Black Forest High 3 - Nina MacKay - E-Book

Black Forest High 3 E-Book

Nina MacKay

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Beschreibung

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wo Geisterjäger, Exorzisten und Geistermedien zur Schule gehen? Auf die Black Forest High! Nichts ist mehr wie es war an der Black Forest High und dieser Umstand geht größtenteils auf Sevens Konto. Während sie noch versucht herauszufinden, was mit ihren Geisterfreunden los ist, steht die Geisterwelt plötzlich Kopf. Geister verschwinden spurlos, während ausgerechnet der Poltergeist die Welt der Lebenden betritt, den Seven mehr als alle anderen gefürchtet hat. Kann Seven sich selbst überwinden und alles wieder geraderücken? Nova und Sylva finden? Und dann wäre da noch das Liebeschaos mit Parker und Crowe. Dagegen verblassen selbst Poltergeistangriffe und Natalias Gemeinheiten, oder nicht? Der spannende Abschlussband der Black Forest High rund um die Ersatz-Auserwählte Seven und die gutaussehenden Zwillinge Parker und Crowe!

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© ivi, ein Imprint der Piper Verlag GmbH, München 2021

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Kapitel 1

Varla

Kapitel 2

Parker

Seven

Kapitel 3

Kapitel 4

Parker

Seven

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Parker

Seven

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Parker

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Eine Woche später

Danksagung

Für alle, die die Black Forest High Reihe lieben

 

Und eine Spezialwidmung an fünf große BFH Fans: Sabine, Bibi, Hannah, Diana und Amelie <3

Kapitel 1

Varla

Wie festgefroren verharrte Varla am Treppenabsatz. Ihre Finger umklammerten das Geländer, als wäre es der sprichwörtliche letzte Strohhalm für sie. Octa, der kleine niedliche Geist mit den Zöpfen, schwebte an ihr vorbei. Grimmig zusammengekniffene Lippen, ein Körper aus grauem Rauch. Octa war ein Poltergeist. Kein schüchterner, normaler Geist mehr. Sie hatte sich verwandelt. Eindeutig und in der Dunkelheit klar auszumachen.

Die Erkenntnis traf Varla hart wie die Glaskugel aus der Mediums-SU. Hatte es so etwas schon jemals gegeben?

Octa fauchte, beachtete Varla aber nicht weiter. Und dann war sie fort. Im Flur verschwunden.

Varla biss sich auf die Unterlippe. Die Mutter der Drillinge war ebenfalls außerhalb ihres Blickfelds im Erdgeschoss abgetaucht.

Varla zwang sich auszuatmen. Später würde sie mit dieser Begegnung fertigwerden, doch genau jetzt musste sie weiter. In den Kunstraum. Zu Seven. Ihre Vision … Allein beim Gedanken daran wurde Varla schlecht. Sie durfte nicht noch mehr Zeit verlieren.

 

Die Flachwitz-Tür gab sich erst mit dem zweiten gemurmelten Witz zufrieden. Der erste war ihr nicht flach genug. Doch nachdem Varla »Was ist grün und steht vor der Tür – ein Klopfsalat« geflüstert hatte, schwang die Tür auf, wofür Varla überaus dankbar war. So lautlos wie möglich sprintete sie den Flurtrakt entlang. Sie mussten hier sein, außer sie hatten die hintere Treppe genommen …

Kaum dass sie den Gedanken voll erfasst hatte, flog die Tür von Mr Orbys Kunstraum auf.

Vor Schreck sprang Varla zur Seite, presste sich hinter einer Statue, die schon vor ihrer Zeit von Schülern aus Pappmaschee geformt worden war, gegen die Wand. Damit das Glöckchen an ihrem Hals sie nicht verriet, schloss sie eine Faust darum. In Varlas Ohren rauschte das Blut, während sie vorsichtig um die ausladende Oberweite der Statue herumlugte. Es war Seven, die da den Kunstraum verließ. Tatsächlich. Aber wo waren die Zwillinge? Seven schritt zügig den Flur entlang, glücklicherweise in die andere Richtung, weg von Varla.

Das musste bedeuten … sie war zu spät gekommen.

Sobald Seven um die nächste Ecke verschwunden war, drückte sich Varla von der Wand ab. Sie musste wissen, was in Mr Orbys Klassenraum vorgefallen war.

Obwohl sie sich für den Anblick gewappnet hatte, fiel Varlas Mut augenblicklich in sich zusammen, kaum dass sie in den Raum geschlüpft war. Mondlicht fiel auf die grausige Szene am anderen Ende des Klassenzimmers. Der Boden schien näher zu kommen und komischerweise auch die unfertigen Bilder, die auf ihren jeweiligen Staffeleien auf die vierte Stunde am Montag warteten. Es wirkte fast, als wären die Bilder lebendiger als die Zwillinge, die am Boden lagen.

»Nein«, keuchte Varla. Ihre Finger zitterten. »Eleonor!« Sie stürzte nach vorn. Noch im Laufen zog sie sich ihren Schal vom Hals.

Parker starrte ihr entgegen. Im Gegensatz zu seinem Bruder war er bei Bewusstsein. Allerdings schien alles Leben aus seinen hellblauen Augen verflogen zu sein.

»Eleonor!« Ohne nachzudenken, kniete sie sich zwischen Parker und Crowe, aus deren Kehlen Blut floss, das sich neben den Brüdern zu einer Lache sammelte. Eilends drückte Varla die Enden ihres Schals auf die Wunden der Jungs, wofür sie in ihrer knienden Position beide Arme ausstrecken und sich weit nach vorn lehnen musste.

Parker röchelte etwas, das stark nach Seven klang, doch Varla sah ihn scharf an. »Du sagst nichts, sondern konzentrierst dich darauf, nicht zu sterben, verstanden?«

Schweiß rann Varla in die Augen. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Wenn die Irving-Zwillinge starben … und Seven sich später die Schuld dafür geben würde … Dieses Szenario wollte sie sich gar nicht erst ausmalen.

Endlich, endlich tauchte Eleonor auf in ihrer flackernden Geistergestalt. Sobald sie bemerkte, weswegen Varla nach ihr geschrien hatte, quiekte sie los.

»Schweb da nicht so rum. Geisterplasma, schnell! Oder hol Mrs Lebron.«

»Ich … ich«, stotterte der Geist. Ihre sonst so intelligent dreinschauenden Augen flitzten von links nach rechts. Der Dutt an ihrem Kopf schwankte.

»Reiß dich zusammen!«

Zitternd schob Eleonor eine Hand in ihre Hosentasche. »Ich hab geübt.«

Varla sah auf. Direkt auf die glühende Masse Geisterplasma in Eleonors rechter Hand. Dem Himmel sei Dank. Immerhin ein Geist an dieser Schule, der von einem Menschen gefördert worden war.

»Fang mit Crowe an.« Mit dem Kinn deutete Varla auf den bewusstlosen Zwilling. Geisterplasma. Das Wort hallte wie ein Echo in Varlas Kopf nach.

Parkers Füße zuckten. Der Schal an seinem Hals hatte sich schon komplett mit Blut vollgesogen und um ihn herum sickerte immer noch Blut auf den Boden. Den beiden Jungs blieb keine Zeit mehr.

