Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
In der Abschiedsbotschaft an die Ältesten von Ephesus (Apg 20,17-38) warnt Paulus mit großem Ernst vor der Gefahr durch falsche Lehrer. In Reißende Wölfe kommen – Habt acht auf die Herde legt Alexander Strauch diesen außergewöhnlichen Abschnitt der Bibel gründlich und doch praktisch aus, der heute noch genauso aktuell und nötig ist wie damals.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 322
Veröffentlichungsjahr: 2025
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
ALEXANDER STRAUCH
Habt acht auf die Herde
Alexander Strauch
Reißende Wölfe kommen
Habt acht auf die Herde
Best.-Nr. 275540 (E-Book)
ISBN 978-3-98963-540-1 (E-Book)
Titel des englischen Originals:
Acts 20: Fierce Wolves are Coming; Guard the Flock
A study of Paul’s final charge to the Ephesian elders
Copyright © 2021 by Alexander Strauch.
Wenn nicht anders angegeben, wurde folgende Bibelübersetzung verwendet:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R. Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.
Außerdem wurden verwendet:
Neue evangelistische Übersetzung (NeÜ), Neue Genfer Übersetzung (NGÜ), Neues Leben Bibel (NLB), Schlachter 2000 (SLT):
Sofern es keine deutsche Quellenangabe gibt, wurden Zitate aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
1. Auflage (E-Book)
© 2025 Christliche Verlagsgesellschaft mbH
Am Güterbahnhof 26 | 35683 Dillenburg
Übersetzung: Svenja Tröps
Satz und Umschlaggestaltung: Christliche Verlagsgesellschaft mbH
Umschlagmotiv: www.freepik.com
Wenn Sie Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler entdeckt haben, können Sie uns gern kontaktieren: [email protected]
1.Ein außergewöhnliches Treffen
2.Dem Herrn in aller Demut dienen
3.Dienen unter Tränen und Versuchungen
4.Gedenkt meiner Lehre und meines Dienstes am Evangelium!
5.Völlige Hingabe an Christus und an das Evangelium der Gnade Gottes
6.Den ganzen Ratschluss Gottes verkündigen
7.Habt sehr genau acht auf euch selbst und auf die ganze Herde Gottes!
8.Warum man die Gemeinde Gottes hüten soll
9.Reißende Wölfe werden kommen – seid wachsam!
10.Die Ältesten Gott und seinem Wort anbefehlen
11.Die finanzielle Integrität wahren
12.Sich der Schwachen annehmen, der Segen des Gebens und ein Abschied
Personenverzeichnis
Schriftstellenverzeichnis
Themenverzeichnis
Danksagung
Weitere Titel von Alexander Strauch
Bibelübersetzungen
ELB
Revidierte Elberfelder Übersetzung 2006
NeÜ
Neue evangelistische Übersetzung
SLT
Schlachter 2000
NGÜ
Neue Genfer Übersetzung
MENG
Menge
NLB
Neues Leben Bibel
BDAG – Walter Bauer, A Greek-English Lexicon of the New Testament and Other Early Christian Literature, 3. Ausg., Übers. W. F. Arndt
BAUER – Bauer, Walter/Aland, Kurt/Aland, Barbara: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearbeitete Auflage, Berlin/New York 1988.
BECNT – Baker Exegetical Commentary on the New Testament
EBC – Expositor’s Bible Commentary
ICC – The International Critical Commentary
IVPNTC – InterVarsity New Testament Commentary
L&N – Louw & Nida, Greek-English Lexicon of the New Testament
NICNT – New International Commentary on the New Testament
NIDNTTE – New International Dictionary of New Testament Theology and Exegesis, 2. Ausg.
REC – Reformed Expository Commentary
TDNT – G. Kittel and G. Friedrich, eds., Theological Dictionary of the New Testament; dt. TWNT - Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Kohlhammer, Stuttgart, 1990
TNTC – Tyndale New Testament Commentary
ZECNT – Zondervan Exegetical Commentary on the New Testament
Von Milet aber sandte er nach Ephesus und rief die Ältesten der Gemeinde herüber. Als sie aber zu ihm gekommen waren, sprach er zu ihnen: Ihr wisst, wie ich vom ersten Tag an, da ich nach Asien kam, die ganze Zeit bei euch gewesen bin. (Apg 20,17-18)
Gott hat uns mit der Abschiedsbotschaft des Paulus an die Ältesten von Ephesus ein besonderes Geschenk gemacht. Apostelgeschichte 20 ist ein Hirtenauftrag, gegeben von einem der größten Leiter und Lehrer, den die Gemeinde Jesu Christi je hatte – dem Apostel Paulus. Timothy Kellers Einschätzung der Bedeutung von Paulus für die Kirchengeschichte ist bemerkenswert:
Ich denke, man kann kaum der Tatsache widersprechen, dass er zu den sechs oder sieben einflussreichsten Führungspersönlichkeiten der Geschichte der Menschheit gehört. Einer der einflussreichsten Menschen der Geschichte.1
Die Botschaft des Paulus, von Lukas vor 2000 Jahren aufgezeichnet, ist heute noch so aktuell wie damals. Es ist die einzige Stelle im Neuen Testament, an der sich Paulus direkt an die Ältesten einer Gemeinde wendet und ihnen einen letzten Handlungsauftrag erteilt. Und weil es die Abschiedsbotschaft des Paulus ist, hat sie eine besondere Bedeutung und erfordert unsere volle Aufmerksamkeit.
Paulus wirkte drei Jahre lang (52–55 n. Chr.) als Missionar in der Stadt Ephesus. Ephesus war nach Alexandria in Ägypten und Antiochia in Syrien die drittgrößte Stadt im Ostgebiet des Römischen Reiches. Diese Jahre erwiesen sich als einige seiner fruchtbarsten Jahre im Dienst am Evangelium. Lukas berichtet, dass „alle, die in Asien wohnten, sowohl Juden als auch Griechen, das Wort des Herrn hörten“ (Apg 19,10). Aber es waren auch einige der mühsamsten Jahre im Leben dieses Apostels, denn er hatte viele Widersacher.
