Bittere Kapern - Peter Pachel - E-Book

Bittere Kapern E-Book

Peter Pachel

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Beschreibung

Ein Urlaub auf der idyllischen Insel Paros verspricht eine besonders schöne Zeit. Den Sommer über kann man das Meer und die Natur genießen. Im September wird es frischer und die Tore der Pensionen schließen sich für die Touristen, nur eingeschworene Liebhaber verbringen ihre Freizeit auch in den kühleren Monaten auf der griechischen Insel, auf der langsam die Gemächlichkeit einkehrt. Als die Leiche einer Kölnerin aufgefunden wird, ist für Katharina Waldmann Schluss mit der ersehnten Ruhe. Dabei steht die Taufe des kleinen Dimitri an, für die noch einiges erledigt werden muss, und auch Dawid, ihr Lebenspartner, fordert die Aufmerksamkeit der Kommissarin. Doch dafür ist keine Zeit, denn schon versetzt ein weiterer grausiger Fund das Polizeiteam in Aufruhr. Katharinas fünfter Fall entführt auf eine Reise in heimische Kapernfelder, urige Gassen, charmante Kapellen und dunkle Familiengeheimnisse, gespickt mit kulinarischen Erlebnissen. Peter Pachel inszeniert die beliebte griechische Kulisse aus Urlaub und Gastfreundschaft neu, bettet seine Charaktere zwischen Tradition und Tourismus ein und lässt sie über Alltag und Natur stolpern. Seine Romane sind eine Hommage an Paros und die ägäische Küche, die er mit verführerischen Köstlichkeiten und Kochrezepten beschreibt.

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Peter Pachel

Bittere Kapern

Kommissarin Katharina Waldmannermittelt auf Paros

Krimi

Paros-Krimi

Pachel, Peter : Bittere Kapern. Kommissarin Waldmann

ermittelt auf Paros. Paros-Krimi. Hamburg, edition krimi 2022

Originalausgabe

EPUB-ISBN: 978-3-948972-83-7

Das Original ist im Größenwahn Verlag erschienen.

Dieses Buch ist auch als Print erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.

Print-ISBN: 978-3-948972-82-0

Lektorat: Angellika Bünzel

Umschlaggestaltung: © Annelie Lamers, edition krimi

Umschlagmotiv: © Kerstin Laßotta

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar.

Die edition krimi ist ein Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH,

Hermannstal 119k, 22119 Hamburg.

_______________________________

© edition krimi, Hamburg 2022

Alle Rechte vorbehalten.

https://www.edition-krimi.de

Für alle Langzeit-Griechenland-Begeisterten und alle,die es werden wollen.

Der Kapernbusch (Capparis spinosa L.) ist ein dorniger und wildwachsender Strauch, der den Boden, Steinwände, Mauerritzen und Felsen als Standorte bevorzugt. Er trägt große weiße Blüten.

Nach dem Bestäuben wird aus dem Fruchtknoten eine fleischige Beere, die mehrere Samen in sich birgt. Wenn die Frucht im Hochsommer zur Vollreife gelangt ist, platzt sie auf und gibt ihre Samen frei. Den in Essig eingelegten Blütenknospen und Früchten wird eine appetitanregende Wirkung nachgesagt.

Zitat: Bibelwissenschaftliche Literaturdokumentation ­Innsbruck

Inhalt

„MARIA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„MARIA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA, MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS,­­SEPTEMBER 2016“

„MARIA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIKÖLN, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„Stella KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„TAKIS PAPANDREOUPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIKÖLN, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„Christos KENTARIsAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„JULIA MORETTIPAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, SEPTEMBER 2016“

„KOSTAS PapoulisPAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, SEPTEMBER 2016“

„TOON DE VRIESAMSTERDAM, NIEDERLANDE, SEPTEMBER 2016“

„KOSTAS PAPOULISPAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„TAKIS PAPANDREOUPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIATHEN, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„TAKIS PAPANDREOUPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS,­SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„BRIGITTE KRÜGERKÖLN, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„TAKIS PAPANDREOUPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„STELLA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„KATHARINA WALDMANNPARIKIA, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016“

„Personen und Lokales“

„Rezepte“

„Biographisches“

MARIA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016

Der Wind hatte über Nacht kräftig zugelegt und auf der weitläufigen Terrasse von Maria Kentaris einiges durcheinandergewirbelt. Mehrfach war sie vom Kläffen ihres Hundes Achilleas aufgewacht, der sein Terrain vor dem umherfliegenden Gestrüpp des angrenzenden Gartens verteidigen wollte. Nachdem auch wiederholtes Rufen den großgewachsenen Hirtenhund nicht besänftigen konnte, hatte sie ihn schließlich ins Haus geholt und war noch einmal für ein paar Stunden eingeschlafen. Die Wettervorhersage kündigte für die nächsten Tage eine weitere Zunahme des Windes an bis hin zu einem ausgewachsenen Sturm – ein erster Gruß des nahenden Herbstes nach einem langen, heißen Sommer.

Es war Ende September, als in dem kleinen Küstenort im Norden der Insel langsam wieder der Alltag einkehrte. Viele der nur während der Sommermonate bewohnten Häuser waren bereits winterfest vernagelt und warteten geduldig auf den nächsten Frühling. Auch in der größten Ferienanlage des Ortes unten am Meer, dem Thalassa, hatte das große Reinemachen schon begonnen. Die meisten Appartements waren geräumt, Scharen von Touristen abgereist. Nur noch ein paar letzte, verstreute Urlauber verloren sich abends in der großen zur Anlage gehörenden Taverne. Aber auch die würden in den nächsten Tagen Paros den Rücken kehren.

Der Wandel des Dorfes verlief in dieser Jahreszeit stets schleichend, ganz langsam veränderte der verträumte, liebliche Küstenort seinen Charakter und entwickelte sich hin zu einer rauen, einsamen Ansiedlung. Maria Kentaris war bestens vertraut mit diesem Rhythmus. Sie war hier aufgewachsen und nach drei Monaten hektischen Treibens freute sie sich auf die Stille des Winters, die oft nur von dem Heulen des Sturmes unterbrochen wurde, wenn der Wind von Naxos kommend über das Meer peitschte und sich in die Fassaden der verlassenen Häuser fraß. Bei ihrem morgendlichen Spaziergang mit Achilleas zählte sie in diesen Tagen die Anwesen, von denen man sich bereits verabschiedet hatte, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viele »Xena« – »Fremde« noch in Ambelas verweilten.