Varla biss sich auf die Zunge. Es durfte nicht zu spät sein. Wenn sie die falsche Entscheidung getroffen hatte und nun beide Jungs sterben würden? Hätte sie doch besser Parker zuerst behandeln lassen sollen, damit wenigstens einer der beiden überlebte?

»Seven«, röchelte Parker schon wieder. »Hilf ihr.«

»Sofort. Und jetzt halt die Klappe«, fuhr Varla ihn an. »Ich versuche gerade, dein Leben zu retten.«

Auf ihrer rechten Seite betupfte Eleonor Crowes Wunde. Wie hatte Seven das bloß bewerkstelligt? Zwei Jungen verletzt? Mit was? Einem Messer? Etwas blitzte im Mondlicht hinter Crowes Kopf. Eine achtlos weggeworfene Schere, voll mit Blut. Eine Schere …

Der Dämon, der Seven umsessen hatte, musste wirklich sehr mächtig sein. Warum hatten sie nicht besser auf Seven aufgepasst? Es hatten sich doch genug Jäger auf dem Herbstball herumgetrieben? Wieso hatte keiner …? Und was war mit dieser Therapie, die die Hatties Seven aufgebrummt hatten? War das alles umsonst gewesen? Würden nach Sylva und James nun auch die Zwillinge sterben? Varla legte den Kopf in den Nacken und stieß einen frustrierten Schrei aus.

Kurz schielte Eleonor zu ihr rüber, sichtlich erstaunt, unterbrach jedoch nicht Crowes Behandlung.

 

In Varlas Herz schien sich ein Knoten zu lösen, als sich die Wunde an Crowes Hals schloss. Und einen Augenblick später zuckten seine Fingerspitzen.

»Er wird wieder«, wisperte Eleonor.

»Gut, und jetzt Parker.« Varlas Kopf flog herum.

Hastig folgte der Schulgeist ihrer Aufforderung.

Warum war eigentlich noch niemand anderes auf sie aufmerksam geworden? »Remi! Wo steckst du?«

»Es ist nicht genug Plasma für eine zweite Person übrig, fürchte ich.« Eleonors Blick schoss zwischen Parker und Varla hin und her. Der Schnitt schloss sich nicht, hatte sich allerdings verengt.

Was? Zu wenig? Frustriert biss sich Varla auf die Unterlippe. Vermutlich hatten sie ihr Glück schon verbraucht an diesem Abend.

Ehe Varla darauf antworten konnte, löste sich ein Geist aus Parkers Körper. Offenbar hatte er sich so weit im Griff, dass er auf die Geisterebene wechseln konnte. Ganz schön clever.

»Varla, verschwende keine Zeit. Du musst Seven stoppen. Schnell, ich begleite dich.«

»Parker …«

»Eleonor besorgt mehr Plasma für meinen Körper und in der Zwischenzeit komme ich mit dir mit. Für Seven.« Seine Gestalt flackerte.

»Nein, das ist viel zu gefährlich. Dein Körper wird noch schwächer ohne seinen Geist sein als sowieso schon.« Fahrig fuhr sie sich über die Stirn.

»Das bedeutet also, ich gehe vor.« Parker straffte die Schultern und schwebte in Richtung Tür. »Seven ist besessen und im Begriff, irgendetwas Schreckliches zu tun.«

Varla hastete ihm hinterher. Nach einem Blick zurück auf Eleonor war sowieso klar, dass sie hier nichts mehr ausrichten konnte. Wie sehr sie es hasste, wenn die Irving-Zwillinge recht hatten.

Parkers Geist erhellte mit seinem blauen Schein den Flur.

»Nein, im Ernst, Parker!«

Aber das schien er schon gar nicht mehr zu hören. In seiner durchscheinenden Gestalt schoss er durch den Flur in Richtung der hinteren Treppe, die Seven vermutlich ebenfalls genommen hatte. Für Seven, er tat das alles für sie.

Wenn die Situation weniger dramatisch gewesen wäre und sich Varla nun nicht zusätzlich noch um Parker hätte sorgen müssen, wäre das ja ganz süß gewesen. Aber so? Ohne weiter darüber nachzudenken, sprintete Varla Parker hinterher.

Durch die Seitentür schlüpften sie aus dem Schulgebäude. In ihrem Herzen hämmerte es. So viel war geschehen an diesem Abend. Wenn es so weiterging … was konnten die Poltergeister mit Seven vorhaben? Ausgerechnet heute während des Herbstballs. War das von langer Hand geplant gewesen?

Parkers blauer Schein leuchtete nicht weit entfernt.

Sie hatte keine Wahl. Varla hastete ihm über den Kiesweg hinterher, dann über den Rasen direkt auf die Turnhalle zu. Dort, wo die anderen ahnungslos feierten … Erst jetzt begriff Varla, dass sie jemanden anrufen musste. Wenn sie doch nur an ihr Handy gedacht hätte! Aber das lag in ihrem Zimmer. Sie hatte lediglich ihre Notfalltasche mit Pflastern, Siliziumspray und etwas Weihwasser bei sich. Das war’s.

Glücklicherweise entdeckte sie nicht weit entfernt Trent und Bayle unter einer Weide mit tief hängenden Ästen. Ein stark würziger Geruch schlug ihr entgegen. Die zwei rauchten. Natürlich.

»Hey, ich brauche eure Hilfe!« Keuchend deutete sie im Laufen auf die Jungs. Während Trent verwirrt in die entgegengesetzte Richtung starrte und sich einen seiner Dreadlocks über die Schulter strich, erwiderte Bayle ihren Blick. Er stieß einen Kringel Rauch in die Luft.

Das Zeug kitzelte in Varlas Nase.

»Schreibt in den Klassenchat, dass Poltergeister auf dem Weg in die Turnhalle sind. Mit Seven. Die anderen müssen gewarnt werden!«

Auf die Schnelle wusste Varla nicht, wie sie es sonst hätte erklären können, ohne dass sie Seven noch mehr bloßstellte als sowieso schon. Und tatsächlich nickte Bayle, noch ehe sie ganz an ihm vorbeigesprintet war. Immerhin. Er war einer der cleversten Schüler im Internat. Bayle würde sich um das Problem kümmern. Mit seinen Hackerfähigkeiten hatte er schon alles Mögliche mehr geregelt.

Letztendlich holte Varla Parker ein, als der vor der Turnhalle einmal nach links und dann wieder nach rechts schwebte. Keuchend und kurz davor umzukippen, fasste sie sich an die Brust. Bloß war ohnmächtig werden keine Option.

»Drinnen ist sie nicht«, rief Parker ihr entgegen. »Aber die anderen wissen Bescheid und sammeln sich.«

Wahrscheinlich sah Varla deshalb keine Schüler vor der Tür oder im Vorraum zur Turnhalle.