Ephesus wurde bald zu einem Epizentrum des frühen Christentums, neben Jerusalem, Antiochia und Rom. In Ephesus arbeitete Paulus in der Gemeinde mit einer Gruppe von Leitern zusammen, die „Älteste“ oder „Aufseher“ genannt wurden. Er hatte eine enge Beziehung zu diesen Männern und sie zu ihm. Gemeinsam arbeiteten sie für das Evangelium und dienten als Hirten.
Als Paulus Ephesus westwärts verließ, um seine Gemeinden in Mazedonien und Achaja zu besuchen, ließ er die Gemeinde in den fähigen Händen der Ältesten von Ephesus zurück. Zum Zeitpunkt ihres Wiedersehens in Milet (im Frühjahr 57 n. Chr.) war Paulus seit über eineinhalb Jahren nicht mehr in Ephesus gewesen.
Nachdem er seine Arbeit im Westen beendet hatte, reiste Paulus ostwärts nach Jerusalem. Auf der langen Reise legte sein Schiff in der Hafenstadt Milet an. Von dort aus sandte Paulus eine Botschaft nach Ephesus, in der er die Ältesten der Gemeinde aufforderte, zu einem dringenden Abschiedstreffen zu ihm nach Milet zu kommen (Apg 20,17). Milet war etwa 100 km Fußweg von Ephesus entfernt.2
Aber warum rief Paulus die Ältesten nach Milet, was für sie eine lange Reise bedeutete, nur um sich kurz mit ihnen zu treffen? Dieses Treffen sollte das letzte Gespräch von Angesicht zu Angesicht sein, bei dem Paulus ihnen einen letzten Auftrag erteilte und ihnen erklärte, was sie in seiner Abwesenheit tun sollten und wissen mussten. Paulus’ Warnung und Ermahnung ist ernüchternd:
Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde … Ich weiß, dass nach meinem Abschied grausame Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen. Und aus eurer eigenen Mitte werden Männer aufstehen, die verkehrte Dinge reden, um die Jünger abzuziehen hinter sich her. Darum wacht. (Apg 20,28-31a)
Die Ältesten brauchten damals – wie auch wir heute – eine überzeugende und nachhaltige Ermutigung, um ihrer Aufgabe treu zu bleiben, die ihnen der Geist Gottes übertragen hatte: die Herde Gottes zu hüten und das Evangelium angesichts von falschen Lehrern zu bewahren.
Die Geschichte zeigt deutlich, dass man die Wahrheiten von Paulus’ Botschaft nicht oft genug betonen oder wiederholen kann. Das erschütternde Versäumnis über die Jahrhunderte, falsche Lehrer daran zu hindern, in die Gemeinschaft der Gläubigen einzudringen, lässt sich direkt auf die Unkenntnis oder den Ungehorsam gegenüber diesen prophetischen Warnungen an die Ältesten in Ephesus zurückführen.
Ein Gemeindeältester, der den Inhalt dieser Botschaft an die Ältesten in Ephesus nicht kennt, ist kaum in der Lage, Gottes Volk zu leiten und zu schützen.
Ein Gemeindeältester, der den Inhalt dieser Botschaft an die Ältesten in Ephesus nicht kennt, ist kaum in der Lage, Gottes Volk zu leiten und zu schützen. Das wird im weiteren Verlauf dieses Buches deutlich werden. Ein Bibelkommentator drückt es so aus:
[Dieser Abschnitt] ist von entscheidender Bedeutung, da er uns einen Einblick gewährt, wie man in der neutestamentlichen Gemeinde Leitungsaufgaben wahrnahm; und damit gibt er uns eine Richtschnur, wie man heute der Gemeinde treu vorstehen kann.3
Ich möchte Sie ermutigen, sich vorzunehmen, den Inhalt der prophetischen, apostolischen Botschaft von Paulus zu verinnerlichen – untersuchen Sie diese, lernen Sie sie auswendig, denken Sie gründlich darüber nach, sprechen Sie mit anderen darüber, lehren Sie sie und leben Sie sie. Wenn Sie sich die Zeit nehmen, diese von Gott gegebene Herausforderung an alle Unterhirten Christi unter Gebet zu studieren und gründlich darüber nachzudenken, werden Sie Warnungen und Ermahnungen entdecken, die für Ihre Aufgabe ungemein wichtig sind. Diese Botschaft wird Sie aber auch immer wieder neu motivieren und Ihnen göttlichen Zuspruch geben.
Jede neue Generation von Gemeindeverantwortlichen muss Paulus’ Anweisungen an die Ältesten von Ephesus neu für sich entdecken.
Paulus’ Anweisungen und Bitten an die Ältesten in Ephesus sind heute von gleicher Dringlichkeit wie damals an der Küste von Milet. Jede neue Generation von Gemeindeverantwortlichen muss diese Anweisungen neu für sich entdecken.
Apostelgeschichte 20 ist die Aufforderung des Heiligen Geistes an Sie, zuzuhören und zu lernen und dann die Gemeinde Gottes nach Gottes Vorgaben zu leiten.
Zunächst sollten wir zwei wichtige Fragen beantworten: Wer war Paulus, und warum sollten wir tun, was er sagt? Und wer waren diese Ältesten aus Ephesus, zu denen er sprach?
Man beachte, dass sich von den 18 Versen, die Paulus’ eigene Worte wiedergeben, 13 Verse auf sein eigenes Leben beziehen. Paulus stellte sich als Vorbild für die Ältesten von Ephesus dar, dem sie nacheifern sollten. Er konnte auf diese Weise ohne Stolz von sich selbst sprechen, weil er Christus nachahmte und wollte, dass sie dasselbe taten: „Seid meine Nachahmer, wie auch ich Christi Nachahmer bin“ (1Kor 11,1).