Ausnahmen gab es immer wieder, wenn vereinzelte Touristen auch einmal den ruhigen Winter auf der Insel verbringen wollten, die meisten hielten jedoch nur wenige Wochen durch. Sie mussten schnell erkennen, dass diese unwirtlichen Monate nichts mit den verträumten Urlaubseindrücken zu tun hatten, die sie aus der Sommerzeit kannten.

Das laute Gebell von Achilleas mahnte sie zum Aufstehen, bestimmt wartete er schon ungeduldig auf seinen Rundgang durch das Dorf. Eine Routine, die sich über die Jahre eingestellt hatte. Christos, ihr Mann, bereitete währenddessen immer das Frühstück vor. Seitdem ihre Tochter Stella nach Athen gezogen war, hatten sie wieder mehr Zeit füreinander. Eine anfangs ungewohnte Situation für sie beide, aber nach fast dreißig Ehejahren waren sie ein eingespieltes Team, das sich über die Zeit arrangiert hatte. Im Sommer vermieteten sie ein paar Zimmer an Touristen und betrieben auf ihrer lauschigen Terrasse eine kleine Taverne. Das stockte ihre Haushaltskasse um einiges auf, aber ihre Haupteinnahmequelle war das große Stück Land mit unzähligen Olivenbäumen, deren Früchte sie in einem Laden im nahegelegenen Naoussa verkauften.

Das Ehepaar hatte sich neben den gängigen Nutzpflanzen wie Tomaten, Zucchini und Auberginen, besonders auf die Zucht von Kapern spezialisiert. In den Anbau dieser appetitlichen Beilage war viel investiert worden, und der Erfolg gab ihnen recht. »Kapern von Kentaris« hatten sich mittlerweile zu einem Verkaufsschlager ihres Ladens entwickelt. Das war besonders dem Einsatz von Christos zu verdanken, für den die karge Pflanze weit mehr als nur ein Geschäft war. Einer Passion gleichkommend, hatte er sich in den vergangenen Jahren umfangreiches Wissen angeeignet, um aus den verstreuten, oft an geheimnisvollen Plätzen wachsenden Wildkapern eine ertragreiche Kulturpflanze zu entwickeln.

Maria huschte schnell durch das Bad und zog sich vorsichtshalber eine Jacke über, als Schutz vor dem frischen Wind und der klammen Luft, geschwängert vom Salz der aufgewühlten See.

Als sie schließlich die Küche betrat, um nach der Leine zu suchen, sprang Achilleas wild um sie herum. Ihr treuer Begleiter wich ihr kaum von der Seite. Es verband sie eine innige Freundschaft, die zwischen den beiden gewachsen war, nachdem sie den jungen Welpen vor knapp zwei Jahren aus einem Müllcontainer nahe Santa Maria geborgen und liebevoll aufgepäppelt hatte. Noch heute klang ihr das erbärmliche Winseln in den Ohren. Sie würde nie verstehen, wie Menschen zu solch einer Schandtat fähig sein konnten. Er schien es nicht vergessen zu haben, wem er sein Leben zu verdanken hatte, sein feines Gespür dafür, wenn es Maria nicht so gut ging, versetzte sie stets ins Staunen. Fremde wären erschrocken mitanzusehen, wie er dann Maria mit seinem massigen Kopf zärtlich anstupste, so lange bis er ihr ein Lachen entlocken konnte.

Der große Hund drängte nach draußen, sodass Maria Mühe hatte, den starken Rüden zurückzuhalten, Christos hielt ihr die Tür auf, bevor er sich in die Küche begab. Ein frischer Wind blies ihr sogleich stramm ins Gesicht.

Der Gebäudekomplex der Kentaris lag am Ortseingang von Ambelas und zeichnete sich durch eine kleine Kapelle aus, deren Eingang zugleich auch einen Zugang zu dem dahinterliegenden Haus bot. Maria knöpfte sich ihre Jacke zu, während sie Achilleas schläfrig hinterherstolperte, in Richtung des kleinen Hafens, so wie sie es jeden Morgen tat. Je näher sie dem Meer kamen, desto feuchter wurde die Morgenluft, ein feiner Nebel lag über der Küste, die kabbeligen Wellen trugen weiße Kragen und sprühten ihr die Gischt entgegen.

Die wenigen Boote im Hafen tanzten unruhig hin und her, im Dunstschleier der aufgehenden Sonne erschien ihr Naxos zum Greifen nah. Achilleas schwenkte nach links, er kannte den Weg und wartete darauf, dass Maria ihm die Leine abnahm. Mit einem lauten Bellen preschte er vor, so als wolle er sich für das Stück Freiheit bedanken. Maria trottete ihm behäbig auf der Küstenstraße hinterher. An ein paar verwaisten Ferienhäusern vorbeilaufend, erreichte sie schließlich das Thalassa, mit seiner großzügigen Taverne und einer Ferienanlage, deren Außenterrasse direkt über dem Meer lag, beschattet durch mehrere hochgewachsene Tamarisken, unter denen man im Sommer nur schwerlich einen Platz ergattern konnte. Geschützt durch ein hellblaues Metallgeländer saß man einige Meter oberhalb der blauen See, ein äußerst beliebtes Plätzchen für ein romantisches Abendessen.

An diesem frühen Septembermorgen glich der heimelige Platz jedoch nur einer öden Betonfläche. Die während der Ferienzeit liebevoll hergerichteten Tischchen waren bereits weggeräumt und der Innenbereich der Taverne rundum mit breiten Plastikplanen abgeschottet worden. Auch die Besitzer des Thalassa schienen mit weiteren, stürmischen Tagen zu rechnen. Maria winkte stumm einer Angestellten zu, die in der Küche herumwerkelte, als sie auf die leergefegte Terrasse zusteuerte. Ihr Blick schweifte in die Ferne, ausschauhaltend nach Achilleas, der wie vom Erdboden verschluckt war. Plötzlich erschallte ein lautes Knurren, ein grimmiges, wie es nur selten vorkam. Irgendetwas musste den Hund in Auffuhr versetzt haben! Es folgte ein grollendes Bellen und Maria lauschte, um die Richtung des Gebells auszumachen. Sie hatte im Laufe der Zeit gelernt, die feinen Zwischentöne ihres Hundes zu unterscheiden und hoffte nur, dass er nicht wieder mit einer Katze im Clinch lag. Achilleas trug bei diesen Konfrontationen meist schmerzliche Blessuren davon. Das Donnern der Brandung überlagerte den aufgebrachten Rüden, er musste ganz in der Nähe sein. Fröstelnd lugte sie über das schmale Gelände nach unten, zu den beidseitig der Taverne liegenden Sandbuchten, wo die auslaufenden Wellen fast bis an die Küste reichten. Dort sah sie ihn, wie er versuchte, dem unberechenbaren Weg des Wassers auszuweichen, immer wieder nach vorne springend hin zu einem größeren Gegenstand, der sich dunkel von der aufgewühlten Brandung in der rechten Bucht abzeichnete. Maria beugte sich nach vorne, verengte ihre Augen zu schmalen Sehschlitzen, versuchte mit aller Anstrengung zu erkennen, was den Hund so in Wallung brachte. Sie erstarrte. Unweigerlich krallten sich Ihre Hände an dem feuchten Geländer fest. Da unten lag ein Mensch, an Land geworfen von der aufgebrachten See.