»Gut, dann …« Varla drückte gegen die Eingangstür. Doch die gab kein Stück nach, weshalb sie verstummte. Energisch rüttelte sie an den Plattengriffen. »Abgesperrt, was soll das?«

Ganz und gar ungewöhnlich. Nicht, wie es an einem Ballabend sein sollte. Sie wirbelte zu Parker herum. »Du bist durch die Wand rein?«

Parkers Geistergestalt flackerte. »Genau. Vermutlich hat jemand – und damit meine ich mindestens einen Poltergeist – die Tür manipuliert. Es gibt keinen Geisterabwehrschutz hier. Verflucht. Daran hat niemand gedacht.«

Sofort spürte Varla ihre Fingerspitzen taub werden. Alles in ihr schien zu erkalten. Zu leichtsinnig. Wie hatte niemand daran denken können? Weil sonst nie etwas geschah und Seven als beinahe therapiert galt? Und nun? Was ging hier vor? Ihr Kopf schnellte von links nach rechts.

»Riecht ihr das?« Gerade als sich Trent und Bayle ihnen näherten, kroch ein scharfer Geruch in Varlas Nase.

Zunächst antwortete ihr niemand. Nur Trent hob einen Arm und schnüffelte an seiner Achsel. »Nö.« Dann zupfte er an seinem zerknitterten Anzug. Seine Fliege hatte er bereits gelockert.

Varla beachtete ihn nicht weiter.

»Rauch. Es brennt? Nur wo?«

Nachdem Parkers Geisterkörper noch ein wenig blasser geworden war, stieg er in die Höhe, wohl um sich einen besseren Überblick zu verschaffen.

»Parker, du solltest zurückfliegen. Du bist schon zu lange von deinem Körper getrennt, wenn man bedenkt, dass du geschwächt bist und noch den Rückweg vor dir hast«, bemerkte Varla. Natürlich ging er nicht darauf ein.

»Auf der Rückseite der Turnhalle bildet sich Rauch. Ungefähr da, wo so viel Gestrüpp über den Weg reicht. Liegt da nicht auch der Hinterausgang? Genau da?«

Rauch. Also wirklich Feuer. Was …? Innerhalb einer Millisekunde begriff Varla, was das hieß. »Die Poltergeister! Sie steuern Seven und sie muss das Feuer gelegt haben.«

Varla fing Parkers Blick auf. »Und vorher hat sie alle Ausgänge verriegelt. Bloß wie?«

»Wenn die Poltergeister das geplant hatten … müssen sie es vorbereitet haben. Irgendwie haben sie sich die Schlüssel besorgt, nehme ich an, oder die Schließzylinder im Schloss manipuliert.« Wieder rüttelte Varla an der Tür. Sie mussten handeln, schnell. »Bayle, sag allen Bescheid, dass sie da rausmüssen. Vielleicht über das Toilettenfenster. Beeil dich!«

In der Zwischenzeit flog Parker mit gesenktem Kopf am Rand der Turnhalle auf und ab, als suchte er einen weggeworfenen Schlüssel.

Varla wirbelte herum. »Ich kümmere mich um Seven. Ihr kommt nach.«

Da sich Parker schon wieder in Bewegung setzte, warf sie im Laufen den Kopf zurück. »Du nicht. Du musst zurück in deinen Körper, sonst stirbst du ganz bestimmt.«

Parker gab vor, sie nicht gehört zu haben. Aber da Varla keinen Nerv übrig hatte, um einen bockigen Parker-Geist zu seinem Körper zurückzuschicken, lief sie ohne ein Wort weiter keuchend über den Rasen, den Kopf voll wirrer Gedanken, die alle nicht so recht Sinn ergeben wollten.

Aus Richtung der Schulauffahrt näherte sich ihr ein Geist. Houston, dieser grimmige Freund von Remi, wie Varla am Rande registrierte.

»Houston, wir haben ein Problem.« Bayle machte sich noch ein wenig größer, als er ohnehin schon war. »Das wollte ich schon immer mal sagen!«

»Hast du keine anderen Sorgen?«, zischte Varla.

»Doch, aber die Geister könnten uns doch helfen?«

»Leise!«, flüsterte Parker ihnen zu. »Seven ist dahinten. Helft mir, sie zu überwältigen.«

Varla wusste, dass Parker in dieser Situation absolut nichts tun konnte und Houston auch nicht. Nur die beiden zugedröhnten Geisterjäger an ihrer Seite. Eventuell … Nicht mal ein Exorzist war hier. Wie sollten sie da Seven … helfen? Es gab nur eine winzige Chance.

»Parker, du musst Sevens Programmierung umkehren.« Sie waren fast da.

»Glaubst du, das weiß ich nicht?«, fragte Parkers schimmernder Geist zurück. »Wenn sie es uns so einfach machen …«

Das hätte Varla auch nicht vermutet.

Den Anblick, der sich ihnen auf der Rückseite der Turnhalle bot, ebenso wenig. Varla konnte es Houston nicht verdenken, dass er innehielt und direkt wieder kehrtmachte.

Seven, blutbeschmiert, mit zerfetztem Ballkleid und weggetretenem Blick, fixierte den Hintereingang. Von innen rüttelte jemand daran. Allerdings kokelte vor der Hintertür ein aufgeschichteter Haufen an Zeitungspapieren vor sich hin, weswegen Varla lieber Abstand hielt. Oben aus dem Dach drang ebenfalls Rauch nach außen. Ein Brand und verriegelte Türen. Eine tödliche Kombination, die Varla den Atem verschlug. So etwas passierte doch nur in Büchern und Filmen, niemals in ihrer Welt. Doch genauso war es. Knisternd breitete sich das Feuer vor Varlas Augen weiter aus.

Adrenalin fuhr durch ihren Körper und auf einmal bewegte sie sich wie im Automodus.

»Parker, tu was. Ich lenke Seven ab. Trent, hilf du den anderen, aus dem Toilettenfenster zu klettern. Geh als Geist rein, erklär allen, was sie tun sollen, und komm zurück, verstanden? Und stell deinen Körper in sicherer Entfernung vom Rauch ab.«

Schon schwebten die Geister von Emerson und Natalia durch das Dach. Obwohl Seven sie längst bemerkt haben musste, beachtete sie weder Varla noch die Jungs an ihrer Seite. Doch sobald ihr Blick auf Natalia fiel, knurrte sie.

»Seven? Ich bin’s«, versuchte es Varla mit so viel Nachdruck in der Stimme wie möglich. »Warst du das?« Sie wies auf den vor sich hin schwelenden Papierhaufen. Rauch schlängelte sich wie dunkle Schnüre daraus empor. Nur das Knistern der Blätter war zu hören neben den geflüsterten Worten von Emerson.

Neben ihr stimmte Parker das Itsy Bitsy Spider-Lied an, weswegen Varla gespannt auf Sevens Reaktion wartete. Einmal, zweimal sang er es mit zittriger Stimme, während Seven wie in Trance an Parker vorbeistarrte.

Nichts geschah. Seven stand genauso steif da wie zuvor.

Fast hatte Varla es geahnt. Bloß warum funktionierte es dieses Mal nicht? Immer noch fixierte Seven Natalia, die die Lage wohl bereits sondiert hatte.

Natalias Lippen verzogen sich. Bitterkeit und Triumph sprachen aus ihren Gesichtszügen. »Gib den Lehrern Bescheid, Emerson. Ich kümmere mich um diese Irre.«

»Sie ist besetzt«, bemerkte Varla. »Umsessen«, korrigierte sie sich. »Seven kann nichts dafür.« Hoffentlich würden das die anderen auch so sehen. Und warum funktionierte das Itsy Bitsy Spider-Lied nicht mehr? Varlas Blick fand Parkers, der nur mit den Schultern zuckte. Doch offensichtlich hatte er ihr etwas mitzuteilen, denn er schwebte auf sie zu. Hoffentlich, um ihr zu versprechen, nun endlich zurück in seinen Körper zu fahren.