Apostelgeschichte 20 ist ein wertvoller Schatz für Gemeindeleiter, voller Weisheit und Einsichten des von Christus erwählten Apostels für die Heiden. Paulus wurde vom Herrn Jesus Christus persönlich als Apostel (ἀποστολος [apostolos]) auserwählt. Dies bedeutet, dass er ein besonders autorisierter Bote war, ein Abgesandter und Botschafter, der direkt von Christus beauftragt worden war.
Paulus war nicht nur ein Missionar, ein Gemeindegründer oder ein brillanter Gelehrter – obwohl er all das auch war. Paulus war der einzigartige Botschafter Christi, gesandt, um das Evangeliums zu definieren und zu erklären, es zu verteidigen und den Nationen zu verkünden.4
Ein großer Teil des Neuen Testaments stammt von Paulus. Zusammen mit seinem Reisegefährten Lukas schrieb er über 50 Prozent des Neuen Testaments. Paulus ist der meisterhafte Verfasser eines Großteils des Wortschatzes und der theologischen Grundbegriffe, die das Evangelium und die Gemeinde beschreiben. Als solcher spielte Paulus eine einzigartige Rolle bei der Gründung und Ausbreitung des christlichen Glaubens.
Das Evangelium des Paulus ist das Evangelium Christi. Was Paulus lehrt, lehrt Christus. Was Paulus befiehlt, befiehlt Christus. Paulus’ Autorität, den Gemeinden schriftliche Anweisungen zu geben, wurde ihm von Christus übertragen, und somit muss man ihnen gehorchen.
Als Botschafter Christi hatte sich Paulus die Botschaft des Evangeliums nicht selbst ausgedacht. Er erhielt sie durch direkte Offenbarung vom auferstandenen Christus:
Ich tue euch aber kund, Brüder, dass das von mir verkündigte Evangelium nicht von menschlicher Art ist. Ich habe es nämlich weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi. (Gal 1,11-12)5
Das Evangelium des Paulus ist das Evangelium Christi. Was Paulus lehrt, lehrt Christus. Was Paulus befiehlt, befiehlt Christus. Paulus’ Autorität, den Gemeinden schriftliche Anweisungen zu geben, wurde ihm von Christus übertragen, und somit muss man ihnen gehorchen.6 Letztlich stammen also Paulus’ Anweisungen an die Ältesten von Ephesus von Christus selbst und gelten nicht nur den Ältesten von Ephesus. Sie sind verbindlich für alle Hirten unter Christus in allen Gemeinden, für alle Generationen zu allen Zeiten.
Wer also waren diese Ältesten aus Ephesus? Es ist wichtig, dass wir diese Frage präzise mithilfe der Heiligen Schrift beantworten. Das griechische Wort für Älteste lautet presbyteroi (πρεσβυτεροι). Und da manchmal Älteste als Presbyter bezeichnet werden, werden wir sie gelegentlich auch so nennen.
Der Begriff Älteste war von Lukas bereits zuvor in der Apostelgeschichte eingeführt worden, um bestimmte Führungspersönlichkeiten zu bezeichnen. Vier verschiedene Gruppen werden als Älteste bezeichnet: (1) die jüdischen Ältesten Jerusalems, die den Judenchristen feindlich gesinnt waren; (2) die jüdischen Ältesten der christlichen Gemeinde in Jerusalem, die eng mit den zwölf Aposteln verbunden waren; (3) die christlichen Ältesten, die von Paulus und Barnabas für die heidnischen Gemeinden in Galatien eingesetzt wurden; und (4) die christlichen Ältesten der Gemeinde in Ephesus. Im Gespräch mit den Ältesten von Ephesus macht Paulus deutlich, dass die Ältesten als Hirten die Aufsicht über die Ortsgemeinde ausüben sollten (Apg 20,28).
Das neutestamentliche Konzept von Ältesten als Leiter mit Hirtenverantwortung, insbesondere die Lehre aus Apostelgeschichte 20, unterscheidet sich stark von den traditionellen Vorstellungen und Praktiken, wie man sie heutzutage oft antrifft. Die meisten Christen verbinden mit dem Begriff „Älteste“ ein offizielles Kirchen- oder Gemeindegremium, Ehrenamtler, einflussreiche Gemeindemitglieder oder kommissarische Berater des leitenden Pastors. Sie denken bei Ältesten in erster Linie an Vereinsvorsitzende, Kassenwarte, Spendensammler oder Verwalter. Ich nenne diese Art von Ältesten „Vorstandsälteste“. Die meisten Menschen erwarten nicht, dass solche Älteste der Gemeinde seelsorgerlich als Hirten dienen oder das Wort Gottes lehren. Sie sind sich vielleicht nicht einmal bewusst, dass es bestimmte biblische Qualifikationen für Älteste gibt, darunter die Anforderung, „lehrfähig“ zu sein (1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9).
Nach biblischem Verständnis sind die Ältesten die Aufseher, Hirten, Verwalter, Lehrer und Leiter der Ortsgemeinde.
Nach dem Neuen Testament jedoch sollen die Ältesten gemeinsam die Gemeinde leiten, das Wort Gottes lehren, die Gemeinde vor falschen Lehrern schützen, die Gläubigen mit gesunder Lehre ermahnen und ermuntern, die Kranken besuchen und über Lehrfragen urteilen. Nach biblischem Verständnis sind die Ältesten die Aufseher, Hirten, Verwalter, Lehrer und Leiter der Ortsgemeinde. Mit anderen Worten: Sie sind die Unterhirten des Oberhirten Jesus Christus – sie tragen die Verantwortung für seine Herde.
Da die beiden führenden Apostel, Paulus und Petrus, die Ältesten – und keine andere Person oder Gruppe – beauftragen, die Ortsgemeinde zu hüten bzw. zu leiten, können wir daraus schließen, dass die Ältesten nach biblischem Verständnis für die Hirtenaufsicht über die Ortsgemeinde verantwortlich sind (Apg 20,28; 1Petr 5,1-5). Biblische Älteste sind in erster Linie Hirten – nicht nur Mitglieder eines Gremiums.