KATHARINA WALDMANNAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016

Katharina Waldmann vergrub verärgert ihren Kopf unter dem Kopfkissen. Das scheppernde Geräusch eines im Wind hin und her schlagenden Fensters hatte sie brutal aus dem Schlaf gerissen. Ein kalter Luftstrom wehte durch ihr Schlafzimmer, weshalb sie schnell das Laken über ihre nackten Schultern zog. Dawid, an dem sie sich hätte wärmen können, hatte sich schon aus dem Bett geschlichen, ganz behutsam, um sie nicht zu wecken. Im Gegensatz zu ihr musste er heute arbeiten. Bestimmt war er schon zu seiner Werkstatt unterwegs. Zu gerne hätte sie ihren freien Tag mit ihm zusammen verbracht, dem starken Mann an ihrer Seite, mit dem sie nun schon einige Jahre zusammenlebte. Es hätte ihnen gutgetan, da ihr Privatleben in der letzten Zeit ein wenig zu kurz gekommen war. Aber trotz mehrfachen Drängens hatte Dawid keine Möglichkeit gesehen, seinen Termin so kurzfristig zu verlegen. Vor nicht allzu langer Zeit noch, hätte er alles stehen und liegen lassen, wenn sie spontan einen Urlaubstag angekündigt hätte. Sie war ernsthaft besorgt wegen seines ungewöhnlichen Verhaltens, schließlich hatte sie eine gute Antenne, wenn sich Unstimmigkeiten anbahnten. Sie würde da nachhaken müssen, der Sache auf den Grund gehen, warum Dawid diesmal anders als gewohnt reagiert hatte. Sie nahm dieses Anzeichen sehr ernst, denn sie war für jeden Tag dankbar, dass sie diesen wunderbaren Mann kennengelernt hatte und er es mit ihr schon so lange aushielt. Der resoluten Kriminalhauptkommissarin, vor der so viele Männer Reißaus genommen hatten. Dawid war da anders, er interessierte sich für die Frau hinter der taffen Fassade und war stets zur Stelle, wenn ihr einmal ein Fall zu nahe ging. Es schien sogar, als könne er, ohne große Worte ihre Gedanken lesen. Er war immer da und hatte sich bislang dem immer vollen Terminkalender von Katharina gebeugt. Sie hatte seine Rücksicht als selbstverständlich angenommen und nie einen Grund gesehen, ihre Arbeitsweise zu ändern. Diesmal war es anders, ihr Gefühl sagte ihr, dass sie aufpassen musste. Unbewusst glitt ihre Hand auf die leere Seite des Bettes, er war definitiv schon aufgestanden.

Gähnend warf sie einen Blick nach draußen. Es war noch nicht einmal richtig hell, eigentlich viel zu früh, um aufzustehen, und das an ihrem freien Tag.

Die Kommissarin hatte sich kurzentschlossen einen Urlaubstag gegönnt, die Hauptferienzeit war zu Ende und in ihrem Garten sah es verheerend aus, da war in den vergangenen, hektischen Monaten einiges liegen geblieben. Die erfrischende Brise zu dieser frühen Stunde tat ihr gut, genau richtig für einen entspannten Tag an der Luft, sie würde ihn gemütlich angehen lassen. Unzählige vertrocknete Blüten mussten entsorgt und einige Sträucher ausgedünnt werden, schon lange hatte sie sich das vorgenommen. Bislang war einfach keine Zeit dafür geblieben. Jeden Morgen beim Verlassen des Hauses, hatte ihr vernachlässigter Garten ein trauriges Gefühl bei ihr hinterlassen. Heute würde sie endlich wieder Ordnung in ihre Grünflächen bringen. Für Katharina war das keine Arbeit, eher etwas Meditatives, und ihren Pflanzen wieder einen erfreulicheren Anblick zu verschaffen, empfand sie als Balsam für ihre gestresste Seele.

Die Kommissarin war erschöpft, nach Monaten pausenloser Polizeiarbeit brauchte sie dringend Erholung. Selbst an den Wochenenden war sie häufig zu Einsätzen gerufen worden, das hatte bei ihr merklich Spuren hinterlassen. Sie brauchte immer länger, um sich fit zu fühlen. Es hatte einige Zeit bedurft, sich das einzugestehen, aber mit ihren 59 Jahren wurde es höchste Zeit, ein wenig kürzer zu treten. In wenigen Wochen würde sie sechzig werden, ein Alter, in dem man seine beruflichen Aktivitäten zurückschrauben sollte. Die Arbeit auf Paros war zwar im Vergleich zu ihrem vorherigen Job in der Mordkommission in Athen ein Kinderspiel, doch die ständige Präsenz und die Verantwortung fiel ihr immer schwerer. Auch wenn sich ihre Arbeit auf der Insel bis auf wenige Ausnahmen auf Diebstähle, Wohnungseinbrüche und Nachbarschaftsstreitigkeiten beschränkte, sie war halt keine dreißig mehr. Da hatte sie in der Hauptstadt mit ganz anderen Kalibern zu tun gehabt. Das war der Grund, warum sie Athen den Rücken gekehrt und sich ihr Leben auf ihrer Lieblingsinsel neu eingerichtet hatte. Gute fünf Jahre war ihr Umzug jetzt her. Katharina hatte noch keine Sekunde bereut.