»Etwas stimmt hier nicht, und damit meine ich nicht das Offensichtliche.« Er nickte in Richtung Seven.

»Was glaubst du, haben die Poltergeister mit ihr vor?«, fragte Varla, die ähnliche Gedanken hegte. Doch bevor Parker antworten konnte, schoben sich ein paar Gedankenfetzen zu ganzen Sätzen in Varlas Kopf zusammen. »Die Poltergeister wollen dich und Crowe ausschalten, weil ihr Seven durchschaut, ihr glaubt und sie aufhalten könntet. Deshalb der Angriff eben im Kunstraum.« Die Worte in Varlas Mund verhakten sich, als so viele Bilder auf einmal an ihrem inneren Auge vorbeizogen. Es war noch nicht mal eine Vision. Bloß eine Feststellung. Zugegeben, eine wirre Feststellung. Doch Parker verstand bestimmt, was sie meinte. Sie sah ihn fest an. Was hatten die Poltergeister mit ihrer neuen besten Freundin vor? Varlas Herz schlug so schnell, als wollte es sich von ihr losreißen und ohne sie davongaloppieren.

Bilder aus der Vergangenheit schossen ihr durch den Kopf. »Die Schule zu schließen, ist ihr Ziel. Sie wollen die Ausbeutung der Geister beenden. Dafür haben sie Seven als ihr Werkzeug ausgewählt.« Das Gekreische der Poltergeister, die sich über Geisterforscher aufregten, zerrte an Varlas Erinnerungen.

Während sie sprach, wirkte Parker von Sekunde zu Sekunde alarmierter. »Als Nächstes müssen sie den Weg frei räumen. Indem sie die Jäger töten zum Beispiel. Die Talentiertesten von euch. Um freie Bahn zu haben. Niemand anderer kann ihnen etwas entgegensetzen.« Gut, abgesehen vielleicht von ein paar Tricks der Geisterforscher, aber so ein bisschen Geisterabwehrspray würde einem Angriff nicht lange standhalten.

Varlas Blick fiel auf Natalia, ehe sie ihren Satz vervollständigte. »Ich würde mit Natalia anfangen, wenn ich dieser Poltergeist-Anführer wäre. Wenn sie stirbt, gibt es auch keine Ersatz-Geistlenkerin mehr für Seven.« Sie starrte in Richtung Dach, von wo aus Natalia Seven mit Worten provozierte.

Nach einem Blick über die Schulter bemerkte Varla, wie Bayle und Trent Yoko aus dem Toilettenfenster zogen. Das ging viel zu langsam. Irgendjemand musste die Eingangstüren öffnen oder der Großteil der Ballgäste würde lebendig verbrennen.

»Die Feuerlöscher …« Yoko hustete, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Sie funktionieren nicht. Wurden manipuliert.«

Irgendjemand keuchte.

»Warum tun die Hotties denn nichts?«, hörte Varla Bayle fragen.

Mittlerweile stand der erste der überhängenden Dachbalken in Flammen und das Feuer fraß sich aggressiver vorwärts. Der Rauch kratzte in Varlas Kehle, weswegen sie einen Schritt zurücktreten musste. Hastig ging sie im Kopf die Standorte von weiteren Feuerlöschern auf dem Schulgelände durch. Ein ganz kleiner befand sich innen am Haupteingang. An den würde sie nicht rankommen und bis die anderen in der Schule ihn erreichten, würde das Feuer schon zu hoch lodern. Die großen Feuerlöscher befanden sich allesamt zu weit entfernt im Inneren der Schule. Aussichtslos, dort in weniger als fünf Minuten dranzukommen.

»Die anderen haben sich drinnen in der Mitte des Basketballfelds versammelt, weil sie einen Poltergeist-Angriff erwarten«, flüsterte Yoko. Sie vollführte eine Handbewegung, die deutlich machte, dass sie geschickt worden war, um den Ersatzschlüssel zu holen.

Ein gewagter Plan der Schulleiterinnen.

Varla biss sich auf die Zunge. Ob dieser Plan aufgehen würde? Und wenn nicht? Wenn die Poltergeister auch dagegen vorgesorgt hatten? Wenn das Schloss blockiert war? Schon im nächsten Moment raste Yoko davon.

»Komm schon.« Wie in einem Karatefilm winkte Natalia Seven zu sich. Unter ihr knisterte das Feuer. »Wechsel auf die Geisterebene und dann werden wir ja sehen, wie du dich gegen mich behaupten kannst.«

»Natalia, nicht!«, sagte Varla. »Die Poltergeister wollen dich aus dem Weg räumen.«

Für diese Warnung hatte Natalia nur ein müdes Lächeln übrig. »Welcher Poltergeist will das nicht? Schon seit ich geboren wurde.«

Da hatte die vormals mächtigste Geistbegabte wohl recht. Natalia starrte Seven an, wobei sie Varla an eine wütende Vampirprinzessin erinnerte.

Dennoch …

»Parker, geh zurück zu Seven. Sag ihr, dass sie sich gegen die Besetzung behaupten muss. Sag, dass du sie liebst!«

»Das hat bei Crowe schon nicht funktioniert in der Nacht, als James …«

Varla verstand. Bloß musste das einfach klappen. Wenn das Itsy Bitsy Spider-Lied keine Wirkung zeigte, was konnte ihnen dann noch helfen?

»Parker, du bist nicht Crowe.« Es kam härter über ihre Lippen als beabsichtigt und sie konnte erkennen, wie Parkers Kopf nach oben ruckte. Ob ihn dieser Fakt getroffen hatte oder er einfach nur gegen den Drang ankämpfte, zurück in seinen Körper zu fahren, war ihr nicht unbedingt klar.

Nach kurzem Zögern nickte Parker ihr zu. Gut, welche Wahl hatten sie schon?

Varla fixierte Seven mit den Augen. Gleichzeitig ertönten Rufe aus dem Inneren der Turnhalle. Sie war sich nicht vollkommen sicher, aber es hörte sich so an wie »Poltergeister!«.

Was zur Hölle …? Noch ehe Varla den Gedanken ganz zu Ende gefasst hatte, schoss Sevens Geist aus ihrem Körper. In einer fließenden Bewegung und so, als hätte sie das von langer Hand geplant, griff sie sich in den Nacken, zog das Geisternetz aus ihrem Tattoo und warf es auf Natalia.

Die versuchte zwar noch auszuweichen, doch es war zu spät. Das Netz nagelte sie auf dem Dach der Turnhalle fest und Sevens Geist verschwand wieder in ihrem Köper. Seelenruhig.

»Du kleine Kröte!« Natalias Geist hatte sich komplett im Netz verhakt. Seven hatte mit diesem Spezialequipment wirklich gute Arbeit geleistet. Nur war das nicht ganz das, was sich Varla erhofft hatte.

Immerhin setzte sich nun Parker in Bewegung. Er schwebte ganz nah an Seven heran, wobei seine Geisterbrust bebte. Der Anblick löste ein dumpfes Ziehen in Varlas Magengrube aus.