Aus dem Brief, den Paulus an Timotheus und die Gemeinde in Ephesus geschrieben hat, erfahren wir, dass es in einer biblischen Ältestenschaft sowohl Gleichheit als auch Vielfalt gibt (1Tim 5,17-18). Alle Ältesten haben das gleiche Mandat und die gleiche pastorale Verantwortung, aber gleichzeitig spiegelt die Ältestenschaft eine große Vielfalt wider. Offensichtlich sind nicht alle Mitglieder einer Ältestenschaft gleich begabt, effektiv, einflussreich, zeitlich verfügbar, erfahren, sprachgewandt, leitungsfähig oder biblisch versiert. In 1. Timotheus 5,17-18 findet man den Schlüsseltext, der die Vielfalt innerhalb der Ältestenschaft anerkennt.7
Die Ältesten, die gut vorstehen, sollen doppelter Ehre gewürdigt werden, besonders die in Wort und Lehre arbeiten. Denn die Schrift sagt: „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“, und: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“ (1Tim 5,17-18)
Innerhalb einer biblischen Ältestenschaft gibt es also sowohl Gleichheit in der Stellung als auch eine gesunde Vielfalt von Begabungen und Aufgaben. Dies kann u. U. bedeuten, dass einige Älteste – vor allem diejenigen, „die in Wort und Lehre arbeiten“ – von der Gemeinde finanziell unterstützt werden, damit sie mehr Zeit für das Bibelstudium und den Vollzeit- oder Teilzeitdienst des Predigens und Lehrens haben.
Schließlich sehen wir an der Art, wie Paulus die Ältesten in Milet anspricht, die hohe Wertschätzung, die er ihnen entgegenbringt, und wie unverzichtbar ihre Arbeit für den Schutz und die Leitung der Herde Gottes ist. Biblische Älteste sind keine befristet eingesetzten, ehrenamtlichen Vorstandsvorsitzende einer Gemeinde. Sie sind diejenigen, die der Heilige Geist Gottes als Aufseher eingesetzt hat, um die Gemeinde Gottes zu hüten (Apg 20,28).
Da dieses Buch eine biblische Auslegung von Apostelgeschichte 20 ist, werden wir uns an dem Konzept von Paulus orientieren, der Älteste als Hirten der Herde Gottes sieht. Wenn man dies im Hinterkopf behält und den Kontext der Bibelstelle kennt, kann man die Anweisungen des Paulus an „die Ältesten der Gemeinde“ in Ephesus besser verstehen.
Betrachten Sie zur eigenen Vorbereitung jeden der folgenden Bibeltexte. Lassen Sie sich von Gottes Geist und seinem Wort belehren und für die weitere Betrachtung von Apostelgeschichte 20 vorbereiten.
Die Aufgaben der Ältesten sind:
•die Gemeinde Gottes zu leiten (1Tim 5,17)
•die Menschen das Wort Gottes zu lehren (1Tim 3,2; 2Tim 2,2; Tit 1,9)
•die Heiligen zum Dienst zuzurüsten und vorzubereiten (Eph 4,11-12)
•in der Wortverkündigung und in der Lehre zu arbeiten (1Tim 5,17)
•die Gemeinde vor falschen Lehrern zu beschützen (Apg 20,28-31; Tit 1,9-11)
•für die Gemeinde Gottes zu sorgen (1Tim 3,5)
•sich um die Schwachen in der Gemeinde zu kümmern (Apg 20,35)
•Handauflegung in bestimmten Situationen (1Tim 4,14)
•der gesamten Gemeinde als Hirtenälteste zu dienen: die Schafe zu ernähren, zu beschützen, zu leiten und zu pflegen (Apg 20,28; 1Petr 5,2)
•Aufsicht auszuüben: zu verwalten und zu beaufsichtigen (1Petr 5,2)
•christliche Leiterschaft vorzuleben (1Petr 5,3)
•in strittigen Lehrfragen zu urteilen (Apg 15,2-30; 16,4; 21,20-25)
•für die Kranken zu beten und sie mit Öl zu salben (Jak 5,14-15)
•über die Finanzen der Gemeinde zu wachen (Apg 11,29-30; 1Petr 5,2)
•die Ortsgemeinde vor anderen Gemeinden zu vertreten (Apg 11,30; 15,4.22-23; 21,18-19)
•vor Gott Rechenschaft abzulegen (Hebr 13,17)
Schlüsselpunkte zum Einprägen
1.Die Autorität des Paulus, den Gemeinden schriftliche Anweisungen zu geben, ist eine von Christus gegebene Autorität, der man Folge leisten muss.
2.Apostelgeschichte 20 ist der einzige Abschnitt im Neuen Testament, in dem Paulus direkt zu den Ältesten einer Gemeinde spricht und ihnen letzte Weisungen erteilt.
3.Diese Botschaft des Paulus sollte den gegenwärtigen Ältesten als Anleitung dienen und ihnen zeigen, was Gott von ihnen erwartet, damit sie sich wirksam um seine Gemeinde kümmern können, und sie sollte auch zur Ausbildung künftiger Hirtenältester dienen.
4.Älteste im Sinne der Bibel üben als Hirtenälteste die Aufsicht über die Ortsgemeinde aus.
5.Jede neue Generation von Gemeindeverantwortlichen muss die wichtige Botschaft des Paulus an die Ältesten in Ephesus für sich neu entdecken und umsetzen.
1Timothy Keller, The Freedom of Self-Forgetfulness: The Path to True Christian Joy (Leyland, England: 10Publishing, 2012), S. 29.
2Von dem Zeitpunkt, als Paulus den Boten nach Ephesus schickte (etwa 100 km Fußmarsch), bis zur Ankunft der Ältesten vergingen etwa acht Tage. Für die Ältesten bedeutete dies eine Hin- und Rückreise von 200 km. Siehe Eckhard J. Schnabel, Apostelgeschichte, ZECNT (Grand Rapids: Zondervan, 2012), S. 838.
3Derek W. H. Thomas, Acts, REC (Phillipsburg, NJ: P&R, 2011), S. 575.