Erschwerend hinzu kam, dass Takis, der dienstälteste Mitarbeiter in ihrem Team, zum Ende des Jahres in den vorzeitigen Ruhestand wechseln wollte. Er hatte eine beachtliche Erbschaft gemacht und plante zusammen mit Rika, seiner alten Jugendliebe, die verlorenen Jahre ihres gemeinsamen Glücks nachzuholen. Er wartete noch auf die finale Bestätigung, dennoch hatte Katharina vorsichtshalber nach Bekanntwerden von Takis Plänen einen Antrag auf Ersatz gestellt. Bisher gab es noch kein grünes Licht von der Bezirksregierung in Ermoupoli für eine Neubesetzung der Stelle und das letzte Telefonat mit der zuständigen Behörde machte ihr wenig Hoffnung. Sie würde wohl zukünftig mit einem Mann weniger in ihrer Truppe auskommen müssen. Die Kommissarin musste bei den Gedanken an Takis schmunzeln, mit dem sie in der ersten Zeit immer wieder aneinandergeraten war. Er würde ihr fehlen mit seiner Erfahrung und seinem guten Draht zur einheimischen Bevölkerung, mit dem er sich oft Zugang zu Informationen beschafft hatte, was einer Fremden wie ihr nie gelungen wäre. Erst spät hatte sie diesen Schatz erkannt und so war das Vertrauen langsam zwischen ihnen gewachsen. Ausschlaggebend war ein brisanter Fall vor drei Jahren gewesen, als es um die Aufklärung eines seltsamen Todesfalls an einem städtischen Beamten ging. Der Tote war damals in einer alten Zisterne aufgefunden worden. Takis kannte das Opfer schon aus seiner Schulzeit und war wesentlich an der Aufklärung der Umstände beteiligt gewesen. Jetzt war er mit der Witwe des Opfers zusammen. Verrückt, mit welchen Geschichten das Leben doch aufwarten konnte.

Den Rest ihrer Mannschaft, welche aus Konstantinos, Spyros und ihrem Stellvertreter Filippos bestand, hatte sie bereits schonend auf die zusätzliche Arbeit vorbereitet, falls es denn so weit kommen sollte. Aber noch war das letzte Wort nicht gesprochen. Xenia, die zweite Frau neben ihr und uneingeschränkte Chefin des Sekretariats, nahm die Sache ganz gelassen. »Lasst uns froh sein, dass wir in diesen Zeiten einen krisensicheren Job haben«, war ihr einziger Kommentar gewesen. Ganz falsch lag sie damit nicht.

Filippos würde mehr Verantwortung übernehmen müssen, nicht nur die Aufgaben von Takis, auch was sie selbst betraf, sollte er in naher Zukunft eine neue Position ausfüllen. Und das bald, damit sie sich etwas mehr Zeit freischaufeln konnte. Da kamen die Zeichen von ihrem Liebsten gerade recht. Zu lange hatte sie sich in sicherem Fahrwasser gewähnt, erste Signale verdrängt, jetzt war sie in Alarmbereitschaft. Erst vor ein paar Tagen hatte sie Dawid vorsichtig gefragt, was mit ihm los sei, und ängstlich auf eine Antwort gewartet. Er hatte sie zunächst nur angesehen, so als käme diese Frage völlig überraschend für ihn. »Du fragst mich, was mit mir los ist?«, hatte er schließlich geantwortet und der vorwurfsvolle Unterton in seiner Stimme traf sie tief in ihrem Innersten. Hilflos war sie seinem Blick ausgewichen, die Traurigkeit in seiner Stimme hatte sie angesprungen wie ein lauerndes Tier. »Ich habe das Gefühl, die meiste Zeit in unserem Leben auf dich zu warten«, hatte er noch hinzugefügt, war aufgestanden und in seine Werkstatt gefahren. Lange hatte sie darüber nachgedacht und ihr war klar geworden, dass sie ihr Leben dringend ändern musste, wollte sie diesen wunderbaren Menschen nicht auch noch verlieren. Bereits ihre erste Ehe war maßgeblich daran zerbrochen, dass sie mehr mit ihrem Beruf als mit ihrem Mann verheiratet gewesen war.

Schon länger wartete sie auf eine geeignete Situation, um mit Filippos seine zukünftigen Aufgaben zu besprechen. Im Moment war er zu sehr mit der Einrichtung seines neuen Hauses beschäftigt. Außerdem stand ein großes Fest bevor, bei dem auch die Kommissarin nicht ganz unbeteiligt sein würde. Dimitris, der erste Sohn von Filippos und seiner Frau Irini, war nun gut ein Jahr alt und die Vorbereitungen für seine Taufe liefen auf Hochtouren. Der junge Vater konnte es kaum erwarten. Katharina, als die ehemalige »Koumpára« –»Trauzeugin« – der beiden, sowie Sewastos, der zweite Trauzeuge des jungen Paares, würden die Patenschaft übernehmen. Sie hatten sich schon mehrfach getroffen, um alle Details zu besprechen. Den Namen des Kindes hatte Filippos ihnen erst neulich verraten, für die beiden Trauzeugen war es aber keine sonderliche Überraschung gewesen. Gemäß der griechischen Tradition erfolgte die Namensgebung nach den Großeltern des Kindes, in diesem Falle nach Filippos’ Vater. Dimitris sollte es heißen. Viel mehr hatte Katharina gewundert, dass die jungen Eltern fast ein ganzes Jahr nur von ihrem »Baby« gesprochen hatten, ohne einen Namen zu benennen. Ein Brauch, wie er früher in Griechenland üblich war, und wie sie nun erkennen musste, immer noch angewandt wurde. Das »Baby« würde offiziell erst bei der Taufe seinen Namen erhalten.

Katharina schälte sich aus dem Bett und schloss das Fenster, in der Ferne hörte sie das anhaltende Bellen eines Hundes. Mit verschlafenen Augen stieg sie die Treppe zu ihrer Küche hinunter, Dawid hatte den Frühstückstisch gedeckt. Schade, dass sie den Start in den Tag nicht gemeinsam genießen konnten. Aber ab jetzt würden sich wieder mehr Gelegenheiten dazu ergeben, zumindest an den Wochenenden der stillen Jahreszeit.

Karl, ihr Kater, strich ihr unentwegt um die Beine und forderte ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit, fast wäre sie über ihn gestolpert. Mittlerweile hatte er sich an das raue Katzenleben auf Paros gewöhnt, nach dem Umzug aus Athen hatte der verwöhnte Stadtkater einiges einstecken müssen. Jetzt aber belohnte er ihr Streicheln mit einem vergnügten Schnurren.