»Seven? Hörst du mich?«

Nichts.

Widerwillig blickte Varla auf ihre Hand, tippte dann übertrieben auffällig mit ihrem Finger auf ihr linkes Handgelenk, wo eine Uhr hingehörte, um Parker zur Eile anzutreiben. Warum trödelte er so herum?

»Seven, bitte schüttle sie ab. Du kannst es«, fuhr Parker fort. »Denk an heute Abend, deine starke Rede beim Ball. Eigentlich wollte ich danach in Ruhe mit dir reden …«

Mehr bekam Varla nicht mit, denn ein Grollen bewegte sich auf sie zu, als handle es sich dabei um ein lebendiges Wesen, was sie vom direkten Geschehen vor ihr ablenkte.

»Mrs Sukarno?« Auf einmal stand sie vor ihnen. Wutentbrannt. Mit zusammengezogenen Augenbrauen. Die Mutter der indonesischen Drillinge.

Was wollte eine Mutter beim Ball? Eltern waren nicht eingeladen. Doch das war nicht mal das Seltsamste. Denn einen Atemzug später verließ Mrs Sukarno ihren Körper. Nur für einen Moment und im Rahmen eines Hicksers, wie bei einem Schluckauf. In Varlas Innerem gingen sofort mehrere Warnlampen an. Mrs Sukarno war auf die Geisterebene gewechselt. Das … sollte normalerweise nicht möglich sein. Nicht nur, dass Mrs Sukarno deutlich älter als fünfundzwanzig war und damit zu alt für geistbegabte Fähigkeiten, sie musste ihren Erzählungen nach zu ihrer Schulzeit Teil der Forscher-SU gewesen sein. Wie konnte sie da Jägerfähigkeiten zeigen?

»So war das nicht abgemacht! Da drin sind meine Kinder!« Sie stürzte sich geradezu auf Seven, rüttelte an ihrer Schulter. »Lass die Kinder da raus.«

»Sie werden dafür bezahlen. Für alle Blutschuld und all die Folter …«, sagte Seven. Ihre Stimme klang viel zu tief …

Mrs Sukarno holte aus und schlug Seven mit der flachen Hand ins Gesicht. »Was habt ihr mit den Türen gemacht?«

Seven grinste. Ein diabolisches Grinsen, das Varla noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte.

Die Türen!

Rasch sah sie sich um. Parker flackerte, bemühte sich immer noch um Sevens Aufmerksamkeit.

Natalia kämpfte mit dem Netz.

Durch eins der beiden schmalen Toilettenfenster zogen Bayle und Trent ein Mädchen mit Dutt und gelbem Ballkleid heraus. Marie aus Varlas Mediums-SU.

Das ging viel zu langsam. Das Feuer … Varla hob den Kopf. Mittlerweile fraß es sich durch die Balken. Der Geruch nach Lagerfeuer und die Hitze, die in Varlas Gesicht brannte, kitzelte an ihren Nervenenden. Adrenalin schoss durch ihre Adern. Wo blieb denn nur die Feuerwehr? Die Hatties hatten sie sicher bereits gerufen. Sie musste los. Selbst einen Feuerlöscher holen oder noch besser … – eine Idee blitzte in Varla Kopf auf.

Ohne den anderen zu sagen, was sie vorhatte, preschte Varla in Richtung Schule.

Ganz offensichtlich hatten inzwischen ein paar Geister mitbekommen, was los war, denn eine Handvoll von ihnen schwebte ihr entgegen, und zwar auf die Turnhalle zu. Ruben mit seiner halben Brille war unter ihnen. Einer der Geister, der schon am längsten in der Schule spukte. Ruben! Vielleicht war er die Lösung.

»Ruben!« Wie eine Ertrinkende ruderte sie mit den Armen, während sie die letzten Schritte auf ihn zusprang. »Du musst mir helfen!«

»Wie bitte, Darla?«, fragte er, wobei er perplex über seine Brillenränder hinweg zu ihr nach unten schielte.

Varla verzichtete darauf, ihn zu korrigieren.

»Wenn du ein gutes Herz hast, begleite mich zur Turnhalle. Du könntest alle eingesperrten Schüler retten.«

Der Geist wirkte, als müsste er über jedes Wort von Varla einzeln nachdenken.

»Alle würden dich als Helden feiern.«

Ruhig bleiben, ermahnte sich Varla. Sie konnte ihn schlecht dazu drängen. Die anderen Geister schwebten nun näher an ihn heran.

»Du, ein Held?«, fragte Leah-Belle, ein Geistermädchen mit niedlicher Stupsnase.

»Ja, ja, das bin ich.« Von einem Augenblick auf den nächsten reckte Ruben die schmale Brust. »Wie kann ich helfen, Mylady?« Da er sich in einer Verbeugung übte, rutschte ihm die Brille von der Nase. Kein Wunder, denn sie hing ja nur an einem Bügel. Gerade noch rechtzeitig gelang es ihm, sie aufzufangen. Doch mit den eigenartigen Geistergesetzen konnte sich Varla jetzt nicht befassen.

»Mitkommen. Schnell.« Sie winkte ihm zu, wandte sich um und sprintete zurück.

Auf den Anblick der Turnhalle war sie nicht vorbereitet gewesen, ebenso wenig wie auf die Schreie. Mittlerweile musste Panik unter den Ballgästen ausgebrochen sein, denn das halbe Dach stand in Flammen. Neben Trent und Bayle hatte sich erst ein Dutzend Schüler versammelt. Ein Pärchen versuchte das zweite Toilettenfenster aufzubrechen, das offensichtlich klemmte.

»Okay, hör mir zu.« Sie erklärte Ruben in einfachen Worten den Plan, damit er möglichst schnell begriff. Das musste einfach funktionieren!

»Ich werde dahinten gebraucht. Du kriegst das schon hin, Ruben. Ich glaube an dich.« Es kribbelte Varla in den Fingern, sie musste sehen, was am Hintereingang los war. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Tür dort aufzubrechen? Hatte Parker Seven schon zurückholen können? Wenn ihnen das gelang, musste heute Nacht niemand qualvoll verbrennen.

Kapitel 2

Mist, großer Mist, verflucht großer Mist.

Es durfte jetzt nichts mehr schiefgehen. Varla handelte einfach, ohne nachzudenken.

Sie funktionierte wie ein programmierter Roboter. »Parker, bemüh dich weiter!«, herrschte sie ihn an, sobald sie ihn erreichte. Mit traurigem Blick verharrte Parker immer noch neben Seven. Die wiederum fixierte die rauchende Tür vor sich wie ihre Lieblingssoap.

»Schau sie nicht einfach nur an. Zeig deine Gefühle.« Varla wedelte mit der Hand in Richtung des Geister-Parkers. »Ich will dich ja nicht unter Druck setzen, aber es geht um Leben und Tod.« Ganz gewiss blieben dem guten Parker nur noch wenige Minuten. Sehr wenige, bis sein Körper das Zeitliche segnete. Und ihre Mitschüler in der Turnhalle würden bald ein ähnliches Schicksal teilen.