4Apg 9,15-17; 20,24; 22,14-15.21; 26,15-18; Röm 1,1.5.13-14; 11,13; 15,15-18; 16,25-26; 1Kor 9,1-2; 11,23; 15,3-11; 2Kor 12, 12; Gal 1,1.11.16; 2,7-8; Eph 3,1-13; 6,19-20; Phil1,16; Kol 1,25-27; 2Thes 2,15; 3,6.14; 1Tim 1,11; 2,7; 2Tim 1,11.13; 4,17; Tit 1,3.
5Hier wie auch an anderen Stellen gilt: Hervorhebungen vom Autor hinzugefügt.
62Thes 2,15; 2Petr 3,15-16.
7A. d. V.: Wenn dieses Konzept für Sie neu ist, hören Sie sich dazu Vorträge auf www.gesunde-gemeinde.de an oder bestellen Sie das Buch von Alexander Strauch: Älteste – Grundzüge neutestamentlicher Gemeindeleitung (www.cb-buchshop.de).
Ihr wisst, wie ich vom ersten Tag an, da ich nach Asien kam, die ganze Zeit bei euch gewesen bin und dem Herrn diente mit aller Demut und unter Tränen und Versuchungen, die mir durch die Nachstellungen der Juden widerfuhren. (Apg 20,18-19)
Als die Ältesten der Gemeinde von Ephesus eintrafen, rief Paulus ihnen am Anfang seiner Botschaft in Erinnerung, was sie bereits über sein Leben und seinen Dienst wussten. Er sagte: „Ihr wisst.“ Dreimal in diesem Abschnitt fordert Paulus die Ältesten ausdrücklich auf, sich an ihre früheren Erfahrungen mit ihm als ihrem Leiter und Lehrer zu erinnern (V. 18.20.34; NeÜ).
„Wie ich vom ersten Tag an … die ganze Zeit bei euch gewesen bin.“
Paulus wusste, dass es für die Ältesten mit am wichtigsten war, ein christusähnliches Vorbild zu haben, das sie beobachten und dem sie nacheifern konnten. Schließlich sind es am Ende das Vorbild und die Taten – weniger die Worte –, an die sich Menschen bis an ihr Lebensende erinnern können. Als Paulus den Ältesten ins Gedächtnis rief, „wie ich … die ganze Zeit bei euch gewesen bin“, präsentierte er sich ihnen als Vorbild für eine bestimmte Art christlichen Führungsstils, das sie nachahmen sollten.
Ebenso sollen wir das Leben und den Dienst des Paulus betrachten und beides gut kennen, damit wir seinem Vorbild folgen können.
Wie Jesus lebte auch Paulus mitten unter den Menschen. Sein Leben war ein offenes Buch, in dem alle lesen konnten. Paulus ritt nicht auf einem weißen Pferd in eine Stadt und hielt Vorträge über Theologie, Evangelisation und Gemeindewachstum. Er war kein Akademiker, der seine Studenten nur für ein paar Stunden am Tag im geschützten Rahmen eines Hörsaales belehrte. Er war ein Missionar an der vordersten Front des geistlichen Kampfes, ein liebevoller Hirte für Gemeinden und ihre Leiter, ein Evangelist, ein treuer Beter und ein geistlicher Mentor für viele.
„Der zurückliegende Dienst des Paulus wird als Ressource angesehen, die den Ältesten helfen kann, sich ihrer zukünftigen Verantwortung zu stellen.“ – Robert Tannehill
Drei Jahre lang, von seinem ersten Tag in Asien bis zu seiner Abreise, war sein Leben ein offenes Buch – er war ein lebendiges, pulsierendes Beispiel, das die Ältesten in ihrem Hirtendienst nachahmen sollten. Er war ein authentisches Vorbild für einen christusähnlichen Lehrer und Hirten. Deshalb übte sein Leben einen so nachhaltigen Einfluss auf so viele Menschen aus. „Der zurückliegende Dienst des Paulus“, so schreibt Robert Tannehill, „wird als Ressource angesehen, die den Ältesten helfen kann, sich ihrer zukünftigen Verantwortung zu stellen.“8
Paulus war sich darüber im Klaren, dass sein Leben und sein Charakter ein Vorbild sein sollten, dem andere nacheifern sollten. In seinem Brief an die Gläubigen in Korinth fordert Paulus sie auf: „Seid meine Nachahmer!“ Dies war keine anmaßende Erwartungshaltung. Paulus konnte dies ohne Stolz sagen, weil er selbst Christus nachahmte. Deshalb wollte er vor allem die Gläubigen lehren, Christus nachzuahmen. Er wollte den Gläubigen helfen, dem Bild Christi gleichförmig zu werden; das war eine der wichtigsten pastoralen Aufgaben in seinem Dienst: „Ihn verkündigen wir, indem wir die Menschen ermahnen und sie mit aller Weisheit belehren, die Gott uns schenkt. Denn wir möchten, dass sie Menschen werden, die in Christus erwachsen geworden sind. Für dieses Ziel setze ich mich mit aller Kraft ein und vertraue dabei auf das, was er durch seine Kraft in mir wirkt“ (Kol 1,28-29; NeÜ; ELB: „um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen“).
Zuvor hatte er im Korintherbrief geschrieben:
Ich bitte euch nun, seid meine Nachahmer! Deshalb habe ich euch Timotheus gesandt, der mein geliebtes und treues Kind im Herrn ist; der wird euch erinnern an meine Wege in Christus, wie ich überall in jeder Gemeinde lehre. (1Kor 4,16-17)
Paulus erklärt den neubekehrten Gläubigen in Thessalonich, dass er und seine Mitarbeiter sich bewusst als „Vorbilder“ darstellten, denen man nachahmen sollte.