Katharina öffnete die Tür zu ihrer Terrasse und warf einen Blick nach draußen. Der Wind hatte loses Blattwerk zuhauf in die Ecken getrieben, sie konnte das Durcheinander kaum ertragen. Das plätschernde Geräusch des Bewässerungssystems drang an ihre Ohren, zu ihrem Glück wurde es von Dawid schon vor Jahren installiert, ansonsten würde sie jetzt in eine vertrocknete Einöde blicken. Was den Garten betraf hatten sie eine klare Absprache getroffen, er kümmerte sich um die Technik, die Pflege der Pflanzen oblag ganz den Händen Katharinas. Gut, dass wenigstens Dawid seinen Job anständig erledigt hatte.

Sie brauchte jetzt dringend einen starken Kaffee, einen Ellinikó-varí-kafé, um in Schwung zu kommen. Genüsslich löffelte sie sich Kaffeemehl und etwas Zucker in ihr antikes Briki. Das Erbstück ihrer längst verstorbenen Großmutter zog sie jedem modernen Kaffeeautomaten vor.

Draußen war es mittlerweile hell geworden, sie zog sich an und suchte nach ihren Gartenhandschuhen, als sie hörte wie sich Schritte ihrer Haustür näherten.

JULIA MORETTIHAMBURG, DEUTSCHLAND, SEPTEMBER 2016

Julia Moretti hatte sich genervt in ihr Büro zurückgezogen. Sie wollte einen Moment alleine sein, um sich wieder zu beruhigen und die weitere Vorgehensweise zu überdenken. Obwohl sie und ihr Team unter enormen Zeitdruck standen, konnten sie sich nicht auf eine gemeinsame Headline einigen, aber so langsam lief ihnen die Zeit davon. Seit mehreren Stunden diskutierten sie nun schon über die beiden finalen Vorschläge, aber die Fronten waren verhärtet und kein Verfechter des jeweiligen Favoritentitels war bereit einzulenken. Sie goss sich ein Glas Wasser ein und holte tief Luft. Der Artikel musste heute noch raus. Sie würde wohl ein Machtwort sprechen müssen.

Ihr Team in der Redaktion des Hamburger Verlags bestand aus drei Redakteurinnen und einem Redakteur, von Anfang an hatten sich zwei Parteien gebildet, mittlerweile ging es nicht mehr um den Titel, es ging nur noch ums Prinzip. Sie persönlich hatte sich bereits für eine Schlagzeile entschieden, die würde sie jetzt durchsetzen. Seit mehreren Wochen war sie schon mit der Reportage beschäftigt, eine Bestandsaufnahme über Frauen in Führungspositionen in Italien, und sie selbst hatte da viel Energie reingesteckt. Daher durfte die ganze Arbeit nicht durch eine schwache Überschrift geschmälert werden. Ihr Entschluss stand fest, der Vorschlag des reinen Frauenteams war besser für den Artikel geeignet, von Anfang an hatte sie dieser Titel neugierig gemacht. Der zweite Entwurf würde heute das Nachsehen haben.

Julia Moretti war so schnell nicht aus der Ruhe zu bringen und sie bemühte sich, stets wichtige Entscheidungen gemeinsam zu erlangen. Heute waren alle Vermittlungsversuche gescheitert. Jetzt war ihr Durchsetzungsvermögen als Chefredakteurin gefordert. Die Chefin spielte sie recht selten und sie tat es ungern. Es widersprach ihrem Führungsstil und ihrer inneren Überzeugung, aber manchmal kam sie um derartige Maßnahmen nicht herum. Früher hatte sie in Situationen, die einer dringenden Entscheidung bedurften, einfach ihren Vater angerufen, der hatte immer einen Ratschlag für sie bereitgehalten. Für Personen, die Julia nicht kannten, wirkte sie auf den ersten Blick geheimnisvoll, unnahbar und auch ein wenig scheu. Ihr graziles Äußeres, ihr dunkler Teint und die glatten, schwarzen Haare verliehen ihr etwas Zerbrechliches. Doch wer sich auf diesen ersten Eindruck verließ, wurde eines Besseren belehrt. In Julia Moretti schlummerte viel Temperament, welches sie von ihrem Vater geerbt hatte, einem stolzen Italiener aus Neapel, der leider viel zu früh verstorben war. Von ihm hatte sie auch eine gehörige Portion Hartnäckigkeit mitbekommen, die sie in vielen Lebenssituationen geschickt zu nutzen wusste. Mit ihren 31 Jahren blickte sie auf eine beachtliche berufliche Laufbahn zurück. Die Position der Chefredakteurin hatte sie sich hart erkämpft. Selbst zwei große Entlassungswellen, ausgelöst durch die nicht aufzuhaltende Digitalisierung in ihrer Branche, hatte Julia souverän überstanden. Jetzt war sie da, wo sie immer hinwollte.