Parker verharrte so regungslos in der Luft, dass sie schon dachte, es wäre zu spät. Doch dann fuhr ein Ruck durch seinen Geisterkörper und er wandte seine volle Aufmerksamkeit Seven zu.

Endlich ließ auch Mrs Sukarno von Seven ab und steuerte das zweite Fenster an, offensichtlich, um bei der Evakuierung zu helfen.

»Wenn diese Superkräfte wirklich mal zu was nützlich wären«, murmelte sie.

Durch das Feuer und die Geister schien die Welt um Varla herum auf einmal zu glühen.

Ein Setting wie direkt aus der Hölle geboren. Varla rieb sich die brennenden Augen. Ruß klebte an ihr, als hätte sie sich mitten in einen grauen Sandsturm gewagt. Irgendwer hatte ein Brecheisen und einen Hammer aufgetrieben. Vermutlich aus dem Hausmeisterarsenal. Yoko, das musste Yoko gewesen sein. Also war der Plan mit dem Schlüssel nicht aufgegangen. Bayle setzte das Brecheisen am Fensterrahmen an. Ein Ruck, es knirschte. Emerson kam ihm zu Hilfe, packe ebenfalls das Eisen, um die Hebelwirkung zu verstärken. Trent stand mehr oder weniger hilfreich daneben.

Das konnte funktionieren. Das Türschloss der Hintertür wäre zwar Erfolg versprechender gewesen, aber das stand bereits in Flammen. Wenn doch nur Shana und Ira nichts geschah!

Die Schüler im Gebäude verhielten sich ruhiger als erwartet. Nur ab und zu hörte man Erwachsene etwas brüllen. Varla erinnerte sich daran, dass nicht nur Lehrer, sondern auch Parteimitglieder der LGW und NWOG heute Abend auf dem Ball anwesend waren.

Geist um Geist näherte sich der Schulturnhalle, manche schlüpften hinein, manche warteten genauso angespannt wie Varla draußen.

»Hey, Leah-Belle.« Varla wandte sich dem Geistermädchen zu. »Kannst du nachsehen, ob Ruben erfolgreich war?«

Leah-Belles Augen glänzten. Offensichtlich froh darüber, eine Aufgabe übertragen bekommen zu haben, zischte sie los.

»Wenn meinen Mädchen etwas zustößt, mache ich euch fertig!«, brüllte Mrs Sukarno. Wen sie damit meinte, war Varla zunächst nicht ganz klar. Seven? Doch dann machte es klick. Während sich Puzzleteil um Puzzleteil in Varlas Kopf zusammensetzte, biss sie sich auf die Unterlippe. Mrs Sukarno hasste die Hatties und ihre Ansichten. Nicht nur einmal hatte sie versucht durchzusetzen, dass man Geisterforscher in einer der drei Begabten-SUs aufnahm und heute Abend war sie nicht nur durch die Schule geschlichen wie ein Einbrecher, nein, sie hatte vor wenigen Minuten eine Fähigkeit der Geisterjäger gezeigt. Und das, obwohl sie nie in einer Begabten-SU gewesen war. Das musste bedeuten … Entweder hatte man ihre Kräfte bisher unterdrückt oder … Irgendwie hatte sie sich Kräfte verschafft … Dafür gab es eigentlich nur einen Weg. Mit Geisterplasma, wenn Varla das richtig verstanden hatte, war es möglich, aber auch gefährlich. Man konnte schnell durchdrehen und komplett süchtig nach dem Stoff werden. Aber auf diese Weise war das Körperverlassen-Phänomen von vorhin zu erklären … Nur von wem hatte sie den Stoff? Einem Geisterplasma-Dealer?

Und was hatte sie ihm dafür versprochen? Oder war sie selbst an das Plasma gekommen, indem sie es von den Geistern im Keller entnommen hatte? Oder war Mrs Sukarno doch eine der wenigen Erwachsenen, die ihre Geistbegabung behielten? Nur warum hatte man sie zuvor als Forscher eingestuft? Varla wischte sich über die schweißnasse Stirn. Das Feuer strahlte viel zu viel Hitze ab. Mit den Gedanken zu Mrs Sukarno musste sie sich später beschäftigen, jetzt ging es um das Leben ihrer Mitschüler.

»Carla! Ist hier eine Carla?« Leah-Belle kam um die Ecke geschossen. Sobald sie Varla erblickte, lächelte sie. »Das bist du, oder? Ruben meint, es hat geklappt und ich soll Carla ausrichten, dass sie kommen soll.«

Varla verdrehte die Augen. »Jap, er meint mich.« Nach einem letzten eindringlichen Blick in Richtung Parker, der immer noch auf Seven einredete, raste Varla los.

Parker

Parker wusste, dass es an ihm lag. Nur plötzlich war all sein Mut, den er nach Sevens Ansprache verspürt hatte, wieder verflogen. Schließlich hatte Varla ihn gewarnt, dass etwas Schreckliches geschehen würde, wenn er und Seven zusammenkamen. Und in gewisser Weise hatte er sich seine Gefühle für sie vor wenigen Minuten eingestanden. War das eventuell schon der Auslöser gewesen? War der Brand seine Schuld? Würden seinetwegen viele Menschen ihr Leben lassen müssen? Vielleicht sogar Crowe? Der Gedanke machte ihn ganz schwummrig, noch dazu zerrte sein reeller Körper an ihm, wollte seine Geisterseele zurückhaben.

Doch dann traf ihn Varlas Blick. Noch ein Versuch. Aller guten Dinge waren drei.

»Seven, du kannst mich sicher hören. Bitte schieb diesen Poltergeist weg, der von dir Besitz ergriffen hat, ich weiß, du kannst das.«

Gut, das war schon mal was, aber er brauchte mehr. Und Seven brauchte einen Ansporn, um Kraft zu sammeln.

Vorsichtig griff er nach Sevens Hand. Sie ließ es zu, starrte allerdings immer noch wie hypnotisiert auf den Notausgang der Turnhalle.

»Was ich dir eigentlich vorhin hatte sagen wollen …« Er räusperte sich. »Du hast mich echt umgehauen eben auf der Bühne. Aber auch schon vorher … ich habe wirklich versucht, meine Gefühle für dich zu unterdrücken, vor allem wegen Crowe. Denn er ist verknallt in dich. Wahrscheinlich hast du es dir schon zusammengereimt, aber seine Ex-Freundin hat ihn wegen mir verlassen. Crowe nimmt Medikamente gegen seine Stimmungsschwankungen und er hat mich angefleht, dich ihm nicht wegzunehmen.«

Immer noch keine Reaktion von Seven. Doch davon ließ sich Parker nicht beirren. Es gab nur diese eine Chance. Seven musste eine starke Welle an Gefühlen entwickeln, wie Geister, die dadurch Gegenstände bewegen konnten. Seven blieb nur diese eine Möglichkeit, um sich selbst zu befreien.

Und er würde sie dabei unterstützen. Bloß wie?

»Ich …« Verzweifelt sah Parker sich um. Seine bisherige Taktik schien nicht gerade von Erfolg gekrönt zu sein. Das Feuer war inzwischen viel zu nahe. Eilig machte er einen Schritt zurück, zog Seven dabei mit sich. Zwei Schritte. Mehr ließ sie nicht zu.