Ihr wisst ja, als was für Leute wir um euretwillen unter euch auftraten. Und ihr seid unsere Nachahmer geworden und die des Herrn. (1Thes 1,5b-6)
Denn ihr selbst wisst, wie man uns nachahmen soll … Nicht, dass wir nicht das Recht dazu haben, sondern damit wir uns euch zum Vorbild geben, damit ihr uns nachahmt. (2Thes 3,7-9)
Seinen geliebten Freunden in Philippi schrieb er:
Seid miteinander meine Nachahmer, Brüder, und seht auf die, welche so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt! (Phil 3,17)
Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein. (Phil 4,9)
Paulus rief auch seine jungen Mitstreiter dazu auf, anderen ein Vorbild zur Nachahmung zu sein:
Niemand verachte deine Jugend, vielmehr sei ein Vorbild der Gläubigen im Wort, im Wandel, in Liebe, im Glauben, in Keuschheit! (1Tim 4,12; vgl. auch Tit 2,7-8)
Wie schon Paulus, so forderte auch der Schreiber des Hebräerbriefes seine Leser auf, den Glauben ihrer Anführer nachzuahmen:
Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben! Schaut den Ausgang ihres Wandels an, und ahmt ihren Glauben nach! (Hebr 13,7; vgl. auch Hebr 6,12)
Sie sollten sich immer bewusst sein, dass Sie bei Ihrem Dienst für den Herrn von anderen Menschen beobachtet werden, darunter auch jüngere Menschen, die die nächste Generation von Ältesten im Hirtendienst sein werden.
Wie die beiden letzten Bibelstellen zeigen, meinen sowohl der Hebräerbriefschreiber als auch Paulus mit dem Begriff „nachahmen“ nicht, dass man etwas blind kopieren sollte. Paulus nachzuahmen bedeutet nicht, dass man Aramäisch sprechen, Sandalen und eine Toga tragen, Feigen essen oder auf einem Esel reiten muss. Vielmehr werden wir aufgerufen, ihren Glauben, ihre Liebe, ihre Selbstaufopferung und ihre Lebens- und Verhaltensmuster nachzuahmen.
Einmal saß ich mit Freunden in einem Restaurant, als zwölf Männer hereinkamen, die wie Jesus gekleidet waren. Sie trugen Sandalen, lange Gewänder, Haare und Bärte, sprachen in altem, elisabethanischem King-James-Englisch und gingen zu Fuß, statt mit dem Auto zu fahren. Das Ganze wirkte eher lächerlich. Sie dachten, Jesus zu folgen bedeute, die gleiche Kleidung wie Jesus zu tragen und sich einen Bart stehen zu lassen. Sie schienen vergessen zu haben, dass Jesus seine Jünger vor der schleichenden Gefahr gewarnt hatte, sich auf äußeren religiösen Schein zu verlassen und nicht auf den inneren Zustand des Herzens vor Gott.9
Die Presbyter in Ephesus genossen das außerordentliche Privileg, Christus in Paulus zu sehen. Nun erwartete Paulus von ihnen – und von uns –, dass sie das selbst übernahmen, was sie von ihm über den demütigen Dienst für Christus und die aufopferungsvolle Fürsorge für sein Volk gelernt hatten. „Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil 4,9).
Wie auch sein Meister sagte Paulus zu den Ältesten: „Folgt mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern und Menschenhirten machen.“ Paulus ging mit gutem Beispiel voran. Und er würde uns heute daran erinnern, dass wir niemals die außerordentliche Kraft des Vorbildcharakters unseres Lebens unterschätzen sollten, um andere Menschen positiv für Gott zu beeinflussen und zu inspirieren.
Paulus rief seine geliebten Freunde auf, sein Leben als Vorbild zu nehmen. Aber wie lebte er unter ihnen? Wie sah sein Leben aus? Hier ist seine Antwort: „Ihr wisst, wie ich vom ersten Tag an, da ich nach Asien kam, die ganze Zeit bei euch gewesen bin und dem Herrn diente mit aller Demut und unter Tränen und Versuchungen, die mir durch die Nachstellungen der Juden widerfuhren“ (Apg 20,18-19). Beachten Sie, dass Paulus nicht seine vielen Erfolge, seine ausgedehnten Reisen, seinen brillanten Intellekt, seinen unbezwingbaren Eifer, seine himmlischen Visionen, seine außergewöhnlichen Wunder oder seine von Gott verliehene Autorität aufzählt. Stattdessen erwähnt er als Erstes seinen demütigen Dienst für den Herrn Jesus Christus. Das ist sehr interessant. Was er hier sagt, bestimmt den Ton für den Rest der Ansprache.
Das griechische Verb für „dienen“ ist das Verb für „wie ein Sklave dienen“ (δουλευω [douleuō]). In einigen seiner Briefe bezeichnete sich Paulus als „Sklave“ (δοῦλος [doulos]) des Herrn Jesus.10 Seit seiner Leben verändernden Begegnung mit dem auferstandenen Christus auf der Straße nach Damaskus predigte Paulus, dass „Jesus der Herr ist“:
Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus Jesus als Herrn, uns aber als eure Sklaven um Jesu willen. (2Kor 4,5)
Paulus verstand, dass er von Jesus Christus, dem Herrn, erkauft worden war und nun ihm gehörte. Er konnte mit Freude sagen, dass „auch Christus von mir Besitz ergriffen hat“ (Phil 3,12; NeÜ). Paulus war nicht sein eigener Herr; er war ein williger und freudiger Sklave des Herrn Jesus. Alles, was Paulus in Ephesus tat, lässt sich als „Dienst am Herrn“ zusammenfassen. In der Tat verbrachte er sein ganzes Leben damit, dem Herrn zu dienen, denn was könnte es Besseres geben, als unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus zu dienen?
Verstehen Sie Ihr eigenes Leben und Ihren Dienst als demütigen, sklavenähnlichen Dienst für Ihren Herrn und Meister, Jesus Christus? Das sollten Sie! Die Schrift sagt: „Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid um einen Preis erkauft worden. Verherrlicht nun Gott mit eurem Leib!“ (1Kor 6,19-20). Für Gläubige gilt folgende Wahrheit:
Denn keiner von uns lebt sich selbst, und keiner stirbt sich selbst. Denn sei es auch, dass wir leben, wir leben dem Herrn; und sei es, dass wir sterben, wir sterben dem Herrn. Und sei es nun, dass wir leben, sei es auch, dass wir sterben, wir sind des Herrn. Denn hierzu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er herrscht sowohl über Tote als auch über Lebende. (Röm 14,7-9)
Die besten Ältesten sind diejenigen, die sich als Sklaven des Herrn Jesus Christus verstehen, die wissen, dass sie von ihm eingesetzt wurden, um sich um die Menschen zu kümmern, die er mit seinem Blut erkauft hat.