Erschrocken schaute sie auf die Uhr, trank mit einem Schluck den Rest des Wassers aus und ging entschlossen zurück in den Besprechungsraum. Als sie den Meetingraum betrat schaute sie in acht erwartungsvolle Augen. Jeder wusste, dass jetzt eine Entscheidung fällig war und hoffte, zu den Gewinnern zu gehören. Ohne lange zu fackeln, präsentierte sie ihren Siegertitel, eine erneut aufkommende Diskussion erstickte sie im Keim, indem sie ihren Entschluss sorgfältig begründete. Sie verabschiedete ihre Mannschaft in den Feierabend und suchte nochmals ihr Büro auf. Es war schon nach acht, hätte sie früher eingelenkt, wäre sie längst zuhause gewesen und hätte endlich mit dem Ausräumen der letzten Umzugskartons weitermachen können. Julia Moretti war erst vor drei Wochen umgezogen, in ihrer neuen schicken Altbauwohnung im Stadtteil Winterhude sah es seitdem chaotisch aus und sie befürchtete, dass dieser Zustand noch ein paar weitere Wochen andauern sollte. In der letzten Zeit war sie für ihre aktuelle Reportage viel unterwegs gewesen, darunter mehrere Tage in Italien, und sie würde lügen, wenn sie sagen würde, dass es ihr nicht gefallen hätte. Der Umzug war dabei auf der Strecke geblieben, aber das würde sich in den kommenden Wochen schon regeln. Die Redaktion stand immer an erster Stelle, gerade jetzt, nachdem sie zur Chefredakteurin befördert wurde. Sie sprach neben Englisch und Deutsch fließend Italienisch, deshalb war sie für die letzte Dokumentation geradezu prädestiniert. Zum Glück war die Küche soweit eingerichtet, und alle Geräte funktionsbereit. Aufs Kochen hätte sie schwerlich verzichten können. Ein Geschenk, das ihr Vater ihr mit in die Wiege gelegt hatte. Für Julia Moretti war das Zubereiten von Speisen Entspannung pur. Viele ihrer Freunde beneideten sie darum. Schon als kleines Kind hatte sie stundenlang am Rockzipfel ihrer Oma gehangen, wenn sie zu Besuch in der alten Heimat ihres Vaters war, und hatte jeden Handgriff der Neapolitanerin in sich aufgesogen. Sie war von den vielen Gewürzen und Gerüchen, die den ganzen Tag durch das kleine Haus ihrer Großmutter strömten, fasziniert gewesen. Es war so vollkommen anders als in der schlichten Küche ihrer deutschen Mutter. Bis zum Tod ihrer geliebten Nonna hatte Julia sie mehrmals im Jahr besucht, selbst nachdem sich ihre Eltern hatten scheiden lassen. Nonna war und blieb für sie die Größte. Wie einen Schatz hütete sie ihre Rezepte, eine lose Blattsammlung handschriftlicher Aufzeichnungen, die unzählige Geheimnisse der italienischen Küche enthielten. Julia hatte das Vermächtnis binden lassen, nachdem ihr Nonna kurz vor ihrem Tod einen Karton mit den Erinnerungen anvertraut hatte. Sie musste ihr nahes Ende geahnt haben, anders konnte Julia es sich nicht erklären. Sie war gerade 19 geworden, als sich ihre Eltern trennten, ungern dachte sie an diese Zeit zurück. Das Verhältnis zu ihrer Mutter, welches nie besonders harmonisch war, war seitdem noch weiter abgekühlt. So wie ihre Mutter wollte sie nie werden, das hatte sie sich geschworen und sich nach der Scheidung schnell auf die Seite ihres Vaters geschlagen. Dem Scheitern der Ehe waren jahrelange Streitigkeiten vorausgegangen. Julia hatte es nie verstanden, wie sich aus augenscheinlichen Belanglosigkeiten ein handfester Krach entwickeln konnte. Fast immer hatte sie ihre Mutter als Verursacherin ausgemacht, vielleicht oft zu voreilig, wie sie sich später eingestanden hatte. Damals in jungen Jahren hatte sie die Lage etwas anders gesehen. Plötzlich war der Mann weg, der ihr immer jeden Wunsch von den Augen abgelesen hatte. Ihre Mutter hingegen war viel strenger mit ihr und hatte stets auf eine gesunde Balance zwischen Geben und Nehmen geachtet.

Julias Gedanken schweiften ab, sie überlegte, wann sie zuletzt Kontakt gehabt hatten, ihr fiel das vergangene Weihnachtsfest ein. Wie schon in den Jahren zuvor hatte sie mit ihrer Mutter ein quälendes Telefonat geführt und schmerzlich gespürt, wie unüberwindbar der Riss zwischen ihnen war. Julia hatte danach stundenlang geheult, war dann zu Freunden aufgebrochen und hatte an diesem Abend viel zu viel Wein in sich hineingeschüttet. Ein paar Tage danach wurde sie von Reue geplagt, ihre Mutter hatte einfühlsam versucht, sie zu einem Treffen zu bewegen, sie immer wieder aufgefordert, reinen Tisch zu machen und sie beinahe angebettelt, sich zu versöhnen. Julia war stur geblieben wie ein Roboter, sie war selbst über ihre Gefühlskälte erschrocken gewesen, aber sie hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, ihrer Mutter einen kleinen Schritt entgegen zu kommen.

Jetzt spürte sie, wie sich ihre Laune verschlechterte, das passierte immer, wenn sie an das zerrüttete Verhältnis zwischen ihnen dachte. Warum sollte ihre Mutter sich geändert haben? Sie war schließlich Mitschuld am Tod ihres Vaters. Das stand für Julia fest. Er hatte wie ein Hund gelitten, nachdem ihn seine geliebte Eva vor die Tür gesetzt und einen Schlussstrich gezogen hatte. Trotz aller Streitigkeiten in den vergangenen Jahren kam es für ihn völlig überraschend. Von da an verschlechterte sich sein Zustand zunehmend, der einst so selbstbewusste Italiener vergrub sich immer mehr in Selbstmitleid, verlor seine Arbeit und starb drei Jahre später an den Folgen eines Autounfalls. 1,8 Promille wurden in seinem Blut gefunden, Julia vertrat bis heute die These, dass ihr Vater den Unfall selbst herbeigeführt hatte. Er war an gebrochenem Herzen gestorben, dabei blieb sie. Warum in aller Welt sollte sie einen Neuanfang mit ihrer Mutter wagen, die dieses Drama ausgelöst hatte?

Schnell schüttelte sie die Erinnerungen ab und konzentrierte sich auf den finalen Text der aktuellen Reportage. Mit ein paar Mausklicks fügte sie den Siegertitel an der richtigen Stelle ein und schickte die Word-Datei an das Lektorat, sie sollten noch einen letzten Blick darauf werfen. Dann fuhr sie ihren Rechner herunter und griff nach ihrem Handy, in einigen Büros brannte noch Licht, sie war an diesem Abend nicht die Letzte in der Redaktion. Als sie ihr Smartphone entriegelte, sprang ihr eine Telefonnummer ins Auge. Jemand hatte mehrfach versucht, sie zu erreichen. Der Vorwahl nach musste der Anruf aus dem Ausland gekommen sein, nichts Besonderes, schließlich war sie viel in Europa unterwegs. Diese Vorwahl war ihr aber unbekannt. Sie überlegte einen Moment, schmiss dann das Mobiltelefon aber in ihre große Handtasche, der unbekannte Anrufer musste warten.