Parker legte den Kopf in den Nacken. Wenn er so nicht weiterkam, sollte er seine Einstellung ändern. Wenn er mit hartem Tonfall kein Geschäft abschließen konnte, dann musste er es mit Freundlichkeit versuchen. So die oft gepredigte Theorie, mit der sein Dad seinen eigenen Angaben nach sein Vermögen aufgebaut hatte. Im Prinzip hatte er diesen Rat seines Vaters immer als großspurige Aufschneiderei abgetan. Aber jetzt konnte er seine Worte deutlich hören.

Ändere deine Strategie.

Parkers ganze Geisteroberfläche kribbelte, schien an manchen Stellen Wellen zu schlagen. Gut, ein Manöverwechsel. Jetzt.

»Seven, es ist Zeit, etwas zu unternehmen.« Er ließ seine Stimme fest klingen. Wenn Varla zurückkehrte, das schwor er sich, würde er die echte Seven in seinen Armen halten und sich um sie kümmern. Er verstärkte seinen Griff um ihre Hand, verflocht dann seine Finger mit ihren, wobei er in ihr regloses Gesicht sah. »Du und ich, wir werden diesen Abend gemeinsam überleben. Ich gestehe dir endlich, was ich wirklich für dich empfinde, und du schüttelst diesen Dämon ab.«

Täuschte er sich, oder hatte Seven eben doppelt so häufig geblinzelt wie noch kurz zuvor?

»Wahrscheinlich hätte ich dir das schon viel früher sagen sollen«, fuhr Parker fort. Zugegeben, er begriff selbst, dass er sich gerade um Kopf und Kragen redete. »Bitte, Seven, komm da raus. Befrei dich aus diesem Gefängnis, damit ich dir endlich sagen kann, was ich für dich fühle.«

In Sevens Augen flackerte es und die Härchen an ihren Armen richteten sich auf.

Funktionierte es? Kurz überlegte Parker, ob er so weit gehen und sie küssen sollte. Nicht zum ersten Mal dachte er daran, sehnte sich nach dem Gefühl, das er bei einem Kuss zwischen ihnen erwartete. In Baden-Baden vor ein paar Tagen war er kurz davor gewesen, es zu tun. Bis ihm Crowe und Natalia in die Quere gekommen waren. Und danach eben Varlas Weissagung. Parker wollte nichts mehr, als Sevens Lippen schmecken, mehr von diesem fruchtigen Duft aufsaugen, der Seven umgab wie ein tropischer Cocktail.

Aber die Situation, in der sie sich befanden, war nicht der perfekte Moment für einen Kuss. Zudem war er gerade ein Geist. Parker hielt inne. Erst jetzt ging ihm auf, dass er kurz zuvor Sevens Hand gedrückt und sie sogar von den Flammen und dem Rauch weggezogen hatte. In seiner Geisterform. Wie war das möglich? Lag es daran, dass ein Dämon von ihr Besitz ergriffen hatte, oder daran, dass seine Emotionen so stark waren in Bezug auf Seven? Eher Letzteres. Doch Parker hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.

»Seven, ich kann nicht aufhören, an dich zu denken. An die Art, wie du dir durch deine Haare streichst, wie du mich ansiehst, an dein sanftes Lächeln, wie du dich für die Schwächeren einsetzt und Natalia dich mal kann. Eigentlich wusste ich es vom ersten Moment an. In dir steckt so viel mehr. Wenn ich in deine Augen schaue, sehe ich die komplette Tiefe des Universums. Du bist das Gegenteil von oberflächlich. Du erkennst in jeder Situation, was richtig und was falsch ist. Deine Seele ist so uralt wie meine. Bisher habe ich meine Gefühle für dich unterdrückt. Wegen Crowe und dem, was Varla gesagt hat. Genau deswegen wollte ich vorhin mit dir sprechen. Weil ich dir nicht verheimlichen wollte, dass etwas Furchtbares geschehen wird, wenn wir beide zusammenkommen. Aber das alles ändert nichts daran, dass ich mich auf den ersten Blick in dich verliebt habe.«

Ganz langsam drehte Seven ihren Kopf in seine Richtung. Ohne zu blinzeln. Ein bisschen wie ein Roboter. Es hatte etwas Gruseliges an sich, so vor dem Hintergrund des Brandes und den Schreien aus der Turnhalle.

Schon glaubte Parker, dass jetzt alles verloren war, dass es nicht geklappt hatte. Doch dann schnappte Seven nach Luft, als wäre sie gerade aus einem stürmischen Meer aufgetaucht.

»Was?« Ihr ganzer Körper zitterte trotz der Hitze, die das Feuer abstrahlte. »Parker?«

Er lächelte. Sie war wieder da. Bei ihm. Wie gern hätte er sie jetzt in den Arm genommen! Doch dafür blieb keine Zeit. An seinem Bauchnabel zerrte etwas wie ein Haken, der einen brennenden Schmerz hinterließ. Es war eindeutig. Sein Körper war kurz davor aufzugeben. Er musste zurück.

Seven

Ich verstand zunächst nicht, was los war. Wie war ich hierhergekommen? Wieso brannte die Turnhalle? Wer hatte mein Kleid bis über die Knie abgeschnitten? Klebte da etwa Blut an mir? War das ein Traum oder war ich schon wieder schlafgewandelt? Vor mir stand Parker, der mich traurig anlächelte. Nein, das war nicht ganz korrekt. Sein Geist schwebte vor mir, wurde jedoch in dieser Sekunde von mir weggerissen wie von einer fremden Macht, entfernte sich immer weiter von mir in Richtung Schule. Das Ganze glich einer Szene aus einem Gruselfilm.

»Parker!« Ich streckte eine Hand nach ihm aus, in meinem Magen regte sich ein komisches, hüpfendes Gefühl. Während ich dem Geisterparker hinterhersah, der über den Rasen sauste, setzte die Erinnerung ein. Er hatte mich aus einer Poltergeisterbesetzung zurückgeholt. So musste es sein. Dieselbe wie an meinem ersten Abend in der fünften SU. Derselbe Geist. Und dieses Mal wusste ich, wer es war.

Kapitel 3

Rauch kitzelte in meinem Rachen, ließ ihn ganz trocken werden. Kurz verstand ich nicht so recht, woher das kam. Bis mir die Tragweite meiner ersten Erkenntnis bewusst wurde. Die Turnhalle brannte! Mit den Gästen des Balls darin? Waren alle in Sicherheit? Das Feuer strahlte so heiß in meine Richtung ab, dass mein Gesicht zu glühen begann. Ich drehte mich um, entdeckte Emerson in einer kleinen Gruppe Schüler, die andere Schüler aus zwei Fenstern zogen, und raste auf sie zu.

Von der anderen Seite hinter Emerson sprintete auf einmal Varla ebenfalls auf die Schüleransammlung zu.

»Der Haupteingang ist wieder offen. Da raus, schnell!« Sie gestikulierte in Richtung der Fenster. »Yoko kommt euch mit dem Feuerlöscher entgegen.«

Sie blickte sich um, wandte sich an ein paar Geister in der Nähe. »Sagt allen in der Halle, sie sollen zum Haupteingang raus. Und wenn ihnen der Weg versperrt ist, durch die Toilettenfenster.«

»Gebt uns Bescheid, falls jemand in der Falle sitzt«, fügte Emerson hinzu. Ihr blondes Haar hatte sich von all dem Ruß und der Asche grau gefärbt.

