pastor, der die Gemeinde um seine Person herum aufbaut. Er steht stellvertretend für alle, die ihre pastorale Autorität missbrauchen. Der hochbetagte Apostel Johannes hat ihn so beschrieben:

Ich habe der Gemeinde etwas geschrieben, aber Diotrephes, der gern unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht an. Deshalb, wenn ich komme, will ich seine Werke in Erinnerung bringen, die er tut, indem er mit bösen Worten gegen uns schwatzt; und sich hiermit nicht begnügend, nimmt er selbst die Brüder nicht an und wehrt auch denen, die es wollen, und stößt sie aus der Gemeinde. (3Jo 9-10)

Diotrephes hielt so viel von sich selbst, dass er sogar den Apostel Johannes kritisierte und sich weigerte, auf ihn zu hören. Diotrephes war nicht damit einverstanden, dass ein Leiter „wie der Dienende“ sein soll, und er konnte auch nicht mit Paulus behaupten, dass er „dem Herrn diente in aller Demut“ (Apg 20,19; vgl. Lk 22,26). Diotrephes war ein Widerspruch zu dem sanften und demütigen Führungsstil, den Jesus gelebt und gelehrt hatte.

Was die Menschen möchten

Leider müssen wir zugeben, dass ein starker, autokratischer Leitungsstil nach außen hin oft erfolgreich und beliebt ist. Viele Menschen wollen einem starken Führer folgen, einer diotrephesähnlichen Figur, einem Mann, den sie für von Gott gesalbt und mit Macht zum Herrschen ausgestattet halten. Sie wollen das knallharte, herausragende Führungsmodell der Welt.

Das traf zweifellos auf die Gläubigen in Korinth zu. Paulus entsprach nicht ihrer griechisch-römischen Vorstellung von einem starken Führer, und so wurden die Korinther eine leichte Beute für die sogenannten „Superapostel“, die sie in die Irre führten und ausnutzten (2Kor 11,19-21). Einigen der Korinther erschien Paulus als schwach und unscheinbar, gewiss nicht bedeutend genug oder von hohem Rang. Vielleicht dachten sie, wie manche heutzutage, dass das Konzept des „dienenden Leiters“ ein Widerspruch in sich sei und nicht wirklich ein praxistaugliches, umsetzbares Führungskonzept darstelle.

Zusammenfassung des Modells des dienenden Leiters

Um es klar zu sagen: Dienende Leiterschaft schließt starke, kompetente Leiterschaft oder formelle Dienste in der Gemeinde nicht aus. Denjenigen, die die geistliche Gabe der Leitung haben, sagt Paulus, dass sie „mit Eifer“ führen sollen (Röm 12,8; SLT).

Jesus leugnete nicht, dass man Führungspositionen braucht, dass Menschen Autorität ausüben müssen, dass man nach Höherem streben sollte und dass man eine hervorragende Gemeindeleitung braucht. Jesus selbst war es, der seine Jünger für künftige Führungsaufgaben, für das Lehren und Evangelisieren ausgerüstet und ausgebildet hat.

Indem er seine Jünger auf ihre Führungsrolle vorbereitete, lehrte Jesus sie eine Reihe von neuen Grundsätzen für die Bewertung von Leitung, zwischenmenschlicher Beziehungen, wahrer Größe und dem Zusammenleben in einer Gemeinschaft von Gläubigen. Diese neue Lehre ist das, was wir heute „dienende Leiterschaft“ nennen.

Ein Leitungsstil im Sinne Jesu bedeutet, andere zu führen, und nicht, über sie zu herrschen (2Kor 1,24). Man hat den Nächsten im Fokus und dient demütig den Menschen – auch den unscheinbarsten –, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Charakteristisch ist die Bereitschaft, für das Wohl der anderen zu leiden, ja, sogar für sie zu sterben. Man ist bereit, sich selbst zu verleugnen und sich für andere aufzuopfern; es bedeutet, mit gutem Beispiel voranzugehen, anderen die Füße zu waschen und allgemein so zu lieben, wie Christus geliebt hat; man will die Begabungen anderer fördern und sie unterstützen, und man möchte alle als Brüder und Schwestern gleich behandeln, sich also nicht als Herr aufspielen, dem andere zu dienen haben.

Ein dienender Führungsstil bedeutet letztlich, Jesus nachzuahmen und Menschen zu ihm zu führen und nicht zu sich selbst. Paulus formuliert dieses Prinzip sehr treffend: „Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns aber als eure Sklaven um Jesu willen“ (2Kor 4,5).

Nach vorne blicken

Denken Sie bei der Lektüre der folgenden Kapitel daran, was wir von Jesus über christliche Leitung und Beziehungen in der Gemeinde gelernt haben. Die Lehren Jesu erklären viele der einzigartigen Merkmale der neutestamentlichen Ekklesiologie und der von den Aposteln geschaffenen Leitungsstruktur. Die biblische Ältestenschaft basiert auf dem felsenfesten Fundament der Lehre Jesu über Demut, Dienstbereitschaft, brüderliche Gleichheit und Christus-Liebe.23

aIn Kapitel 3 wird das Prinzip der Pluralität auf der Führungsebene ausführlich erläutert.

bVgl. Alexander Strauch: The 15 Descriptions of Love: Applied to All Christian Leaders and Teachers (1 Corinthians 13) (Littleton, CO: Lewis & Roth, 2019).