MARIA KENTARIAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016

Unfähig sich zu bewegen, stierte sie einen Moment lang hinunter in die brodelnde Bucht, ihre Gedanken rasten. Was sollte sie zuerst tun? Hilfe holen oder zunächst nach der Person sehen, vielleicht lebte sie ja noch? Ohne weiter kostbare Zeit zu verlieren, riss sie sich mit einem Ruck von der kalten Brüstung los. Ihre Augen erkundeten geschwind die nähere Umgebung. Obwohl sie schon unzählige Male an dieser Stelle gestanden hatte, suchte sie hilflos nach einer geeigneten Stelle, um möglichst schnell nach unten ans Wasser zu gelangen. Achilleas bellte ihr fordernd entgegen. Maria hastete die steile Treppe hinunter und stolperte über eine lose Anhäufung von Steinen in die angrenzende Bucht, stützte sich dabei immer wieder mit ihren Händen ab, wenn sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren. Auf einen derartigen Balanceakt war sie nicht vorbereitet gewesen, so wie jeden Morgen hatte sie sich für den frühen Spaziergang mit ihrem Hund lediglich ihre Hausschuhe übergestreift. Ein denkbar ungeeignetes Schuhwerk für eine derartige Kletterpartie. Maria schaffte es, ohne zu stürzen, bis ans Ufer, krempelte schnell ihre Hose hoch und rannte die wenigen Meter zu dem leblosen Körper. Sie zitterte vor Aufregung, Achilleas sprang wild kläffend um sie herum. Bereits der erste Blick verriet ihr, dass es sich bei der angespülten Person um eine Frau handelte. Sie lag auf dem Bauch, bekleidet mit einer beigen Strickjacke und einem hellen Rock, mit dessen Saum die Brandung spielte. Die weißen Beine waren unbekleidet und befanden sich halb im Wasser. Sobald sich dieses zurückzog, erkannte sie an einem Fuß einen weißen Turnschuh, der andere Fuß war nackt.

Maria nahm allen Mut zusammen, packte die Frau von der Seite aus und drehte sie beherzt auf den Rücken, ein greller Schrei entwich ihr und schnellte wie ein Torpedo aufs Meer hinaus. Unweigerlich hatte sie einen Satz nach hinten gemacht. Achilleas stupste die Frau immer wieder an, so als wolle er sie zum Aufstehen animieren. Wie gebannt stand Maria eine Weile da, konnte ihren Blick nicht von dem versteinerten Gesicht der Frau wenden, zwei weit aufgerissene, angsterfüllte Augen starrten ins Leere. Hier gab es nichts mehr zu machen, die Frau war eindeutig tot. Während sie so dastand und den leblosen Körper betrachtete, erinnerte sie sich, die Tote war ihr nicht unbekannt, in den letzten Tagen war sie ihr mehrmals begegnet. Die weißen Turnschuhe waren ihr dabei immer ins Auge gefallen. Ein lautes Rufen ließ sie aufhorchen, sie drehte sich um, die Küchenhilfe aus dem Thalassa stand oben am Geländer und schrie ihr etwas entgegen. Marias greller Schrei beim Anblick der Wasserleiche hatte die Frau sofort zum Meer laufen lassen. Jetzt stand sie da und hielt sich gelähmt vor Entsetzen die Hände vors Gesicht.

Die Frau war keine große Hilfe, stellte Maria schnell fest und überlegte fieberhaft, was nun zu tun war. Sie griff in die Tasche ihrer Jacke, suchte nach ihrem Telefon, aber es lag zu Hause. Die Polizei in Parikia konnte sie von hier aus schon mal nicht anrufen. Sie winkte der Angestellten zu, bevor sie sich jedoch zurück nach oben begab, sammelte sie noch einmal alle ihre Kräfte und zog die Tote einige Meter den Strand hinauf, raus aus der auslaufenden Brandung in einen geschützten Bereich. Dann kraxelte sie auf allen Vieren zurück zur Straße. Oben angelangt, stürmte sie ins Innere des Thalassa und rief laut nach dem Inhaber der Gastwirtschaft, die Küchenhilfe ließ sie dabei links liegen.

»Janni! Janni! In der Bucht liegt eine Tote! Wir müssen die Polizei benachrichtigen. Es ist eine Frau, ich glaube, sie ist ertrunken.«

Aus der Ferne hörte Maria schlürfende Schritte näherkommen. »Um Gottes Willen!« Jannis Frau, Flora, erschien kreidebleich im Türrahmen und bekreuzigte sich unentwegt. »Kennst du die Tote?«, fragte sie leicht zitternd.

»Nur vom Sehen, sie ist mir in den vergangenen Tagen mehrfach über den Weg gelaufen, muss eine Touristin sein.«

»Wie schrecklich!«, entgegnete Flora, »Aber bei dem Sturm geht doch keiner ins Wasser!«

»Wir müssen die Polizei benachrichtigen.«

Flora griff nach einem Handy und reichte es Maria. Der Notruf landete automatisch in der Polizeidienststelle in Parikia.

Wenige Minuten später war ein Beamter der ansässigen Polizeistation nach Ambelas unterwegs.

Maria setzte sich auf einen Stuhl und rief ihren Mann an, um ihn über den makabren Fund zu informieren. Der wartete schon ungeduldig auf ihre Rückkehr und bot besorgt an, sie abzuholen. Doch Maria wiegelte ab. »Fahr schon in den Garten, ich muss warten bis die Polizei da ist. Die wollen mit mir reden.« Sie wusste, dass Christos früh aufbrechen wollte, um die Kühle des Morgens zu nutzen, außerdem wollte sie ihm den Anblick der angespülten Frauenleiche ersparen.

»Jetzt brauche ich erst einmal einen Kaffee.« Flora hatte sich von dem ersten Schrecken erholt und begann, einen griechischen Mokka zu kochen. »Hatten wir schon lange nicht mehr, dass hier einer ertrunken ist«, sagte sie, während sie zwei Tassen aus dem Schrank holte.

»Das Komische ist, dass die Frau vollständig bekleidet ist«, bemerkte Maria ganz in Gedanken.

Zwanzig Minuten später hörten sie wie ein Wagen vorfuhr, Achilleas hieß den Ankömmling bellend willkommen und ein junger Mann stieg aus dem Auto. Maria lief nervös nach draußen, nur ein Polizist war gekommen, sie hatte mit der Kommissarin gerechnet, die nicht weit weg vom Fundort wohnte. Quasi eine Nachbarin.

»Wo ist Katharina«, rief sie dem Polizisten entgegen und reichte ihm ihre Hand.

»Hat heute frei, Sie müssen mit mir vorliebnehmen … Filippos Panos«, stellte er sich vor. »Ich bin der zweite Mann in der Polizeidienststelle.« Er lächelte sie charmant an.