Demut prägte sein Handeln, seine Worte, seine Einstellung und sein Lehren, seinen Umgang mit seinen Mitarbeitern und Nachfolgern.
Paulus diente dem Herrn „in aller Demut“. Das ist die einzig akzeptable Art, dem Herrn zu dienen, und die einzig richtige Haltung eines Sklaven. Demut ist eine typische und unverkennbare christliche Tugend.
Demut ist der Schlüssel zum Verständnis von Paulus’ Charakter und Führungsstil. In einer Welt, die von hässlichem Stolz und selbstsüchtigem Ehrgeiz durchtränkt ist, diente Paulus dem Herrn mit „aller“ Demut.11 Demut prägte sein Handeln, seine Worte, seine Einstellungen und sein Lehren. Man konnte sie beobachten in seinem Umgang mit seinen Mitarbeitern und in seinen Beziehungen zu den Menschen, die ihm folgten.
Alles, was Paulus über Demut und aufopferungsvolles Dienen wusste, lernte er von dem vollkommenen Diener, der sich selbst „erniedrigte“ und „Knechtsgestalt“ angenommen hatte (Phil 2,5-8).
Jesus stellte die Führungspyramide auf den Kopf. Der Leiter ist der Diener aller, nicht der Chef aller!
Paulus kannte das Thema Demut, weil Jesus wiederholt davon gesprochen hatte, was wahre „Größe“ und „der Erste sein“ im Reich Gottes bedeuten. Jesu Neudefinition von Konzepten wie Größe und Führungsposition bestimmte den gesamten Dienststil von Paulus. Jesus warnte seine Jünger wiederholt davor, die Vorstellungen und Praktiken der Welt in Bezug auf Status, Macht und Autorität zu übernehmen. Jesus stellte die Führungspyramide auf den Kopf. Der Leiter ist der Diener aller, nicht der Chef aller!
Eine sehr bemerkenswerte Lektion, die Paulus von seinem „Lehrer und Herrn“ gelernt haben könnte, lautet, dass ein christusähnlicher Leiter bereit sein sollte, in Demut auf die Knie zu gehen und die schmutzigen Füße anderer zu waschen, so wie es ein Sklave tun würde:
Als er nun ihre Füße gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, dass auch ihr tut, wie ich euch getan habe. (Joh 13,12-15)
Das unvergessliche Vorbild Jesu, der sich bückte, um die Füße seiner Jünger zu waschen, lehrt uns Folgendes:
Das Symbol authentischer christlicher Führung ist nicht die purpurne Robe eines Kaisers, sondern die raue Schürze eines Sklaven; nicht ein Thron aus Elfenbein und Gold, sondern ein Wasserbecken zum Waschen der Füße anderer.12
Paulus, der einst stolze junge Pharisäer, wurde unter der Herrschaft Jesu Christi zu einem demütigen Mann. Er wusste, dass alle seine herausragenden Begabungen Ergebnis der Gnade Gottes waren. Er wusste, dass sein Fortschritt in der Verkündigung des Evangeliums aus der Kraft kam, die der Herr ihm gab. Er spürte zutiefst, wie unwürdig er war, überhaupt ein Apostel Christi zu sein: „Denn ich bin der geringste der Apostel, der ich nicht würdig bin, ein Apostel genannt zu werden, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe“ (1Kor 15,9).
Bescheidenheit: Paulus hatte erkannt, wie unbedeutend und klein er im Vergleich zu Gottes unendlicher Größe war, wie unwürdig angesichts der absoluten Heiligkeit Gottes und wie sehr er in allem auf Gott angewiesen war: „Unsere Befähigung kommt von Gott. Er hat uns befähigt, Diener des neuen Bundes zu sein“ (2Kor 3,5-6; NeÜ). Nur bei den Demütigen gibt es Gottesfurcht und damit den Beginn von Erkenntnis und Weisheit. „Bei den Bescheidenen ist Weisheit“ (Spr 11,2).
Aufgrund einer richtigen Selbsteinschätzung konnte er von Herzen sagen: Ich bin nichts, denn Christus ist alles (2Kor 12,11). So ordnete er sich gerne der mächtigen Hand Gottes und Christi unter. Hier gibt es keine falsche Demut.
Allein aus Gnade: Paulus wusste: „Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (1Kor 15,10). An anderer Stelle sagt er: „Mir, dem allergeringsten von allen Heiligen, ist diese Gnade gegeben worden“ (Eph 3,8). Er betrachtete sich und seine Mitarbeiter als „irdene Gefäße“, die das lebendige Wasser des Evangeliums enthalten (2Kor 4,7). Er wollte, dass die Menschen ihn und seine Mitarbeiter als Diener ansahen – „Diener, durch die ihr gläubig geworden seid“, „Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1Kor 3,5; 4,1)
Paulus war ein starker, aber demütiger Mann, der die Demut Christi vorlebte. Wenn Sie sich nicht vorstellen können, wie eine starke, begabte, brillante, energische Führungspersönlichkeit gleichzeitig ein liebevoller, demütiger Diener sein kann, sollten Sie das Leben des Paulus einmal genauer betrachten.
Paulus war zurückhaltend, bescheiden und selbstlos. Er war für andere da und auch bereit, mit seinen eigenen Händen zu arbeiten, um sich selbst zu versorgen und anderen zu helfen. Er lebte das, was man als „kreuzgemäßen Lebensstil“ bezeichnen kann, d. h. ein Leben, das vom Kreuz Christi geprägt wird (Phil 3,10).