»Seven?« Varla fixierte mich mit ihrem Blick. In ihren Augen lag etwas Abschätzendes, das ich nicht ganz deuten konnte.

Bevor ich mich zu einer Antwort durchringen konnte, öffnete und schloss ich zunächst mehrfach den Mund. Was war nur geschehen?

»Eben war hier noch alles ruhig und auf einmal seid ihr hier, ich stehe nicht mehr neben dem Busch da und die Turnhalle brennt! Was ist passiert?«

Anstatt mir eine Erklärung zu liefern, überwand Varla die Distanz zwischen uns und schloss mich in ihre Arme.

»Alles wird gut. Sie kommen da raus. Kannst du dich an gar nichts erinnern?«

Mein Kopf ruckte nach oben. »Bin ich schlafgewandelt? Hat Parker versucht mich zu wecken? Mir war so, als hätte er in einem Traum mit mir geredet.«

Varla schwieg. Vermutlich verhieß das nichts Gutes. Genauso wenig wie der Fakt, dass Flammen aus dem Dach der Turnhalle schlugen. »Sind wirklich alle in Sicherheit?«

»Ja. Zumindest auf dem Weg in die Freiheit.« Varla ließ mich los. »Ruben ist neuer Türgeist. Daher haben wir alles im Griff. Er hat die blockierte Tür geknackt.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Wer weiß, was er sich demächst alles einfallen lassen wird, damit wir bis zum Sportunterricht durchgelassen werden. Ein Pfand? Einen Code? Eine Sportübung?«

Oh, die Aufgabe konnte nicht schwierig genug sein. Ich lächelte Varla schwach an, entspannte mich ein wenig und spürte, dass sie dasselbe dachte.

»Wenn es ein Salto rückwärts ist, werde ich nie mehr zum Sport gehen können. Schade.«

Ehe ich Varlas Hand drücken konnte, bemerkte ich, wie die Hatties und Mr Chase auf uns zugesprintet kamen. Irgendetwas schien im Busch zu sein.

Bayle, der ganz in der Nähe stand, konnte sich offensichtlich die Bemerkung nicht verkneifen, dass die Hatties heute im doppelten Sinne als die Hotties bezeichnet werden konnten mit ihren zerrissenen, angesengten Ballkleidern.

Zweifellos wollten sie zu uns. Zu mir …

»Wir müssen hier weg, los!« Varla hakte sich bei mir unter. Zwar fuhr mein Kopf noch herum, aber sie drängte mich bereits im Laufschritt um die Halle, weg von den Hatties. »Die anderen bekommen das ohne uns hin. Die Feuerwehr wird gleich hier sein.«

Aha. Irgendwie verstand ich nicht ganz, was sie mir damit sagen wollte.

»Wir sollten abtauchen, Parker im Krankenflügel treffen und dann sehen wir weiter.«

Auch das kapierte ich nicht vollkommen. Aber ich hatte einige Fragen. Auch an Parker, daher war mir Varlas Plan durchaus recht. Nach einem letzten Blick zurück zur brennenden Turnhalle rannte ich mit Varla über den Rasen davon.

Während wir liefen, dachte ich über das Erlebte nach. Die Uhr im Foyer der Schule zeigte fünf nach elf. Gut, ich hatte erwartet, einige Minuten verpasst zu haben. Durch einen kurzen Aussetzer. Aber eine Stunde? Mir fehlte ziemlich genau eine Stunde, vielleicht etwas mehr als das, seit ich die Turnhalle verlassen hatte. Um halb zehn hatte ich die Rede auf der Bühne gehalten, hatte mit Crowe tanzen müssen und war dann gegen zehn Uhr mit Remi ins Freie gegangen, um auf Parker zu warten. Was bedeutete das?

»Varla …«

Als könnte sie meine Gedanken lesen, wedelte Varla mit ihrer freien Hand vor meinem Gesicht in der Luft herum. »Ich erkläre dir alles, wenn wir Parker treffen.«

Irgendwie sprach sie es so aus, als bestünde die Möglichkeit, dass das nie mehr der Fall sein würde.

»Äh, ist irgendwas mit ihm? Ist Parker verletzt?«

Komischerweise begann nun Varlas Glöckchen an ihrem Satinhalsband zu zittern. Hatte ich ins Schwarze getroffen? Aber warum wollte sie nicht mit mir darüber sprechen? Parker? Noch vor Kurzem hatten wir uns in Ruhe draußen vor der Turnhalle unterhalten wollen und jetzt …? Was hatte ich bloß verpasst? Auf einmal erfasste mich eine heiße Welle der Wut. Warum passierte das immer mir? Ich wachte irgendwo auf und so viel war geschehen.

Immer noch vor mich hin grübelnd ließ ich mich von Varla hoch in den Krankenflügel bugsieren. Sobald wir die Treppe erreicht hatten, setzten draußen Feuerwehrsirenen ein.

»Der Krankenflügel wird gleich überlaufen sein«, murmelte Varla mehr zu sich selbst. »Bitte, bitte, die Zwillinge müssen ansprechbar sein.«

Crowe also auch? Parker und Crowe waren verletzt? Hatten sie sich miteinander geprügelt? Der Verdacht lag nahe. In meinem Hinterkopf pochte es. Hoffentlich nicht meinetwegen. Mit meinem Tanz mit Crowe und meiner Flucht im Anschluss … Ich knabberte an meiner Unterlippe … hatte ich da einen Streit zwischen den Brüdern provoziert?

»Vorsicht, Teppichfalte.« Varla packte mich härter um den Ellenbogen. »Träumst du, Seven? Konzentrier dich!« Panik lag in ihrer Stimme.

»Was ist los mit dir? Denkst du, ich schlafe im Laufen ein, oder wie?« Nachdem ich ihr das an den Kopf geworfen hatte, erntete ich einen schockierten Blick von Varla.

»Tut mir leid«, murmelte ich. »Ich passe besser auf, versprochen.« Warum ich mich zu dieser Beschwichtigung hinreißen ließ, wusste ich selbst nicht. Aber Varla war meine Freundin und irgendetwas schien sie aktuell durcheinanderzubringen.

Sie sah mich nicht an, während sie erzählte, und schnell gewann ich den Eindruck, dass das auch besser so war. Mit den Worten »Deine Hypnotherapie hat eine gewaltige Sicherheitslücke, wenn du mich fragst« ließ sie die Bombe platzen. Plötzlich war ich froh, dass sie meinen Arm umklammerte, denn mir wurde so schwindelig, dass ich ohne sie umgekippt wäre.

Die Worte kamen ihr schnell und abgehackt über die Lippen. Dennoch brannten sie sich wie ein unheilvoller Chor in mein Hirn ein. Alles, was sie mir erzählte. Ich hatte, besessen von einem Poltergeist, immerhin das wusste ich bereits, die Schulturnhalle verriegelt, alle darin eingesperrt und dann die Hintertür angezündet. Ich! Das war exakt der Stoff, aus dem meine Träume waren. Eingesperrte, brennende Menschen.

Ende der Leseprobe