Maria Kentari kannte den Mann nur flüchtig. Sie glaubte, ihn schon einmal bei einer Feier der Kommissarin gesehen zu haben, am Osterfest vor ein paar Jahren, als Katharina zu einer Wohnungseinweihung geladen hatte. Der markante Wuschelkopf des Kriminalbeamten war ihr damals schon angenehm aufgefallen.

»Wo ist die Tote?«, kam der Beamte direkt zur Sache. »Sie haben uns doch angerufen und die Frau gefunden?«

»Ja … und nein«, stotterte Maria. »Mein Hund hat sie gefunden, ich bin dann hinterher …« Sie zeigte in Richtung der kleinen Bucht auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

»Zeigen Sie mir die Fundstelle.« Filippos öffnete seinen Kofferraum und holte zwei Gummihandschuhe und eine Kamera hervor.

Dann stolperten sie hastig die Treppe zu der toten Frau hinunter. Flora war ihnen nachgeeilt und stand mit sorgenvollem Gesicht an der Brüstung, um das Spiel aus sicherer Entfernung beobachten zu können. Die vom Wind aufgewirbelte Gischt spritzte dem Kriminalbeamten entgegen, als er sich der leblosen Frau behutsam näherte. Maria wies er an, in einigen Metern Abstand zu warten. Achilleas nahm sie an die Leine. Nachdem er sich vom Ableben überzeugt hatte, fotografierte er zunächst den Fundort aus verschiedenen Perspektiven, dann widmete er sich ausgiebig der Leiche. Irgendetwas irritierte ihn beim Anblick der Frau, er wusste aber nicht was es war. Die nackte Todesangst in ihren leeren Augen war kaum auszuhalten. Filippos musterte die Tote eine ganze Weile und plötzlich wusste er, was ihn an der Fremden so verunsicherte. Der auffallend geschminkte Mund passte nicht zu der Szenerie am Strand, ein grell roter Lippenstift, der allen Attacken des Salzwassers getrotzt hatte. Auch das Gesicht wies Spuren eines viel zu stark aufgetragenen Make-Ups auf, ungewöhnlich für eine Frau in diesem Alter. Er schätzte die Tote auf Mitte bis Ende fünfzig. Auffallend war auch eine grobgliedrige Halskette, die mit weißen Perlen durchsetzt war, daran hing ein goldenes, ovales Amulett. Der Polizist machte eine Nahaufnahme des Gesichts, bückte sich zu der Frau hinunter und suchte in den Taschen ihrer Strickjacke nach verwertbarem Inhalt, jedoch ohne Erfolg. Erst jetzt, bei näherem Hinsehen, entdeckte er an der Nase und am Mund der Leiche Spuren eines leichten Schaumpilzes, ein typisches Merkmal beim Tod durch Ertrinken. Das sollte sich aber Doktor Spanopoulos noch einmal genauer ansehen, den hatte er schon auf seiner Fahrt nach Ambelas angerufen. Ein geschätzter Kollege, der eng mit der Polizei zusammenarbeitete und immer gerufen wurde, wenn die Polizei den Rat eines erfahrenen Mediziners benötigte. Der würde dann entscheiden, ob die Frau gegebenenfalls in die Gerichtsmedizin nach Athen gebracht werden musste.

»Kennen Sie die Tote?«, fragte er Maria schließlich.

»Nur vom Sehen, es muss eine Urlauberin sein, bin ihr ein paar Mal begegnet, als sie durch Ambelas spaziert ist.« Sie war näher an die Leiche herangetreten und bemerkte einige Details, die sie in ihrer Panik übersehen hatte.

»Haben Sie auch einen Namen zu der Person?«

Maria konnte ihren Blick nicht von der Unbekannten loseisen, die starke Schminke und die teuer wirkende Goldkette, das alles hatte sie bei der Bergung der Toten nicht bemerkt.

»Wissen Sie, wie die Tote heißt?«, fragte Filippos zum wiederholten Male.

»Nein, aber sie muss hier in der Nähe gewohnt haben, so viele haben zu dieser Jahreszeit ja nicht mehr auf. Das müsste schnell herauszukriegen sein.« Sie schaute noch einmal zu der Frau hinüber. »Sieht aus, als hätte sie sich richtig herausgeputzt, schöngemacht … und dann so was.«

Filippos hob seinen Kopf. »Wie meinen Sie das?«

»Die war nie so stark geschminkt … wie gesagt, ich bin ihr mehrfach begegnet. Eine freundliche Frau, sie hat immer gegrüßt«. Maria überlegte einen Augenblick lang, »… und da sah sie eher krank aus, blass und schwach, nicht so gestylt.«

»Wo könnte sie gewohnt haben?« Filippos musste den Namen der Toten in Erfahrung bringen, um ihre Angehörigen zu informieren.

»Ich habe sie mehrmals zur anderen Seite des Hafens laufen sehen, da hat meines Wissens nach nur noch die Villa Sophia und Carmens Appartement auf. Ich kann dort anrufen und nachfragen.«

Filippos nickte, er mochte die anpackende Art der Frau, machte ihr aber unmissverständlich klar, keinerlei Details auszuplaudern. Sie solle lediglich in Erfahrung bringen, ob die Häuser noch aufhatten, alles Weitere würde er übernehmen. Sogleich stieg Maria den Abhang hinauf und suchte nach den Telefonnummern der Ferienwohnungen. Kurz darauf traf Doktor Spanopoulos ein, der ohne Umschweife zu der Toten in die Bucht stieg, um sich der Leiche anzunehmen. Er untersuchte sie gewissenhaft, sein besonderes Augenmerk lag auf ihrem Mund und Rachenraum.

»Sieht sehr nach Tod durch Ertrinken aus«, kam er schließlich zu dem gleichen Ergebnis wie schon Filippos zuvor. »Genau kann das aber nur in der Gerichtsmedizin festgestellt werden.«

Der junge Beamte spürte die Unsicherheit des Arztes.

»Ich frage mich, wie die Frau ins Wasser gekommen ist?«

»Das kann ich leider nicht beantworten, aber um ein Fremdverschulden auszuschließen, muss die Tote nach Athen. Ich schlage vor, Katharina zu informieren«, sprach Spanopoulos zu Filippos gewandt.

Die Kommissarin wohnte direkt um die Ecke, daher entschied sich der Polizist persönlich bei ihr vorzusprechen.

CHRISTOS KENTARISAMBELAS, PAROS, SÜDLICHE ÄGÄIS, ­SEPTEMBER 2016

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