Eine christusähnliche, demütige Haltung macht einen Leiter belehrbarer, zugänglicher und empfänglicher für konstruktive Kritik. Sie versetzt ihn in die Lage, seine eigenen Grenzen und Fehler zu erkennen, sich anderen unterzuordnen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Sie befähigt ihn auch, besser mit den Sünden und Fehlern anderer Menschen zurechtzukommen.
Eine demütige Führungspersönlichkeit ist weniger rechtfertigend, neigt weniger zu Streitereien, kann Konflikte schneller ausräumen und ist in zwischenmenschlichen Beziehungen gelassener. Eine demütige Seele fördert die Gaben und die Beliebtheit anderer von Herzen gerne und ist nicht eifersüchtig oder neidisch auf die Errungenschaften ihrer Mitmenschen. Nur mit einer Haltung „in aller Demut“ können Sie in einer ähnlichen Weise wie Jesus andere leiten.
Zusammenhalt:Die Ortsgemeinde ist eine hochgradig beziehungsorientierte, eng verbundene Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, in denen der Heilige Geist Gottes wohnt. Sie ist keine Gemeinschaft, die von oben nach unten von einer einzigen Autoritätsperson geführt wird. In einer hochgradig beziehungsorientierten Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern ist die Tugend der Demut (und der Liebe) wie ein Klebstoff, der die Menschen zusammenhält und sie befähigt, die natürlichen Meinungsverschiedenheiten zu klären, die zwischen Menschen auftreten.
Wenn Sie sich nicht vorstellen können, wie eine starke, begabte, brillante, energische Führungspersönlichkeit gleichzeitig ein liebevoller, demütiger Diener sein kann, sollten Sie das Leben des Paulus einmal genauer betrachten.
Paulus war völlig anders als der arrogante Gemeindeleiter Diotrephes, der gern „der Erste sein will“ (3Jo 9). Dieser konnte nicht wie Paulus sagen, dass er dem Herrn diente mit aller Demut.
Diotrephes ist der klassische autoritäre Gemeindeleiter, der starke Mann, der narzisstische Pastor, der sich selbst ins Zentrum der Gemeinde stellt und alle anderen um sich herumscharrt. Er verkörpert die Schattenseite christlicher Leiterschaft. Der betagte Apostel Johannes beschrieb ihn so:
Ich habe der Gemeinde etwas geschrieben, aber Diotrephes, der gern unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht an. Deshalb, wenn ich komme, will ich seine Werke in Erinnerung bringen, die er tut, indem er mit bösen Worten gegen uns schwatzt; und sich hiermit nicht begnügend, nimmt er selbst die Brüder nicht an und wehrt auch denen, die es wollen, und stößt sie aus der Gemeinde. (3Jo 9-10)
Diotrephes hielt so viel von sich selbst, dass er sogar den geschätzten Apostel Johannes kritisierte und sich weigerte, auf ihn zu hören. Er ordnete sich nicht der apostolischen Autorität unter.
Diotrephes war eine einschüchternde Führungspersönlichkeit, der eine Atmosphäre von Angst und Schuldgefühlen schuf und bedingungslose Loyalität einforderte. Ich kann mir vorstellen, dass er für diejenigen, die ihm folgten und mit ihm übereinstimmten, eine charmante, begabte und starke Autoritätsperson darstellte. Das passte gut in die durch klare Hierarchien geprägte griechisch-römische Kultur, die starke, dominante Führer schätzte.
Diotrephes war eindeutig niemand, der andere auferbaute, sondern der sie in ihre Grenzen verwies und einschränkte. Er war niemand, der Einigkeit förderte, sondern der für Spaltungen sorgte. Er war niemand, der anderen die Bühne überließ, sondern ein Selbstdarsteller. Er war kein demütig gesinnter Leiter, sondern eine ehrgeizige Führungspersönlichkeit. Er wollte den Dienst nicht kollegial mit Gleichgesinnten teilen, wie es Paulus tat. Wie alle stolzen Menschen lehnte er göttliche Korrekturen und Belehrung ab. Sein Herz war nicht voller Reue vor Gott, und sein arroganter Geist entzweite und verletzte die Menschen. Auf ihn passte das Urteil des Paulus, der solche Menschen als „ein tönendes Erz … oder eine schallende Zimbel“ (1Kor 13,1) bezeichnete.
Diotrephes ist das biblische Beispiel dafür, wie ein christlicher Leiter genau nicht sein sollte. Er repräsentiert das weltliche Konzept des Rechts des Stärkeren, der zuoberst an der Spitze der Führungspyramide steht.
Jesus stellte die vorherrschenden Führungswerte der damaligen religiösen und weltlichen Leiter radikal infrage. Lukas berichtet folgende Begebenheit:
Es entstand aber auch ein Streit unter ihnen, wer von ihnen für den Größten zu halten sei. Er aber sprach zu ihnen: Die Könige der Nationen herrschen über sie, und die Gewalt über sie üben, lassen sich Wohltäter nennen. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch sei wie der Jüngste und der Führende wie der Dienende. Denn wer ist größer, der zu Tisch Liegende oder der Dienende? Nicht der zu Tisch Liegende? Ich aber bin in eurer Mitte wie der Dienende. (Lk 22,24-27)13
Ein Führungsstil, wie Jesus ihn lehrte, bedeutet, anderen voranzugehen, und nicht, eine Machtposition über andere einzunehmen. Es ist ein auf den Nächsten ausgerichteter Führungsstil, bei dem der Leiter den Menschen – auch den unscheinbarsten – dient und keine Gegenleistung erwartet. Es geht darum, anderen auf liebevolle Weise Aufmerksamkeit zu schenken, gekennzeichnet dadurch, dass man bereit ist, für andere Leid zu tragen und sogar zu sterben. Es bedeutet, sich selbst zu verleugnen und sich für andere aufzuopfern; es bedeutet, andere zu fördern, zu unterstützen und voranzubringen. Es bedeutet, ein Leiter im Sinne von Philipper 2 zu sein.14